Zum Portal des Europäischen Parlaments zurückkehren

Choisissez la langue de votre document :

 Index 
 Vollständiger Text 
Ausführliche Sitzungsberichte
Dienstag, 11. Januar 2005 - Straßburg Ausgabe im ABl.

Verfassung für Europa
MPphoto
 
 

  Hänsch (PSE). Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich gratuliere Richard Corbett und Íñigo Méndez de Vigo zu ihrem ausgezeichneten Bericht. Ja, diese Verfassung ist auch unser Baby, und auch wenn es einige Macken hat, so bekennen wir uns doch ohne Wenn und Aber zu ihm. Wir wollen, dass es wächst und gedeiht.

Zweite Bemerkung: Die größte Herausforderung für die Europäische Union ist nicht die Mitgliedschaft der Türkei in zwanzig Jahren, sondern die Ratifikation der Europäischen Verfassung in zwei Jahren. Daran wird die Geschichte uns messen. Und übrigens nicht nur die Politiker, auch die Völker Europas werden daran gemessen werden. Ich habe Vertrauen in die Klugheit der Völker und Parlamente. In zwei Jahren werden wir diese Verfassung haben. Denn was geschieht, wenn wir sie nicht bekommen?

Wer glaubt, dass Europa dann beim Status quo des Nizza-Vertrages stehen bleibt, der hängt einer Illusion an. Europa wird sich auch nicht in ein Kerneuropa und in ein Randeuropa zurechtrütteln. Nein, ohne europäische Verfassung verkommt die Europäische Union zu einem Patchwork-Europa, das nach innen die Bürger verwirrt und Europa nach außen disqualifiziert. Die Europäische Union würde von Achsen und Allianzen so genannter strategischer Partnerschaften durchzogen werden. Ein Scheitern der Verfassung wäre ein Rückfall in das Europa der Ränke und Rankünen. Das genau ist das alte Europa, das wir nicht wollen.

Die Verfassung beendet ein zwölfjähriges Reformstakkato von Maastricht über Amsterdam bis Nizza und von 12 über 15 zu 25 Mitgliedstaaten. Europa kann sich jetzt endlich wieder den politischen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts widmen, und die sind riesig. Aber wir tun es auf einer neuen Grundlage. Die 25 verschiedenen Völker, die alle ihre Identität bewahren wollen und werden, die jahrhundertelang mit Raub und Mord und Krieg und Verwüstung übereinander hergefallen sind, diese 25 Völker verbinden jetzt ihr politisches Schicksal unauflöslich miteinander. Das ist ein Vorgang, den es in der europäischen Geschichte und in der Weltgeschichte noch nicht gegeben hat. Das macht es so wertvoll, dass wir für diese Verfassung kämpfen.

Vierte Bemerkung: Fünfzig Jahre lang war die Einigung Europas nach innen gerichtet, auf Integration und Aufnahme neuer Mitgliedstaaten. Künftig muss die europäische Einigung nach außen gerichtet sein. Europa ist keine Weltmacht, aber Europa hat die Verantwortung einer Weltmacht. Und dieser Verantwortung müssen wir gerecht werden können. Das 21. Jahrhundert stellt die Europäer vor ungeheure Herausforderungen: Globalisierung von Wirtschaft und Finanzströmen, internationaler Terrorismus, Klimaveränderung und Klimakatastrophen, Migrationsströme. Eine neue Weltordnung bildet sich heraus. Nicht erst in zehn Jahren, heute bildet sie sich heraus!

Wirtschaftlich spielt Europa - noch - in der Weltliga. Politisch sind wir Regionalliga. Wenn wir Europäer uns jetzt nicht aufmachen, treten wir aus der Weltgeschichte aus. Zuerst politisch und dann unweigerlich auch wirtschaftlich. Ein solches Europa dürfen wir unseren Kindern und Enkeln nicht hinterlassen. Die Antwort Europas auf die Globalisierung ist die Einheit seiner Völker. Das ist unsere Antwort auf die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts.

Und schließlich eine letzte Bemerkung: Zwei Leitsterne setzt die Verfassung für das Handeln der künftigen Europäischen Union. Mit der Charta der Grundrechte drückt die Verfassung aus, dass die Union nicht nur zur Sicherung der Freiheiten des Marktes, sondern auch um der Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger willen besteht. Artikel 3 der Verfassung verpflichtet die Union, zu Frieden, Sicherheit und nachhaltiger Entwicklung der Erde beizutragen. Damit drückt die Verfassung aus, dass die Union nicht um ihrer selbst willen besteht, sondern Verantwortung für unsere Erde trägt. Freiheit für die Menschen und Verantwortung für die Welt, daraus wächst die Identität des neuen Europa.

 
Rechtlicher Hinweis - Datenschutzbestimmungen