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Währungsunion

Die einheitliche Währung Euro

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Vorbemerkung

Der Euro hat jahrhundertealte europäische Währungen wie Mark, Franc und Drachme verdrängt, seine Einführung war aber ein logischer Schritt zur Vollendung des Binnenmarktes, in dem alle Beschränkungen des Kapital- und des Zahlungsverkehrs verboten sind (Art. 63 AEUV).

Zahlreiche Experten warnten vor der Euroeinführung davor, Staaten mit unterschiedlicher Wirtschaftskraft durch eine gemeinsame Geldpolitik auf Gedeih und Verderb aneinander zu binden. In deutschen Medien wurde vor allem vor der Gefahr der Inflation gewarnt, weil an der Währungsunion auch Länder teilhaben sollten, die den stabilen Geldwert nicht als Voraussetzung für gedeihliches Wirtschaften ansahen. Außerdem wurde prophezeit, der Euro werde gegenüber den Weltwährungen nie so hart sein, wie es die D-Mark war.

Die einheitliche Währung war bisher jedoch stabiler und stärker als der US-Dollar und der japanische Yen. Sie hat Europa besser vor Risiken der Globalisierung und vor Auswirkungen der weltweiten Finanzkrisen 2008/2009 geschützt, als es die nationalen Währungen einzeln könnten. Die Finanzkrise löste allerdings eine Rezession aus, in der die ohnehin schon hohe Verschuldung einiger Eurostaaten so stark wuchs, dass die internationale Spekulation auf einen Zusammenbruch einiger Volkswirtschaften wettete. Dadurch geriet der Euro unter Druck, so dass die Eurostaaten ihre einheitliche Währung in einer beispiellosen Rettungsaktion stabilisieren mussten und weiterhin müssen (s. Zusatzthema „Die Maßnahmen zur Stabilisierung des Euro“).

Die Einführung des Euro

EU-Staaten 2012 mit und ohne Euro; zum Vergrößern auf das Bild klicken

EU-Staaten 2012 mit und ohne Euro; zur Vergrößerung auf das Bild klicken

Die Währungsunion hat am 1. Januar 1999 begonnen. Zuvor waren die Umrechnungskurse der Währungen in Euro unwiderruflich festgesetzt worden. Die Europäische Zentralbank mit Sitz in Frankfurt nahm an diesem Tag ihre Arbeit auf, sie ist seither für die Geld- und Währungspolitik im Euroraum zuständig. Der Euro wurde drei Jahre später, am 1. 1. 2002, als Bargeld eingeführt.

Im Jahr 2012 nehmen 17 EU-Staaten an der Währungsunion teil.

Alle Eurostaaten müssen die Grundsätze einhalten, die in Art. 119 Abs. 3 AEUV genannt sind:

  • – stabile Preise,
  • – gesunde öffentliche Finanzen und monetäre Rahmenbedingungen sowie
  • – eine dauerhaft finanzierbare Zahlungsbilanz.

Die Konvergenzkriterien

Wenn ein EU-Staat der Währungsunion beitreten will, muss er bestimmte Voraussetzungen (die Konvergenzkriterien) erfüllen: die Inflationsrate und das Zinsniveau dürfen nicht sehr abweichen von den entsprechenden Werten in den preisstabilsten Mitgliedstaaten, der Wechselkurs seiner Währung zum Euro müssen im Wechselkursmechanismus (WKM II) zwei Jahre lang stabil gewesen sein, die öffentliche Hand muss strikte Haushaltsdisziplin wahren.

Die schwierigste Aufgabe: Haushaltsdisziplin

Haushaltsdisziplin heißt für Eurostaaten: die Neuverschuldung darf in jedem Haushaltsjahr drei Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE) nicht überschreiten und die gesamte Staatsverschuldung muss unter 60 Prozent des BNE bleiben. Diese Obergrenzen dürfen nur in Ausnahmefällen durchbrochen werden, zum Beispiel nach Naturkatastrophen oder in einer ernsten Rezession, d. h. einem Minus des BNE um mehr als zwei Prozent in einem Jahr. Die Eurostaaten müssen an einem Verfahren zur Überprüfung ihrer Haushaltsdisziplin teilnehmen (Art. 121, 126 AEUV).

Auch in besseren Zeiten ist es manchen Staaten schwergefallen, die Ausgaben zu kürzen statt neue Schulden zu machen. Wo die Arbeitslosigkeit hoch ist, die Unternehmen abzuwandern drohen und Wahlen vor der Tür stehen, sind Regierungen oft nicht in der Lage, die langfristig einzig richtige Politik des soliden Haushalts dem kurzfristigen Erfolg des schuldenfinanzierten Wachstums vorzuziehen.

Der Stabilitäts- und Wachstumspakt

Um sich selbst zur Haushaltsdisziplin zu zwingen, haben die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten am 17. Juni 1997 in Amsterdam einen „Stabilitäts- und Wachstumspakt“ beschlossen. Er ist 2005 und 2011überarbeitet worden. Der Pakt soll mangelnder Haushaltsdisziplin vorbeugen (präventive Komponente) und übermäßige Verschuldung zu einem ausgeglichenen Haushalt zurückführen (korrektive Komponente). Die Eurostaaten müssen der Kommission ein jährlich aktualisiertes „Stabilitätsprogramm“ für das zurückliegende, das laufende und mindestens drei folgende Jahre vorlegen. Der Rat der Wirtschafts- und Finanzminister (ECOFIN-Rat) prüft, ob diese Programme realistisch sind, ob sie genügend Spielraum haben, falls die Entwicklung von den Prognosen abweichen sollte, und ob die geplanten Maßnahmen einen ausgeglichenen Haushalt garantieren. Er prüft auch, ob die Staaten die verbindlichen Grundzüge der Wirtschaftspolitik der EU einhalten, die der Rat nach Vorgaben des Europäischen Rats festlegt (Art. 121 AEUV). Der Stabilitäts- und Wachstumspakt ist im Dezember 2011 zum zweiten Mal reformiert und verschärft worden.

Das Defizitverfahren

Die Staaten müssen regelmäßig statistische Daten an die Kommission melden, damit geprüft werden kann, ob ihre wirtschaftliche Entwicklung und ihre Haushaltslage mit den Prognosen ihrer Stabilitätsprogramme übereinstimmen. Hat ein Staat die Obergrenzen der Haushaltsschulden überschritten, wird ein Defizitverfahren eingeleitet (korrektive Komponente), nach der Reform des Pakts von 2005 nicht mehr automatisch, seit der zweiten Reform 2011 wieder „quasi automatisch“. Die Kommission erstellt zunächst einen Bericht. Der Rat entscheidet danach, ob ein übermäßiges Defizit des Staates vorliegt oder ob der Staat seinen zu hohen Schuldenstand nicht ausreichend abbaut. Er schlägt dann dem Staat Korrekturmaßnahmen vor. Bleibt das Defizit weiterhin über der Obergrenzeoder der Gesamtschuldenstand zu hoch, fordert der Rat in seinem zweiten Schritt die Regierung auf, innerhalb einer kurzen Frist die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen. Reicht auch das nicht zur Korrektur des Defizits, können Strafen verhängt werden, falls der betreffende Staat nicht auf besondere Gründe für seine Verschuldung verweisen kann (Naturkatastrophe, ernste Rezession) und damit eine Ausnahmeregelung für sich beanspruchen darf.

Die ECOFIN-Minister der Eurostaaten haben nach der Reform von 2005 mit zwei Dritteln der gewichteten Stimmen und ohne Stimme des betroffenen Staates entschieden, ob Geldbußen verhängt werden. Seit der zweiten Reform von 2011 können die von der Kommission empfohlenen Strafen vom Rat nur noch mit qualifizierter Mehrheit gestoppt werden. Die Strafen betragen mindestens 0,2 Prozent des BNE des Staates. Das Bußgeld wird zunächst als unverzinste Einlage hinterlegt und wird zur verlorenen Finanzbuße, wenn das Defizit nach zwei Jahren immer noch besteht. Das Geld fällt dann den Eurostaaten zu, die ihre Haushalte in Ordnung gehalten haben.

Der Stabilitätspakt konnte jedoch nicht verhindern, dass schon 2009 alle Eurostaaten außer Finnland und Luxemburg mit ihrem Haushaltsdefizit die 3-Prozent-Grenze überschritten haben, einige (Irland, Griechenland und Spanien) sogar um ein Vielfaches (siehe Zusatzthema „Defizitverfahren“).

Verstärkte finanz-und wirtschaftspolitische Steuerung

Zur Eindämmung der negativen Auswirkungen der Schuldenkrise in einigen Eurostaaten haben die EU und die Eurogruppe eine Reihe von Instrumenten geschaffen, die vor allem die Koordinierung in den Bereichen Finanzpolitik (Haushalte der Mitgliedstaaten) und Wirtschaftspolitik verbessern werden. Hierzu zählen u. a.:
Das „Europäische Semester“
Die sechs Gesetze zur Reform der haushalts- und wirtschaftspolitischen Überwachung und zur Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte („Sixpack“)
Der Euro-Plus-Pakt
Das Europäische Finanzaufsichtssystem (ESFS)
Die Rettungsschirme EFSM, EFSF und ESM

Außerdem wurden durch Verträge und Verordnungen, die Mitte 2012 noch nicht ratifiziert oder gesetzgeberisch abgeschlossen waren, weitere Schritte eingeleitet. Hierzu zählen u. a.:
Der Fiskalvertrag
Zwei Gesetzentwürfe zur intensiveren Überwachung der finanziellen und wirtschaftlichen Lage von Mitgliedstaaten, die in Schwierigkeiten geraten sind („Twopack“)
Der Pakt für Wachstum und Beschäftigung
Die Verschärfung der Eigenkapitalvorschriften für Banken (Basel III)
Die Einrichtung einer europäischen Bankenaufsicht

Das Europäische System der Zentralbanken

Für Preisstabilität im Euroraum ist vor allem die Europäische Zentralbank (EZB) mit Sitz in Frankfurt am Main zuständig. Sie bildet gemeinsam mit den nationalen Zentralbanken der Euroländer das Europäische System der Zentralbanken (ESZB). Ihre Aufgaben sind in den Artikeln 127 bis 132 AEUV niedergelegt, ihre Satzung ist als Protokoll des Vertrags Bestandteil des Primärrechts der Union. Das sechsköpfige Direktorium der EZB und die Präsidenten der nationalen Zentralbanken der Euroländer bilden den EZB-Rat, das höchste Beschlussorgan. Die EZB ist unabhängig, weder Regierungen noch EU-Organe dürfen ihr Weisungen erteilen. Sie darf Regierungen keine Kredite zur Staatsfinanzierung geben. Sie allein hat das Recht, die Ausgabe von Euro-Banknoten zu genehmigen (Art. 128 AEUV).

Sicherung der Preisstabilität hat Vorrang vor der Pflicht der Zentralbank, die allgemeine Wirtschaftspolitik der Union zu unterstützen. Das ESZB legt die Geldpolitik der Union fest, entscheidet beispielsweise über die Höhe des Leitzinses, es führt Devisengeschäfte aus, hält und verwaltet die Währungsreserven der Mitgliedstaaten und sorgt für reibungsloses Funktionieren der Zahlungssysteme (Art. 127 AEUV).

Eurogruppe

Eurostaaten können keine nationale Geldpolitik mehr betreiben, mit der die wirtschaftliche Entwicklung ihres Landes gesteuert werden könnte. Um daraus entstehende Fragen und Probleme zu behandeln, haben sie das informelle Gremium der Eurogruppe gebildet. Sie setzt sich zusammen aus den Wirtschafts- oder Finanzministern der Eurostaaten, dem Präsidenten der EZB, dem für Wirtschaft und Währung zuständigen Mitglied der Kommission, dem Vorsitzenden des Wirtschafts- und Finanzausschusses und hohen Beamten aus den Eurostaaten. Sie wählt einen Präsidenten für die Dauer von zweieinhalb Jahren. Seit 10. 9. 2004 ist dies der luxemburgische Premierminister Jean-Claude Juncker, der mehrmals wiedergewählt wurde, zuletzt am 10.7.2012. Die Eurogruppe tagt in der Regel vor dem offiziellen ECOFIN-Rat. Sie kann jedochals informelles Gremium keine rechtsgültigen Beschlüsse fassen. Die Einzelheiten dafür sind im Protokoll Nr. 14 zum AEUV festgelegt.

Nicht-EU-Staaten mit Euro

Neben den 17 EU-Staaten, deren Währung im Jahr 2012 der Euro ist, haben auch die Republik San Marino, das Fürstentum Monaco und die Vatikanstadt den Euro als einzige Währung übernommen und damit das Recht, Euro-Münzen mit eigenen Rückseiten zu prägen. Der Euro wird außerdem in den französischen Überseegebieten Guadeloupe, Martinique, Reunion, Saint-Pierre et Miquelon sowie Französisch-Guayana verwendet. Gesetzliche, aber nicht einzige Währung ist der Euro auch in Andorra, Montenegro und im Kosovo.

EU-Staaten ohne Euro

Die zehn EU-Staaten, die heute noch eigene Währungen haben, üben ihre Geld- und Wechselkurspolitik in eigener Verantwortung aus, stimmen sich aber mit der EZB ab. Sie sind verpflichtet, den Euro einzuführen, sobald ihre wirtschaftliche Lage und ein Haushalt ohne übermäßiges Defizit dies zulässt. Für Dänemark und Großbritannien gelten Ausnahmeregeln („opt out“ für Dänemark; „opt-out“ für Großbritannien); sie können den Euro einführen, müssen es aber nicht. Die Staaten ohne Euro müssen ein ähnliches Konvergenzprogramm verfolgen wie die heutigen Eurostaaten vor Beginn der Währungsunion. Ihre Haushaltsdisziplin wird wie die der Eurostaaten von der Kommission überwacht, allerdings ohne die Konsequenz des korrektiven Defizitverfahrens. Statt der „Stabilitätsprogramme“ der Eurostaaten legen sie der Kommission ähnliche „Konvergenzprogramme“ vor.

Sie treten der Währungsunion bei, sobald sie die Konvergenzkriterien erfüllen und zwei Jahre lang ohne Probleme am Wechselkursmechanismus von 2006 (WKM II) teilgenommen haben. Im WKM II wird zwischen der nationalen Währung und dem Euro ein Leitkurs festgelegt, von dem die Währung zwei Jahre lang nur geringfügig abweichen darf, wenn sie vom Euro abgelöst werden soll. Der Wechselkursmechanismus beruht auf einem Abkommen zwischen der EZB und den Nationalbanken der EU-Staaten ohne Euro (veröffentlicht im Amtsblatt C 73 / 2006). 2012 nahmen drei EU-Staaten am WKM II teil: Dänemark, Lettland und Litauen. Schwedens Bevölkerung hatte die Einführung des Euro in einem Referendum 2003 abgelehnt. Das Land erfüllt zwar die Konvergenzkriterien, nimmt aber bisher nicht am WKM II teil und umgeht so die Bedingungen zum Euro-Beitritt.

Zu den Zusatzthemen und Hintergrundinformationen zu Modul 6