Parlament legt seine Vision für die Zukunft der EU vor 

Pressemitteilung 
 
 

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Das Europäische Parlament hat drei Entschließungen zur Zukunft der EU verabschiedet. Dabei geht es um die Funktionsweise der Verträge und wie diese verbessert werden kann, um eine Reform der EU sowie um eine Haushaltskapazität der Eurozone.

Will die EU ihre Handlungsfähigkeit verbessern, das Vertrauen der Bürger zurückgewinnen und die Wirtschaft der Eurozone widerstandsfähiger gegen Schocks von außen machen, muss sie das Potenzial des Vertrags von Lissabon voll ausschöpfen. Für weitergehende Schritte ist aber eine fundamentale Reform nötig. Dies ist die Kernaussage dreier Entschließungen zur künftigen Entwicklung der EU, die am Donnerstag verabschiedet wurden.

 

Die erste Entschließung von Mercedes Bresso (S&D, Italien) und Elmar Brok (EVP, Deutschland) befasst sich damit, wie das Potenzial des Vertrags von Lissabon voll ausgeschöpft werden kann.


 Vorgeschlagen wird unter anderem


- dass der Ministerrat in eine wirkliche zweite Gesetzgebungskammer umgewandelt wird. Die derzeitigen spezialisierten legislativen Ratsformationen sollen als Vorbereitungsgremien für eine einzige legislative öffentliche Ratstagung nach dem Muster der Arbeitsweise der Ausschüsse des Europäischen Parlaments genutzt werden,


- dass jeder Mitgliedstaat mindestens drei Kandidaten beiderlei Geschlechts für das Amt „seines“ Kommissars/“seiner“ Kommissarin benennen sollte,


- dass der Rat vollständig zur Beschlussfassung mit qualifizierter Mehrheit übergeht, wo immer dies vertragsgemäß möglich ist, so dass wichtige Gesetze nicht blockiert werden können und der Gesetzgebungsprozess beschleunigt wird,


- dass ein ständiger Rat der Verteidigungsminister eingesetzt wird, um die Verteidigungspolitiken der Mitgliedstaaten zu koordinieren.



„Die Europäische Union braucht keine populistische Revolution. Sie braucht Ruhe und sie muss sich an die Notwendigkeiten unserer Zeit anpassen. Das heißt: sie muss die demographischen Herausforderungen angehen, sie muss den Bürgern sozialen, steuerlichen und ökologischen Schutz gewähren, sie muss das Recht ihrer Bürger auf Sicherheit in einem unsicheren internationalen Umfeld verteidigen und sie muss unsere moralischen Verpflichtungen gegenüber unseren Nachbarn erfüllen“, so Frau Bresso.


Elmar Brok sagte: “Die Menschen erwarten von Europa Lösungen und sie sind verärgert, weil Europa diese nicht liefert. Das wird offenkundig in einer Zeit mit vielen Herausforderungen, aber viele Probleme können wir nur gemeinsam lösen. Der Vertrag von Lissabon bietet zahlreiche bisher nicht genutzte Möglichkeiten, die EU effizienter, transparenter und rechenschaftspflichtiger zu machen“.


Die Entschließung wurde mit 329 Ja-, bei 223 Nein-Stimmen und 83 Enthaltungen angenommen.


Ehrgeizige Reform der Verträge


Die zweite Entschließung, von Guy Verhofstadt (ALDE, Belgien) vorgelegt, untersucht wie einen Schritt weiter gegangen werden kann und macht Vorschläge zur Reform des Vertrages von Lissabon, etwa in den Bereichen wirtschaftspolitische Steuerung, Außenpolitik, Grundrechte und Transparenz:


- vorgeschlagen wird die Schaffung eines  EU-Finanzministers. Zugleich soll die EU-Kommission in die Lage versetzt werden eine gemeinsame EU Wirtschaftspolitik zu konzipieren und umzusetzen, die von einer Haushaltskapazität für das Euro-Währungsgebiet gestützt wird,


- es wird daran erinnert, dass das Europäische Parlament einen einzigen Sitz haben sollte,


- es wird eine substanzielle Verringerung der Größe der EU-Kommission, inklusive der Reduzierung der Zahl der Vizepräsidenten auf zwei vorgeschlagen,


- jeder EU-Bürger sollte direkt die Spitzenkandidaten der europäischen Parteien für das Amt des Kommissionspräsidenten wählen können.


„Diese Berichte sind die Blaupause wie eine perfektere Union aussehen könnte. Sie schlagen keine europäische Integration um der Integration willen vor. Die Frage ist nun: wie machen wir weiter? Wir können eine starke und mächtige EU haben, die respektiert wird, und gleichzeitig blühende lokale und nationale Demokratien. Ich bin der Überzeugung, dass das eine nicht ohne das andere geht“, so Guy Verhofstadt


Die Entschließung wurde mit 283 Ja-, bei 269 Nein-Stimmen und 83 Enthaltungen angenommen.


Stärkung der Eurozone

 

In der dritten Entschließung unterbreiten Reimer Böge (EVP, Deutschland) und Pervenche Berès (S&D, Frankreich) Vorschläge wie die Ökonomien der Eurozone einander angeglichen und besser gegen Schocks von außen geschützt werden können. Sie präsentieren eine Konvergenzstrategie, unterstützt von einem Haushalt für die Eurozone, der von den Mitgliedstaaten finanziert und unter klar definierten Bedingungen verfügbar sein soll.


Zu den wichtigsten Vorschlägen gehören:


- eine Fiskalkapazität, bestehend aus dem Europäischen Stabilitätsmechanismus und einer spezifischen zusätzlichen Haushaltskapazität für den Euroraum, finanziert durch die Mitgliedstaaten als Teil des EU-Haushalts,


- ein Europäischer Währungsfonds (der sich nach und nach aus dem ESM entwickeln soll) mit angemessenen Kapazitäten für die Kreditaufnahme und -vergabe sowie einem klar definierten Mandat um ökonomische Schocks abzufedern,


- ein Konvergenzkodex: für einen Zeitraum von fünf Jahren soll der Schwerpunkt auf Konvergenzkriterien in den Bereichen Besteuerung, Arbeitsmarkt, Investitionen, Produktivität und sozialer Zusammenhalt liegen,


- Steuerung: eine größere Rolle für das Europäische und nationale Parlamente; die Zusammenlegung der Aufgaben des Präsidenten der Eurogruppe und des für Wirtschafts- und Finanzangelegenheiten zuständigen Kommissars; Schaffung eines Finanzministers und -ministeriums innerhalb der Kommission.


„Eine Stabilisierung der Eurozone wäre im Interesse der gesamten Europäischen Union. Unsere Vorschläge bieten daher die Grundlage für weitere Verhandlungen mit den anderen EU-Institutionen. Experten des Internationalen Währungsfonds haben ebenfalls positiv reagiert und großes Interesse an unseren Ideen gezeigt“, so Reimer Böge.


„Sechzig Jahre nach Unterzeichnung der Römischen Verträge, muss der Geist der Gründerväter der EU mit neuem Leben gefüllt werden. Die Schaffung eines Haushalts für die Eurozone wäre ein großer Schritt in diese Richtung, in einer Zeit in der es wichtiger denn je ist die Integrität des Euro zu bewahren. Indem wir solidarisch sind mit solchen Mitgliedstaaten, die in einer außergewöhnlichen Krise sind, indem wir makroökonomische Schocks auffangen, die die Eurozone als Ganzes betreffen können, und indem wir Konvergenz nach oben unterstützen, können wie die gemeinsame Währung bestmöglich nutzen und zugleich einen Beitrag zur Schaffung von Vollbeschäftigung in der EU leisten“, so Perchvenche Berès.


Die Entschließung wurde mit 304 Ja-, bei 255 Nein-Stimmen und 68 Enthaltungen angenommen.


Alle Vorschläge sind Teil eines Pakets, mit dem das Europäische Parlament seine Position zur Zukunft der EU im Vorfeld des 60. Jahrestags der Unterzeichnung der Römischen Verträge festlegt.