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Verfahren : 2017/2931(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument : B8-0595/2017

Eingereichte Texte :

B8-0595/2017

Aussprachen :

PV 15/11/2017 - 7
CRE 15/11/2017 - 7

Abstimmungen :

PV 15/11/2017 - 13.16
CRE 15/11/2017 - 13.16
Erklärungen zur Abstimmung

Angenommene Texte :

P8_TA(2017)0442

Angenommene Texte
PDF 273kWORD 52k
Mittwoch, 15. November 2017 - Straßburg
Die Lage der Rechtstaatlichkeit und der Demokratie in Polen
P8_TA(2017)0442B8-0595/2017

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 15. November 2017 zur Lage der Rechtsstaatlichkeit und der Demokratie in Polen (2017/2931(RSP))

Das Europäische Parlament,

–  unter Hinweis auf die EU-Verträge, insbesondere die Artikel 2, 3, 4, 6 und 7 des Vertrags über die Europäische Union (EUV),

–  unter Hinweis auf die Charta der Grundrechte der Europäischen Union,

–  unter Hinweis auf die Verfassung der Republik Polen,

–  unter Hinweis auf die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) und die einschlägige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR),

–  unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 11. März 2014 mit dem Titel „Ein neuer EU-Rahmen zur Stärkung des Rechtsstaatsprinzips“ (COM(2014)0158),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 13. April 2016 zur Lage in Polen(1),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 14. September 2016 zu den jüngsten Entwicklungen in Polen und ihren Auswirkungen auf die in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerten Grundrechte(2),

–  unter Hinweis auf die Empfehlung der Kommission vom 21. Dezember 2016(3) zur Rechtsstaatlichkeit, die ihre Empfehlung vom 27. Juli 2016 ergänzt und den jüngsten Entwicklungen in Polen angesichts der Ernennung eines neuen Präsidenten des Verfassungsgerichtshofs Rechnung trägt,

–  unter Hinweis auf die dritte Empfehlung der Kommission vom 26. Juli 2017(4) zur Rechtsstaatlichkeit, in der die Kommission erhebliche Bedenken in Bezug auf die geplante Reform der Justiz in Polen zum Ausdruck bringt, durch die ihrer Bewertung zufolge die systemimmanente Gefährdung der Rechtsstaatlichkeit in Polen, die bereits in dem von der Kommission im Januar 2016 eingeleiteten Rechtsstaatsverfahren festgestellt wurde, weiter verschärft wird,

–  unter Hinweis auf die Antwort der polnischen Regierung vom 20. Februar 2017, in der die Behauptung, dass es eine systemimmanente Gefährdung der Rechtsstaatlichkeit in Polen gebe, zurückgewiesen wird, und auf die am 29. August 2017 übermittelte Antwort der polnischen Regierung, in der die Einwände der Kommission gegen die Justizreformen zurückgewiesen werden und die Zuständigkeit der Kommission für die Bewertung des Justizsystems angefochten wird,

–  unter Hinweis auf die von der Kommission gegen Polen eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren, darunter das Verfahren vom 29. Juli 2017 und die begründete Stellungnahme vom 12. September 2017 betreffend das Gesetz über die ordentlichen Gerichte, der zufolge das polnische Gesetz nicht mit dem Unionsrecht vereinbar ist, vor allem nicht mit Artikel 157 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), mit der Richtlinie 2006/54/EG zur Gleichstellung der Geschlechter im Bereich der Beschäftigung und mit Artikel 19 Absatz 1 EUV in Verbindung mit Artikel 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union,

–  unter Hinweis auf die Aussprachen mit Frans Timmermans, erster Vizepräsident der Kommission, in den Sitzungen des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres vom 22. März, 31. August und 6. November 2017,

–  unter Hinweis auf die Aussprachen in den Sitzungen des Rates (Allgemeine Angelegenheiten) vom 16. Mai und 25. September 2017 zur Rechtsstaatlichkeit in Polen,

–  unter Hinweis auf die Stellungnahme der Venedig-Kommission vom 14. Oktober 2016 zu dem Gesetz über den Verfassungsgerichtshof und auf die Erklärung des Präsidenten der Venedig-Kommission vom 24. Januar 2017, in der er erhebliche Bedenken in Bezug auf die sich verschlechternde Lage in Polen zum Ausdruck bringt,

–  unter Hinweis auf die Löschung der Urteile in den drei Rechtssachen K 47/15 vom 9. März 2016 (in dem erklärt wird, dass die von dem polnischen Parlament angenommenen Änderungen des Gesetzes über den Verfassungsgerichtshof verfassungswidrig sind), K 39/16 vom 11. August 2016 (in dem die Rechtmäßigkeit der wichtigsten Bestimmungen des zweiten Gesetzes zur Änderung der Arbeitsweise des Verfassungsgerichtshofs angefochten wird) und K 44/16 vom 7. November 2016 (zur Rechtmäßigkeit der Ernennung des Präsidenten und des Vizepräsidenten des Verfassungsgerichtshofs) am 18. Mai 2017 von der Website des Verfassungsgerichtshofs und aus seiner Online-Rechtsdatenbank,

–  unter Hinweis auf vier Gesetze zur Reform der Justiz – das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Staatliche Hochschule für Richter und Staatsanwälte, des Gesetzes über die ordentlichen Gerichte und bestimmter weiterer Gesetze („Gesetz über die Staatliche Richterhochschule“), das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Landesjustizrat und bestimmter weiterer Gesetze („Gesetz über den Landesjustizrat“), das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die ordentlichen Gerichte („Gesetz über die ordentlichen Gerichte“) und das Gesetz über das Oberste Gericht, die im Juni und Juli 2017 im polnischen Parlament angenommen wurden und Anlass zur Sorge geben, da damit gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung verstoßen und die Unabhängigkeit der Justiz ernsthaft gefährdet wird,

–  unter Hinweis auf das Schreiben des Präsidenten des Europäischen Parlaments vom 18. Juli 2017, in dem er die Besorgnis der großen Mehrheit der Fraktionsvorsitze im Parlament über die angenommenen Gesetze zur Justizreform zum Ausdruck bringt,

–  unter Hinweis auf den Beschluss des polnischen Präsidenten vom 27. Juli 2017, sein Veto gegen zwei umstrittene Gesetze einzulegen, die vom polnischen Parlament Anfang Juli angenommen wurden und durch die die Unabhängigkeit der Justiz in Polen ernsthaft gefährdet wird,

–  unter Hinweis auf die zwei Vorschläge des polnischen Präsidenten zu dem Landesjustizrat und dem Obersten Gericht, bei denen Bedenken bestehen, ob sie mit der polnischen Verfassung vereinbar sind, und in denen nicht auf die Probleme in Bezug auf die Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit der Justiz eingegangen wird,

–  unter Hinweis auf das Urteil des polnischen Verfassungsgerichtshofs vom 24. Oktober 2017, wonach die Vorschriften für die Wahl der Präsidenten des Obersten Gerichts und der Generalversammlung der Richter des Obersten Gerichts verfassungswidrig sind,

–  unter Hinweis auf die vorläufige Anordnung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 27. Juli 2017 in der Rechtssache C‑441/17, den Holzeinschlag im großen Stil im Urwald Białowieża einzustellen, die von der polnischen Regierung nicht befolgt wurde, und auf die Sorge, dass der Wald durch die Fortsetzung des Holzeinschlags während der Bearbeitung der Rechtssache im Gerichtshof erheblich und irreparabel geschädigt würde,

–  unter Hinweis auf die einstweiligen Anordnungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 8. Juni 2017, die Sammelabschiebungen nach Belarus einzustellen, und die Vorschläge des polnischen Innenministers vom Januar 2017 zur Änderung des Ausländergesetzes, deren Vereinbarkeit mit dem Unions- und dem Völkerrecht fragwürdig ist,

–  unter Hinweis auf das im Dezember 2016 geänderte Versammlungsgesetz, aufgrund dessen die Versammlungsfreiheit übermäßig eingeschränkt werden kann und in dem sogenannten regelmäßigen/zyklischen Versammlungen für patriotische, religiöse und historische Veranstaltungen Vorrang eingeräumt wird und die Möglichkeit des Verbots von Gegendemonstrationen durch die Behörden vorgesehen ist,

–  unter Hinweis auf das Gesetz über das nationale Freiheitsinstitut – Zentrum für zivilgesellschaftliche Entwicklung vom 15. September 2017, in dem der Zugang von Organisationen der Zivilgesellschaft zu öffentlichen Finanzmitteln, auch zu Finanzmitteln der EU, der Kontrolle der Regierung unterstellt wird, was Anlass zur Sorge bezüglich der angemessenen Finanzierung von nichtstaatlichen Organisationen und unter anderem vom Frauenrechtsorganisationen gibt,

–  unter Hinweis auf die Berichte internationaler nichtstaatlicher Organisationen über die Rechtsstaatlichkeit und die Grundrechte in Polen, darunter der Bericht von Amnesty International vom 19. Oktober 2017 mit dem Titel „Poland: On the Streets to Defend Human Rights“ (Polen: Auf den Straßen zur Verteidigung der Menschenrechte) und der Bericht von Human Rights Watch vom 24. Oktober 2017 mit dem Titel „Eroding Checks and Balances – Rule of Law and Human Rights Under Attack in Poland“ (Aushöhlung des Prinzips der Gewaltenteilung – Angriff auf die Rechtsstaatlichkeit und die Menschenrechte in Polen),

–  unter Hinweis auf die Stellungnahmen des BDIMR der OSZE vom 5. Mai 2017 zu dem Entwurf der Änderungen des Gesetzes über den Landesjustizrat und bestimmte weitere Gesetze Polens, vom 22. August 2017 zu dem Entwurf des polnischen Gesetzes über das nationale Freiheitsinstitut – Zentrum für zivilgesellschaftliche Entwicklung und vom 30. August 2017 zu bestimmten Bestimmungen des Entwurfs des Gesetzes über das Oberste Gericht Polens, in denen darauf hingewiesen wird, dass die vorgeschlagenen Bestimmungen von Natur aus nicht mit den internationalen Normen und den Verpflichtungen der OSZE vereinbar sind,

–  unter Hinweis auf die abschließenden Bemerkungen des Menschenrechtsausschusses der Vereinten Nationen vom 31. Oktober 2016 zum siebten periodischen Bericht Polens, in denen Polen nachdrücklich aufgefordert wird, Maßnahmen zum Schutz der Unabhängigkeit des Verfassungsgerichtshofs und der Justiz zu ergreifen und den Straftatbestand des Terrorismus genauer zu definieren, damit Missbrauch vorgebeugt wird,

–  unter Hinweis auf den Redebeitrag Kanadas auf der Tagung des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen vom 9. Mai 2017 im Zusammenhang mit der allgemeinen regelmäßigen Überprüfung Polens und auf das Schreiben des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte vom 23. Oktober 2017 an Polen,

–  unter Hinweis auf die vorläufigen Bemerkungen des Sonderberichterstatters der Vereinten Nationen über die Unabhängigkeit von Richtern und Anwälten vom 27. Oktober 2017 zu seiner offiziellen Reise nach Polen, in denen Besorgnis über die Lage der Unabhängigkeit der Justiz in Polen zum Ausdruck gebracht wird,

–  unter Hinweis auf die Resolution 2188 (2017) der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom 11. Oktober 2017 zu dem Thema „Neue Bedrohungen für die Rechtsstaatlichkeit in Mitgliedstaaten des Europarates: ausgewählte Beispiele“,

–  unter Hinweis auf die wiederholten Massenproteste gegen die politischen Strategien und Rechtsvorschriften der Regierung, darunter der „Schwarze Protest“ vom Oktober 2016, mit dem die Änderung des geltenden Abtreibungsgesetzes verhindert wurde, der „Marsch für die Freiheit“ vom 6. Mai 2017 und die Proteste im Juli 2017 nach der Annahme von Gesetzen zur Reform der Justiz,

–  unter Hinweis auf das Gesetz zur Einschränkung des Zugangs zu Notfallverhütungsmitteln für Frauen und Mädchen vom Juni 2017, auf das WHO-Informationsblatt vom Juni 2017, in dem Notfallverhütungsmittel als sicher bezeichnet werden und empfohlen wird, sie im Rahmen der erforderlichen Gesundheitsfürsorge im Bereich der Reproduktionsmedizin verfügbar zu machen, und auf den Durchführungsbeschluss der Kommission vom 7. Januar 2015 über die Änderung der mit der Entscheidung K(2009)4049 erteilten Zulassung des Humanarzneimittels „ellaOne – ulipristalacetat“,

–  gestützt auf Artikel 123 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

A.  in der Erwägung, dass sich die EU auf folgende Werte gründet: Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und Wahrung der Menschenrechte, einschließlich der Rechte von Personen, die Minderheiten angehören; in der Erwägung, dass diese Werte allen Mitgliedstaaten in einer Gesellschaft gemeinsam sind, die sich durch Pluralismus, Gleichbehandlung, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und die Gleichstellung von Frauen und Männern auszeichnet; in der Erwägung, dass sich das polnische Volk in dem 2003 durchgeführten Referendum zu diesen Werten bekannt hat;

B.  in der Erwägung, dass die Republik Polen gemäß Artikel 9 der polnischen Verfassung das Völkerrecht zu befolgen hat, das für sie verbindlich ist;

C.  in der Erwägung, dass die EU bei ihrer Arbeit von wechselseitigem Vertrauen ausgeht, d. h. davon, dass die Mitgliedstaaten im Einklang mit demokratischen und rechtsstaatlichen Prinzipien handeln und dabei die in der EMRK und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerten Grundrechte achten;

D.  in der Erwägung, dass die Rechtsstaatlichkeit zu den gemeinsamen Werten gehört, auf die sich die EU stützt, und in der Erwägung, dass die Kommission zusammen mit dem Parlament und dem Rat gemäß den Verträgen dafür zuständig ist, die Wahrung des Rechtsstaatsprinzips als eines grundlegenden Werts der Union zu gewährleisten und dafür zu sorgen, dass das Recht der EU befolgt sowie ihre Werte und Grundsätze geachtet werden;

E.  in der Erwägung, dass zu diesen Grundsätzen Folgendes gehört: Rechtmäßigkeit, was einen transparenten, verantwortungsvollen, demokratischen und pluralistischen Rechtsetzungsprozess einschließt, Rechtssicherheit, das Verbot willkürlicher exekutiver Befugnisse, unabhängige und unparteiische Gerichte, eine wirksame gerichtliche Kontrolle, einschließlich der umfassenden Wahrung der Grundrechte, sowie Gleichheit vor dem Gesetz;

F.  in der Erwägung, dass die Unabhängigkeit der Justiz in Artikel 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und in Artikel 6 der EMRK verankert ist und eine wesentliche Voraussetzung für den demokratischen Grundsatz der Gewaltenteilung darstellt, dem auch in Artikel 10 der polnischen Verfassung Rechnung getragen wird;

G.  in der Erwägung, dass es die Vereinigungsfreiheit zu schützen gilt; in der Erwägung, dass eine lebendige Zivilgesellschaft und pluralistische Medien eine zentrale Rolle bei der Förderung einer offenen und pluralistischen Gesellschaft, der Beteiligung der Öffentlichkeit am demokratischen Prozess und dem Ausbau der Rechenschaftspflicht der Regierungen spielen; in der Erwägung, dass nichtstaatliche Organisationen angemessen finanziert werden sollten;

H.  in der Erwägung, dass die Weigerung der polnischen Regierung, die Anordnung des Gerichtshofs der Europäischen Union betreffend den Holzeinschlag im Urwald Białowieża umzusetzen und den einstweiligen Anordnungen des EGMR in Bezug auf die Rücksendung von Asylsuchenden nach Belarus Folge zu leisten, ein anschauliches Beispiel dafür ist, dass Polen die EU-Verträge nicht einhält;

I.  in der Erwägung, dass Dutzende von Demonstranten nach dem Ordnungswidrigkeitsgesetzbuch und einige nach dem Strafgesetzbuch gerichtlich belangt wurden; in der Erwägung, dass Berichten zufolge mehr als 300 Personen aufgrund ihrer Teilnahme an Protesten im Oktober 2017 von der Polizei vorgeladen wurden;

J.  in der Erwägung, dass die sexuelle und reproduktive Gesundheit von Frauen gemäß der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, der EMRK und der Rechtsprechung des EGMR mit zahlreichen Menschenrechten zusammenhängt, etwa mit dem Recht auf Leben und Würde, dem Recht auf Freiheit von unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung, dem Recht auf Zugang zu Gesundheitsfürsorge, dem Recht auf Privatsphäre, dem Recht auf Bildung und dem Diskriminierungsverbot, und dass dies auch aus der polnischen Verfassung hervorgeht;

K.  in der Erwägung, dass die Verweigerung des Zugangs zu Diensten im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und den damit verbundenen Rechten, z. B. zu Abtreibungen unter sicheren und legalen Bedingungen, ein Verstoß gegen die Grundrechte der Frau ist; in der Erwägung, dass der Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen Polen aufforderte, von Gesetzesreformen abzusehen, mit denen die ohnehin restriktiven Rechtsvorschriften über den Zugang von Frauen zu Abtreibungen unter sicheren und legalen Bedingungen weiter verschärft würden; in der Erwägung, dass wegen der restriktiven Auslegung dieser Rechtsvorschriften bereits in mehreren Fällen Urteile des EGMR gegen Polen ergangen sind;

1.  betont, dass es von grundlegender Bedeutung ist, die in Artikel 2 EUV und in der polnischen Verfassung aufgeführten gemeinsamen europäischen Werte aufrechtzuerhalten und die Achtung der in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerten Grundrechte sicherzustellen;

2.  bekräftigt den Standpunkt, den es in seinen Entschließungen vom 13. April 2016 und vom 14. September 2016 zum Ausdruck gebracht hat; bekräftigt insbesondere seine Besorgnis über die raschen legislativen Entwicklungen in vielen Bereichen, die ohne angemessene Konsultationen und ohne die Möglichkeit der unabhängigen und rechtmäßigen Prüfung ihrer Verfassungsmäßigkeit stattfinden, weshalb die systematische Aushöhlung der Menschenrechte, der demokratischen Gewaltenteilung und der Rechtsstaatlichkeit droht; bringt insbesondere seine Bedenken angesichts derartiger Änderungen in den Bereichen öffentlich-rechtliche Medien, Strafrecht, Rechtsvorschriften über Polizei, öffentlichen Dienst und Terrorismusbekämpfung, Rechtsvorschriften über nichtstaatliche Organisationen, Asylrecht, Versammlungsfreiheit und Frauenrechte erneut zum Ausdruck;

3.  bedauert außerordentlich und mit zunehmender Besorgnis, dass für das grundlegende Problem der ordnungsgemäßen Funktionsweise des Verfassungsgerichtshofs (seiner Unabhängigkeit und Legitimität sowie der Veröffentlichung und Umsetzung aller seiner Urteile) keine Kompromisslösung gefunden wurde, was die polnische Verfassung und Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Polen erheblich beeinträchtigt; weist mit großem Bedauern darauf hin, dass sich die polnische Regierung weigert, konstruktive Kritik der polnischen Öffentlichkeit und nationaler, internationaler und unionsweiter Institutionen zu berücksichtigen, und dass keine Maßnahmen angekündigt wurden, mit denen diesen Bedenken Rechnung getragen werden sollte;

4.  ist zutiefst besorgt angesichts des überarbeiteten Gesetzes über das polnische Justizwesen und insbesondere seines Potenzials, die Unabhängigkeit der Justiz strukturell zu schädigen und die Rechtsstaatlichkeit in Polen zu schwächen;

5.  weist darauf hin, dass Präsident Duda am 27. Juli 2017 gegen zwei vom polnischen Parlament verabschiedete umstrittene Gesetze sein Veto mit der Begründung einlegte, dass sie mit der polnischen Verfassung nicht zu vereinbaren seien und die Unabhängigkeit der Justiz in Polen erheblich gefährdeten; fordert, dass auf nationaler Ebene eine ausführliche Debatte über die Justizreform unter Beteiligung aller einschlägigen Interessenträger stattfindet, die rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechen und mit dem Unionsrecht und europäischen Normen für justizielle Unabhängigkeit im Einklang stehen sollte; fordert den polnischen Präsidenten auf, keine neuen Gesetze zu unterzeichnen, solange mit ihnen die Unabhängigkeit der Justiz nicht uneingeschränkt garantiert wird;

6.  befürwortet die Empfehlungen zur Rechtsstaatlichkeit, die die Kommission abgegeben hat, sowie das Vertragsverletzungsverfahren, das gegen Polen wegen Verstößen gegen Unionsrecht eingeleitet wurde; erkennt die Entschlossenheit der Kommission an, als Hüterin der Verträge die Lage in Polen und die Umsetzung ihrer Empfehlungen durch die polnischen Stellen zu überwachen und gleichzeitig Polen weiterhin umfassende Unterstützung bei der Suche nach angemessenen Lösungen zur Stärkung der Rechtsstaatlichkeit anzubieten;

7.  fordert das polnische Parlament und die polnische Regierung nachdrücklich auf, alle Empfehlungen der Kommission und der Venedig-Kommission uneingeschränkt umzusetzen und keine Reformen durchzuführen, mit denen die Achtung der Rechtsstaatlichkeit und insbesondere die Unabhängigkeit der Justiz gefährdet wird; fordert in diesem Zusammenhang, dass Gesetze erst dann verabschiedet werden, wenn sie von der Kommission und der Venedig-Kommission einer ordentlichen Prüfung unterzogen worden sind;

8.  fordert die polnische Regierung auf, der vorläufigen Anordnung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 27. Juli 2017 in der Rechtssache C-441/17 Folge zu leisten und den umfangreichen Holzeinschlag im Urwald Białowieża unverzüglich einzustellen, da damit das Risiko einhergeht, dass diese UNESCO-Welterbestätte erheblich und irreparabel geschädigt wird; fordert die polnische Regierung auf, dass sie die sofortige Rückführung von Flüchtlingen ohne Gewährung eines Asylverfahrens nach Belarus einstellt und damit den einstweiligen Anordnungen des EGMR vom 8. Juni 2017 Folge leistet und dass sie sicherstellt, dass jede Person, die an der polnischen Grenze erklärt, Asyl oder internationalen Schutz beantragen zu wollen, entsprechend den völkerrechtlichen Verpflichtungen und dem Unionsrecht uneingeschränkten Zugang zum polnischen Asylverfahren erhält;

9.  fordert die polnische Regierung auf, das Recht auf Versammlungsfreiheit zu achten und aus dem geltenden Gesetz über Versammlungsfreiheit die Bestimmungen zu streichen, wonach von der Regierung genehmigten regelmäßig stattfindenden Versammlungen Vorrang einzuräumen ist; fordert die Behörden auf, keine strafrechtlichen Sanktionen gegen Personen zu verhängen, die an friedlichen Versammlungen oder Gegendemonstrationen teilnehmen, und die gegen friedliche Demonstranten vorgebrachten Anschuldigungen fallenzulassen;

10.  fordert die polnische Regierung auf, das Gesetz über die Einrichtung eines nationalen Freiheitsinstituts – Zentrums für zivilgesellschaftliche Entwicklung aufzuheben, mit dem der Zugang regierungskritischer zivilgesellschaftlicher Gruppen zu staatlichen Fördermitteln eingeschränkt wird, und sicherzustellen, dass die Verteilung öffentlicher Mittel an die Zivilgesellschaft gerecht, unparteiisch und transparent erfolgt, und auf diese Weise ihre pluralistische Vertretung sicherzustellen;

11.  ist besorgt über Medienberichte über die polizeiliche Überwachung führender Vertreter der Opposition und der Zivilgesellschaft und fordert die polnischen Stellen nachdrücklich auf, diesen Berichten nachzugehen und die Privatsphäre aller Bürger uneingeschränkt zu achten;

12.  fordert die polnische Regierung auf, entschieden für die Rechte von Frauen und Mädchen einzutreten, indem unentgeltliche und für alle zugängliche Verhütungsmittel ohne Unterschied bereitgestellt und Notfallverhütungsmittel verfügbar gemacht werden, die nicht verschreibungspflichtig sind; fordert in diesem Zusammenhang, dass das Gesetz zur Einschränkung des Zugangs zu Notfallverhütungsmitteln für Frauen und Mädchen aufgehoben wird;

13.  bemängelt Gesetzesvorschläge, mit denen Abtreibungen in Fällen von schwerer oder tödlicher Missbildung des Fötus verboten werden, in scharfer Form; betont, dass der umfassende Zugang zu Gesundheitsdiensten, auch im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheitsfürsorge und der damit verbundenen Rechte, ein grundlegendes Menschenrecht ist; bekräftigt nachdrücklich seine Unterstützung für Frauenrechtsorganisationen, zumal diese in letzter Zeit strafrechtlich verfolgt wurden;

14.  fordert die polnische Regierung auf, alle Bestimmungen über Rechtsstaatlichkeit und die Achtung der Grundrechte einzuhalten, die in den Verträgen, der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, der EMRK und internationalen Menschenrechtsnormen verankert sind, und in einen unmittelbaren Dialog mit der Kommission zu treten;

15.  fordert die Kommission auf, das Parlament regelmäßig, umfassend und in transparenter Weise über die erzielten Fortschritte und die ergriffenen Maßnahmen zu unterrichten;

16.  ist der Ansicht, dass angesichts der derzeitigen Lage in Polen eindeutig ein schwerwiegender Verstoß gegen die in Artikel 2 EUV genannten Werte droht; fordert seinen Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres auf, im Einklang mit Artikel 83 Absatz 1 Buchstabe a der Geschäftsordnung einen Sonderbericht mit dem Ziel auszuarbeiten, dass im Plenum über einen begründeten Vorschlag abgestimmt wird, mit dem der Rat aufgefordert wird, Maßnahmen nach Artikel 7 Absatz 1 EUV zu treffen;

17.  bekräftigt, dass es im Sinne seiner Entschließung vom 25. Oktober 2016 zur Einrichtung eines EU-Mechanismus für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und die Grundrechte(5) (Pakt für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und die Grundrechte) eines geregelten Verfahrens für die Überwachung und den Dialog bedarf, an dem alle Mitgliedstaaten mitwirken und der Rat, die Kommission und das Parlament beteiligt sind, damit die Grundwerte der EU – Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und die Grundrechte – gewahrt werden;

18.  fordert die polnische Regierung auf, angesichts der fremdenfeindlichen und faschistischen Demonstration, die am Samstag, den 11. November 2017, in Warschau stattfand, angemessene Maßnahmen zu ergreifen und sie aufs Schärfste zu verurteilen;

19.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung der Kommission und dem Rat sowie dem Präsidenten, der Regierung und dem Parlament Polens, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, dem Europarat und der OSZE zu übermitteln.

(1) Angenommene Texte, P8_TA(2016)0123.
(2) Angenommene Texte, P8_TA(2016)0344.
(3) Empfehlung (EU) 2017/146 der Kommission vom 21. Dezember 2016 zur Rechtsstaatlichkeit in Polen in Ergänzung zur Empfehlung (EU) 2016/1374 (ABl. L 22 vom 27.1.2017, S. 65).
(4) Empfehlung (EU) 2017/1520 der Kommission vom 26. Juli 2017 zur Rechtsstaatlichkeit in Polen in Ergänzung zu den Empfehlungen (EU) 2016/1374 und (EU) 2017/146 (ABl. L 228 vom 2.9.2017, S. 19).
(5) Angenommene Texte, P8_TA(2016)0409.

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