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Ausführliche Sitzungsberichte
Dienstag, 18. Januar 2000 - Straßburg Ausgabe im ABl.

2. Reform der europäischen Wettbewerbspolitik
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  Der Präsident. – Nach der Tagesordnung folgt die gemeinsame Aussprache über die folgenden Berichte:

- A5-0069/1999 von Herrn von Wogau im Namen des Ausschusses für Wirtschaft und Währung zum Weißbuch der Kommission (KOM(1999) 101 – C5-0105/1999 – 1999/2108(COS)) über die Modernisierung der Vorschriften zur Anwendung der Artikel 85 und 86 des EG-Vertrags;

- A5-0078/1999 von Herrn Rapkay im Namen des Ausschusses für Wirtschaft und Währung zum XXVIII. Bericht der Kommission (SEK(1999) 743 – C5-0121/1999 – 1999/2124(COS)) über die Wettbewerbspolitik 1998;

- A5-0087/1999 von Herrn Jonckheer im Namen des Ausschusses für Wirtschaft und Währung zum siebten Bericht der Kommission (KOM(1999) 148 – C5-0107/1999 – 1999/2110(COS)) über staatliche Beihilfen in der Europäischen Union im verarbeitenden Gewerbe und in einigen weiteren Sektoren (Bericht 1995-1997);

- A5-0073/1999 von Herrn Langen im Namen des Ausschusses für Wirtschaft und Währung zum Bericht der Kommission (KOM(1999) 94 – C5-0104/1999 – 1999/2107(COS)) über die Anwendung ihrer Entscheidung Nr. 2496/96/EGKS vom 18. Dezember 1996 zur Einführung gemeinschaftlicher Vorschriften über Beihilfen an die Eisen- und Stahlindustrie (Stahlbeihilfenkodex ) im Jahre 1998.

 
  
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  von Wogau (PPE-DE), Berichterstatter. – Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Weißbuch zur Modernisierung der europäischen Wettbewerbsregeln hat die Kommission in der interessierten Öffentlichkeit eine intensive und lebhafte Debatte ausgelöst. Die Reaktionen von Sachverständigen und Betroffenen reichen von völliger Ablehnung bis hin zur vorbehaltlosen Unterstützung. Worum geht es nun in diesem Weißbuch?

Das bestehende System der europäischen Wettbewerbsregeln wurde in den Anfangsjahren der Gemeinschaft errichtet. Unter den damaligen Bedingungen war dieses System, das auf einem zentralisierten Anmelde- und Genehmigungsverfahren beruht, sicherlich angebracht. Dieses Verfahren hat wesentlich zur Herausbildung einer europäischen Wettbewerbskultur beigetragen. In den 40 Jahren seit seiner Entstehung haben sich jedoch die Rahmenbedingungen grundlegend verändert. Die Gemeinschaft der 6 hat sich auf 15 erweitert und steht vor einer zusätzlichen Erweiterung auf 27 Mitglieder. Das System ist aber fast gleich geblieben.

Eine Reform ist daher dringend erforderlich. Das wird in der Debatte auch von keiner Seite bestritten. Allerdings sind einige Kritiker der Auffassung, die Kommission gehe mit ihren Vorschlägen zu weit. Die Kommission will das Anmelde- und Genehmigungssystem abschaffen und statt dessen die Rolle der nationalen Behörden und Gerichte bei der Anwendung der Wettbewerbsregeln stärken. Es geht mit anderen Worten um den Übergang vom Genehmigungssystem zum System der Legalausnahme. Das Verbotsprinzip – und das ist wichtig – bleibt dabei jedoch erhalten.

Grundsätzlich bin ich der Auffassung, daß wir, wenn eine Behörde, der eine Neigung zu Bürokratismus und Zentralismus nachgesagt wird, einen Vorschlag zur Entbürokratisierung und Dezentralisierung macht, diesen zumindest ernsthaft prüfen sollten. Nach dem Vorschlag der Kommission geht es allein um die wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen zwischen Unternehmen sowie um Mißbräuche machtbeherrschender Stellungen. Die Pflicht zur Anmeldung bei staatlichen Beihilfen und Unternehmenskonzentrationen bleibt jedoch erhalten.

Der Ausschuß für Wirtschaft und Währung hat diesen Vorschlägen der Kommission bei nur einer Gegenstimme und zwei Enthaltungen im Grundsatz zugestimmt. Eine abschließende Beurteilung wird jedoch erst dann möglich sein, wenn die jetzt zu erwartenden Gesetzesvorlagen der Kommission veröffentlicht werden.

Wenn ich auch den Vorschlägen der Kommission im Grundsatz zustimme, so gibt es doch eine Reihe von Punkten, die der Verbesserung oder zumindest der Klarstellung bedürfen. Einige dieser Punkte will ich kurz erläutern. Von vielen Kritikern des Weißbuchs wird angeführt, daß die Dezentralisierung die Kohärenz der Rechtsanwendungen der Gemeinschaft gefährde. Nationale Behörden und insbesondere die Gerichte seien noch nicht überall in der Lage, die ihnen von der Kommission zugedachte Rolle bei der Anwendung der Wettbewerbsregeln zu spielen.

Es haben sich zum einen die nationalen Kartellbehörden im Laufe der letzten Jahrzehnte mit der Anwendung der Wettbewerbsregeln hinreichend vertraut gemacht. Zum anderen sind die nationalen Gerichte bereits nach der derzeitigen Rechtsprechung befugt, die Artikel 81 Absatz 1, 82 und 86 anzuwenden. Trotzdem bleibt es besonders wichtig, daß die Kommission den nationalen Behörden und Gerichten mit Gruppenfreistellungsverordnungen, Leitlinien und Bekanntmachungen zur Seite steht. Darüber hinaus muß die Zusammenarbeit zwischen den nationalen Behörden und der Kommission sowie der nationalen Behörden untereinander verstärkt werden.

Was die Kompetenz der nationalen Gerichte anbelangt, so schlagen wir in dem vorliegenden Bericht vor, für kartellrechtliche Verfahren spezialisierte Gerichte vorzusehen. Dies wird bereits jetzt in einigen Mitgliedsländern erfolgreich praktiziert.

Von der Unternehmerseite wird ein Verlust an Rechtssicherheit befürchtet. Um dem entgegenzuwirken, sollte den Unternehmen in bestimmten Fällen die Möglichkeit erhalten bleiben, von der Kommission eine Vorabklärung zu erhalten. Dies sind nur einige, wenn auch zentrale Aspekte, die bei der Modernisierung der europäischen Wettbewerbsregeln berücksichtigt werden müssen. Noch sind wir jedoch ganz am Anfang des Verfahrens. Die Diskussion wird weitergeführt werden, bis es schließlich zu konkreten Gesetzesvorschlägen kommen wird. Mit dem Weißbuch befinden wir uns jedoch – und davon bin ich überzeugt – auf dem richtigen Weg.

In den vergangenen Jahrzehnten hat sich eine europäische Wettbewerbskultur herausgebildet. Die von der Kommission vorgeschlagene Dezentralisierung entspricht dem Prinzip der Subsidiarität, das mittlerweile ja auch im Vertrag verankert ist. Dies führt zu einer verstärkten Anwendung der europäischen Wettbewerbsregeln auf nationaler und regionaler Ebene und schafft dadurch die Möglichkeit, die europäische Wettbewerbskultur auf eine breitere Grundlage zu stellen.

Zum Schluß möchte ich sagen, daß diese Reform der Wettbewerbspolitik, die wir hier einleiten, eine Notwendigkeit ist und daß es dabei insbesondere notwendig sein wird, klarzustellen, daß die Wettbewerbspolitik der Europäischen Union eine wesentliche Voraussetzung für das Gelingen einer sozialen Marktwirtschaft ist. Die Kommission und auch das Parlament müssen stärker als in der Vergangenheit klarmachen, daß die Wettbewerbspolitik, der Wettbewerb zwischen den Unternehmen und die Tatsache, daß die Europäische Kommission darüber wacht, in allererster Linie im Interesse der Bürger liegt.

(Beifall)

 
  
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  Rapkay (PSE), Berichterstatter. – Herr Präsident, Herr Kommissar! Kolleginnen und Kollegen! Wir führen heute eine wichtige Debatte über die Wettbewerbspolitik der Europäischen Union. Wir debattieren über ein sehr umstrittenes Modernisierungsvorhaben im europäischen Kartellrecht, nämlich den Bericht von Wogau, und das ist sehr viel umstrittener, als es vielleicht die Abstimmung im Wirtschaftsausschuß deutlich gemacht hat.

Ich will durchaus sagen, daß ich persönlich in diesem konkreten Fall den Vorschlag der Kommission für falsch halte, daß sich noch herausstellen muß, ob der Begriff Modernisierung für den Inhalt des Weißbuches zu Artikel 81 und 82 wirklich gerechtfertigt ist oder ob in diesem Fall nicht eher Rückschritt der geeignete Begriff wäre. Wir reden heute aber auch über den Beihilfenbericht und den allgemeinen Wettbewerbsbericht für 1998, wobei mein Part in dieser gemeinsamen Aussprache den letzteren Bereich betrifft.

Aber beide Berichte – der Wettbewerbsbericht und der Beihilfenbericht – haben natürlich auch eine gemeinsame Grundlinie in diesem Weißbuch. Es geht um den Anspruch der Modernisierung, um die Zukunftstauglichkeit der europäischen Wettbewerbspolitik. Liest man beide Kommissionsdokumente, so war 1998 ein Jahr, in dem die 1997 eingeleiteten Modernisierungsvorhaben fortgeführt und in Teilen noch abgeschlossen wurden; das wissen wir selbst aus unserer laufenden parlamentarischen Arbeit.

Lassen Sie mich zwei grundsätzliche Anmerkungen dazu machen: Die Kommission als zuständige Behörde hat sich mit ihrer konsequenten Haltung immer wieder um die Wettbewerbsfreiheit verdient gemacht, nicht immer zur Freude der betroffenen Mitgliedstaaten oder Unternehmen. Sie sollte diesen Weg fortsetzen. Aber, Herr Kommissar, das alles wird künftig nicht weniger kompliziert – ich erinnere nur an die Herausforderung durch die Erweiterung der Union, die Vertiefung des Binnenmarktes, den technologischen Fortschritt, die Globalisierung. Es kommt eben nicht nur auf die Modernisierung des Gemeinschaftsrechts an, es kommt mehr denn je auf Transparenz der Einzelfallentscheidungen an, auf die Möglichkeit, Entscheidungen auch nachvollziehen zu können, denn die europäische Wettbewerbspolitik wird auf die Akzeptanz der Bevölkerung sowie bei den betroffenen politischen Gremien und bei den betroffenen Unternehmen angewiesen sein.

Nur – ohne Transparenz keine Akzeptanz, und dann eben auch keine Modernisierung ohne Transparenz. Der Wettbewerbsbericht 1998 ist keine schlechte Grundlage dafür, aber es gibt eben nichts, was nicht noch besser zu machen wäre. Eine Reihe von Anregungen werden wir Ihnen, Herr Kommissar, mit unserer Entschließung mitgeben, aber auf einen Teilaspekt will ich jetzt schon einmal eingehen: Transparenz und Rechenschaftspflicht gehören zusammen. Ich will nicht an der Kompetenzverteilung zwischen Kommission und Parlament rütteln. Die Kommission ist die Exekutive, und das Parlament sollte das um seiner eigenen Unabhängigkeit willen auch gar nicht sein wollen, aber das Parlament ist Kontrollorgan, und wo kann man seine Gründe für Entscheidungen besser darlegen als im demokratisch gewählten Parlament und eben in einem ständigen parlamentarischen Diskurs? Auch hier sollten wir auf dem eingeschlagenen Weg fortfahren, ihn verstetigen und intensivieren.

Eines will ich aber ganz deutlich sagen: Das Parlament ist Gesetzgeber; daß wir aber gerade beim Wettbewerbsrecht nur Konsultationsrechte haben, das ist eigentlich ein Skandal! Hier geht die Forderung an Rat und Regierungskonferenz, das Mitentscheidungsverfahren beim Wettbewerbsrecht einzuführen. Von der Kommission erwarte ich, daß alle Möglichkeiten der parlamentarischen Mitwirkung bis in die letzte Konsequenz ausgenutzt werden, im Zweifel für die Beteiligung des Parlaments, und das auch schon bei der jetzigen Vertragslage. Ich erwarte auch, daß die Kommission uns bei der Forderung nach Mitentscheidung im Gesetzgebungsverfahren offensiv unterstützen wird. Das wird ein Testfall für die vernünftige Zusammenarbeit beider Institutionen sein.

Bei allem Bekenntnis zum Wettbewerbsprinzip ist Wettbewerb jedoch kein Ziel an sich. Wettbewerb ist ein Instrument und führt nicht immer zu optimalen Lösungen. Es gehört nun mal zum ökonomischen Grundwissen, daß der Markt in vielerlei Hinsicht versagt, und wer das bestreitet, ist ein Ideologe, sonst gar nichts. Wettbewerb soll Angebot und Nachfrage zum Ausgleich bringen, soll für eine optimale Verteilung der ökonomischen Ressourcen und Fakten sorgen. Optimale Effizienz stellt sich aber nicht zwangsläufig von allein ein. Rahmenbedingungen sind zur Verhinderung von Mißbrauch unerläßlich, zum Beispiel durch das Kartellrecht. Aber dadurch wird im wesentlichen nur Mißbrauch verhindert, es taugt nicht von allein zum Erreichen gesellschaftlich legitimierter Ziele.

Wettbewerb ja, Einschränkung von Beihilfen, wo nötig und wo möglich! Weil aber die Beihilfen im Wettbewerbsbericht 1998 den wesentlichen Teil einnehmen, will ich, unbeschadet des Berichts des Kollegen Junker, doch noch einen Satz dazu sagen: Beihilfen an kleine und mittlere Unternehmen in Forschung und Entwicklung, bei der Ausbildung in der Regionalpolitik, in der Umweltpolitik, das ist sehr wohl möglich und muß auch machbar sein. Beihilfen müssen eben für solche Ziele erlaubt sein, solange sie nicht zu unannehmbaren Wettbewerbsverzerrungen führen. Gerade hier ist es noch wichtiger als im Kartell- und Fusionsrecht, daß Entscheidungen nachvollziehbar sind.

Beihilfen gehören eben nicht nur an den Pranger; sie müssen differenziert betrachtet werden, sie müssen auch bewertet werden nach ihrem Beitrag zur Erreichung der eben genannten Ziele. Die letzte Bemerkung war weniger an die Kommission, sondern vielmehr an die Kolleginnen und Kollegen der EVP-Fraktion gerichtet.

 
  
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  Jonckheer (Verts/ALE), Berichterstatter. – (FR) Herr Präsident, Herr Kommissar, werte Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht, den ich Ihnen heute vorlegen kann, ist eine Stellungnahme zum Jahresbericht der Kommission über staatliche Beihilfen in der Europäischen Union, die gemäß Artikel 87, 88 und 89 der Verträge in die Zuständigkeit der Gemeinschaft fallen.

Der Bericht der Kommission trägt im wesentlichen deskriptiven Charakter und beschreibt die Entwicklung der staatlichen Beihilfen im verarbeitenden Gewerbe und in einigen weiteren Sektoren nach verschiedenen Typologien, wie beispielsweise der Art und Weise der Finanzierung und den Zielsetzungen. Was den quantitativen Aspekt des Berichts betrifft, möchte ich auf die Begründung verweisen und hier lediglich anzuführen, daß das durchschnittliche jährliche Gesamtvolumen für den Berichtszeitraum sich in der Größenordnung von 95 Milliarden Euro bewegt, was einer Absenkung von etwa 13 % gegenüber dem Zeitraum 1993-1995 entspricht, die im wesentlichen auf eine Verringerung der Beihilfen in der Bundesrepublik Deutschland zurückzuführen ist.

Im Klartext bedeutet dies, daß das durchschnittliche Beihilfenniveau im Berichtszeitraum im großen und ganzen stabil ist und bei etwa 1,2 % des gemeinschaftlichen BIP liegt, d. h. zufälligerweise mehr oder weniger dem Haushalt der Gemeinschaft für ein Jahr entspricht. Die Unterschiede zwischen den Staaten, die sich auf unterschiedliche Art und Weise messen lassen, so beispielsweise in Prozent der Wertschöpfung und pro Beschäftigtem, sind allerdings beträchtlich. Interessant wäre meiner Meinung nach auch, die staatlichen Beihilfen und die Gemeinschaftsinterventionen zu addieren, die in gewisser Weise staatlichen Beihilfen gleichgesetzt werden können. Dann zeigt sich ganz deutlich, daß die vier Länder, die unter anderem Mittel aus dem Kohäsionsfonds erhalten, an erster Stelle stehen.

Lassen Sie mich nun auf den vorschlagsbezogenen Teil des Berichts eingehen. Zunächst ist festzustellen, daß nach Ansicht der Kommission die im Jahresbericht der Kommission dargestellten Daten zu stark aggregiert sind, um eine gründliche Bewertung der staatlichen Beihilfenpolitik zu gestatten. Dies ist zum einen legitim und ein sensibler Punkt hinsichtlich der nationalen Interessen, zugleich aber auch von Bedeutung hinsichtlich der Einhaltung der wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen auch gemäß dem Vertrag. Die Kommission kann nur die Daten erfassen und analysieren, die ihr seitens der Mitgliedstaaten übergeben werden. Es obliegt also den Staaten und den Regionen, für die Qualität der bereitgestellten Daten zu sorgen, und aus der Sicht unseres Ausschusses sind hierfür zusätzliche Anstrengungen vonnöten.

Im gleichen Sinne verficht unserer Parlamentsausschuß die bereits alte Idee eines öffentlichen Registers der staatlichen Beihilfen, das vor allem über Internet zugänglich sein sollte. Die Verfügbarkeit von besseren und detaillierteren Daten insbesondere zu den angestrebten Zielen und den festgestellten Ergebnissen würde es der Europäischen Kommission ermöglichen, regelmäßig Studien zur sozioökonomischen Bewertung der nationalen und regionalen staatlichen Beihilfepolitiken durchzuführen bzw. durchführen zu lassen. In dem Maße, wie einige dieser Studien bereits existieren, könnte sie ihre eigenen Kommentare unter dem Blickwinkel der Zielsetzungen der Verträge, zu denen neben der Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft auch die nachhaltige Entwicklung und der wirtschaftliche und soziale Zusammenhalt gehören, umfassender bekanntmachen.

Wir haben bei unserer Aussprache im Ausschuß und auch in dem Bericht, den ich Ihnen vorzustellen die Ehre habe, die Qualität der bereitgestellten Information in den Vordergrund gestellt und uns jeglicher Vereinfachung enthalten, die darin bestanden hätte, a priori zu behaupten, die staatlichen Beihilfen seien absolut gesehen entweder zu hoch oder nicht hoch genug. Die Ausschußmitglieder waren mehrheitlich eher bemüht, zwischen der Notwendigkeit, daß Staaten wie auch Unternehmen die Wettbewerbsregeln einhalten, auf der einen und der Anerkennung der Bedeutung derartiger Beihilfen als Beitrag zu den Zielen des Vertrages, vor allem, wie ich bereits sagte, in den Bereichen nachhaltige Entwicklung, Forschung und Entwicklung und wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt auf der anderen Seite ein Gleichgewicht herzustellen.

Auf dieser Grundlage wurden im Ausschuß mehrere Änderungsvorschläge zum ursprünglichen Entwurf des Berichterstatters beschlossen. Das Schwergewicht lag dabei auf der Notwendigkeit, die als unrechtmäßig eingeschätzten Beihilfen tatsächlich zurückzufordern, sowie eine Liste der Ergebnisse zu erstellen. Sieben Änderungsvorschläge werden dieser Plenarsitzung noch einmal vorgelegt. Sie widerspiegeln zumeist unsere unterschiedlichen politischen Auffassungen zur Zweckmäßigkeit und Effektivität der staatlichen Beihilfen angesichts der Unzulänglichkeiten der Privatinvestitionen, der market failures oder Marktlücken. Ich möchte betonen, daß mir als Berichterstatter vor allem ein Änderungsvorschlag zur Energiepolitik als besonders wichtig erscheint.

Lassen Sie mich abschließend einerseits auf eine Sorge der Ausschußmitglieder und andererseits auf eine Forderung unseres Ausschusses verweisen, Herr Kommissar. Die Sorge betrifft den Heranführungsprozeß der mittel- und osteuropäischen Länder aus der Sicht der Wettbewerbspolitik und der staatlichen Beihilfen. Wir haben es da zweifellos mit einer komplexen Frage zu tun und würden wünschen, daß die Kommission uns über den aktuellen Stand unterrichtet, vor allem hinsichtlich der Fähigkeit der Wirtschaften der Beitrittsländer, die Wettbewerbsregeln einzuhalten, sowie, was die staatlichen Beihilfen betrifft, hinsichtlich der Notwendigkeit, daß wahrscheinlich spezielle Regeln für staatliche Beihilfen zur Unterstützung der Umstrukturierung der jeweiligen Sektoren geschaffen werden müssen.

Die Forderung schließlich betrifft die künftigen Kompetenzen des Europäischen Parlaments in den hier zur Debatte stehenden Bereichen Wettbewerbspolitik und staatliche Beihilfen mit Blick auf die Regierungskonferenz. In unserem Bericht wird, wie Ihnen bekannt ist, Herr Kommissar, die Idee vertreten, daß für die Verabschiedung von grundsätzlichen Rechtstexten zu staatlichen Beihilfen das Mitentscheidungsverfahren gelten sollte.

 
  
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  Langen (PPE-DE), Berichterstatter. – Herr Präsident, Herr Kommissar, meine sehr verehrten Damen und Herren! Mein Teil in der heutigen Debatte betrifft den Stahlbeihilfekodex. Das sind die öffentlichen Hilfen in Europa, die nach diesem Kodex vergeben wurden und die die Kommission geprüft hat. Das sind insgesamt 27 Fälle im Jahre 1998. Über diese Fälle hat die Kommission einen eigenen Bericht abgegeben.

Der EGKS-Vertrag wird in Kürze auslaufen. Deshalb ist die Frage, die uns heute beschäftigen muß, insbesondere die, wie künftig die Stahlbeihilfen gehandhabt werden. Die Entscheidungen der Europäischen Kommission, die in dem Bericht dargelegt werden, werden vom Europäischen Parlament begrüßt, einschließlich der Entscheidung, Mittel in einem konkreten Fall zurückzufordern und damit den Artikel 88 des EGKS-Vertrags anzuwenden. Die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Stahlindustrie ist gleichzeitig auch Inhalt der jüngsten Mitteilung der Kommission, über die wir im Parlament noch nicht beraten haben.

Wie in anderen Bereichen auch gilt für die Eisen- und Stahlindustrie das generelle Beihilfeverbot nach Artikel 87 Absatz 1 des EG-Vertrags. Nach diesem Artikel sind staatliche Beihilfen grundsätzlich mit dem gemeinsamen Markt unvereinbar. Ausnahmen sind nur in genau definierten Fällen erlaubt. Gemäß Artikel 88 ist die Kommission zur Kontrolle staatlicher Beihilfen verpflichtet. Im Jahre 1998 war der größte Fall die Zuführung von Eigenkapital an die PREUSSAG in Deutschland in Höhe von 540 Millionen Euro. Außerdem müssen die Mitgliedstaaten der Kommission ihre Beihilfevorhaben vorher mitteilen.

Für den Bereich der Stahlindustrie sind die geltenden Regeln am 18. Dezember 1996 aufgestellt worden. Danach können Beihilfen zugunsten der Stahlindustrie nur in bestimmten, genau definierten Fällen vergeben werden. Es sind Forschungs- und Entwicklungshilfen, Umweltschutzhilfen, soziale Beihilfen zur Förderung der Schließung von Stahlwerksanlagen und Beihilfen für endgültige Betriebsaufgaben nichtwettbewerbsfähiger Unternehmen. Zusätzlich gibt es eine Sonderregelung bis zu 50 Millionen Euro für den Mitgliedstaat Griechenland.

Offensichtlich gab es bei der praktischen Handhabung des Stahlbeihilfekodex in den vergangenen Jahren jedoch Probleme, die im Bericht nicht vollständig erörtert wurden. Aus der Sicht des Parlaments ist es wichtig, daß heute bereits über eine Anschlußregelung nach Auslaufen dieses Stahlbeihilfekodex geredet wird. Eine Aufweichung der bestehenden Grundlinien des Stahlkodex darf nicht beschlossen werden. Niemand will einen hemmungslosen Subventionswettlauf in Europa. Dies würde den Binnenmarkt auch nach der Konsolidierung der Stahlindustrie in den letzten Jahren erheblich beeinträchtigen. Deshalb hält es das Parlament für erforderlich, daß der Stahlsubventionskodex im Hinblick auf die von der Industrie behauptete Ungleichbehandlung abgeändert wird und die Kommission dem Rat eine Nachfolgeregelung unterbreitet.

Es ist bekannt, daß der Rat sich bisher geweigert hat, eine solche Nachfolgeregelung zu beschließen. Das liegt auch daran, daß man glaubt, wenn der Stahlbeihilfenkodex ausläuft, kann man wieder ohne die lästige Kontrolle durch die Europäische Kommission machen, was man will. Wir fordern deshalb, daß nach Auslaufen des Vertrags die Stahlbeihilfen durch eine Ratsverordnung nach Artikel 94 geregelt werden müssen, weil nur so die notwendige Rechtsverbindlichkeit und Klarheit möglich ist.

Das strikte Verbot aller Beihilfen, die nicht vom Kodex gedeckt sind, kann nur so durchgesetzt werden. Eine Ratsverordnung, die unmittelbar geltendes Recht ist, muß auch von den regionalen Regierungen beachtet werden. Beeinträchtigungen der Wettbewerbsbedingungen und Störungen des Gleichgewichts auf den Märkten müssen auch in Zukunft vermieden werden.

Zu kritisieren ist auch die Praxis der Kommission, Mehrfachbeihilfen für Stahlunternehmen zu genehmigen, die nach ihrer Ansicht nicht unter die Kategorien des Kodex fallen, auch wenn der Europäische Gerichtshof in einzelnen Entscheidungen diese Ungleichbehandlung gebilligt hat. In einem noch zu erstellenden Bericht für das Jahr 1999 wird die Kommission aufgefordert, ihre aktive Rolle bei der Ausarbeitung von Umstrukturierungsplänen und genehmigten Ausnahmefällen detailliert darzulegen und damit auf dieser Grundlage eine sachgerechte Bewertung der Gesamtzusammenhänge zu ermöglichen.

Nachdem der Wirtschafts- und Währungsausschuß den Berichtsentwurf einstimmig bei zwei Enthaltungen angenommen hat, bitte ich darum, daß wir im Plenum diese Vorgabe, die wir selbst hier dargelegt haben, voll und ganz erfüllen.

 
  
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  Cederschiöld (PPE-DE). Verfasser der Stellungnahme des Ausschusses für Recht und Binnenmarkt. – (SV) Herr Präsident, sehr geehrte Kollegen! Der Binnenmarkt ist noch nicht vollendet. Beihilfen, Monopole und Wettbewerbsbeschränkungen hemmen noch immer die Märkte und die Entwicklung. Die nationalen Regierungen gewähren Subventionen und versprechen stets, dies sei das letzte Mal, doch es geschieht immer wieder. Subventionen verzerren die Mittelzuweisungen, sowohl in den Ländern selbst als auch zwischen ihnen.

Die staatlichen Beihilfen müssen schrittweise abgebaut und immer mehr Märkte für den Wettbewerb geöffnet werden, was sowohl für die privaten als auch die staatlichen Monopole gilt. Staatliche Monopole werden nur widerstrebend abgebaut. Ein stärkerer Wettbewerb sowie Neugründungen von Unternehmen könnten jedoch großen Nutzen für das Wohlfahrtssystem bringen – auch im Bereich der Volksbildung, des Gesundheitswesens und der Sozialleistungen. Staatliche Monopole müssen durch wettbewerbsfähige Strukturen ersetzt werden. Europa muß modernisiert und an Unternehmertum und wettbewerbsfähigere Bedingungen für Verbraucher und Unternehmen angepaßt werden. Ein effektiver Wettbewerb führt zu niedrigeren Preisen und einem höheren Lebensstandard. Die Verbraucherpolitik konzentriert sich viel zu wenig auf das Preisniveau, aber Wettbewerbspolitik und Verbraucherpolitik gehören zusammen.

Der Binnenmarkt stellt die Grundlage unserer Arbeit dar. Die diesbezüglichen Rechtsvorschriften müssen für alle gleichermaßen gelten, für große wie kleine Länder. Zum Abbau von Wettbewerbsbeschränkungen sollten die nationalen Regelwerke systematisch überprüft werden, und auch die Rechtsvorschriften der EU bedürfen einer Analyse.

Das jetzt von der Kommission getestete neue Modell darf nicht zu einem reinen Nationalisierungsprozeß führen, der die bereits erreichte Wettbewerbspolitik aushöhlen würde. Seine effektive Umsetzung bedarf einer starken Verankerung in den nationalen Behörden der Mitgliedstaaten. Nach einem halben Jahr könnten die Ergebnisse einer Analyse unterzogen, aber auch die Auswirkungen der neuen Situation auf die Rolle der Kommission eingehender untersucht werden. Die Frage, wie nun weiter verfahren werden soll, ist mit dem Vorschlag einer übergreifenden Konferenz mit Vertretern verschiedener Interessengruppen als Plattform für eine unvoreingenommene breitangelegte Diskussion zunächst einmal gelöst. Hier bietet sich die Gelegenheit, neue Grundsätze festzulegen oder auf die diskutierten einschneidenden Veränderungen zurückzukommen, nach neuen gemeinsamen Lösungen zu suchen und die in den Diskussionen in den Ausschüssen vorgebrachten Änderungsvorschläge zu analysieren.

Die Anwendung des Rechts in Wettbewerbsfragen muß korrekt sein. Eine falsch umgesetzte Wettbewerbspolitik kann zu Rechtsverlusten und Beeinträchtigungen des wichtigen und schützenswerten Grundsatzes des Eigentumsrechts führen. Wir haben eine sehr interessante Debatte vor uns. Auf einer Konferenz, auf der diese Fragen erörtert werden, können Mißverständnisse ausgeräumt und gegebenenfalls auch bestimmte Punkte verbessert werden.

Das Parlament und die Kommission können gemeinsam ihren Beitrag zu einer effektiven Wettbewerbspolitik leisten und damit neue Möglichkeiten und Mittel schaffen, die den Bürgern zugute kommen. Gerade in meinem Wahlkreis, Stockholm, gibt es viele gute Beispiele für ein größeres Angebot und eine verbesserte Qualität, die dadurch möglich wurden, daß vormals monopolisierte Bereiche durch wettbewerbsfähige Strukturen ersetzt worden sind.

Wir befürworten die Fortsetzung der offenen Debatte, wie sie sich bei der Erörterung der Berichte von Wogau und Rapkay manifestiert hat. Gleichzeitig hegen wir die Hoffnung, daß auch den rechtlichen Aspekten die Bedeutung beigemessen wird, die ihnen in einem Rechtsstaat zukommt.

 
  
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  Radwan (PPE-DE). – Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, heute als neuer Abgeordneter, wenn auch mit zeitlicher Verzögerung, meine erste Rede hier halten zu dürfen. Vorab möchte ich mich bei den Berichterstattern von Wogau, Langen, Rapkay, Jonckheer sowie bei der Kommission für die sehr gute Zusammenarbeit bedanken.

Wettbewerb ist sicherlich die Grundlage der sozialen Marktwirtschaft, und die europäische Wettbewerbspolitik ist eine Erfolgsstory, zuletzt der Bereich Energie und Telekommunikation, der spürbar zu niedrigeren Preisen, zu besserem Service geführt hat. Alles zum Nutzen für den Verbraucher. Jetzt sind wir aber an einen Punkt gekommen, wo wir die Wettbewerbspolitik weiterentwickeln müssen. Hier hat die Kommission ein neues Weißbuch vorgelegt mit zwei Kernpunkten: Abkehr von der Anzeigepflicht, Rückverlagerung des Rechtsvollzugs. Die Abkehr von der Anzeigepflicht bedeutet auf jeden Fall weniger Bürokratie und Verwaltungsaufwand. Dieser Systemwechsel führt natürlich gleichzeitig zu mehr Verantwortung für das Einzelne in der Wirtschaft. Es ist nicht mehr so einfach, nur vorzulegen und genehmigen zu lassen, sondern jetzt muß jeder erst einmal selbst Verantwortung tragen, und das ist vielleicht auch der Grund, daß der eine oder andere draußen Unbehagen darüber empfindet. Ich denke aber, wir sollten die Chance nutzen, daß Europa auch ein Zeichen setzen kann für weniger Bürokratie.

Der zweite Punkt ist die Rückverlagerung des Rechtsvollzugs. Um eine Rechtskultur in Europa zu bekommen, muß das Recht sicherlich nicht nur von der Kommission, von zentralen Organen angewandt werden, sondern auch von nationalen Behörden, von nationalen Gerichten. Wir diskutieren ja auch nicht darüber, daß jedes EU-Recht immer nur zentral entschieden wird, aber gerade in der Anpassungsphase werden wir Rechtsunsicherheit haben. Hier ist es sicherlich in dem zu erwartenden Rechtsetzungsverfahren notwendig, ein Instrument zu entwickeln, damit die Unternehmen Rechtssicherheit haben und sie hier die Möglichkeit haben, sich an die Kommission zu wenden. Es sollte der Weg zu einem europäischen Kartellamt offengehalten werden, über den dann sicherlich in Zukunft diskutiert wird. Aber wir benötigen in der Wettbewerbspolitik mehr Transparenz. Das Parlament muß mehr beteiligt werden, und ich denke auch, wenn wir ein Register einführen, in dem wir nachvollziehen können, welche staatlichen Leistungen erbracht werden, wird dies zur Disziplinierung in den Mitgliedstaaten führen.

Mir liegen jedoch für die Zukunft des Wettbewerbs zwei Punkte sehr am Herzen. Der eine ist das Thema Subsidiarität. Wir alle sind der Meinung, daß Wettbewerb für die Wirtschaft notwendig ist und dort die Leistungsfähigkeit fördert, und ich denke, wir sollten auch den Wettbewerb in den Regionen zulassen. Der Wettbewerb zwischen den Regionen wird sicherlich die Europäische Union stärken und nicht schwächen. Hier nenne ich als Beispiel das Thema GA-Förderung, das Beispiel Sparkassen und Landesbanken, das Beispiel Gütesiegel. Hier hat eine Region aus eigener Kraft etwas geschaffen, um eigene Produkte zu vermarkten. Diese Eigeninitiative darf nicht von europäischer Ebene aus zerstört werden.

Ich denke, auch eine Anhebung der De-minimis-Regelung ist notwendig. Wir sollten alles daran setzen, daß zwischen den Regionen der Wettbewerb forciert wird. Das zweite ist eine Diskussion über Wettbewerb und soziale Marktwirtschaft, wobei ich jetzt hier nicht von Marktversagen rede. Den Bereich Landesbanken und Sparkassen habe ich ja schon angedeutet, aber ich bringe jetzt einmal auf die Spitze, was man immer wieder auf der einen oder anderen Seite hört. Ein Bewohner eines Altenheimes ist heutzutage im sozialen Bereich untergebracht. Ich kann ihn aber auch als einen Kunden betrachten, und ich denke, wir sollten ziemlich deutlich und rechtzeitig darüber diskutieren, wo der soziale Bereich, wo gewachsene Strukturen ein Stopp für den Wettbewerb bedeuten. Ansonsten kann ich hier jeglichen Kunden, jeglichen Bereich als Kunden benennen und dadurch sehr stark soziale Bereiche zerstören.

Schließlich möchte ich noch zum Subsidiaritätsprinzip sagen: Ich halte es für dringend erforderlich, daß dort, wo Mitgliedstaaten es den Regionen und den Kommunen ermöglichen, Steuern zu erheben, dies erhalten bleibt und nicht einheitlich von Europa geregelt wird.

 
  
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  Der Präsident. – Vielen Dank, Herr Kollege. Ich gratuliere Ihnen zu dem, was man im deutschen Parlamentarismus in Ihrem Fall unzulässigerweise eine Jungfernrede nennt.

 
  
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  Poos (PSE).(FR) Herr Präsident, Herr Kommissar, werte Kolleginnen und Kollegen! Ich ergreife das Wort im Namen meines Kollegen Robert Goebbels, der wegen einer politischen Verpflichtung leider nicht anwesend sein kann.

Innerhalb des Ausschusses für Wirtschaft und Währung hat der Bericht Jonckheer scharfe Kontroversen zur Frage der Funktionsweise des Marktes ausgelöst. Einer knappen rechten Mehrheit ist es gelungen, aus dem Bericht jeglichen Bezug auf die Unzulänglichkeiten des Marktes herauszunehmen. Sollte unser Parlament mehrheitlich diesem ultraliberalen Konzept eines angeblich perfekten Marktes folgen, so würde sich deshalb die Welt doch nicht ändern. Die wirtschaftlichen Beziehungen in der realen Welt machen hinreichend deutlich, daß die Ausschaltung jedes staatlichen Eingreifens am Markt keineswegs zu einem perfekten Wettbewerb und einer optimalen Ressourcenallokation führt. Der Markt war zwar seit Urzeiten der bevorzugte Austauschort der Menschen, doch niemals perfekt. Der Markt privilegiert das kurzfristige Geschäft und schnelle Gewinne. Am Markt gestaltet sich das Kräfteverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage im allgemeinen zuungunsten der Schwächsten – der Verbraucher und der Arbeitnehmer. Um zu funktionieren, braucht der Markt Regeln. Der notwendige und wertvolle Unternehmungsgeist braucht als Gegengewicht das Verantwortungsgefühl gegenüber der Gesellschaft. Wir als europäische Sozialdemokraten sind für eine soziale Marktwirtschaft. Der Markt ist kein Selbstzweck, er muß der Verbesserung der Lebensbedingungen dienen. Die Europäische Union, die Staaten dürfen nicht an die Stelle der Wirtschaftsteilnehmer treten, aber die staatlichen Stellen müssen die Regeln und die Ziele festlegen, die es der Wirtschaft ermöglichen, sich nachhaltig zu entwickeln. Letztlich können Beihilfen dazu dienen, Umstrukturierungen zu ermöglichen, Schulungen anzubieten, Arbeitsplätze und damit Know-how zu retten. Hauptziel der Wettbewerbspolitik der Union kann nicht sein, das globale Beihilfenniveau abzusenken. Man muß diese Beihilfen auf die Ziele der Union, vor allem den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt, die nachhaltige Entwicklung und die Forschung, ausrichten.

Die Kommission muß unrechtmäßigen Beihilfen sowie solchen, die tatsächlich den Binnenmarkt behindern, den Kampf ansagen. Es wäre jedoch ein schwerwiegender Fehler, alle staatlichen Beihilfen abzuschaffen. Das Internet ist kein Produkt des Marktes, sondern das Ergebnis der durch die amerikanische Armee finanzierten Forschung. Das World Wide Web, das die schwindelerregende Entwicklung der Informationsgesellschaft möglich gemacht hat, wurde durch das CERN in Genf ebenfalls mit staatlichen Fördermitteln entwickelt. Die Rettung des Holzmann-Konzerns durch die deutsche Bundesregierung wurde als nicht zu rechtfertigende Behinderung der Marktwirtschaft kritisiert. Präsident Duisenberg hat sogar versucht, diesem staatlichen Interventionismus die Schuld an der im übrigen äußerst relativen Schwäche des Euro gegenüber dem Dollar zu geben. Mir ist nicht bekannt, daß Herr Duisenberg die Rettung des Hedge Fund LTCM durch die amerikanischen Währungsbehörden kritisiert hätte. 60 000 Arbeitsplätze retten zu wollen, das ist anscheinend eine Sünde wider den Markt, aber die Rettung von Kapital bereitet den Verfechtern des freien Marktes offenbar keine Probleme.

Öffentliche Mittel werden verwendet, um die durch die internationale Spekulation verursachten Schäden zu beheben, wie dies in Mexiko, in Asien und in Brasilien der Fall war. Die menschliche Arbeit wird hingegen als einfacher Anpassungsfaktor gesehen. Wir Sozialdemokraten lehnen diese liberale Verklärung ab. Wir wollen eine echte Wettbewerbskultur in Europa. Die Hand der Staaten muß bei der Kontrolle des Marktes sichtbar bleiben, und der Kommission kommt die Rolle eines Schiedsrichters zu.

 
  
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  Riis-Jørgensen (ELDR).(DA) Herr Präsident, sehr geehrter Herr Kommissar, werte Kollegen! Zunächst möchte ich Herrn Rapkay für seinen guten Bericht und die gute Zusammenarbeit danken. Ihnen, Herr Kommissar Monti, danke ich für die ausgezeichnete Zusammenarbeit, gleichzeitig möchte ich darauf hinweisen, daß Ihnen gerade zur Jahrtausendwende eine besonders wichtige Funktion zukommt, denn Sie müssen die Fehler der nationalen Regierungen ausbügeln, die in bezug auf die Wettbewerbspolitik große Visionen haben. Bei aller Phantasie kann man sich aber das Unheil, das sie anrichten können, kaum vorstellen. Ich kann auf die jüngsten Beispiele verweisen. Wir haben den Fall Holzmann. Dieses Unternehmen erhält von der deutschen Regierung umfangreiche Beihilfen, ebenso Sägewerke in Ostdeutschland, und nicht zuletzt sind die Beihilfen für die Schiffswerften zu nennen. In diesen Bereichen haben viele dänische Unternehmen Probleme und werden vom Markt verdrängt. Herrn Poos möchte ich sagen, daß ich Herrn Duisenberg zustimme. Es gibt Beispiele dafür, daß einige europäische Mitgliedstaaten nicht in der Lage sind, ihre Wirtschaftsstruktur zu ändern und dadurch den Wert des Euro gefährden.

Die Liberale Fraktion hat im Ausschuß 80 Änderungsanträge vorgelegt, die sich alle mit staatlichen Beihilfen befassen. Diese Vorschläge führen unserer Ansicht nach zu Transparenz und Offenheit, die für das Funktionieren des Binnenmarktes sehr wichtig sind. Ich möchte die Gelegenheit nutzen und mich bei meinen Kollegen im Ausschuß für ihre Unterstützung der Vorschläge der Liberalen Fraktion bedanken. Bei unseren Vorschlägen geht es, wie gesagt, um Transparenz, und ich möchte besonders auf den Änderungsantrag hinweisen, in dem die Kommission aufgefordert wird, einheitliche Kriterien und Bedingungen für rechtmäßige staatliche Beihilfen vorzulegen, damit die Betriebe ihre Situation einschätzen können.

Es muß auch geklärt werden, was zu tun ist, wenn staatliche Beihilfen für unrechtmäßig erklärt werden. Wie können wir sicherstellen, daß unrechtmäßige staatliche Beihilfen zurückgezahlt werden? Zur Zeit gibt es keine gemeinsamen Vorschriften in diesem Bereich, und wir fordern die Kommission nachdrücklich auf, für die Harmonisierung der Vorschriften zur Rückzahlung zu sorgen. Das ist der richtige Weg, um gleichartige Wettbewerbsbedingungen zu schaffen.

Wir schlagen ferner, wie von einigen Kollegen bereits erwähnt, ein Register und auch eine „Anzeigetafel“ vor, aus der ersichtlich ist, welches Niveau die Länder bezüglich der staatlichen Beihilfen aufweisen. Wir haben hier, Herr Monti, Ihre Anregung den Binnenmarktanzeiger betreffend aufgegriffen. Das hat uns inspiriert, dasselbe auch für staatliche Beihilfen vorzuschlagen.

Ich hoffe sehr, Herr Kommissar Monti, daß Sie diesen Vorschlag unterstützen werden, und ich sehe ihren Kommentaren und Ihrer Stellungnahme erwartungsvoll entgegen.

Abschließend begrüße ich den XXVIII. Wettbewerbsbericht der Kommission, der wie schon frühere Berichte gut gelungen ist. Unser vorrangiges Ziel muß aber, wie schon gesagt, Transparenz und Offenheit sein. Es gilt, Transparenz und Offenheit der staatlichen Beihilfen ständig weiterzuentwickeln und unsere Anstrengungen zielgerichtet auf diese Bereiche zu lenken. Das ist nicht zuletzt für die bevorstehende Erweiterung wichtig. Ich möchte mich bei Herrn Jonckheer bedanken, der die damit verbundenen Probleme in seinem Bericht sehr gründlich behandelt. Er untersucht, wie wir sicherstellen können, daß diese Länder unseren Anforderungen gerecht werden, aber auch, wie gleiche Wettbewerbsbedingungen geschaffen werden. Natürlich sind Liberale und Grüne unterschiedlicher Ansicht darüber, wie die Welt beschaffen sein sollte, aber wir sind uns weitgehend über die Ziele einig und werden versuchen, eine vernünftige Lösung für unsere Probleme zu finden.

 
  
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  Lipietz (Verts/ALE).(FR) Herr Präsident, Herr Kommissar, wir haben ganz einfach zwei Fragen zu beantworten. Sind staatliche Beihilfen für Unternehmen oder Vereinbarungen zwischen Unternehmen in einer Marktwirtschaft legitim, und wer soll diese Ausnahmen von den absoluten Regeln der Marktwirtschaft kontrollieren?

Zu dem ersten Punkt sagen wir ganz klar, daß, wenn die Erfordernisse der nachhaltigen Entwicklung, die die Europäische Union anstrebt, berücksichtigt werden sollen, den Unternehmen staatliche Beihilfen gewährt werden müssen, sei es in Form von Steuerbefreiungen, von differenzierter Besteuerung oder schlicht und einfach von Direktbeihilfen. Ebenso legitim ist es auch, daß es Vereinbarungen zwischen Unternehmen oder Selbstbeschränkungsvereinbarungen gibt, die es ermöglichen, die negativen Effekte des Wettbewerbs hinsichtlich der sozialen oder ökologischen Forderungen zu verringern.

Wir sagen also klar und eindeutig, ja, es ist legitim, daß es Beihilfen gibt und daß es Übereinkommen geben kann, aber wir sagen auch, daß jede dieser Vereinbarungen ausdrücklich begründet werden muß. Im Bericht von Wogau wird vorgeschlagen, die Kontrolle der Legitimität solcher Maßnahmen in die einzelstaatliche Zuständigkeit zu übertragen. Wir sehen darin zwar eine gewisse Gefahr, werden aber trotzdem dafür stimmen, denn wir sehen ein, daß die Kommission nicht alles machen kann. Wir verlangen, daß man dabei größte Transparenz walten läßt und daß der Kommission mehr Untersuchungsvollmachten gewährt werden, die Legitimität dieser Ausnahmeregelungen im nachhinein zu überprüfen.

 
  
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  Theonas (GUE/NGL).(EL) Herr Präsident, wieder einmal debattieren wir über die Wettbewerbspolitik der Europäischen Union. Aber – unter welchen Bedingungen findet diese Aussprache eigentlich statt, und welche Schlußfolgerungen sollten wir ziehen?

Die gegenwärtige Situation ist dadurch gekennzeichnet, daß gewaltige Fusionen, Zusammenschlüsse und Übernahmen gigantischer Monopolunternehmen stattfinden und weltweit beängstigend mächtige Konzerne entstehen. Sollten wir nicht eigentlich eher darüber diskutieren? Welche Wettbewerbspolitik will und kann diese Monopolunternehmen kontrollieren? Bestimmte europäische Industriezweige wie der Schiffbau, die Luftfahrt- und die Stahlindustrie sind bereits Opfer wettbewerbspolitischer Maßnahmen geworden und haben beträchtliche Verluste hinnehmen müssen. Sie haben Positionen und wesentliche Anteile auf dem Weltmarkt sowie Hunderttausende Arbeitsplätze eingebüßt. Ob wir uns wohl irgendwann auch einmal damit befassen? Die empörende Machtkonzentration in strategisch wichtigen Sektoren liefert die Wirtschaft ganzer Staaten – auch von Mitgliedstaaten der Union – den nur auf Profit ausgerichteten multinationalen Konzernen aus.

Dennoch drängen wir auf eine weitere Schwächung des öffentlichen Sektors und sind bereit, die Wettbewerbspolitik noch zu verschärfen, indem wir sogar staatliche Aufträge an Unternehmen der öffentlichen Hand als staatliche Beihilfen werten. Andererseits führt der Abbau Hunderttausender von Arbeitsplätzen zu einem explosionsartigen Anstieg der Arbeitslosigkeit. Die Arbeitnehmer sehen sich dem bislang massivsten Angriff auf ihre tarifvertraglichen und sozialen Rechte ausgesetzt. Die Verbraucher erleben, wie ihr Lebensstandard sinkt, die Armut um sich greift und der öffentliche Sektor sowie die produktive Basis in den meisten Ländern der Union im Namen eines zügellosen und zerstörerischen Wettbewerbs zugunsten der uneingeschränkten Marktwirtschaft und der Durchsetzung der Monopolinteressen des Großkapitals ruiniert und aufgelöst werden. Mitverantwortlich dafür ist unserer Auffassung nach die praktizierte Wettbewerbspolitik, gegen die wir uns entschlossen zur Wehr setzen.

 
  
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  Caullery (UEN).(FR) Herr Präsident, Herr Kommissar, im Laufe dieses entscheidenden Jahres vor der Einführung der gemeinsamen Währung hat die Kommission alle Anstrengungen unternommen, um günstige Rahmenbedingungen für den Euro zu schaffen. Hierzu hat auch die Wettbewerbspolitik im Rahmen dieser Möglichkeiten beigetragen. Was uns betrifft, so sind wir nach wie vor strikt gegen die Einheitswährung, die uns keineswegs die Vorteile und die Flexibilität einer gemeinsamen Währung beschert, sondern uns eine Zwangsjacke verpaßt, die den europäischen Völkern aufgezwungen wird.

Regieren heißt ja vorausschauen und Verantwortung tragen, und in diesem neuen, uns aufgezwungenen Kontext spielt natürlich das Wettbewerbsrecht eine wesentliche Rolle. Die Kommission hat in diesem Bereich mehrere Schwerpunkte gesetzt: Einflußnahme auf die Marktstruktur durch aktive Ahndung von wettbewerbsfeindlichen Praktiken, ausschließliche Ausrichtung der Kontrolltätigkeit ihrer Dienststellen auf Angelegenheiten von eindeutig gemeinschaftlichem Interesse sowie Bekundung ihres Willens zur Modernisierung des Wettbewerbsrechts.

Was die staatlichen Beihilfen betrifft, so gilt es, darauf zu achten, daß dieses Instrumentarium nicht zu schwerfällig wird. Die Einführung eines öffentlichen Registers, in dem alle Beihilfen erfaßt werden, scheint uns nicht wünschenswert, denn diese aufwendige Verpflichtung würde automatisch allen Versuchen zum Abbau der bürokratischen Zwänge zuwiderlaufen.

Was schließlich die Modernisierung der Anwendung der Artikel 85 und 86 des Vertrages betrifft, so wäre unserer Meinung nach eine dezentrale Anwendung nicht der richtige Weg. Die Kommission behält ja nicht nur das Recht, eine Angelegenheit der Zuständigkeit der einzelstaatlichen Behörden zu entziehen, sondern die nationalen Gerichte werden eindeutig verpflichtet, jeden Konflikt mit den Entscheidungen der Kommission zu vermeiden. Die Nationalstaaten würden auf diese Weise zum verlängerten Arm der Kommission, um die Einhaltung von Vorschriften zu überwachen, die gar nicht in ihrer Gewalt liegen.

Abschließend möchte ich sagen, daß wir, obgleich einige Maßnahmen durchaus in die richtige Richtung gehen, natürlich weiterhin wachsam bleiben werden, um föderalistische Auswüchse auf Kosten Europas und der Souveränität der Staaten zu vermeiden.

 
  
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  Della Vedova (TDI).(IT) Herr Präsident, Herr Kommissar, werte Kolleginnen und Kollegen! Wir sehen das Weißbuch der Kommission über den Wettbewerb im wesentlichen positiv, insbesondere was die Abschaffung des Anmelde- und Genehmigungssystems betrifft, haben aber diesbezüglich auch einige Bedenken. Vor allen Dingen besteht die Gefahr, daß die – in vielerlei Hinsicht notwendige – Verlagerung der Zuständigkeiten auf die einzelstaatliche Ebene dazu führt, daß Maßnahmen im Bereich des Wettbewerbs enorm zunehmen und die Versuchung besteht, das Kartellverbot nicht als letztinstanzliche Garantie für das einwandfreie und vorhersehbare Funktionieren der Märkte einzusetzen, sondern als wirtschafts- und industriepolitisches Instrument, als Instrument der Planung und des Eingreifens in die spontanen Entwicklungen der Märkte selbst oder gar als Instrument für protektionistische Maßnahmen. In dieser Hinsicht dürften wohl die Schriften von von Eieck und sicherlich auch die eines bedeutenden italienischen Liberalen wie Bruno Leoni hilfreich für uns sein, der eben vor den Gefahren einer außergewöhnlichen Zunahme politischer Maßnahmen gegen wettbewerbswidrige Praktiken warnte.

Noch heute sind die schwerwiegendsten Beeinträchtigungen des Marktes, des Wettbewerbs und der Wahlfreiheit der europäischen Kunden und Verbraucher auf staatliche Eingriffe in die Wirtschaft zurückzuführen. Von staatlichen Beihilfen an Unternehmen haben wir bereits gesprochen. Es besteht noch eine ausgeprägte Staatswirtschaft – das italienische Schatzamt kontrolliert beispielsweise 15 % des Börsenkapitals –, Regierungen und Zentralbanken behindern Fusionen und Übernahmen; in den letzten Wochen wurde häufig über den Fall Vodafone/Mannesmann sowie über die Holzmann-Rettungsaktion gesprochen.

Schließlich dürfen wir nicht vergessen, daß sich große Wirtschaftsbereiche noch fest in öffentlicher Hand befinden, angefangen bei den öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten, die zwangsweise vom Steuerzahler finanziert werden, über die Postunternehmen bis hin zu einigen Pflichtversicherungssystemen, einschließlich der Kranken- und Sozialversicherung, die von ineffizienten staatlichen Monopolen verwaltet werden, von denen es nur für Besserverdienende Befreiungsmöglichkeiten gibt.

Mir sind die durch den Vertrag festgelegten Verpflichtungen durchaus bekannt, doch muß meines Erachtens auch in diesem Zusammenhang betont werden, daß die europäische Wirtschaft im Wettbewerb mit der amerikanischen auch und vor allem deswegen benachteiligt ist, weil die Märkte dem Wettbewerb nicht genügend geöffnet sind. Die jetzt vorgesehenen Maßnahmen sind wohl sehr wichtig, aber noch nicht ausreichend.

 
  
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  Blokland (EDD).(NL) Herr Präsident, wir führen eine besondere Debatte: über Wettbewerbspolitik und über staatliche Beihilfen, sozusagen die linke und die rechte Hand des Staates.

Während die WWU-Kriterien die Mitgliedstaaten zu Ausgabenkürzungen zwingen, bewegen sich die staatlichen Beihilfen an die Wirtschaft nach wie vor auf einem hohen Niveau.

Verständlich, denn ein Mitgliedstaat, der Beihilfen zurückfährt, läuft unweigerlich Gefahr, daß Unternehmen abwandern und damit Arbeitsplätze abgebaut werden. Zugleich aber auch unverständlich, denn Mißmanagement und unrentable Arbeitsplätze dürfen nicht mit Steuergeldern gefördert werden. Im Prinzip sind nur horizontale Regelungen zulässig, weil sie den Wettbewerb nicht oder kaum verzerren. Den Änderungsanträgen 6 und 7 des Berichterstatters sollte deshalb zugestimmt werden.

Die Änderungsanträge 1 und 5 beziehen sich auf das Zusammenbrechen des Marktes, denn das Marktinstrument allein führt nicht zur idealen Gesellschaft. Verwundbare Menschen müssen immer herhalten. Die Marktwirkung muß wohldurchdacht dazu genutzt werden, die Verantwortung der Bürgerinnen und Bürger sowie der Unternehmen bestmöglich zur Geltung zu bringen. Mißlingt dieses Engagement, dann muß der Staat eingreifen.

Das Weißbuch der Kommission über die Modernisierung der Wettbewerbspolitik betrachte ich eher als Diskussionsgrundlage. Das Plädoyer für Dezentralisierung, um die Arbeit der GD Wettbewerb zu erleichtern, wirkt sympathisch, die Art und Weise der von der Kommission beabsichtigten Ausgestaltung bringt allerdings eine Überlastung der Gerichte mit sich. Das geht auf Kosten der Rechtssicherheit für die Unternehmen. Wird die Arbeitsüberlastung der Kommission wirklich weniger, wenn ihr nationale Gerichte Bericht erstatten müssen? Wie steht der Rat dazu, und ist der Herr Kommissar bereit, diese Punkte noch einmal gründlich zu überdenken?

 
  
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  Thyssen (PPE-DE).(NL) Herr Präsident, ein Weißbuch ist per definitionem keine Sache der reinen Unverbindlichkeit, sondern soll Reaktionen auslösen. Mit dem vorliegenden Weißbuch ist das sicherlich gelungen. Es liefert eine gute Diskussionsgrundlage und ist insofern zu begrüßen. Ich verstehe die Ausgangspunkte der Verfasser und stimme ihnen zu. Außerdem gehe ich davon aus, daß Sie, Herr Kommissar, den Ruf und das von Ihren Vorgängern aufgebaute Werk in Ehren halten wollen und Ihre Dienste ebendieses Ziel verfolgen. Ich kann mir nicht vorstellen, daß die Kommission Initiativen für eine grundlegende Enteuropäisierung oder Renationalisierung ergreift. Dennoch mache ich mir Sorgen, stelle ich mir Fragen.

Zunächst in bezug auf die Kohärenz der Anwendung der Politik. Grundsätzlich bin ich durchaus für kulturelle Vielfalt, nicht aber auf der Ebene der Wettbewerbskultur im Binnenmarkt. Der Binnenmarkt braucht eine einheitliche Wettbewerbspolitik, nicht nur vom Ansatz her, sondern auch bei der Anwendung. Gewiß, es gibt gemeinschaftliche Verordnungen und interpretative Mitteilungen. Auch soll die Kommission ein Evokationsrecht haben und den nationalen Wettbewerbsbehörden mit Leitlinien zur Seite stehen. Doch frage ich mich, ob wir nicht bei einer Echternacher Springprozession landen, wo wir, ehe wir zwei Schritte nach vorn setzen können, zunächst immer einen zurück machen müssen. Ich darf Sie daher bitten, Herr Kommissar, etwas genauer darzulegen, wie die Kommission diese einheitliche Anwendung in der Praxis gewährleisten will und ob Sie selbst die im Weißbuch ab Punkt 100 aufgezeigten Wege für gangbar halten?

Zweitens habe ich Verständnis für die Unternehmen, die einen Verlust an Rechtssicherheit befürchten. Genau darauf beziehen sich derzeit zahlreiche Vorgänge. Künftig entfällt dieses Instrument. Dem Weißbuch zufolge wird die Kommission sehr wohl noch Einzelentscheidungen treffen, die als Leitlinien dienen können. Welche Kriterien aber wenden Sie an, um in dem einen Fall eine solche Einzelentscheidung zu fällen, in einem anderen hingegen nicht?

Drittens möchte ich wissen, ob die Kommission untersucht hat, wie sich ihr neuer Ansatz auf die Strategie der Unternehmen auswirkt. Sorgen mache ich mir insbesondere um die KMU, die ein beträchtliches Maß an rechtlicher und wirtschaftlicher Sicherheit verlieren, was mit der neuen vertikalen Gruppenfreistellung für Vertriebssysteme wohl doch der Fall ist.

Viertens hätte ich gern Auskunft darüber, weshalb sich die Kommission nicht dafür entscheidet, bei offensichtlichen Verstößen gegen die Wettbewerbsregeln die Nichtigkeitsstrafe ex tunc wirken zu lassen.

Fünftens frage ich mich angesichts der bevorstehenden Erweiterung, ob die Beitrittskandidaten unserem Spiel gewachsen sind. Sie befinden sich sozusagen noch in der Trainingsphase. Welche Garantien haben wir, daß sie sich zu Topspielern in der Liga des Binnenmarkts entwickeln?

Sechstens und letztens erinnere ich an einen Punkt, den ich bereits in meinem Bericht über vertikale Beschränkungen erwähnt habe, nämlich das legal privilege für die Justitiare. Sollte die Kommission ihre Vorhaben aus dem Weißbuch umsetzen, dann dürfte die Diskriminierung im Binnenmarkt und zwischen den externen und internen Rechtsberatern zunehmen und damit noch weniger hinnehmbar sein. Erwägt die Kommission Schritte, um den in house-Juristen in allen Mitgliedstaaten ein legal privilege zuzubilligen?

Herr Kommissar, ich werfe diese Fragen als Befürworterin des Binnenmarkts und in der Hoffnung auf, daß wir hier in diesem Sinne alle Partner sind und daß das Gespräch zwischen diesen Partnern nicht steril bleibt, sondern Erfolge bringt.

 
  
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  Berenguer Fuster (PSE).(ES) Herr Präsident! Meine ersten Worte zu Beginn meines Beitrags über das Weißbuch sollen ein Glückwunsch an den Berichterstatter, Herrn von Wogau, sein. Ein klarer Beweis für den hohen Grad an Übereinstimmung der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Europas mit seinem Bericht ist die Tatsache, daß in diesem Verfahren nur ein Änderungsantrag eingereicht wurde.

Wir sind also einverstanden mit dem Bericht, genauso wie wir, Herr Kommissar, mit den Grundlinien des Weißbuchs einverstanden sind.

Das Gemeinschaftsrecht in bezug auf den Wettbewerb stellt seit Inkrafttreten des Vertrags einen der grundlegenden Bereiche der Gemeinschaftspolitik dar. Nach etwa vierzig Jahren Gültigkeit zeigen diese Vorschriften mittlerweile Anzeichen der Erschöpfung. Deshalb war eine Modernisierung dringend erforderlich. Diese Modernisierung wurde insbesondere in fünf Punkten notwendig. Erstens in bezug auf das Genehmigungssystem, zweitens in bezug auf die dezentrale Anwendung, drittens in bezug auf die Verfahrensregeln, viertens in bezug auf die gerichtliche Anwendung und fünftens und letztens in bezug auf den überzogenen Formalismus.

Das System der Einzelgenehmigungen bedurfte dringend einer Reform, die übereinstimmend von den Unternehmen, den Wissenschaftlern und den Fachanwälten gefordert wurde. Ich habe kein Forum von Spezialisten für Wettbewerbsrecht erlebt, auf dem nicht eine Änderung des Systems verlangt wurde. Ein System, das nur so wenige Entscheidungen hinsichtlich Genehmigung oder Verbot anbieten kann wie das geltende, ist alles andere als gesund.

Die Artikel 81.1 und 82 konnten bereits seit einiger Zeit durch die nationalen Wettbewerbsbehörden angewendet werden. Aber diese konnten nicht den Artikel 81.3 anwenden, wodurch in gewisser Weise eine kohärente Anwendung von Artikel 81.1 unmöglich wurde. Sie wissen, daß gegenwärtig zwei Vorfragen beim Gerichtshof anhängig sind, die von deutschen Gerichten eingereicht wurden zur Klärung, ob Artikel 81.1 angewandt werden kann, wenn Artikel 81.3 nicht angewandt werden kann. Eine Reform dieses Punktes war daher ebenfalls erforderlich.

Das Verfahren auf dem Gebiet des Wettbewerbs ist grundsätzlich in der Verordnung Nr. 17/62 enthalten. Einmütig wurde eine Änderung gefordert. Die Tatsache, daß darin kein wirkliches Verfahren festgelegt wird, keine Fristen aufgestellt werden, der Zugang der Beteiligten zu den Akten nicht geregelt ist oder die Rechte auf Verteidigung nicht angemessen anerkannt werden, war Anlaß für die Einstimmigkeit in der Forderung nach einer Reform.

Der Gerichtshof hat seit längerer Zeit akzeptiert, daß das Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft durch die Gerichte der Mitgliedstaaten angewendet werden kann, und die Kommission veröffentlichte bereits im Jahre 1994 eine Mitteilung zu diesem Thema. Es war also notwendig, diesen Weg weiterzubeschreiten und zu fördern.

Eine der häufigsten Kritiken am Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft ist sein übermäßiger Formalismus. Als Folge der Rechtstradition auf dem Kontinent hängt die Erwägung, ob bestimmte Absprachen wettbewerbswidrig sind oder nicht, stärker von der Analyse ihrer Klauseln als von den Auswirkungen auf den Markt ab. Es war also notwendig, die wirtschaftliche Analyse einzuführen.

Das Weißbuch verfolgt die Absicht, diese Probleme zu lösen, und deshalb unterstützen wir seine Vorschläge.

Es sind natürlich auch gewisse Mängel im Bericht festzustellen. Darunter vor allem die Tatsache, daß er trotz des Versuchs der Modernisierung der Artikel 81 und 82 das Gewicht ausschließlich auf Artikel 81 legt und nicht auf Artikel 82. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt, da die Unternehmensvereinbarungen und die Privatisierungsprozesse der Monopole eine vorherrschende Stellung einnehmen und sie sogar noch verstärkt haben, wird die Verfolgung von mißbräuchlichen Verhaltensweisen besonders wichtig. Zum zweiten muß die Verordnung Nr. 17/62 außer Kraft gesetzt und durch eine neue Verordnung ersetzt werden. In dieser Hinsicht werden wir den Bericht unterstützen.

Sollten nun aber einige der Änderungsanträge, insbesondere die von der PPE-Fraktion eingereichten, angenommen werden, würde der Bericht unserer Ansicht nach entkräftet und würde zu einem widersprüchlichen Dokument ohne die erforderliche Strenge, und in diesem Fall würden wir unsere Unterstützung überdenken.

 
  
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  Gasòliba I Böhm (ELDR).(ES) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Im Rahmen der zahlreichen Themen, die in dieser gemeinsamen Aussprache erörtert werden, möchte ich eine Reflexion zu der von unserem Kollegen Berenguer behandelten Frage anstellen, nämlich zur Modernisierung der Wettbewerbspolitik, auf die das Weißbuch der Kommission Bezug nimmt.

Offen gesagt, glaube ich, daß diese Modernisierung zufriedenstellend gewesen ist. Kommissar Monti, ebenso wie sein Vorgänger, erzielt in seiner Tätigkeit gute Ergebnisse und hat offensichtlich die Gewähr dafür geschaffen, daß parallel zur Schaffung und Entwicklung des europäischen Binnenmarkts die entsprechenden Korrektive festgelegt werden, damit die Marktwirtschaft in der Union zweckmäßig und ohne die Abweichungen funktioniert, die, wie wir Ökonomen wissen, bei einer Erweiterung des Marktes, wie sie seit 1993 in der Europäischen Union stattgefunden hat, auftreten können.

Wenn sie gut funktioniert, wenn wir zufrieden sind, wenn das grundsätzliche Wirken der Kommission richtig gewesen ist, warum dann die Änderung? Es sind diverse Argumente dafür vorgetragen worden. Herr Berenguer hat eine sehr treffende Analyse geliefert und ihre Notwendigkeit sowie die folgerichtigen Reformen zur Verbesserung des Funktionierens des Wettbewerbs begründet, aber meine Sorge besteht darin sicherzustellen, daß die von den entsprechenden Verwaltungen der Mitgliedstaaten angewendeten Normen und Kriterien wirklich überall identisch sind. Wenn dem nicht so ist, werden wir uns dem Paradoxon gegenüber sehen, daß die Kommission selbst diejenige ist, die Elemente des unlauteren Wettbewerbs in das Funktionieren des europäischen Binnenmarkts einführt. In diesem Fall wären wir nicht vorangekommen, sondern hätten im Gegenteil bei der Anwendung der Wettbewerbspolitik innerhalb der Union einen Schritt zurück getan.

 
  
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  Ortuondo Larrea (Verts/ALE).(ES) Herr Präsident! Ich möchte zunächst meine Anerkennung gegenüber der Kommission für die Verbesserung zum Ausdruck bringen, die der 28. Bericht über die Wettbewerbspolitik in der Union im Vergleich zu den vorhergegangenen Berichten darstellt. Ich möchte auch die vom Berichterstatter, Herrn Rapkay, geleistete Arbeit hervorheben, der einen derart kompakten und umfangreichen Text wie diesen so prägnant analysiert hat. Ich möchte ferner seiner Bemerkung über die Notwendigkeit, den Regionen – wie dem Baskenland, das ich vertrete – einen Handlungsspielraum auf der Grundlage des Subsidiaritätsprinzips einzuräumen, voll beipflichten.

Aber ich kann nicht die bei zahlreichen Gelegenheiten sowohl von den Mitgliedstaaten als auch von den Marktakteuren vorgebrachte Kritik vergessen, der zufolge es angesichts des breiten Handlungs- und Ermessensspielraums, den die Kommission bei der Beurteilung jedes konkreten Einzelfalls hat, eine Rechtsunsicherheit gebe, da keine eindeutigen Spielregeln existieren, die es den Beteiligten gestatten, den autoritativen Standpunkt vorherzusehen und daher ihre Anträge auf Unterstützung bei der Förderung der wirtschaftlichen und beschäftigungspolitischen Tätigkeit, die Durchführung von Unternehmensfusionen usw. entsprechend abzufassen.

Eine Garantie bestand nur, wenn man schon vorher einen positiven Bescheid einholte, indem man Einzelgesuche einreichte, die nicht vor Ablauf von sechs oder acht Monaten entschieden werden, was eine zu lange Frist ist und nur zusätzliche Probleme schafft, da es der den Reichtum und die Beschäftigung schaffenden Tätigkeit an Flexibilität mangelt.

Deshalb vermisse ich und dahin geht mein Vorschlag eine stärkere Regelung und den Erlaß eindeutiger Spielregeln, die allen den Unternehmern, den Investoren, den Arbeitnehmern und der Bürgerschaft insgesamt Vorteile bringen können.

 
  
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  Turchi (UEN).(IT) Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte hervorheben, daß in einer Zeit gewaltiger technologischer Wandlungsprozesse – man betrachte nur die heutige Entwicklung im Bereich der Information oder in anderen Sektoren wie Energie und Verkehr – der Wettbewerbsschutz für unsere Zukunft von grundlegender Bedeutung sein wird.

Unter dem Aspekt des Wirtschafts- und somit des Beschäftigungswachstums sowie der Steigerung des Wohlstands wird der Schutz der Wettbewerbspolitik in unseren Unionsländern meines Erachtens zu einem entscheidenden und für unsere Zukunft sicherlich grundlegenden Faktor. Deshalb wird der vorliegende Bericht von mir mit aller Entschiedenheit begrüßt. Ich habe festgestellt, daß sich die Kommission in der letzten Wahlperiode um die effektive und nachhaltige Einhaltung dieses Grundsatzes bemüht hat, um damit die Flexibilität sowohl der Waren- als auch der Dienstleistungsmärkte zu wahren. Es sei nochmals gesagt: Für unsere Zukunftsfähigkeit, für die europäische Wirtschaft und vor allem zur Wahrung unseres Wohlstands und des technologischen Fortschritts Europas allgemein wird dies sehr wichtig sein.

 
  
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  Evans, Jonathan (PPE-DE).(EN) Herr Präsident, für die britischen Konservativen bildet die effiziente und einheitliche Anwendung der europäischen Wettbewerbspolitik die Grundvoraussetzung für ein wirksames unionsweites Funktionieren des Binnenmarktes. Daraus folgt, daß Vorschläge, die eine grundlegende Reform der Mechanismen zur Durchsetzung der Wettbewerbspolitik vorsehen, eingehend und sorgfältig geprüft werden müssen. Die Vollendung des Binnenmarktes ist nämlich noch nicht abgeschlossen.

Während meiner sechs Monate als Abgeordneter dieses Parlaments ist mir aufgefallen, mit welcher Entschlossenheit viele Mitglieder am sogenannten europäischen Projekt arbeiten. Tagtäglich werden wir aufgefordert, uns für ein größeres und vertieftes Europa einzusetzen. Ein Blick auf die nationalen, regionalen und lokalen Hindernisse, die das Funktionieren eines wirklichen europäischen Binnenmarktes auch weiterhin behindern, zeigt, daß es sich dabei vielfach um leere Worte handelt. Dies ist der Zusammenhang, in den ich meine Überlegungen zu den Vorschlägen der Kommission stellen will.

Ich möchte klarstellen, daß wir größtes Vertrauen zu Herrn Monti haben, der unseren tiefsten Respekt genießt. Er ist der Mann, auf den wir bei der Zerschlagung von Kartellen bauen. Aber er akzeptiert sicher, daß wir – wie bei allen anderen – auch über seine Vorschläge nachdenken und sie einer strengen Prüfung unterziehen müssen. Damit hat sich unser Berichterstatter im Ausschuß für Wirtschaft und Währung, Herr von Wogau, beschäftigt. Ich möchte ihn, obwohl er leider nicht anwesend ist, zu der Sorgfalt und Gründlichkeit beglückwünschen, die er bei der Ausarbeitung seines Berichts an den Tag gelegt hat, und ich möchte ihm für seine Geduld mit mir danken – ich habe es ihm nicht immer leicht gemacht. Er stellte vorhin fest, daß der Bericht die Zustimmung der überwältigenden Mehrheit hatte, meine Zustimmung hat er allerdings nicht. Auch wenn ich mich seinen Schlußfolgerungen nicht anschließe, bin ich der Meinung, daß er in seinem Bericht viele der Themen erläutert, mit denen sich die Kommission auseinandersetzen muß.

Erstens besteht die Gefahr einer Renationalisierung der Wettbewerbspolitik. Ich weiß, daß die Kommission ganz anders denkt, dennoch besteht diese Gefahr. Auch bereiten mir die Zuständigkeiten der Gerichte und Wettbewerbsbehörden in den einzelnen Mitgliedstaaten nach wie vor Sorgen, ebenso die Art und Weise, in der hier gerichtliche Verfahren ablaufen. Ich fragte Herrn Monti neulich, was denn passiert, wenn er nicht recht behält und es praktisch zu einer Renationalisierung kommt. Herr von Wogau sagte, daß wir uns an den Europäischen Gerichtshof wenden können. Nun, Großbritannien bemüht gegenwärtig den Europäischen Gerichtshof. Wir stellen fest, daß der Europäische Gerichtshof nicht in der Lage ist, eine vorläufige Entscheidung in einem bestimmten Streitfall zu treffen, den wir gerade mit Frankreich austragen und bei dem wir die Unterstützung der Kommission haben. Und damit niemand denkt, daß ich hier nationalistische Propaganda betreibe, möchte ich auf die Rechtssache Factortame verweisen, bei dem die britische Regierung beklagt war und es zehn Jahre dauerte, bis der Europäische Gerichtshof ein Urteil fällte. Im Bereich der Rechtsprechung besteht also eindeutig Handlungsbedarf. Ich frage die Kommission: Was kann getan werden, um die Umsetzung in diesem speziellen Bereich zu beschleunigen?

Was die Rechtssicherheit betrifft, so schließe ich mich dem Argument von Frau Thyssen an. Die Wirtschaft braucht Rechtssicherheit. Auch das habe ich neulich gegenüber Herrn Monti angesprochen. Er meinte, wir sollten uns nicht immer von Juristen beeinflussen lassen. Ich muß sagen, als Jurist wie auch als ehemaliger Minister für Wettbewerbspolitik im Vereinigten Königreich bin ich in diesem Punkt befangen. Wir müssen nun einmal alle mit unserer Vergangenheit leben, wichtig ist aber, daß die Wirtschaft auf Rechtssicherheit zählen kann.

Ich möchte die Kommission auch fragen, ob beispielsweise in Form einer Kosten-Nutzen-Analyse, wie sie auf europäischer Ebene immer häufiger durchgeführt wird, untersucht wurde, wie sich diese Veränderung auf die Privatwirtschaft auswirkt. Ich weiß, daß untersucht wurde, welche Auswirkungen die Veränderung auf die Kommission hat. So wissen wir, daß momentan noch Zeit verschwendet wird und daß die Veränderungen daher von Nutzen sein könnten. Ich meine allerdings wirklich, daß es unter den gegebenen Bedingungen wichtig ist zu wissen, mit welchen Auswirkungen die Privatwirtschaft rechnen müßte.

Lassen Sie mich abschließend feststellen, daß wir als britische Konservative eine Richtungsänderung anstreben, und zwar eine Entwicklung zu einer unabhängigen Wettbewerbsbehörde. Mich würde der Standpunkt von Herrn Monti dazu interessieren.

 
  
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  Randzio-Plath (PSE). – Herr Präsident, seit Beginn der europäischen Integration ist die Wettbewerbspolitik der Europäischen Union von zentraler Bedeutung. Sie gliedert sich ein in das Spannungsverhältnis, das auch das Konzept der europäischen Integration in sich birgt, die Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten, die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten, um bessere und effizientere Rahmenbedingungen für die Menschen und die Wirtschaft zu gestalten, und den Wettbewerb, der Anreize schaffen soll, um die Wettbewerbsfähigkeit und die Zukunftsfähigkeit der Europäischen Union als solche zu verbessern.

Wettbewerbspolitik ist daher zu Recht eine der wichtigsten Politiken. Wir können stolz sein auf eine europäische Wettbewerbskultur, um die soziale Markwirtschaft auch tatsächlich durchzusetzen. Wir können stolz sein auf Kartell- und Fusionskontrolle. Wir müssen aber wachsam sein angesichts der weltweit operierenden Akteure, denen nationalstaatliches Handeln keine Grenzen mehr setzen kann. Von daher müssen wir an einen Spruch der französischen Literatin Vivienne Forestier denken, die den Zustand der Welt als den Terror der Ökonomie beschreibt. Die Gesellschaft überläßt sich dem Markt. Das wollen wir gerade in der Europäischen Union nicht. Wir wissen, daß im Zeitalter der Strategien von Allianzen und Millenniumsfusionen – 1998 wurden 2400 Milliarden US-Dollar für Übernahmen gezahlt – wettbewerbsschädliche Praktiken eingedämmt werden, nicht nur über unsere eigenen Regeln, sondern auch über bilaterale Zusammenarbeit mit den USA oder Japan oder anderen, solange es noch kein internationales Wettbewerbsrecht gibt, das es unbedingt geben muß!

Europäische Wettbewerbspolitik – das vergessen wir sehr häufig – ist nicht nur von Bedeutung für den fairen Wettbewerb als solchen, sondern eben auch für die Preisentwicklung, für Wachstum und Beschäftigung und damit auch für die Bürger und Bürgerinnen. Ich fordere genau wie die anderen Kollegen die Mitentscheidung des Europäischen Parlaments im Bereich des Wettbewerbsrechts. Das muß endlich durchgesetzt werden!

Wichtig ist es auch, den Zusammenhang zwischen Wettbewerbspolitik und Verbraucherschutz herauszustellen. Ich begrüße es, daß Kommissar Monti in diesem Bereich Fortschritte im Dialog mit dem Europäischen Parlament erzielen will, aber auch im Dialog mit den Nichtregierungsorganisationen, den Verbraucherschutzverbänden und den Bürgern. Mehr Transparenz wird auch zur öffentlichen Akzeptanz wettbewerbspolitischer Entscheidungen beitragen. Dann kann man nämlich nachvollziehen, daß zum Beispiel die niedrigeren Strom- und Telekommunikationspreise auch ein Ergebnis der europäischen Wettbewerbspolitik sind und Brüssel nicht nur an den Pranger gestellt werden muß, wenn es Beihilfeentscheidungen gibt, die in einer augenblicklichen oder lokalen Situation natürlich durchaus Probleme bereiten.

Klarheit über Wettbewerbsregeln muß es insbesondere auch wegen der EU-Erweiterung geben. Dabei muß herausgestellt werden, daß eine staatliche Beihilfepolitik – das macht der Bericht Jonckheer auch sehr klar – jedem Staat weiterhin seine Freiheit geben muß, seine öffentlichen Aufgaben und Eigentumsverhältnisse selbstständig zu definieren und zu gestalten. Dabei muß klar sein, daß Beihilfen eine nützliche Funktion haben können, um Marktversagen auszugleichen und Gemeinschaftsziele zu fördern.

Ein Wort zum Weißbuch: Die Revision von Artikel 81 und 82 bedeutet eine kartellpolitische Wende. Ich wende mich dagegen im Gegensatz zur Mehrheit dieses Hauses und auch zur Mehrheit meiner eigenen Fraktion, weil ich der Meinung bin, daß das System der Legalausnahme, ein System des Verbots mit Administrativvorbehalt wettbewerbspolitisch deutlich unterlegen ist und ich die Gefahr einer Renationalisierung sehe. Das geltende System stellt Transparenz her, bietet Rechtssicherheit für die Unternehmen und hat durch die Anmeldepflicht zweifelsohne zu Disziplinierung und Abschreckung geführt. Das von der Kommission in den Vordergrund gestellte Problem der Arbeitsüberlastung ist kein ausreichender Grund für eine tiefgreifende Änderung des Rechtssystems. Hier ist es auch fraglich, ob es ohne Vertragsänderung überhaupt möglich ist.

 
  
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  Huhne (ELDR).(EN) Herr Präsident, ich bin sehr froh, daß Frau Randzio-Plath den äußerst wichtigen Kontext unserer Debatte erwähnt hat, auf den nicht ein einziger ihrer Vorredner eingegangen ist. Die Einführung des Euro zu Beginn des letzten Jahres setzte ungeheure Wettbewerbskräfte in der europäischen Wirtschaft frei, die eine Welle von Fusionen in einem bisher nicht gekannten Ausmaß auslösten. So geht beispielsweise aus den Angaben für das zurückliegende Jahr hervor, daß sich der Wert der Fusionen im europäischen Raum auf insgesamt 1,4 Billionen EUR und damit auf das Siebenfache der Fusionsaktivität auf dem Höhepunkt der letzten europäischen Fusionswelle im Jahre 1990 belief.

Dies stellt die Wettbewerbspolitik vor immense Herausforderungen, und ich kann nur hoffen, daß sie ihnen gerecht werden kann. Denn eines ist sicher, bei vielen dieser Fusionen geht es weniger darum, die Produktivität zu steigern und den betreffenden Unternehmen die Operation in einem größeren Umfeld zu ermöglichen, als vielmehr um die Sicherung der Gewinnspannen gegenüber der Konkurrenz. Kommissionsmitglied Monti und seine Kollegen stehen vor einer gigantischen Aufgabe, und wir in der ELDR-Fraktion meinen, daß die Schlagkraft der Wettbewerbspolitik in bezug auf die Untersuchung von Fusionen oder die Überwachung von wettbewerbsbeschränkendem Verhalten bewahrt werden muß. Eine Verlagerung von Kompetenzen an die nationalen Behörden ist ja schön und gut, wir möchten aber mit Nachdruck auf die von Herrn von Wogau in seinem Bericht getroffenen Feststellungen zur Notwendigkeit der regelmäßigen Kontrolle nationaler Behörden verweisen, mit der eine Verwässerung der europäischen Komponente verhindert werden soll. Vor allem aber fordern wir das Kommissionsmitglied auf, uns entsprechende stichprobenartige Überprüfungen zuzusagen.

 
  
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  Knörr Borràs (Verts/ALE).(ES) Herr Präsident! In der kurzen mir zur Verfügung stehenden Zeit möchte ich die von allen Berichterstattern geleistete Arbeit hervorheben und meine Zustimmung zu vielen, insbesondere von meinem Kollegen Jonckheer hier gesagten Dingen, zum Ausdruck bringen, wobei ich die übermäßige Häufung von Daten und die Notwendigkeit von Transparenz und eines sozioökonomischen Gleichgewichts der Beihilfen kritisch anmerken möchte. Ich teile auch die Kritik, daß nicht genügend Nachdruck auf die Entwicklung des Artikels 82 gelegt wurde, vor allem angesichts der mißbräuchlichen Verhaltensweisen, die wir im Zusammenhang mit der Marktkonzentration beobachten.

Als Abgeordneter des Baskenlands möchte ich den Maßnahmen zur Anwendung des angemessenen Wettbewerbs auf dem Markt meine volle Unterstützung bekunden. Ich sage das für den Fall, daß es irgendeinen Zweifel wegen der Kritiken geben könnte, die wir an die Kommission im allgemeinen und an Herrn Monti im besonderen wegen seiner Verfolgung der Anreize für die baskischen Unternehmen und deren Betrachtung als staatliche Beihilfen gerichtet haben.

Unsere Meinungsverschiedenheit besteht in dem Maße fort, in dem die Kommission den Charakter des allgemeinen Systems und des Systems der Mitverantwortung in unserem Zusammenspiel weiterhin nicht versteht, die nämlich bewirken, daß unsere baskischen Steuervorschriften dieselbe Natur, dieselbe Grundlage und denselben Zweck haben wie die Vorschriften der Mitgliedstaaten der Union und die generell auf alle Steuerpflichtigen angewendet werden, die je nach dem, wo sie erfaßt sind, diesen Vorschriften unterworfen sind.

 
  
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  Markov (GUE/NGL). – Herr Präsident, Herr Kommissar! Jawohl, wir brauchen Wettbewerb! Wir brauchen Wettbewerb um die geringste Arbeitslosigkeit, um eine ausgefeilte Gesundheitsversorgung, um soziale Gerechtigkeit, um hohe soziale Standards, und wir brauchen natürlich auch – das sind volkswirtschaftliche Wettbewerbskriterien – den betriebswirtschaftlichen Wettbewerb: höchste Qualität der Produkte, gleiche Marktzugangsbedingungen aller Unternehmen, umweltfreundliche Produkte. Das heißt, es muß uns gelingen, die volkswirtschaftlich notwendigen Wettbewerbskriterien mit den betriebswirtschaftlichen zu koppeln. Ich habe manchmal den Eindruck, im Gegensatz zu dem Land, aus dem ich komme – aus der DDR –, wo die volkswirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit über alles gestellt wurde und die betriebswirtschaftliche außer acht gelassen wurde, wird jetzt sehr häufig das Gegenteil gemacht; die Gesellschaft denkt fast nur betriebswirtschaftlich. Das sage ich Ihnen selber als Unternehmer, der durchaus daran interessiert ist. Aber so kann ein System nicht funktionieren! Es geht nur in der Kopplung.

Ich gebe ihnen ein Beispiel: Die Europäische Union hat zu Recht das Stahlwerk Grönitz in Brandenburg gefördert, obwohl von 5 000 Arbeitsplätzen nur noch 700 übriggeblieben sind. Das sind aber wettbewerbsfähige Arbeitsplätze, denn dieses Stahlwerk ist jetzt die Nummer 2 der Werkzeugstahlhersteller in der Bundesrepublik Deutschland. Wer jetzt durch Rückforderung der damals zugebilligten Beihilfen im Prinzip die Produktion dieses Stahlwerks gefährdet, gefährdet nicht nur das Stahlwerk selbst, er gefährdet in dieser Region einen Arbeitgeber, von dem natürlich auch kleine und mittelständische Unternehmen abhängen. Das kann natürlich keine Wettbewerbspolitik der Europäischen Union sein!

Wenn wir Wettbewerb haben wollen, dann müssen wir diese Kopplung zwischen den volkswirtschaftlichen Notwendigkeiten und den betriebswirtschaftlichen Voraussetzungen hinkriegen. Das ist auch die einzige Chance, in den unterentwickelten Regionen über diesen Weg regionale Wirtschaftskreisläufe aufzubauen, die dazu führen, daß die Leute sozial abgesichert sind, daß die Kaufkraft gestärkt wird. Damit müssen wir auch eine nachfrageorientierte Wirtschaftspolitik entschieden stärker berücksichtigen als nur die angebotsorientierte!

 
  
  

VORSITZ: RENZO IMBENI
Vizepräsident

 
  
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  Gallagher (UEN).(EN) Herr Präsident, noch nie, seit ich 1994 in dieses Parlament gewählt wurde, ist mir ein Bericht mit derart anti-irischen Untertönen untergekommen wie der Bericht von Herrn Jonckheer, über den wir heute debattieren.

Ich möchte wörtlich aus dem Bericht zitieren: „Die staatlichen Beihilfen pro Beschäftigten … sind in Italien, Deutschland … und Irland am höchsten, Irland steht jedoch eindeutig an erster Stelle, wenn die staatlichen und gemeinschaftlichen Beihilfen aus dem Regional- und dem Sozialfonds gemeinsam betrachtet werden.“ Ich glaube, daß der Berichterstatter hier einfach mit den Zahlen jongliert. Ich kann nur schwer nachvollziehen, wie er Regional- und Sozialfonds in diese mathematische Gleichung einbeziehen kann. Ich möchte den Kollegen daran erinnern, daß die Europäische Union den neuen Leitlinien für regionale Beihilfen für die Zeit bis nach 2000 zugestimmt hat. Das war lediglich eine Erweiterung der politischen Ziele der Vollendung des Binnenmarktes in Europa. Regionale Unterschiede müssen überwunden werden, damit sich der Binnenmarkt erfolgreich und gedeihlich entwickeln kann.

Ich begrüße es, daß nach 2000 Zuschüsse in Höhe von 40 % und im Falle von KMU und ihren Anlageinvestitionen darüber hinaus 15 % vorgesehen sind für Unternehmen, die sich in Ziel-1-Regionen ansiedeln. Ich erinnere Herrn Jonckheer daran, daß irische Unternehmen bzw. ausländische Unternehmen in Irland vom kontinentaleuropäischen Markt immerhin durch zwei größere Meere getrennt sind. Kein anderer Mitgliedstaat ist derart benachteiligt.

 
  
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  Konrad (PPE-DE). – Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Kartellverbot ist das Kernstück einer funktionierenden Wettbewerbsordnung in Europa. Die praktische Handhabung der Überwachung des Kartellverbots ist von der Kommission als unbefriedigend empfunden worden; dem ist zunächst auch zuzustimmen. Aber im Hinblick auf die Lösung gehen die Meinungen auseinander. Der Vorschlag der Kommission weicht formal vom Kartellverbot nicht ab, aber im Ergebnis ist dieser Vorschlag ein Übergang von einem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt zu einer Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt. Dies ist der Übergang vom Verbotsprinzip zum Mißbrauchsprinzip. Ein derart gravierender Systemwechsel wird von mir und von anderen Kollegen entschieden abgelehnt. Ich akzeptiere nicht, daß ein Umsetzungsproblem in der Praxis der Grund für eine Änderung der Rechtsordnung sein soll. Wir ändern das Recht, damit es wieder exekutierbar wird; das finde ich so nicht akzeptabel. Die Kommission gibt ihr Freistellungsmonopol auf. Vor dem Hintergrund dieses geplanten Systems der Legalausnahme sind Wettbewerbsbeschränkungen ohne weiteres freigestellt, sofern die Voraussetzungen des Artikels 81 Absatz 3 EGV vorliegen. Die Notwendigkeit von Anmeldungen in Brüssel entfällt, das heißt, die Kommission befindet sich bezüglich dieses Sachverhalts zukünftig im Blindflug. Dies halte ich nicht für akzeptabel.

Ergänzt wird das Konzept der Kommission durch eine verstärkte nachträgliche Kontrolle der nationalen Behörden und der Gerichte der Mitgliedstaaten. Hier werden wir aber, wenn dies im Rahmen einer Renationalisierung so stattfindet, zu einem wettbewerbspolitischen Flickenteppich in Europa kommen. Ich glaube, daß dies nicht akzeptabel ist. Hier wird ein Kernbestand der europäischen Politik geschwächt. Der von der Europäischen Kommission ins Auge gefaßte Systemwechsel im europäischen Kartellrecht ist wettbewerbspolitisch hoch riskant. Wir haben genügend andere Optionen im vorhandenen System, um offene Märkte und freien Wettbewerb zu sichern.

Im übrigen kommt die Kommission mit ihrem Vorschlag wieder auf alte Vorschläge zurück, die schon einmal in den fünfziger und sechziger Jahren unterbreitet wurden. Damals fand das keine Mehrheit. Weil Frankreich damals die Legalausnahme sehr stark in den Vordergrund gestellt hat, wurde es durch Zugeständnisse in der Agrarpolitik entschädigt. Vierzig Jahre später kommt dieser Vorschlag nun wieder auf den Tisch, und er wird – da bin ich mir sicher – Spielräume schaffen für Kartellbildungen zu Lasten der Verbraucher in Europa. Dies halte ich nicht für akzeptabel!

 
  
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  Caudron (PSE).(FR) Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen, in dieser wichtigen Aussprache über die Wettbewerbspolitik möchte ich heute vormittag speziell zum Bericht von Herrn Langen betreffend den Stahlbeihilfenkodex etwas sagen.

Wie der Europäische Gerichtshof 1996 anerkannte, ist die Eisen- und Stahlindustrie gegenüber Störungen des Wettbewerbsgefüges besonders anfällig. Zu dieser Schlußfolgerung gelangte ich übrigens bereits vor einigen Jahren in einem Bericht über die Stärken und Schwächen der europäischen Eisen- und Stahlindustrie. Deshalb war es durchaus legitim, ein Beihilfensystem für diesen Sektor einzuführen, mit dessen Hilfe das Überleben leistungsfähiger Unternehmen gewährleistet werden soll, selbst wenn hier ein Widerspruch zu Artikel 4 des EGKS­Vertrags besteht.

Genau dies ist das Anliegen des sechsten Stahlbeihilfenkodex. Gleichzeitig gilt es jedoch, jegliche Verletzung der Wettbewerbsbestimmungen und jegliche schwere Störungen des Gleichgewichts auf den Märkten zu vermeiden, und deshalb müssen diese Beihilfen reglementiert werden. Die staatlichen Beihilfen müssen sich also auch künftig auf Forschungs­, Entwicklungs­, Umweltschutz­ und Schließungsbeihilfen beschränken.

Im gleichen Sinne kommt es vorrangig darauf an, daß die Mitgliedstaaten ihrer Pflicht nachkommen, vor der Kommission Rechenschaft über die Beihilfen abzulegen, die sie ihren Eisen­ und Stahlunternehmen gewährt haben. Die Kommission schlägt vor, die Fristen zu verkürzen, und ich stimme dieser Forderung zu.

Ebenso wie der Berichterstatter begrüße ich zwar den Bericht der Kommission, bedaure aber, daß nicht alle Aspekte der Stahlbeihilfe behandelt sind. Obwohl der Stahlbeihilfenkodex sehr klar abgefaßt ist, hat die Kommission Beihilfen an Eisen­ und Stahlunternehmen genehmigt, die nicht unter die im Kodex genannten Kategorien fallen. Im Interesse der Gleichbehandlung muß der Kodex entweder angewandt oder aber abgeändert werden.

Lassen Sie mich abschließend sagen, Herr Präsident, daß mit dem Auslaufen des EGKS­Vertrags die Vorschriften überarbeitet werden müssen, denn meiner Meinung nach muß das Beihilfensystem auch über das Jahr 2002 hinaus bestehen bleiben. Deshalb bin ich für eine Verordnung des Rates, die in diesem Bereich Sicherheit gewährleistet. Daher erwarten wir und erwarte ich entsprechende Vorschläge der Europäischen Kommission.

 
  
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  González Álvarez (GUE/NGL).(ES) Herr Präsident! Auch ich möchte zum Bericht von Herrn Langen über die Beihilfen an die Eisen- und Stahlindustrie sprechen.

Ich bin mit dem Berichterstatter in zwei Fragen einverstanden. Erstens in der Notwendigkeit der Gewährleistung gleicher Beihilfebedingungen für alle Mitgliedstaaten und zweitens in der Transparenz dieser Beihilfen. Wir beanstanden, wie der Berichterstatter, daß die Kommission trotz der sich aus diesem sechsten Stahlbeihilfekodex ergebenden Bestimmungen häufig Beihilfen für Unternehmen bewilligt hat, die nicht unter die Kategorien des Kodex fallen.

Was uns aber am meisten Sorgen bereitet, ist der Verfall der Preise um 30 % wegen der Importe. Der Grund dieses Preisrückgangs ist der unlautere Wettbewerb Südkoreas und Taiwans im Falle der Eisen- und Stahlindustrie aufgrund ihrer unterschiedlichen Beschäftigungs- und Beihilfebedingungen. Die Aufträge in der Eisen- und Stahlindustrie sowie im Schiffbau – über dieses Thema haben wir kürzlich auch gesprochen – sind drastisch zurückgegangen und haben zu einem entsprechenden Verlust von Arbeitsplätzen geführt. Ich lebe in einer Region, in der der Schiffbau heute vor sehr ernsten Problemen steht: in Asturien.

Angesichts weltumspannender Märkte wären weltweit geltende arbeitsrechtliche Regelungen und weltweit geltende Beihilfesysteme erforderlich. Ich weiß, das läßt sich jetzt schwer erreichen, aber wenn wir keine gerechten arbeitsrechtlichen Regelungen für alle Arbeitnehmer, hier wie dort, erreichen und auch keine gerechten Beihilfen für alle Länder, hier wie dort, dann wird es in Europa und auch dort sehr schwierig sein, die Arbeitsplätze zu erhalten.

 
  
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  Karas (PPE-DE). – Herr Präsident, Herr Kommissar, Herr Generaldirektor, meine Damen und Herren! Ich möchte vor allem zum Bericht von Wogau folgendes festhalten: Ich begrüße das Bemühen der Kommission, tabulos über die bisher eisernen Verfahrensregeln einen Diskussionsprozeß einzuleiten und konkrete Reformmaßnahmen vorzuschlagen. Ich beglückwünsche den Berichterstatter Karl von Wogau, der den Ball aufnimmt, aber auch ganz konkret Klarstellungen einfordert, auf notwendige Begleitmaßnahmen hinweist und die aktuellen artikulierten Probleme kritisch beim Namen nennt.

Das Weißbuch und der Bericht sind Beiträge am Beginn eines notwendigen Nachdenk-, Diskussions- und Reformprozesses, der noch nicht abgeschlossen ist, weil noch etliche Fragen von uns, den Richtern, den Mitgliedstaaten und vor allem den betroffenen KMU zu klären sind. Die Wettbewerbspolitik muß weiterhin zentral gemacht und wird nicht renationalisiert werden, weil dies den Binnenmarkt und den Wirtschaftsstandort Europa in einer globalen Weltwirtschaft gefährden würde. Sie muß aber in einer subsidiären Art europäisiert werden. Ich begrüße daher auch, daß die Verantwortung beim Einzelnen ansetzt, ohne daß sich die Kommission aus ihrer Verantwortung zurückzieht.

Die Erfahrungen mit der Praxis – nur 9 Fälle wurden abgelehnt, 94 % der Fälle, die die Kommission zu bearbeiten hatte, wurden nicht förmlich, sondern nur im Weg unveröffentlichter, rechtlich unverbindlicher Verwaltungsschreiben oder einfach durch Zeitablauf erledigt – zeigen deutlich, daß der Kommissionsarbeit zeitliche, personelle und finanzielle Grenzen im Zeitalter der Globalisierung und der EU-Erweiterung gesetzt werden.

Abschließend möchte ich sagen, was ich von dieser Reform erwarte: fairen Wettbewerb und gleiche Wettbewerbsbedingungen, Rechtssicherheit für alle Unternehmen, eine einheitliche Anwendung der Wettbewerbspolitik, eine Verfahrensvereinfachung nach dem Prinzip des one-stop-shop, die Koordination der nationalen, für mich unabhängigen Wettbewerbsbehörden, ein enges Zusammenspiel der nationalen Behörden und Gerichte mit der Kommission sowie eine klare Zuständigkeitsverteilung zwischen nationalen Behörden und Gerichten bei der Anwendung des europäischen Wettbewerbs- und Kartellrechts, und von der Kommission die Konzentration auf das Wesentlichste in Erfüllung ihrer Aufgaben als oberster Hüterin der europäischen Wettbewerbspolitiken. Ich erwarte mit Spannung, in welcher Form die Diskussionen, die breit geführt werden, in den ersten Legislativvorschlag einmünden.

 
  
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  Bordes (GUE/NGL).(FR) Der Bericht der Kommission bestätigt, daß abgesehen von Deutschland die staatlichen Beihilfen für Unternehmen zunehmen. Das beunruhigt die Kommission lediglich aus wettbewerbsrechtlicher Sicht.

Was uns betrifft, so sehen wir dies vom Standpunkt des Interesses der arbeitenden Klassen aus. Die Gesellschaft hat nichts davon, wenn so enorme Summen öffentlicher Mittel in private Unternehmen gepumpt werden. Betrachten wir z. B. die Automobilindustrie, wo die Subventionen und verschiedenen staatlichen Beihilfen während des Berichtszeitraums um 24 % gestiegen sind. Zu welchem Zweck? Nicht etwa, um die Arbeitsplätze zu erhalten. Alle diese Unternehmen haben Stellenkürzungen und sogar Entlassungen vorgenommen. Auch nicht um die Arbeitsbedingungen zu verbessern, denn wenn mit weniger Arbeitern mehr produziert wird, verschlechtern sich die Arbeitsbedingungen. Brauchten diese Unternehmen die staatliche Beihilfe, um zu überleben? Nein, die Automobilindustrie fährt seit Jahren riesige Gewinne ein.

Die staatlichen Beihilfen haben nicht nur nachteilige Effekte, weil sie, wie der Bericht Jonckheer einräumt, dazu führen, daß „Subventionsshopping“ durch Umsiedlung von Unternehmen von einem Mitgliedstaat in einen anderen betrieben wird. Sie sind inakzeptabel, weil damit öffentliche Gelder für die Bereicherung einer Handvoll von Privataktionären aufgewendet werden. Weil man überall die Reichsten mit staatlichen Geldern begünstigt, werden überall in Europa der Sozialschutz und die öffentlichen Dienstleistungen abgebaut und Krankenhäuser geschlossen.

Wenn ich gegen den Bericht Jonckheer stimme, so will ich damit deutlich machen, daß wir eine andere Politik brauchen, d. h. die Einstellung jeder Hilfe für private Unternehmen und die Verwendung des so eingesparten Geldes, um die öffentlichen Dienstleistungen weiterzuentwickeln und dort Arbeitsplätze zu schaffen.

 
  
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  García-Margallo y Marfil (PPE-DE).(ES) Herr Präsident! Die heutige Aussprache ist von außerordentlicher Bedeutung, weil das Wettbewerbsprinzip wahrscheinlich der Dreh- und Angelpunkt des Binnenmarkts war und ist. In Anwendung des Wettbewerbsprinzips hat der Gesetzgeber die Artikel 85 bis 94, die eigentliche Wettbewerbspolitik, die Überprüfung aller jener staatlichen Beihilfen und steuerlichen Bestimmungen entwickelt, die den Wettbewerb verzerren könnten. Zunächst die indirekten steuerlichen Bestimmungen und vor kurzem, dank Kommissar Monti, die direkten Bestimmungen und insbesondere den Verhaltenskodex.

Dies hat recht gut funktioniert, aber, As time goes by, wie es in dem berühmten Film Casablanca heißt, wird es notwendig, die bisherige gesetzliche Regelung den neuen Umständen anzupassen. In dieser Hinsicht habe ich in sämtlichen Redebeiträgen einen wichtigen Konsens beobachtet. Erstens ist es erforderlich, daß bei der Gestaltung der neuen gesetzlichen Regelung eindeutige und vollständige Vorschriften konzipiert werden. Wahrscheinlich ist das Vorhandensein unklarer Vorschriften, von Lücken in den Bestimmungen oder Regeln, die nur unbestimmte Rechtsbegriffe festlegen, in diesem Teil der gesetzlichen Regelung noch stärker abzulehnen als in anderen. Um so mehr – wie es im zweiten Teil dieser Reform der Fall ist –, wenn die Anwendung der gesetzlichen Regelung den nationalen Behörden übertragen wird.

Drittens scheint mir wichtig zu sein, daß die Kommission gegen die Versuchung angehen muß, unabhängige Agenturen zu schaffen, die das eigentliche Wesen der Kommission verzerren, so daß eine einheitliche Anwendung durch die internationalen Einrichtungen gewährleistet ist.

Viertens und letztens – und darauf wurde bereits hingewiesen – hat sich die internationale Rechtsordnung geändert. Wir haben das bei der erwähnten Konferenz von Seattle gesehen, und wir sehen es gegenwärtig bei den bilateralen Konferenzen mit einzelnen Regionen oder Ländern in der Welt. Das Wettbewerbsprinzip muß jetzt eine weltweite Anwendung erfahren. Und wir müssen darüber wachen, daß die Umweltstandards und die Arbeitsnormen eingehalten werden, um das Dumping in diesem Bereich zu verhindern. Wir müssen ferner darüber wachen, daß die Eigentumsrechte genauestens beachtet und die staatlichen Beihilfen überprüft werden, die – wie hier gesagt wurde – in vielen Bereichen den Wettbewerb verzerren und Arbeitsplätze in unserem eigenen Haus vernichten, und daß gleiche Bedingungen angewendet werden, die verhindern, daß die Beihilfen und die internen Verzerrungen in anderen Ländern zu regelrechten Fallen auf internationalem Terrain werden.

 
  
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  Kauppi (PPE-DE).(FI) Herr Präsident! Herr Monti! Der Bericht von Herrn Jonckheer über staatliche Beihilfen im verarbeitenden Gewerbe und in einigen weiteren Sektoren enthält viele positive Ansätze. Zunächst kommt darin die entschlossene Haltung des Parlaments zum Ausdruck, daß die staatlichen Beihilfen gezielt gekürzt werden müssen, wenn das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes sichergestellt werden soll.

Die Ziffern des Berichts enthalten allerdings viele Punkte, die zumindest meiner Fraktion erhebliche Sorgen bereiten. Zum Beispiel beweist die Tatsache, daß das gesunkene Pro-Kopf-Volumen und allgemein das Niveau der staatlichen Beihilfen in den verschiedenen Mitgliedstaaten unausgewogen ist, die Notwendigkeit dieser Art Berichte. Die nach nationalen Egoismen verteilten Beihilfen verschaffen den Unternehmen unberechtigte Vorteile, verzerren damit den Wettbewerb und führen gesamteuropäisch betrachtet zu einer ineffizienten und unrentablen Verteilung knapper Ressourcen. Dabei ist auch nicht unerheblich, um welche Form von Beihilfen es sich handelt. Hier sind vorzugsweise solche Beihilfen zu gewähren, die von dem Empfänger eigene Bemühungen fordern. Beispielsweise zählen Staatsgarantien, zu denen die Kommission unlängst eine Stellungnahme veröffentlicht hat, natürlich zu den staatlichen Beihilfen, stellen meines Erachtens aber eine bessere Alternative als die Direktbeihilfen für Unternehmen dar.

Der Bericht über die Wettbewerbspolitik unterstreicht, daß sich die Kommission weiterhin auf eine starke Regulierung verlegt, die gegenüber Argumenten, bei denen es um Effizienz im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit geht, den Vorzug erhält. Die europäische Wirtschaft wird niemals die erhoffte Wettbewerbsfähigkeit erreichen, wenn wir nicht auf die Marktmechanismen vertrauen. Wenn die Wettbewerbspolitik den sozial- und umweltpolitischen Zielen untergeordnet wird, bleiben wirkliche Effektivität und Wirtschaftswachstum eine Illusion. Die Wettbewerbspolitik muß somit als Teil der gesamten Wirtschaft betrachtet und beispielsweise vor dem Hintergrund der Handelspolitik und des immateriellen Rechts bewertet werden, statt daß lediglich ihre soziale Dimension betont wird. Die sozialpolitischen Ziele können am besten über ein starkes Wirtschaftswachstum umgesetzt werden, nicht durch Kompromisse in wettbewerbspolitischen Entscheidungen.

Im Bericht Rapkay wird auch die internationale Dimension des Wettbewerbsrechts betont. Meiner Ansicht nach wäre es von Vorteil, wenn auf internationaler Ebene Einvernehmen über bestimmte wettbewerbsrechtliche Kernprinzipien erzielt werden könnte. Die Zielsetzung einheitlicher Mindestnormen führt hingegen dazu, dort anzusetzen, wo es den geringsten Widerstand gibt, und sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zu einigen, was alle wettbewerbspolitischen Ziele verwässert.

 
  
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  Gemelli (PPE-DE).(IT) Herr Präsident, Herr Kommissar Monti! Die Modernisierung des Wettbewerbsrechts muß meines Erachtens für die Europäische Union eine Verpflichtung darstellen, die sich nicht nur im Lichte und als Folge der im Laufe der Jahre eingetretenen Änderungen, sondern auch im Hinblick auf die Erweiterung der Union ergibt. Ich danke dem Berichterstatter, Herrn Karl von Wogau, für sein Engagement und begrüße die Überlegungen, die er angestellt hat. Ferner möchte ich meine Anerkennung für die mir von Professor Tesauro, dem Präsidenten des italienischen Kartellamtes, übermittelten Betrachtungen und Bemerkungen, denen Professor Monti in einem sehr kooperativen Geiste sicherlich gebührend Rechnung tragen wird, aussprechen.

Das wirkliche Problem besteht zweifellos in einer stärkeren Liberalisierung des Marktes und vor allem in der Vereinheitlichung der verschiedenen nationalen Märkte, die derzeit erhebliche, bei einem Vergleich zwischen dem englischen, italienischen und französischen Markt deutlich hervortretende Unterschiede aufweisen; so ist der französische Markt durch starke Elemente eines staatlichen Protektionismus gekennzeichnet, die auf dem englischen Markt nicht bestehen und in Italien äußerst begrenzt sind.

Ein weiteres Problem stellen die Volkswirtschaften der beitrittswilligen Länder dar, die ohne eine schrittweise Anpassung Gefahr laufen, ewig auf Unterstützung angewiesen zu sein. Nach meinem Dafürhalten sollte auch eine Schwelle festgelegt werden, unterhalb derer zwei für unser Wirtschaftsgefüge charakteristische und wichtige Elemente zu integrieren sind, nämlich die KMU, die den Stützpfeiler der europäischen Wirtschaft bilden, sowie der Sozialschutz, den Europa den wirtschaftlich schwächeren Schichten stets gewährt hat. Die Wahrung der sozialen Funktion des Marktes bildet das Unterscheidungsmerkmal zwischen einer freien Wirtschaft tout court und einem der Verbesserung der menschlichen Lebensqualität dienenden System.

Ein bei den neuen Rechtsvorschriften zu berücksichtigender Aspekt betrifft die Wirtschaft der Regionen in äußerster Randlage und der Inselgebiete, die erhalten bleiben müssen. Deshalb sollte meines Erachtens auch an die Schaffung von zwei Auslandsmärkten gedacht, und es sollten dazu fruchtbare Beziehungen zu Rußland und zu den Mittelmeerländern hergestellt werden, damit sich die Volkswirtschaften weniger in äußerster Randlage befinden. Ich wünsche mir – und diesbezüglich danke ich Professor Monti –, daß den neuen Rechtsvorschriften ein weitestgehender wirtschaftspolitischer Charakter verliehen und dabei ihre soziale Funktion gewährleistet wird.

 
  
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  Peijs (PPE-DE).(NL) Herr Präsident, Wettbewerb ist das Kernstück und die Stärke der europäischen Binnenmarktpolitik. Ein freier offener Markt kann nur dank Wettbewerb bestehen, dem durch klare, einheitliche Spielregeln Grenzen gesetzt sind. Herr Karl von Wogau bringt das in seinem Bericht auf den Punkt. Europa aber ist im Wandel begriffen. Die Wirtschaften wachsen, bald haben wir 25 bis 30 Mitgliedstaaten. Die Europäische Kommission wird mit Arbeit überlastet, wenn sie die derzeitige Politik weiter verfolgt. Deshalb muß die Wettbewerbspolitik modernisiert werden. Das steht außer Zweifel.

Dennoch bereitet mir die beabsichtigte Dezentralisierung Sorge. Wie wird die Kommission als Hüterin der Verträge gewährleisten, daß in London, Palermo, Helsinki und bald auch in Budapest und Ankara über Wettbewerbsangelegenheiten einheitlich entschieden wird? Rechtsungleichheit muß vermieden werden, und nicht das Gericht, das die mildesten Urteile fällt, darf von wettbewerbspolitischen Dingen überflutet werden. Ein Hinweis darauf, daß die Mitgliedstaaten auf 40 Jahre Erfahrung zurückblicken können, reicht nicht aus. In den Niederlanden steckt die Wettbewerbsbehörde noch in den Kinderschuhen. Das Land hat einen sehr kleinen Markt, der leider oftmals zugleich als der relevante Markt definiert wird. Dem steht Deutschland mit seinem überaus erfahrenen Kartellamt gegenüber, das über einen gigantischen Markt gebietet.

Das Vertrauen der Europäischen Kommission, die Gesetzgebung werde fast naturgemäß in allen Himmelsrichtungen gleich ausgelegt, bezeichnen wir Katholiken als „kühnes Vertrauen“, und das ist verboten. Einheitlichkeit muß erarbeitet werden. Dabei denke ich an spezialisierte nationalstaatliche Gerichte und an eine Berufungsmöglichkeit bei einer beim Europäischen Gerichtshof angesiedelten speziellen Wettbewerbskammer. Diese spezielle Kammer in Luxemburg brauchen wir, um das nötige fundierte Sach- und Fachwissen aufzubauen. Außerdem lassen es die enormen wirtschaftlichen und sozialen Interessen, die hier mitspielen, nicht zu, daß ein Urteil erst nach zwei Jahren ergeht, wie es derzeit durchaus üblich ist. Wie steht der Kommissar dazu?

Zum Schluß noch ein wichtiger Punkt im Zusammenhang mit den kleinen und mittleren Unternehmen. Die Europäische Kommission selbst muß im Sinne eines wirksameren Schutzes der KMU eine Freistellungsverordnung für diese Betriebe erarbeiten, so daß neben vertikalen auch horizontale Freistellungen möglich sind. Kleine selbständige Betriebe müssen sich durch Zusammenarbeit gegen die großen Ketten behaupten können. Das Ziel der europäischen Wettbewerbspolitik kann nicht darin bestehen, kleine Unternehmen von der Bildfläche verschwinden zu lassen. Außerdem sollten wir darüber nachdenken, ob wir für kleine Unternehmen nicht lieber ein Vorwarnsystem einführen und erst die gelbe, statt sofort die rote Karte zeigen, die wie eine Geldbuße wirken und den Fortbestand des Unternehmens gefährden würde.

 
  
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  Palacio Vallelersundi (PPE-DE).(ES) Herr Präsident! Als letzte zu sprechen gibt mir das Vorrecht, Herr Kommissar, Ihnen zu sagen, daß dieses Parlament mehrheitlich Ihre Initiative unterstützt und völliges, und ich glaube, sehr berechtigtes Vertrauen in die Art und Weise gezeigt hat, in der Sie dieses Schiff führen. Aber auf diesem Schiff wollen wir auch Ruderer sein, wir sitzen im selben Boot und wollen mit Ihnen rudern. Und deshalb halte ich es für absolut notwendig, einen interinstitutionellen Dialog zu führen, um den sicheren Hafen zu erreichen, um diese äußerst wichtige Reform zu profilieren und zu nuancieren.

Die vielen hier vorgebrachten Ideen ließen sich in drei großen Blöcken zusammenfassen. Zunächst ist da die Sorge, die von einigen, insbesondere von Frau Randzio-Plath, der Vorsitzenden des Wirtschaftsausschusses, zum Ausdruck gebracht wurde, daß das neue System der Legalausnahme mit dem Vertrag absolut vereinbar sein muß. Ich teile ihre Besorgnis und denke, daß wir diesen Aspekt prüfen müssen.

Zweitens ist da die Frage der Rechtssicherheit der Unternehmen. Es stimmt, Herr Kommissar, daß die Kommission keine Maschine zur Herstellung von Rechtssicherheit ist. Das sehen wir alle ein. Aber genauso stimmt es – und das wurde wiederholt von allen Bereichen dieses Parlaments zum Ausdruck gebracht –, daß das europäische gewerbliche Geflecht ein Geflecht von kleinen und mittelständischen Unternehmen ist und daß die Kommission oft die Rolle der auctoritas, der Legitimation, der Legitimität dessen spielt, was den Binnenmarkt darstellt.

An diesem Punkt möchte ich meine Meinung zu einer Frage darlegen, die Herr Karas angeschnitten hat. Es gab nur neun ablehnende Entscheidungen. Aber ich spreche hier aus meiner Erfahrung als Anwältin. Wie oft hat ein Anwalt mit zwei Unternehmen und einem Vorhaben angesichts einer ex ante gegebenen Orientierung der Kommission dieses Vorhaben geändert, damit es den Wettbewerbsregeln genügt! Deshalb ist dies ein Aspekt, der berücksichtigt werden muß.

Und drittens haben wir das Problem der einheitlichen Anwendung des Gemeinschaftsrechts. Diesbezüglich geht nichts über den ausgezeichneten Beitrag von Frau Thyssen. Ich glaube, daß die Artenvielfalt eine gute Sache ist, auch die kulturelle Vielfalt, aber nicht die Vielfalt der Anwendung des Rechts in bezug auf das, was den wesentlichen Kern des Binnenmarkts ausmacht, nämlich das Wettbewerbsrecht. Hier muß profiliert werden. Nur in wenigen Ländern, zum Beispiel in Deutschland, gibt es eine spezielle Rechtsprechung. Vielleicht wäre das ein zu untersuchender Weg, aber wir müssen weitere Wege prüfen.

Was wir nicht tun dürfen, Herr Kommissar – und mit diesem Gedanken möchte ich schließen –, ist, denjenigen Gründe oder Waffen zu liefern, die die europäischen Institutionen als eine Angelegenheit für die Großen, für die Wichtigen, für die Reichen, nicht für den Bürger, nicht für die kleinen und mittelständischen Unternehmen darstellen, was zu der schlimmsten Vision führen würde – die nicht Realität werden wird, weil ausreichende Maßnahmen zu ihrer Vermeidung getroffen werden –, daß es nämlich Gerichte gibt, die abweichende Urteile sprechen, zu spät und ohne wirkliche Möglichkeit, dies zu kontrollieren, es sei denn mit dem, was die Franzosen als „le parcours du combatant“ bezeichnen, das heißt, nach ich weiß nicht wieviel Jahren, wenn der Luxemburger Gerichtshof entscheidet, von dem wir wissen, daß er gegenwärtig sehr stark belastet ist.

Herr Kommissar! Wir stehen vor einer Reform, für deren Bedeutung es kein Attribut gibt, das übertrieben wäre. Sie wirkt auf den Wettbewerb, sie wirkt auf die Kohäsion des Binnenmarkts, und ich glaube, sie betrifft zutiefst das, was den Sinn der europäischen Integration, den Sinn der Legitimität der europäischen Integration ausmacht. Deshalb, Herr Kommissar, zählen wir auf diesen interinstitutionellen Dialog, damit wir zu einer Reform gelangen, die wir alle erwarten und von der wir glauben, daß wir sie mit Ihrer Steuermannskunst und unserer Unterstützung in den sicheren Hafen bringen werden.

 
  
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  Monti, Kommission.(IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordneten! Ich möchte dem Ausschuß für Wirtschaft und Währung sowie dem gesamten Europäischen Parlament herzlich für das den Themen des Wettbewerbs entgegengebrachte große Interesse danken. Die heutige gemeinsame Aussprache ist meines Erachtens dafür ein eindringlicher und reichlicher Beweis.

Wir haben heute sehr tiefgründige Betrachtungen gehört, bei denen es sowohl um wirtschaftspolitische Konzepte als auch um ordnungspolitisch relevante Fragen geht.

Unser gemeinsames Ziel besteht in der Modernisierung und Verstärkung der Wettbewerbspolitik als Pfeiler der sozialen Marktwirtschaft und des europäischen Aufbauwerks. Bei sämtlichen Aspekten einer Reform der Wettbewerbspolitik, mit denen wir uns noch gemeinsam zu befassen haben werden, geht es um einen wirksameren Wettbewerbsschutz, um Entbürokratisierung zur Entlastung der Unternehmen sowie um bürgernähere Entscheidungsprozesse.

Ich möchte Herrn von Wogau meinen persönlichen und tiefen Dank für seine sehr eingehende Prüfung der im Weißbuch behandelten Materie und für seinen ausgezeichneten Bericht aussprechen.

Die bei der Aussprache zum Bericht von Wogau angestellten Betrachtungen möchte ich in vier Punkten zusammenfassen, die ich nicht als Kritik an der Kommission, sondern als wesentliche Beiträge ansehe, da Besorgnisse bestehen, die gerechtfertigt sind und die wir gemeinsam ausräumen wollen: Effizienz, Gefahr der Renationalisierung, Kohärenz der Rechtsanwendung und Rechtssicherheit. Ich werde diese vier Punkte nun kurz der Reihe nach behandeln.

Erstens Effizienz: Die vorgesehene Reform bedeutet meiner Überzeugung nach die Möglichkeit eines stärkeren und nicht etwa eines geringeren Wettbewerbsschutzes im Rahmen des Binnenmarkts. Mit dem derzeitigen Anmeldesystem ist dieses Ziel heute nicht mehr erreichbar, weil die Kommission damit nicht über die schwerwiegendsten Beschränkungen unterrichtet wird – ich weise darauf hin, daß sie in 35 Jahren nur in neun Fällen eine Untersagungsentscheidung getroffen hat, die auf eine Anmeldung zurückzuführen und bei denen keine Anzeige erstattet worden war –, weil damit keine Transparenz gewährleistet ist und den Unternehmen, die in den meisten Fällen ein einfaches Verwaltungsschreiben über die Einstellung des Verfahrens erhalten, keine wirkliche Rechtssicherheit geboten wird. Das vorgeschlagene System wird einen besseren Wettbewerbsschutz ermöglichen, in erster Linie, weil die Kommission ihre Tätigkeit damit auf die gravierendsten Wettbewerbsbeschränkungen konzentrieren kann, sodann weil die nationalen Wettbewerbsbehörden stärker bei der Ahndung der Verstöße eingebunden werden und schließlich weil sich die Opfer der Verstöße direkt an die mit dem Schutz der Rechtsansprüche beauftragten nationalen Gerichte wenden können.

Zweitens Renationalisierung: Zunächst möchte ich, obwohl sich dies erübrigt, darauf hinweisen und möglichst dreimal unterstreichen, daß das Anmeldeverfahren für staatliche Beihilfen und Unternehmenskonzentrationen – in diesen Bereichen denken wir heute nicht an eine Dezentralisierung – in dem Weißbuch unangetastet bleibt. Was aber die Verordnung Nr. 17 betrifft, so besteht hier die Gefahr der Renationalisierung. Wie sollten wir uns mit diesem Problem nicht etwa auseinandergesetzt haben: wir haben uns sehr wohl damit befaßt, und auch dank der von Ihnen dargelegten Besorgnisse wird es derzeit sehr sorgfältig von uns geprüft. Ehrlich gesagt, halte ich diese Bedenken letztendlich für unbegründet. In dem Kommissionsvorschlag wird der Kommission eine zentrale Rolle bei der Festlegung der wettbewerbspolitischen Leitlinien zuerkannt. Die Reform beinhaltet keinerlei Einschränkung der Tätigkeit der Kommission, sondern deren Konzentration auf wichtigere Themen. Die Reform wird zur schrittweisen Herausbildung einer europäischen Wettbewerbskultur beitragen – dies erlaube ich mir deswegen zu betonen, weil mich dieser von der Vorsitzenden, Frau Randzio-Plath, verwendete Ausdruck, der im übrigen meine volle Zustimmung findet, sehr beeindruckt hat. Die Reform wird also dazu führen, daß die einzelnen nationalen Wettbewerbskulturen, die heute noch sehr unterschiedlich ausgeprägt sind, zu einer europäischen Wettbewerbskultur zusammenwachsen und sich dort verwurzeln. Die 15 einzelstaatlichen Rechtsordnungen werden nach und nach zugunsten einer umfassenderen Anwendung des Gemeinschaftsrechts, das von einer größeren Zahl von Wirtschaftsteilnehmern angewandt werden kann, aufgegeben werden. Dies ist, mit Verlaub gesagt, eine Vergemeinschaftlichung des Wettbewerbsrechts und nicht dessen Renationalisierung.

Drittens Kohärenz der Rechtsanwendung: Die Gefahr einer inkohärenten Anwendung der Wettbewerbsregeln muß zwar bedacht werden, gleichzeitig bin ich aber der Meinung, daß sie nicht überbewertet werden sollte. Wie zahlreiche andere Vertragsbestimmungen werden Artikel 81 Absatz 1 und Artikel 82 letztendlich seit Jahrzehnten von nationalen Behörden und Gerichten angewandt, ohne daß sich meines Erachtens daraus größere Probleme ergeben hätten. Bei einem System der Legalausnahme hängt die Wahrung der Kohärenz in erster Linie davon ab, wie eindeutig die materiellen Bestimmungen sind. Die Kommission wird, sei es durch allgemeingültige Rechtsakte, sei es durch ihre Entscheidungspraxis um die Festlegung eines klaren Rechtsrahmens bemüht sein. Zweitens müssen wirksame Mechanismen zur Konfliktverhütung festgelegt werden, und in dem Weißbuch sind entsprechende Informations- und Konsultationsmechanismen enthalten. Diesbezüglich möchte ich noch ein Wort zu dem von Frau Riis-Jørgensen und Herrn Huhne dargelegten hervorragenden Vorschlag eines monitoring of the implementation sagen.

 
  
  

(EN) Denn darum geht es bei der Überwachung und Durchführung. Ich muß sagen, daß ich das für eine sehr gute Idee halte, die wir wohl aufgreifen werden. Obwohl wir die Tätigkeit der nationalen Wettbewerbsbehörden zutiefst respektieren, werden wir selbstverständlich sehr genau darauf achten, wie das EG-Recht von den nationalen Behörden und Gerichten umgesetzt wird. Aus diesem Grunde möchte sich die Kommission das Recht vorbehalten, einer nationalen Wettbewerbsbehörde bei unsachgemäßer Anwendung des EG-Rechts einen Fall zu entziehen. Damit dürften Ihre Bedenken, Frau Peijs, zumindest etwas zerstreut sein.

 
  
  

(EN) Was den Verweis von Herrn Evans auf die Auswirkungen auf die Wirtschaft betrifft, so sollte eine entsprechende Kosten-Nutzen-Analyse wirklich ernst genommen werden. Schließlich dient die Veröffentlichung des Weißbuchs dazu, Reaktionen von Unternehmen und anderen Quellen zu erfassen. Uns sind zahlreiche ausgezeichnete Hinweise und Informationen zugegangen, die uns ausreichend Material für eine Kosten-Nutzen-Bewertung für die Wirtschaft bieten. Bevor wir einen Legislativvorschlag für eine neue Verordnung vorlegen, werden wir das gesamte Material sehr sorgfältig prüfen.

Was die Auswirkungen auf Firmen anbelangt, so kommt einer Sache besonders große Bedeutung zu, die von Frau Thyssen, Frau Peijs und Frau Palacio Vallelersundi angesprochen wurde, und zwar betrifft das die KMU. Dies wurde von vielen meiner Vorredner unterstrichen. Die Rechtssicherheit der KMU liegt der Kommission ganz besonders am Herzen. Wir schlagen ein System vor, das die Rechtssicherheit für KMU beträchtlich erhöht. Wieso? Handelt es sich dabei lediglich um eine politische Geste? Nein. Wir schlagen vor, die materiell-rechtlichen Vorschriften dahingehend zu reformieren, daß die meisten KMU unter die Gruppenfreistellung fallen, und zwar ähnlich wie bei den vertikalen Wettbewerbsbeschränkungen. Die meisten KMU haben ohnehin nur einen Marktanteil von weniger als 30 %.

Wir haben eine De-minimis-Mitteilung mit der Feststellung, daß KMU normalerweise nicht unter das strenge Verbot gemäß Artikel 81 Absatz 1 fallen, da sie keine marktbeherrschende Stellung einnehmen. Wir arbeiten an weiteren Gruppenfreistellungen und Leitlinien, die die besondere Stellung von KMU berücksichtigen. Unser Weißbuch über die Modernisierung wird auch die Lage der KMU verbessern, und zwar erstens durch Beseitigung der aus dem derzeitigen Anmeldesystem resultierenden Bürokratie und zweitens durch Einführung der unmittelbaren Anwendbarkeit von Artikel 81 Absatz 3, was für die KMU besonders vorteilhaft sein dürfte.

 
  
  

(IT) Viertens die Rechtssicherheit: Die Rechtssicherheit, Herr Evans, ist zweifellos – und ich bin der erste, der dies anerkennt – für die Unternehmen wichtig und nicht nur für die juristischen Berufe, die gleichwohl eine äußerst wichtige Rolle für das europäische Aufbauwerk erfüllen. Die Rechtssicherheit ist wichtig für die Unternehmen: die Bedeutung dieses Themas wurde auch von der Vorsitzenden des Ausschusses für Recht und Binnenmarkt, Frau Palacio Vallelersundi – der ich sehr dafür danken möchte, daß sie, wie stets, Binnenmarktthemen in einem weiten Sinne behandelt, im vorliegenden Fall also unter Einschluß des Wettbewerbs – bei ihren letzten Ausführungen unterstrichen. Meiner Überzeugung nach wird der vorliegende Vorschlag größere Rechtssicherheit für die Unternehmen bedeuten, und zwar aus drei Gründen: Aufgrund der Direktwirkung von Artikel 81 Absatz 3 wird er ohne Vorentscheidung die Genehmigung sämtlicher wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen, welche die Ausnahmebedingungen erfüllen, ermöglichen. Er wird die Möglichkeit schaffen, im Falle von Zweifeln bei der Auslegung den Unternehmen durch die Veröffentlichung begründeter Stellungnahmen zu helfen; gleichzeitig werden damit Ausnahmeregelungen und Leitlinien festgelegt, um die Regeln zu klären und deren Sicherheit zu gewährleisten.

 
  
  

(FR) Frau Thyssen hat auch die Frage der Legalausnahme für Justitiare angesprochen. Ich möchte nur daran erinnern, daß der Gerichtshof, wie Sie sicher besser wissen als ich, 1982 eine Entscheidung in dieser Frage getroffen hat. Diese Rechtsprechung ist nach wie vor gültig, und es gibt keinen Grund, sie in Frage zu stellen. Das Weißbuch schreibt eine Überprüfung dieser Angelegenheit lediglich in einem einzigen Aspekt vor: der Weitergabe vertraulicher Informationen. Gegenstand der derzeitigen Diskussionen sind die Garantien, die den Unternehmen gegeben werden müssen.

 
  
  

(IT) Ich komme nun kurz zu dem Bericht von Herrn Rapkay, dem ich aufrichtig für seine hervorragende Arbeit sowie dafür danken möchte, daß er den XXVIII. Bericht der Europäischen Kommission über die Wettbewerbspolitik im wesentlichen unterstützt hat. Meiner Meinung nach stimmen unsere Ansichten weitgehend überein. In dem Bericht Rapkay werden jedoch einige Punkte hervorgehoben, denen wir große Aufmerksamkeit schenken müssen. Der Kürze halber führe ich nur zwei an. Der erste Punkt ist eine weitere Stärkung der Transparenz. Diesem Parlament ist bewußt, welch große Bedeutung wir alle – und ich persönlich seit dem ersten Tag meiner Anhörung vor dem Ausschuß für Wirtschaft und Währung am 1. September – der Transparenz in der Wettbewerbspolitik beimessen. Hinsichtlich der internationalen Dimension der Wettbewerbspolitik kann ich Ihnen, Herr Rapkay, bestätigen, daß die Kommission bereit ist, dem Parlament einen Bericht zu diesem Thema vorzulegen, auf das uns auch Frau Randzio-Plath hingewiesen hat. Wir pflegen sehr zufriedenstellende bilaterale Beziehungen mit den Wettbewerbsbehörden in den Vereinigten Staaten, Kanada und Japan und arbeiten darauf hin, daß innerhalb der Welthandelsorganisation ein spezielles Wettbewerbsforum eingerichtet wird.

Ebenso herzlich möchte ich Ihnen, Herr Jonckheer, für Ihren Bericht über den siebenten Bericht über staatliche Beihilfen in der Europäischen Union danken. Ich möchte hier nicht auf die Frage der Mitentscheidung eingehen, jedoch nicht, weil ich sie nicht für wichtig hielte. Sie ist von großer institutioneller Bedeutung, die selbstverständlich weit über das spezifische Wettbewerbsthema hinausgeht; ich bin also nicht befugt, mich zu dieser Frage zu äußern, die natürlich in den größeren Rahmen der Regierungskonferenz gehört.

Was Ihre Empfehlungen betrifft, Herr Jonckheer, so ist Ihnen bereits bekannt, daß meine Dienststellen derzeit – mit den wie immer knappen, aber hochqualifizierten Humanressourcen – aktiv an der Erstellung des Registers staatlicher Beihilfen und des „Anzeigers“ staatlicher Beihilfen arbeiten. Außerdem erwarte ich mit großem Interesse die Ergebnisse des achten Berichts, der jetzt, im Januar, von den Dienststellen ausgearbeitet und von der Kommission im März 2000 verabschiedet werden soll. Dann werden wir sehen, ob sich die jüngsten Tendenzen bestätigen.

Herr Jonckheer, Frau Thysssen und Herr Gemelli haben sich auf den Stand der Vorbereitung der Beitrittskandidaten im Bereich des Wettbewerbs allgemein sowie auf dem Gebiet der staatlichen Beihilfen bezogen. Ich kann nur kurz sagen, daß wir derzeit mit diesen Ländern sehr aktiv und konkret zusammenarbeiten: Sie treffen ihre Vorbereitungen, haben mittlerweile alle Wettbewerbsgesetze und sind dabei, die entsprechenden Behörden einzurichten.

Was die – bekanntlich auch von mir geteilte – Besorgnis in den Bereichen Energie und vor allem Umwelt betrifft, so schließen wir die Überarbeitung der für staatliche Umweltschutzbeihilfen geltenden Rahmenbedingungen derzeit ab. Ferner möchte ich im Zusammenhang mit den Problemen staatlicher Beihilfen die unter anderem von Frau Riijs-Jørgensen aufgeworfene Frage der Rückforderung rechtswidrig gewährter Beihilfen hervorheben. Im April 1999 hat die Kommission eine neue Verfahrensordnung verabschiedet, mit der spezifische Bestimmungen für die Rückforderung eingeführt worden sind. Im Laufe der nächsten Zeit werden Sie – das versichere ich Ihnen – sehen, wie ernst wir diese Bestimmungen zu nehmen gedenken.

Abschließend möchte ich Herrn Langen herzlich für seinen Bericht danken, der thematisch zwar mehr einen bestimmten Sektor betrifft, aber als Beitrag deswegen nicht weniger wichtig ist. Der Bericht der Kommission zum Thema staatliche Beihilfen an die Eisen- und Stahlindustrie umfaßt bekanntlich nicht die Einzelentscheidungen nach dem Ausnahmeverfahren gemäß Artikel 95 EGKS-Vertrag, da es sich um Entscheidungen handelt, die über den Rahmen des Stahlbeihilfenkodex hinausgehen. Was die künftigen, ab Juli 2002 in Kraft tretenden Bestimmungen für Beihilfen an die Eisen- und Stahlindustrie betrifft, so werden wir für die weitere Anwendung einer strikten Disziplin Sorge tragen, die heute auch von der Industrie als notwendig anerkannt wird. Sobald wir unseren Vorschlag für die neuen Regeln erstellt und uns für die am besten geeignete Rechtsform entschieden haben, werde ich Ihnen gerne unseren Standpunkt darlegen.

Der heutigen Aussprache, für die ich dem Haus sehr dankbar bin, entnehme ich, daß das Europäische Parlament die Wettbewerbspolitik inhaltlich und politisch offenbar durchgängig unterstützt, die von der Kommission geleistete Arbeit grundsätzlich würdigt und darauf vertraut, daß sie diese Arbeit in Zukunft weiter wird leisten können; für all dies bin ich besonders dankbar. Wir werden speziell mit dem Ausschuß für Wirtschaft und Währung, aber ganz allgemein mit dem Parlament den eingeleiteten interinstitutionellen Dialog fortsetzen. Diesbezüglich hat mir gefallen, wie Sie, Frau Palacio, es formuliert haben: Wir müssen alle rudern, und zwar möglichst in die gleiche Richtung. Der Wettbewerb ist, wie Herr Rapkay treffend bemerkt hat, kein Ziel an sich, sondern ein äußerst wichtiges Instrument unseres europäischen Aufbauwerks. Wie Herr von Wogau zu Beginn der Aussprache erklärt hat, ist Wettbewerb letztendlich kein Abstraktum: Er liegt im Interesse der Bürger und bildet die Grundlage der sozialen Marktwirtschaft. Außerdem ist er beim Aufbau Europas nicht nur in wirtschaftlicher, sondern auch in gesellschaftlicher Hinsicht nach wie vor von Bedeutung.

 
  
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  Der Präsident. – Vielen Dank, Herr Kommissar Monti.

Die gemeinsame Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet morgen um 12.00 Uhr statt.

 
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