BERICHT über den Antrag auf Aufhebung der Immunität von Antoni Comín i Oliveres

24.2.2021 - (2020/2025(IMM))

Rechtsausschuss
Berichterstatter: Angel Dzhambazki

Verfahren : 2020/2025(IMM)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
A9-0021/2021
Eingereichte Texte :
A9-0021/2021
Aussprachen :
Abstimmungen :
Angenommene Texte :

VORSCHLAG FÜR EINEN BESCHLUSS DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS

zu dem Antrag auf Aufhebung der Immunität von Antoni Comín i Oliveres

(2020/2025(IMM))

Das Europäische Parlament,

 befasst mit einem am 13. Januar 2020 eingegangenen Antrag auf Aufhebung der Immunität, der vom Präsidenten des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof Spaniens) übermittelt und vom Vorsitzenden der Zweiten Kammer des Tribunal Supremo im Zusammenhang mit dem Sonderverfahren Nr. 3/20907/2017 am 10. Januar 2020 gestellt wurde, und unter Hinweis darauf, dass dieser Antrag auf Aufhebung der Immunität am 16. Januar 2020 im Plenum bekannt gegeben wurde,

 nach Anhörung von Antoni Comín i Oliveres gemäß Artikel 9 Absatz 6 seiner Geschäftsordnung,

 gestützt auf die Artikel 8 und 9 des Protokolls Nr. 7 über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union und auf Artikel 6 Absatz 2 des Aktes vom 20. September 1976 zur Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der Mitglieder des Europäischen Parlaments,

 unter Hinweis auf die Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 21. Oktober 2008, 19. März 2010, 6. September 2011, 17. Januar 2013 und 19. Dezember 2019[1],

 unter Hinweis auf die Entscheidung der Junta Electoral Central (Zentrale Wahlkommission Spaniens) vom 13. Juni 2019[2],

 

 unter Hinweis auf die Mitteilung vom 13. Januar 2020 im Plenum, wonach das Parlament infolge des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 19. Dezember 2019 zur Kenntnis genommen hat, dass Antoni Comín i Oliveres mit Wirkung vom 2. Juli 2019 zum Mitglied des Europäischen Parlaments gewählt wurde,

 

 unter Hinweis auf Artikel 71 Absätze 1 und 2 der spanischen Verfassung,

 

 gestützt auf Artikel 5 Absatz 2, Artikel 6 Absatz 1 und Artikel 9 seiner Geschäftsordnung,

 unter Hinweis auf den Bericht des Rechtsausschusses (A9‑0021/2021),

A. in der Erwägung, dass der Vorsitzende der Zweiten Kammer des Tribunal Supremo unter Hinweis auf Artikel 9 Unterabsatz 1 Buchstabe b des Protokolls Nr. 7 über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union im Zusammenhang mit dem Sonderverfahren Nr. 3/20907/2017 – dem Strafverfahren wegen mutmaßlicher Begehung der Straftat des Aufruhrs gemäß Artikel 544 und 545 des Código Penal (Strafgesetzbuch Spaniens) und wegen der Straftat der Veruntreuung öffentlicher Gelder gemäß Artikel 432 Código Penal in Verbindung mit dessen Artikel 252 – die Aufhebung der Immunität von Antoni Comín i Oliveres, Mitglied des Europäischen Parlaments, beantragt hat;

B. in der Erwägung, dass die Handlungen, die Gegenstand des Verfahrens sind, mutmaßlich im Jahr 2017 begangen wurden; in der Erwägung, dass der Eröffnungsbeschluss in dieser Rechtssache am 21. März 2018 erlassen und mit anschließenden Anordnungen zur Zurückweisung von Beschwerden bestätigt wurde; in der Erwägung, dass die Untersuchung mit Anordnung vom 9. Juli 2018 abgeschlossen und am 25. Oktober 2018 als endgültig bestätigt wurde; in der Erwägung, dass mit Anordnung vom 9. Juli 2018 u. a. Antoni Comín i Oliveres für säumig erklärt wurde und entschieden wurde, die Verfahren gegen ihn und andere Personen bis zu ihrem Auffinden auszusetzen;

C. in der Erwägung, dass das Parlament infolge des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 19. Dezember 2019 zur Kenntnis genommen hat, dass Antoni Comín i Oliveres mit Wirkung vom 2. Juli 2019 zum Mitglied des Europäischen Parlaments gewählt wurde;

D. in der Erwägung, dass der Status eines Mitglieds des Europäischen Parlaments mit Wirkung vom 13. Juni 2019 erworben wurde; in der Erwägung, dass der Antrag auf Aufhebung der Immunität daher Sachverhalte und Strafverfolgungsmaßnahmen betrifft, die zeitlich vor dem Erwerb dieses Status und somit auch vor dem Erwerb der Immunität als Mitglied des Europäischen Parlaments liegen;

E. in der Erwägung, dass der Rechtsauschuss die Dokumente, die Antoni Comín i Oliveres den Ausschussmitgliedern gemäß Artikel 9 Absatz 6 der Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments vorgelegt hat und die er für wichtig für das Verfahren erachtet, zur Kenntnis genommen hat;

F. in der Erwägung, dass die Behörden der Mitgliedstaaten über die Angemessenheit eines Gerichtsverfahrens entscheiden;

G. in der Erwägung, dass es nicht Aufgabe des Europäischen Parlaments ist, die Leistungen einzelstaatlicher Rechts- und Gerichtssysteme zu hinterfragen;

H. in der Erwägung, dass das Europäische Parlament in keiner Hinsicht dafür zuständig ist, die Rechtsprechung der nationalen Justizbehörden, die für das in der vorliegenden Angelegenheit zu prüfende Strafverfahren zuständig sind, zu bewerten oder zu hinterfragen;

I. in der Erwägung, dass gemäß spanischem Recht, wie es von den spanischen Gerichten ausgelegt wird und wie dem Parlament von dem betreffenden Mitgliedstaat mitgeteilt wurde, die Zweite Strafkammer des Tribunal Supremo dafür zuständig ist, die Aufhebung der Immunität eines Mitglieds des Europäischen Parlaments zu beantragen;

J. in der Erwägung, dass das Verfahren keine in Ausübung des Amtes als Mitglied des Europäischen Parlaments erfolgte Äußerung oder abgegebene Stimme im Sinne von Artikel 8 des Protokolls Nr. 7 über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union betrifft;

K. in der Erwägung, dass gemäß Artikel 9 Unterabsatz 1 Buchstabe a des Protokolls Nr. 7 über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union Mitgliedern des Europäischen Parlaments im Hoheitsgebiet ihres eigenen Staates die den Parlamentsmitgliedern zuerkannte Unverletzlichkeit zusteht;

L. in der Erwägung, dass es in Artikel 71 Absätze 1 und 2 der spanischen Verfassung heißt:

„1. Die Abgeordneten und Senatoren genießen Unverletzlichkeit hinsichtlich der in Ausübung ihres Mandats geäußerten Meinungen.

2. Ebenso genießen die Abgeordneten und Senatoren während ihrer Mandatszeit Immunität und dürfen nur bei Ergreifung auf frischer Tat festgenommen werden. Sie dürfen nur mit vorheriger Erlaubnis der betreffenden Kammer angeklagt oder gerichtlich verfolgt werden.“;

M. in der Erwägung, dass in dem Antrag auf Aufhebung der Immunität im Hinblick auf die Anwendung von Artikel 71 der spanischen Verfassung und ganz konkret auf die Phase des Verfahrens, in der es nicht erforderlich ist, die Genehmigung des Parlaments zu beantragen, damit ein Strafverfahren gegen eine beschuldigte Person geführt werden kann, die den Status eines Mitglieds des Parlaments erwirbt, mitgeteilt wird, dass ein Antrag auf Aufhebung in Fällen, in denen der Status eines Mitglieds des Parlaments erworben wird, während ein zuvor eröffnetes Gerichtsverfahren anhängig ist, oder in denen ein Mitglied des Parlaments sein Amt nach einer strafrechtlichen Verfolgung antritt, nicht erforderlich ist; in der Erwägung, dass daher kein Antrag auf Aufhebung der Immunität nach Artikel 9 Unterabsatz 1 Buchstabe a des Protokolls Nr. 7 über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union gestellt werden muss, damit im Hoheitsgebiet Spaniens Maßnahmen ergriffen werden können;

N. in der Erwägung, dass es nicht im Ermessen des Europäischen Parlaments liegt, die nationalen Vorschriften über die Vorrechte und Befreiungen von Parlamentsmitgliedern auszulegen;

O. in der Erwägung, dass gemäß Artikel 9 Unterabsatz 1 Buchstabe b des Protokolls Nr. 7 über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union Mitglieder des Europäischen Parlaments im Hoheitsgebiet jedes anderen Mitgliedstaats weder festgehalten noch gerichtlich verfolgt werden können;

P. in der Erwägung, dass die Zweite Kammer des Tribunal Supremo am 4. November 2019 angeordnet hat, einen nationalen, einen Europäischen und einen internationalen Haftbefehl zu Auslieferungszwecken u. a. gegen Antoni Comín i Oliveres, der für säumig erklärt worden war, auszustellen, damit ein ordnungsgemäßes Strafverfahren stattfinden kann; in der Erwägung, dass – wie in dem Antrag auf Aufhebung der Immunität dargelegt wurde – am 10. Januar 2020 der Rechtsbehelf gegen diese Entscheidung in Bezug auf die Widerrufung der „entsprechenden nationalen Überstellungshaftbefehle sowie [der] internationalen Auslieferungshaftbefehle und europäischen Haftbefehle“ zurückgewiesen wurde und dem Rechtsbehelf „gegen den Beschluss [...] vom 4. November 2019 [...] im Sinne der Auslegung durch den EuGH in seinem Urteil vom 19. Dezember 2019 stattgegeben [wurde] und den Beschwerdeführern [...] die Vorrechte und Befreiungen gemäß Artikel 9 des Protokolls Nr. 7 zum AEUV in ihrer Eigenschaft als Mitglieder des Europäischen Parlaments zuerkannt [wurden]“ und dass ferner entschieden wurde, zu beantragen, dass das Europäische Parlament die Immunität von Antoni Comín i Oliveres aufhebt, „damit die Vollstreckung der erlassenen Europäischen Haftbefehle fortgesetzt werden kann“, und die Vollstreckungsbehörde in Belgien davon in Kenntnis zu setzen;

Q. in der Erwägung, dass in Artikel 9 Absatz 8 der Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments festgelegt ist, dass sich der Rechtsausschuss in keinem Fall zur Schuld oder Nichtschuld des Mitglieds bzw. zur Zweckmäßigkeit einer Strafverfolgung der dem Mitglied zugeschriebenen Äußerungen oder Tätigkeiten äußern darf, selbst wenn er durch die Prüfung des Antrags umfassende Kenntnis von dem zugrunde liegenden Sachverhalt erlangt;

R. in der Erwägung, dass die parlamentarische Immunität gemäß Artikel 5 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments kein persönliches Vorrecht eines Mitglieds, sondern eine Garantie der Unabhängigkeit des Parlaments als Ganzes und seiner Mitglieder ist;

S. in der Erwägung, dass die parlamentarische Immunität dem Schutz des Parlaments und seiner Mitglieder vor Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit bei der Ausübung des parlamentarischen Amtes durchgeführten Tätigkeiten, die nicht von diesem Amt getrennt werden können, dient;

T. in der Erwägung, dass die Anklage eindeutig keinen Bezug zu dem Amt von Antoni Comín i Oliveres als Mitglied des Europäischen Parlaments, sondern vielmehr zu seinem früheren Amt als Gesundheitsminister der Govern (katalanische Regionalregierung) aufweist;

U. in der Erwägung, dass Antoni Comín i Oliveres zu einer Gruppe von Personen zählt, die sich in einer ähnlichen Lage befinden, d. h., dass sie strafrechtlich verfolgt und der fraglichen Straftaten beschuldigt werden, wobei der einzige Unterschied darin besteht, dass er derzeit Immunität als Mitglied des Europäischen Parlaments genießt; in der Erwägung, dass daher berücksichtigt werden sollte, dass Antoni Comín i Oliveres in der fraglichen Rechtssache nicht die einzige strafrechtlich verfolgte Person ist;

V. in der Erwägung, dass die zur Last gelegten Handlungen 2017 begangen wurden und das entsprechende Strafverfahren gegen Antoni Comín i Oliveres 2018 eingeleitet wurde; in der Erwägung, dass auf dieser Grundlage nicht geltend gemacht werden kann, dass das Gerichtsverfahren mit der Absicht eingeleitet wurde, die künftige politische Tätigkeit von Antoni Comín i Oliveres als Mitglied des Europäischen Parlaments zu behindern, da sein Status als Mitglied des Europäischen Parlaments zum damaligen Zeitpunkt noch hypothetisch war und in der Zukunft lag;

W. in der Erwägung, dass das Parlament in dem vorliegenden Fall keine Anzeichen von fumus persecutionis gefunden hat, d. h. Tatsachen, die darauf hindeuten, dass das zugrunde liegende Verfahren von der Absicht getragen ist, der politischen Tätigkeit des Mitglieds und damit dem Europäischen Parlament zu schaden;

1. beschließt, die Immunität von Antoni Comín i Oliveres nach Artikel 9 Unterabsatz 1 Buchstabe b des Protokolls Nr. 7 über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union aufzuheben;

2. beauftragt seinen Präsidenten, diesen Beschluss und den Bericht seines zuständigen Ausschusses unverzüglich den spanischen Behörden und Antoni Comín i Oliveres zu übermitteln.


ANGABEN ZUR ANNAHME IM FEDERFÜHRENDEN AUSSCHUSS

Datum der Annahme

23.2.2021

 

 

 

Ergebnis der Schlussabstimmung

+:

–:

0:

15

8

2

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Mitglieder

Manon Aubry, Gunnar Beck, Geoffroy Didier, Pascal Durand, Ibán García Del Blanco, Jean-Paul Garraud, Esteban González Pons, Mislav Kolakušić, Sergey Lagodinsky, Gilles Lebreton, Karen Melchior, Franco Roberti, Marcos Ros Sempere, Ernő Schaller-Baross, Stéphane Séjourné, Raffaele Stancanelli, Marie Toussaint, Adrián Vázquez Lázara, Axel Voss, Marion Walsmann, Tiemo Wölken, Lara Wolters, Javier Zarzalejos

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellvertreter

Daniel Buda, Andrzej Halicki, Emil Radev, Kosma Złotowski

 

 

Letzte Aktualisierung: 5. März 2021
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