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Ausführliche Sitzungsberichte
Mittwoch, 15. September 1999 - Straßburg Ausgabe im ABl.

Lage in Osttimor (Fortsetzung)
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  Portas (UEN).(PT) Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordnete! Die Aussprache zu Timor erfolgt vierzehn Tage nach dem Beginn des Terrors in dieser neuen Etappe in der Geschichte des Territoriums. Das muß zunächst festgehalten werden. Das Tempo des Völkermords entspricht nicht der Verzögerung der internationalen Entscheidungen. Man muß sich in bezug auf Timor bewußt sein, daß Ost-Timor innerhalb von fünfundzwanzig Jahren zwei Völkermorde erduldet hat: den während der Okkupation und denjenigen, der bis ins kleinste Detail für den Volksentscheid geplant wurde. Zweimal wurde es in fünfundzwanzig Jahren preisgegeben: 1974 von Portugal und bis jetzt von der internationalen Gemeinschaft, die nicht imstande war, die Verpflichtungen einzuhalten, die sie dem timoresischen Volk gegenüber übernommen hatte. Zweimal Vertreibung innerhalb von fünfundzwanzig Jahren: zuerst das Exil derer, die sich nicht mit den Invasoren abfanden; nunmehr der Exodus derjenigen, die vor dem Terror geflohen sind. Es ist also keine Zeit zu verlieren. Der Terror ist in Timor allgegenwärtig, und dieses Volk verdient von uns Portugiesen eine besondere Achtung, weil wir sehen, daß es stirbt, während es auf portugiesisch betet und leidet.

Bei der ersten Chance, die sich den Timoresen für ihre Befreiung bot, stiegen sie von den Bergen herab, verließen ihre Häuser, gingen in die Kirchen und zu den Wahlen, um in unerschütterlicher Haltung ihre Freiheit zurückzugewinnen. Das ist eine außerordentliche Lektion für den Seelenfrieden und die Gemütsruhe des Westens: ein Volk, das noch an Wahlen als Befreiungsmöglichkeit glaubt.

Ganz energisch muß verurteilt werden, was nach dem Volksentscheid geschah. Selbstverständlich, weil Indonesien einen im voraus geplanten Völkermord beging, der nicht den geringsten Zweifel über sein Wesen läßt: Dieser Völkermord ist gegen die ganze Bevölkerung gerichtet und führt zur Flucht von Hunderttausenden Timoresen; dieser Völkermord ist gegen die Kultur gerichtet, denn vom ersten Tag des Terrors an war die katholische Kirche auf institutioneller Ebene das bevorzugte Ziel, das waren die Gotteshäuser, die Häuser der Bischöfe, das waren die Priester, das waren die Nonnen, das waren die Gläubigen, das heißt, die traditionelle Institution, der die Timoresen vertrauten. Und das Ausmaß der durch diesen Völkermord bewirkten Ausrottung ist noch gar nicht bekannt, denn, was man ja allgemein weiß, sowohl die internationalen Beobachter als auch die letzten dort verbliebenen Journalisten mußten Timor verlassen.

Hieraus ergeben sich für uns darum zwei eindeutige Schlußfolgerungen. Die erste ist, und dieses Parlament muß sie auch zur Kenntnis nehmen: Niemals hat die portugiesische Kolonisation den Timoresen das angetan, was Indonesien ihnen angetan hat. Deshalb wird die Fahne Portugals in Timor geliebt. Und deshalb wird es sehr lange dauern, bis die Fahne Indonesiens wieder geachtet wird. Wenn andererseits die Entkolonialisierung unter der Ägide Portugals überstürzt erfolgte, so ging auch dieser Akt der Selbstbestimmung, der nicht die Konsequenzen voraussah und unter der Schirmherrschaft der internationalen Gemeinschaft vollzogen wurde, keineswegs sparsam mit Menschenleben und Blut um. Dieses Volk mußte zweimal ausschließlich durch fremde Schuld leiden. Und das allein wegen seines Bestrebens, frei sein zu wollen.

Was soll man außerdem darüber sagen, wie sich die internationale Gemeinschaft in den Tagen nach dem Terror verhalten hat? Ich befrage Ihr Gewissen: Wenn die Timoresen Englisch oder Deutsch sprächen, hätte dann die internationale Gemeinschaft so lange gewartet, bis sie ihnen geholfen hätte? Wenn es im Fall des Kosovo nicht notwendig war, den Sicherheitsrat um Erlaubnis zu bitten und auch nicht die Zustimmung von Milosevic abzuwarten, warum ist es dann im Fall von Ost-Timor notwendig, die Ermächtigung durch den Sicherheitsrat abzuwarten und die Zustimmung von Herrn Habibie zu erreichen?

(Beifall)

Wenn die Timoresen eine politisch korrekte Minderheit wären, würde dann die Hilfe der Regierungen so langsam erfolgen?

Doch das Drama der Timoresen, das Drama, das über sie hereingebrochen ist, besteht darin, daß sie wenige, arm und katholisch sind ... und daß sie Erdöl haben, was für gewisse internationale Mächte eine allzu ernste Angelegenheit ist, als daß man sie der Entscheidung der Timoresen überlassen könnte.

Und ich stelle Ihrem Gewissen noch zwei weitere Fragen. Sehen Sie sich die Liste der Länder an, die Indonesien in den Vereinten Nationen unterstützt haben: Kuba, Iran, Irak und Sudan. Also hat sich eine Koalition der Diktaturen gebildet, um die Freiheit der Tyrannen zu schützen! Wie lange hat es gedauert, die Koalition der Demokratien zu bilden? Und außerdem: Die Europäische Union hat gerade ein viermonatiges Embargo für Kriegsmaterial gegen die Indonesier angeordnet. Was sind vier Monate nach vierundzwanzig Jahren hemmungsloser Waffenverkäufe an Indonesien, während man doch den Völkermord kannte, der seit vierundzwanzig Jahren in Timor vor sich geht?

Meine Freunde und Kollegen, ich nenne Ihnen nur vier Anträge im Namen unserer einstimmig auftretenden Fraktion: die schnelle Entsendung einer zahlenmäßig starken internationalen Friedenstruppe nach Timor; humanitäre Hilfe; einen Strafgerichtshof, um die Verbrecher zu verurteilen; wirtschaftliche und finanzielle Sanktionen.

Es lebe Ost-Timor!

 
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