BERICHT über den Vorschlag für einen Beschluss des Rates zur Einführung eines Evaluierungsmechanismus für die Überwachung der Anwendung des Schengen-Besitzstands

9.10.2009 - (KOM(2009)0105 – C6‑0111/2009 – 2009/0032(CNS)) - *

Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres
Berichterstatter: Carlos Coelho

Verfahren : 2009/0032(CNS)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
A7-0035/2009

ENTWURF EINER LEGISLATIVEN ENTSCHLIESSUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS

zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates zur Einführung eines Evaluierungsmechanismus für die Überwachung der Anwendung des Schengen-Besitzstands

(KOM(2009)0105 – C6‑0111/2009 – 2009/0032(CNS))

(Verfahren der Konsultation)

Das Europäische Parlament,

–   in Kenntnis des Vorschlags der Kommission (KOM(2009)0105),

–   gestützt auf Artikel 39 Absatz 1 und die Artikel 30 und 31 des EG-Vertrags, auf deren Grundlage es vom Rat konsultiert wurde (C6‑0111/2009),

–   gestützt auf Artikel 100 und Artikel 55 seiner Geschäftsordnung,

–   in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (A7‑0035/2009),

1.  lehnt den Vorschlag der Kommission ab;

2.  fordert die Kommission auf, ihren Vorschlag zurückzuziehen und einen neuen Vorschlag vorzulegen;

3.  beauftragt seinen Präsidenten, den Standpunkt des Parlaments dem Rat und der Kommission zu übermitteln.

BEGRÜNDUNG

EINLEITUNG

Die Schaffung des Schengen-Raums Ende der 80er und zu Beginn der 90er Jahre, wodurch die Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen zwischen den teilnehmenden Ländern entfielen und eine Freizügigkeit innerhalb dieses Raumes eingeführt wurde, war einer der größten Erfolge der europäischen Geschichte. Parallel dazu wurden verschiedene Kompensationsmaßnahmen umgesetzt, insbesondere die Stärkung der Kontrollen an den Außengrenzen, die Zusammenarbeit von Polizei, Zoll und Justiz, die Einrichtung des Schengener Informationssystems usw.

Die Abschaffung der Kontrollen an den Binnengrenzen erfordert ein uneingeschränktes gegenseitiges Vertrauen zwischen den Mitgliedstaaten bezüglich ihrer Fähigkeit, die Begleitmaßnahmen, die diese Abschaffung erlauben, in vollem Umfang anzuwenden. Die Sicherheit des Schengen-Raums hängt nämlich von der Strenge und Wirksamkeit ab, die jeder Mitgliedstaat bei den Kontrollen an seinen Außengrenzen anwendet, sowie von der Qualität und dem Tempo, mit denen der Informationsaustausch über das SIS erfolgt. Schwäche oder ungenügende Ausführung eines dieser Elemente ist ein Risiko für die Sicherheit der Union und die Wirksamkeit des Schengen-Raums.

Im Jahre 1998 wurde ein Ständiger Ausschuss[1] eingerichtet, dem die Aufgabe übertragen wurde, die Mitgliedstaaten zu zwei unterschiedlichen Zeitpunkten zu evaluieren:

– Inkrafttreten – Es musste geprüft werden, ob alle Vorbedingungen für die Anwendung des Schengen-Besitzstands so erfüllt wurden, dass die Abschaffung der Grenzkontrollen erfolgen konnte.

– Anwendung – Das gegenseitige Vertrauen, das im Zeitpunkt der Abschaffung der Grenzkontrollen geschaffen wurde, muss dadurch aufrechterhalten und gestärkt werden, dass bewertet wird, wie der Schengen-Besitzstand von den Mitgliedstaaten angewendet wird.

Mit Inkrafttreten des Vertrags von Amsterdam im Jahr 1999 und der Übertragung des Schengen-Besitzstands in den Rahmen der EU wurde der Name dieses Ständigen Ausschusses in „Gruppe ,Schengen-Bewertung’“ (SCH-EVAL) geändert, im Übrigen blieb aber sein Auftrag unverändert, und er behielt seinen zwischenstaatlichen Charakter.

ANWENDUNGSBEREICH DES VORSCHLAGS

Durch den vorliegenden Vorschlag wird der erste Teil des Auftrags in keiner Weise geändert, nach dem die Gruppe „Schengen-Bewertung“ ihre Zuständigkeiten im Bereich der Evaluierung behält, die dem Inkrafttreten vorausging und Ausgangspunkt der unverzichtbaren Beziehung gegenseitigen Vertrauens war.

Er bezieht sich somit auf den zweiten Teil des Auftrags, d. h. die Prüfung der ordnungsgemäßen Anwendung des Besitzstands nach Abschaffung der Kontrollen an den Binnengrenzen, und es ist vorgesehen, dass die Kommission alle von der Gruppe „Schengen-Bewertung“ wahrgenommenen Zuständigkeiten übernimmt.

Vorgeschlagen wird ein effizienterer Schengen-Evaluierungsmechanismus, mit dem die transparente, wirksame und kohärente Anwendung des Schengen-Besitzstands gewährleistet werden kann.

Ferner soll auf die Entwicklung der Rechtslage nach der Übernahme des Schengen-Besitzstands in den Rahmen der EU reagiert werden, indem jeder Bestimmung des Besitzstands im Rahmen der ersten und der dritten Säule eine Rechtsgrundlage zugewiesen wird. Es wird ein Rechtsrahmen geschaffen, um die ordnungsgemäße Anwendung der Teile des Schengen-Besitzstands, die zum Gemeinschaftsrecht gehören, zu bewerten, zusammen mit dem Vorschlag für eine Verordnung (erste Säule).

Allerdings verliert dieses Ziel seinen Sinn, wenn der Vertrag von Lissabon in Kraft tritt (wobei absehbar ist, dass dies kurzfristig geschehen kann), denn die neue Rechtslage wird durch die Abschaffung der Struktur der gemeinschaftlichen Säulen vollkommen anders sein. Es ist von wesentlicher Bedeutung, einen Schengen-Evaluierungsmechanismus einzuführen, der im Einklang mit der Konsolidierung der Funktionen steht, die derzeit auf die erste und die dritte Säule aufgeteilt sind.

RECHTSGRUNDLAGE

Am Ende der letzten Wahlperiode wurde ich zum Berichterstatter für die Vorschläge im Zusammenhang mit der Einführung eines Schengen-Evaluierungsmechanismus benannt. In dieser Eigenschaft ersuchte ich den Juristischen Dienst um ein Gutachten[2] zur Prüfung der Frage, ob die Rechtsgrundlage, die die Kommission für diese Vorschläge gewählt hat, die richtige ist.

Nach diesem Gutachten kann man zu zwei Schlussfolgerungen gelangen:

– Die für die Verordnung zur Einführung eines Evaluierungsmechanismus für die Überprüfung der Anwendung des Schengen-Besitzstands vorgeschlagene Rechtsgrundlage, das heißt Artikel 66 EGV, ist wohl angesichts der vorgetragenen Argumente richtig. Damit findet eine Anhörung des Europäischen Parlaments statt.

– Da durch diesen Mechanismus die Funktionsweise u. a. des SIS, des VIS, des Schengener Grenzkodex und des Visakodex evaluiert werden soll, könnten allerdings mit dem gleichen Ziel u. U. die entsprechenden Verordnungen geändert werden. Da alle diese Instrumente im Mitentscheidungsverfahren angenommen wurden, würden in diesem Fall die entsprechenden Änderungen ebenfalls im Mitentscheidungsverfahren erfolgen.

STANDPUNKT DES BERICHTERSTATTERS

Es ist unbedingt erforderlich, dass es einen Evaluierungsmechanismus gibt, der einfach, wirksam, effizient und transparent ist und der die Beibehaltung des Schengen-Raums als eines Raums der Freizügigkeit ermöglicht. Außerdem ist es unverzichtbar, den zwischenstaatlichen Rahmen der Schengen-Bewertung an den Rahmen der EU anzupassen.

Im Haager Programm wurde die Kommission aufgefordert, einen Vorschlag zur Ergänzung des bestehenden Schengen-Evaluierungsmechanismus vorzulegen. Allerdings beschränken sich diese Vorschläge (unter Beibehaltung der Regelungen hinsichtlich des ersten Teils des Auftrags) darauf (was den zweiten Teil des Auftrags anbelangt), die an dem geltenden Evaluierungsmechanismus[3] in jüngster Zeit vorgenommenen Verbesserungen einzubeziehen, und es wird lediglich eine neue Bestimmung über die Möglichkeit der Durchführung von unangekündigten Ortsterminen in den Vorschlag für eine Verordnung aufgenommen, die allerdings ohne ersichtlichen Grund in dem Vorschlag für einen Beschluss nicht einmal erwähnt sind. Allerdings führen diese Vorschläge zur gänzlichen Übertragung der Rolle, die derzeit der Rat bei dem Evaluierungsmechanismus spielt, auf die Kommission. Dabei sind nur sehr beschränkte Formen der Kooperation mit den Mitgliedstaaten vorgesehen, und das Europäische Parlament nimmt an diesem gesamten Prozess überhaupt nicht mehr teil, ohne dass der zusätzliche Nutzen derselben dargelegt worden wäre.

Ich gebe meiner Befürchtung Ausdruck, dass die Gefahr des Verlusts von Effizienz besteht, wenn man eine vollständige Trennung des Evaluierungsmechanismus hinsichtlich jedes Teiles des Auftrages vornimmt. Auch darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die Kohärenz aufrechterhalten werden muss, Doppelarbeit und doppelter Einsatz von Finanzmitteln vermieden werden müssen und effektiv ein „Upgrade“ des Schengen-Evaluierungsprozesses vorgenommen werden muss.

Auch betone ich, dass wir nicht vergessen dürfen, dass es um die Sicherheit des Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts geht, dessen Aufrechterhaltung und Vertiefung eine gemeinsame Aufgabe nicht nur der Kommission als Hüterin der Verträge, sondern auch der Mitgliedstaaten, die weiterhin für die Sicherheit an ihren Außengrenzen verantwortlich sind, und des Europäischen Parlaments ist, das die europäischen Bürger vertritt. Da es um die Sicherheit des Schengen-Raums und seiner Bürger geht, müssen alle diese Akteure an der Schaffung dieses Evaluierungssystems beteiligt werden, das es ermöglichen wird, diese Sicherheit zu gewährleisten und den Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens zu stärken.

Deshalb ist die Mitentscheidung als Verfahren zu wählen, was den Vorschlag für eine Verordnung betrifft, denn das Europäische Parlament darf nicht nur eine unterstützende Rolle spielen, sondern seine Position muss dem Gewicht entsprechen, das ihm bei der Annahme der entsprechenden Basisrechtsinstrumente zukommt. Deshalb müssen die beiden Vorschläge, die dieselben Probleme betreffen und juristisch die beiden Seiten derselben Medaille darstellen, nämlich die Schaffung eines einheitlichen Systems zur Evaluierung von Schengen, folglich als ein Paket behandelt werden, und die Kommission muss aufgefordert werden, beide Vorschläge zurückzuziehen und neue substantiell verbesserte Vorschläge vorzulegen, bei denen das Mitentscheidungsverfahren beachtet wird, was die erste Säule anbelangt.

Auch bin ich der Überzeugung, dass nach Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon ohnehin die Vorlage neuer Vorschläge erforderlich sein wird, bei denen das einzig anwendbare Verfahren das der Mitentscheidung sein wird.

  • [1]  SCH/Com-ex(98) 26 endg.
  • [2]  SJ-0212/09, D(2009)20022.
  • [3]  Siehe „Schengen Evaluation Programme 2008-2013“

VERFAHREN

Titel

Evaluierungsmechanismus für die Überwachung der Anwendung des Schengen-Besitzstands

Bezugsdokumente - Verfahrensnummer

KOM(2009)0105 – C6-0111/2009 – 2009/0032(CNS)

Datum der Konsultation des EP

27.3.2009

Federführender Ausschuss

       Datum der Bekanntgabe im Plenum

LIBE

2.4.2009

Berichterstatter(-in/-innen)

       Datum der Benennung

Carlos Coelho

22.7.2009

 

 

Prüfung im Ausschuss

5.10.2009

6.10.2009

 

 

Datum der Annahme

6.10.2009

 

 

 

Ergebnis der Schlussabstimmung

+:

–:

0:

40

0

0

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Mitglieder

Jan Philipp Albrecht, Vilija Blinkevičiūtė, Louis Bontes, Simon Busuttil, Philip Claeys, Carlos Coelho, Cornelis de Jong, Agustín Díaz de Mera García Consuegra, Cornelia Ernst, Monika Flašíková Beňová, Kinga Gál, Jeanine Hennis-Plasschaert, Salvatore Iacolino, Sophia in ‘t Veld, Lívia Járóka, Teresa Jiménez-Becerril Barrio, Juan Fernando López Aguilar, Monica Luisa Macovei, Véronique Mathieu, Louis Michel, Claude Moraes, Antigoni Papadopoulou, Carmen Romero López, Judith Sargentini, Birgit Sippel, Csaba Sógor, Renate Sommer, Rui Tavares, Wim van de Camp, Axel Voss, Tatjana Ždanoka

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellvertreter(innen)

Edit Bauer, Michael Cashman, Ioan Enciu, Nadja Hirsch, Monika Hohlmeier, Petru Constantin Luhan, Raül Romeva i Rueda, Joanna Senyszyn, Bogusław Sonik

Datum der Einreichung

9.10.2009