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Ausführliche Sitzungsberichte
Mittwoch, 6. Juli 2005 - Straßburg Ausgabe im ABl.

3. Afrika - Globalisierung - Armut
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  Der Präsident. Nach der Tagesordnung folgt die gemeinsame Aussprache über:

– die Erklärungen des Rates und der Kommission zu Afrika und den Herausforderungen der Globalisierung,

– die mündliche Anfrage an den Rat von Frau Morgantini im Namen des Ausschusses für Entwicklung: „Weltweite Aktion gegen Armut: Die Armut überwinden!“ (B6-0248/2005)

– und die mündliche Anfrage an die Kommission von Frau Morgantini im Namen des Ausschusses für Entwicklung: „Weltweite Aktion gegen Armut: Die Armut überwinden!“ (B6-0249/2005).

 
  
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  Jack Straw, amtierender Ratspräsident. (EN) Herr Präsident! Ich möchte zum zweiten Mal heute Morgen erklären, welche große Ehre es ist, das Wort an das Europäische Parlament zu richten. Ich messe dem Dialog, den ich mit dem Parlament und seinen Ausschüssen nicht nur in den letzten vier Jahren in meiner Eigenschaft als Großbritanniens Außenminister, sondern auch in den vier Jahren davor als Großbritanniens Innenminister geführt habe, große Wertschätzung bei. Ich diene sogar schon so lange in der britischen Regierung, dass ich mich an unseren letzten Ratsvorsitz vor siebeneinhalb Jahren erinnern kann, als ich Vorsitzender des Rates „Justiz und Inneres“ war.

Ich möchte das Parlament ferner zu seiner heutigen Initiative zur Unterstützung der Kampagne „Weltweite Aktion gegen Armut“ beglückwünschen. Das ist Ausdruck Ihres großen Engagements für die globale Entwicklung in einem Jahr, das für Afrika und die ärmsten Länder der Welt von entscheidender Bedeutung ist.

Frau Morgantini hat mir sehr ausführliche Fragen gestellt. Ich habe ihr bereits eine detaillierte Antwort darauf geschickt, und ich werde dafür sorgen, dass sie auch anderen zugänglich ist. Ich werde in meinem Beitrag auf viele der von ihr angesprochenen Punkte eingehen.

In den Schlagzeilen der europäischen Medien ging es in den letzten Monaten häufig um Meinungsverschiedenheiten und Probleme. Die Wähler in zwei Gründerstaaten der EU haben ein Schlaglicht auf Fragen geworfen, die allen Bürgern Europas zutiefst am Herzen liegen. Wie kann die Europäische Union besser für den Wohlstand und die Sicherheit sorgen, den bzw. die wir in einer sich rasch verändernden Welt anstreben?

Einige der Antworten auf diese Frage betreffen die internen Politikbereiche der Europäischen Union einschließlich der künftigen Finanzierung. Wie Tony Blair dem Hohen Haus vor zwei Wochen sagte, wird das Vereinigte Königreich seine Aufgaben sehr ernst nehmen. Wir werden uns intensiv um eine Einigung zur Finanziellen Vorausschau bis Jahresende bemühen. Daneben werden wir eine breiter angelegte Debatte über Europas künftige Entwicklungsrichtung und damit verbundene Prioritäten anstreben, die wir offen und integrativ führen wollen und in der wir die verschiedenen Standpunkte, die in diesem Parlament und von den europäischen Bürgern und Regierungen vertreten werden, berücksichtigen werden. Wenn wir jedoch umfassend auf die Hoffnungen der Menschen für die Zukunft und ihre Ängste reagieren wollen, dann muss die EU auch ihre Aktivitäten außerhalb der Union verstärken. Eine der beeindruckendsten Entwicklungen der letzten Jahre bestand darin, dass wir offenkundig in der Europäischen Union bereits sehr viel getan haben, um dieser Herausforderung auf der Grundlage eines sehr breiten Konsenses gerecht zu werden.

Die eben zu Ende gegangene Aussprache über den Irak hat uns daran erinnert, dass die europäischen Nationen vor einigen Jahren tief gespalten waren. Doch heute ergreifen wir gemeinsame Maßnahmen zur Unterstützung des Friedensprozesses im Nahen Osten, im Sudan und in der Demokratischen Republik Kongo. Wir verfügen über ein umfassendes Programm für unser Engagement im neuen Irak. Wir stehen in dem schwierigen, aber dringend erforderlichen Prozess des Engagements im Iran an der Spitze der internationalen Gemeinschaft.

Im Bereich Sicherheit und Verteidigung ist das nicht anders. Noch vor wenigen Jahren drehte sich die Debatte über die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) um den Standort und die personelle Ausstattung einer kleinen Planungseinheit in einem Vorort von Brüssel. Aber heute sind EU-Truppen gemeinsam mit der NATO vor Ort in Bosnien im Einsatz. EU-Missionen in Bosnien und Mazedonien bilden Polizeikräfte aus. Wir bilden auch irakische Polizei- und Justizbeamte aus. Wir haben zwei EU-Missionen in der Demokratischen Republik Kongo im Einsatz. Wir unterstützen die Truppen der Afrikanischen Union im Sudan.

Heute steht die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik also nicht mehr nur auf dem Papier, sondern bewirkt etwas für Tausende von Menschen weltweit. Ich wünsche mir, dass wir während des britischen Ratsvorsitzes – wie auch in den nächsten Jahren – auf dem, was wir bisher erreicht haben, aufbauen und den Einfluss und die Autorität der Europäischen Union als positive Kraft in der Welt weiter stärken. Das ist nirgendwo wichtiger als in Afrika. Afrika ist heute ärmer als vor 25 Jahren. Die Hälfte der Bevölkerung südlich der Sahara lebt von weniger als einem Dollar pro Tag. Afrikas Anteil am Welthandel ist auf ein Drittel seines Umfangs von 1980 geschrumpft. Das gesamte Nationaleinkommen der Länder südlich der Sahara beläuft sich auf weniger als die entwickelte Welt – die EU, die USA, Japan und einige andere Länder – für Agrarsubventionen ausgibt. Wesentliche Fortschritte sind nötig, wenn wir die Millenniums-Entwicklungsziele erreichen wollen. Beim derzeitigen Entwicklungstempo wird es mehr als 100 Jahre dauern, bis die Länder südlich der Sahara die Ziele für Primarbildung oder die Senkung der Säuglingssterblichkeit erreichen. Im Falle von drei Zielen, und zwar der Verringerung von Hunger und Armut und dem Zugang zu sauberem Wasser, verschlimmert sich die Lage in den Ländern südlich der Sahara mit jedem Tag.

Die Lebenserwartung in Afrika beträgt heute lediglich 42 Jahre, also weniger als das Alter der meisten Abgeordneten in diesem Saal. Vorhersagen zufolge wird die Lebenserwartung in einigen afrikanischen Ländern in fünf Jahren weniger als 30 Jahre betragen. 20 Millionen Afrikaner sind bereits an AIDS, der wichtigsten Todesursache des Kontinents, gestorben. Drei Viertel der weltweit mit HIV infizierten Menschen leben in Afrika.

Nelson Mandela sagte: „Wie Sklaverei und Apartheid ist Armut nicht naturgegeben. Sie ist das Werk von Menschen und kann von Menschen überwunden und ausgerottet werden.“ Mandela hatte Recht. In Afrika gibt es nur allzu viele Beispiele dafür, wie sich Menschen gegenseitig daran hindern, ein besseres Leben zu führen.

In Darfur haben die von der Regierung unterstützten Milizen – wie Hilary Benn, mein Kollege und Freund sowie Minister für internationale Entwicklung im Vereinigten Königreich, und ich mit eigenen Augen sehen konnten – viele Tausend Menschen umgebracht. Millionen von Menschen mussten aus ihrer Heimat fliehen.

In Simbabwe hat die Regierung die Demokratie und Menschenrechte bereits mit Füßen getreten und eine Wirtschaft, die einst zu den leistungsfähigsten in Afrika gehörte, ruiniert. Die Regierung von Simbabwe hat nun die ärmsten und sozial schwächsten Bürger des Landes ins Visier genommen und damit begonnen, Hunderttausende aus ihren Hütten zu vertreiben und ihre Lebensgrundlage zu zerstören. Nicht mangelnde Ressourcen oder das Klima sind in Simbabwe das Problem, sondern ein katastrophales Regierungshandeln. Die Europäische Union hat gegenüber der Regierung von Simbabwe zu Recht unmissverständlich deutlich gemacht, dass ein solches Verhalten vollkommen inakzeptabel ist. Dies ist in Form neuer erweiterter und restriktiver Maßnahmen gegen das Regime Mugabe erfolgt sowie durch die klare Verurteilung der jüngsten Rechtsverletzungen.

Bei aller Hoffnungslosigkeit sollten wir aber nicht vergessen, dass sich die Lage in Afrika weit komplexer gestaltet als auf den ersten Blick sichtbar wird. In den 70er Jahren konnte man die Demokratien in Afrika an einer Hand abzählen und hatte immer noch zwei Finger übrig: Es waren genau drei. Heute gibt es auf dem afrikanischen Kontinent mehr als 30 demokratisch gewählte Regierungen.

Noch vor wenigen Jahren wüteten in ganz Afrika bewaffnete Konflikte. Heute ist in Ländern wie Burundi, Liberia, Sierra Leone und Angola eine dauerhaft friedliche Entwicklung eingezogen. Die Organisation für Afrikanische Einheit propagierte in der Vergangenheit die Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten ihrer Mitglieder. Dagegen hat sich ihre Nachfolgerin, die Afrikanische Union, statt der Nichteinmischung den Grundsatz der Nichtgleichgültigkeit auf die Fahnen geschrieben. Dabei lässt sie sich leiten von dem, was die Europäische Union auf einem Kontinent erreicht hat, der selbst einst nicht von dem Frieden und der Stabilität gekennzeichnet war, wie wir sie heute kennen, sondern von Konflikt, Krieg und Blutvergießen.

Im Rahmen der Neuen Partnerschaft für die Entwicklung Afrikas, NEPAD, haben afrikanische Staats- und Regierungschefs Peer-Review-Mechanismen vereinbart, die die Regierungen vieler Industrieländer, einschließlich Europa, schon fast als Einmischung empfinden würden. Auch ist die wirtschaftliche Lage in Afrika nicht so gleichförmig negativ, wie es bisweilen den Anschein hat. Einige Länder wie Mosambik und Äthiopien können auf Wachstumsraten von etwa 7 % verweisen, die ausreichen, um einer großen Zahl von Menschen zu helfen, die Armut zu überwinden.

Der afrikanische Kontinent verfügt über enorme Ressourcen in Form von Rohstoffen und Menschen, und diese positiven Faktoren sollten uns wirklich Anlass zu Hoffnung geben. Die Afrikaner wünschen sich eine bessere Zukunft, und gemeinsam mit unseren internationalen Partnern haben wir in Europa die Pflicht, unsere Unterstützung für die Durchführung von Reformen in Afrika fortzusetzen und den Afrikanern damit zu helfen, ihre Lage zu verbessern.

Wir haben dieses Jahr zu einem Aktionsjahr erklärt und schon sehr viel erreicht. Zwar hat die Tagung des Europäischen Rates im letzten Monat traurige Berühmtheit wegen der Meinungsverschiedenheiten über den Haushalt der Europäischen Union erlangt, aber ich denke, dass sie unseren Kindern als die Ratstagung in Erinnerung bleiben wird, die eine Verdopplung der europäischen Hilfe für Afrika innerhalb der nächsten fünf Jahre beschlossen hat. Das ist das dauerhafte Vermächtnis dieser Ratstagung, und mit etwas Glück und viel Fleiß werden sich die zeitweiligen Probleme im Hinblick auf den europäischen Haushalt tatsächlich als zeitweilig erweisen.

Wir sind ferner entschlossen, aufbauend auf den Vereinbarungen der OECD-Tagung, die im Frühjahr in Paris stattfand, diese Hilfe besser zu koordinieren und effektiver zu gestalten. Wir müssen sicherstellen, dass diese Hilfe nicht schlechtes Regierungshandeln und Korruption unterstützt, sondern verwendet wird, um das Regierungshandeln zu verbessern und den Ärmsten zu helfen, für die sie bestimmt ist.

Die G8 haben für alle hoch verschuldeten Länder den vollständigen Schuldenerlass vereinbart, und die Vertreter der G8-Länder, die heute und morgen in Gleneagles zusammenkommen, werden weitere Hilfsmaßnahmen diskutieren. Auf dem UNO-Gipfel im September werden wir die Umsetzung der Millenniums-Entwicklungsziele prüfen und weitere internationale Maßnahmen zu ihrer Erreichung beschließen. Wir müssen jedoch noch mehr tun. Im Rahmen unseres Ratsvorsitzes wird das Vereinigte Königreich eine europäische Strategie zur Förderung der erfolgreichen Entwicklung Afrikas erarbeiten. Diese Strategie muss umfassend und ehrgeizig sein; sie sollte über die finanzielle Unterstützung hinausgehen und deutlich machen, wie Afrika in seine Menschen, in gutes Regierungshandeln, in Wachstum, Frieden und Sicherheit investieren wird. Im Rahmen dieser Strategie müssen wir dafür sorgen, dass die ärmsten Länder der Welt besseren Zugang zu den Märkten der Industrieländer erhalten, damit die Doha-Entwicklungsagenda in die Tat umgesetzt werden kann. Den Anfang sollten wir auf der für Dezember in Hongkong geplanten Tagung machen.

Die Europäische Union, die USA und andere reiche Länder müssen ihre Verpflichtungen zur Abschaffung von Ausfuhrsubventionen einhalten, und zwar auf der Grundlage eines klaren und eindeutigen Zeitplans. Wir müssen uns ferner über die zentrale Bedeutung im Klaren sein, die Frieden und Stabilität in Afrika haben. Schon jetzt konnte die Sicherheit für Tausende von Flüchtlingen in Darfur verbessert werden. Wieso? Weil die Europäische Union die Mission der Afrikanischen Union dort über ihre Friedensfazilität finanziell unterstützt. Über diese Fazilität können wir unsere Hilfe ausbauen, indem wir die Afrikanische Union und Organisationen wie die Wirtschaftsgemeinschaft westafrikanischer Staaten, ECOWAS, unterstützen, die selbst eine wichtige Rolle bei der Konfliktbekämpfung in Westafrika spielt.

Die Friedensfazilität war ein wirklicher Erfolg, aber das dafür bereitgestellte Geld geht zur Neige, und wir müssen eine langfristige angemessene Ausstattung vereinbaren. Wie die afrikanischen Staats- und Regierungschefs selbst erkannt haben, kann Europa einen Beitrag zu einem besseren und demokratischeren Regierungshandeln in Afrika leisten.

Um auf Simbabwe zurückzukommen: Ich begrüße die Forderung des Europäischen Parlaments nach Maßnahmen im Zusammenhang mit den Wahlen und der rigorosen Durchsetzung der von der Europäischen Union verhängten Sanktionen. Die Paritätische Versammlung AKP-EU setzt sich konsequent für ein besseres Regierungshandeln in den afrikanischen Staaten wie auch in den Staaten der Karibik und des pazifischen Raums ein. Das Cotonou-Abkommen gestattet uns, in besonders schlimmen Fällen die Hilfe auszusetzen. Wir sollten nicht nur weiterhin bereit sein, diese Bestimmung in Anspruch zu nehmen, sondern wir sollten meines Erachtens auch Fortschritte in Bezug auf Demokratie und Regierungshandeln gezielter überwachen. Demokratie und bessere Staatsführung kommen in erster Linie den Menschen zugute, den ganz normalen Menschen in den AKP-Ländern in Afrika, die selbst möchten, dass wir diese Mechanismen im Rahmen von Vereinbarungen wie dem Cotonou-Abkommen nutzen.

Wir alle stehen noch unter dem Eindruck der großartigen Live8-Konzerte, die in Europa und der ganzen Welt am vergangenen Wochenende stattgefunden haben. Durch sie und das generelle Interesse, das der G8-Gipfel in Gleneagles ausgelöst hat, sind die Erwartungen in Afrika, in Europa und der ganzen entwickelten Welt enorm gestiegen, dass die Hilfe für Afrika dieses Mal etwas bewirken möge. Hoffen wir, dass das so sein wird. Hoffen wir, dass die Industrienationen die zugesagte Unterstützung auch wirklich bereitstellen werden. Dabei müssen wir uns aber auch darüber im Klaren sein, dass dieser Prozess nur dann funktionieren wird, wenn das Regierungshandeln in Afrika verbessert und der dortigen Korruption Einhalt geboten wird.

Die Europäische Union kann sich bei ihren Aktionen in Afrika und der ganzen Welt auf drei große Stärken stützen. Das sind erstens die immanente Autorität und der Einfluss der EU. Wenn wir miteinander sprechen, können wir die internationale Agenda gestalten. Das tun wir im Bereich des Welthandels, aber ich habe das auch in Verbindung mit dem schwierigen Iran-Dossier gesehen, bei dem wir mit Javier Solana, mit Joschka Fischer und jetzt mit Philippe Douste-Blazy den Ton angeben. Wenn sich die Europäische Union einig ist, dann verfügt sie über eine phänomenale Stärke. Unsere Stärke ist die Stärke unserer globalen Verbindungen. Es gibt weltweit wohl kaum ein Land, das nicht aufgrund seiner Geschichte oder enger Freundschaftsbande mit diesem oder jenem Mitgliedstaat der Europäischen Union besondere Beziehungen pflegt. Die letzte Erweiterung im Mai des vergangenen Jahres hat zur Vergrößerung dieses auf Partnerschaft und Vertrauen beruhenden Netzwerks beigetragen, und unser globaler Einfluss spiegelt sich in diesem Parlament und in Ihrem ausgeprägten internationalen Engagement wider.

Die EU baut heute ihre Beziehungen zu ihren Nachbarn wie Russland sowie zu neuen strategischen Partnern wie China und Indien aus, die im Verlauf unseres Ratsvorsitzes wichtige Gipfeltreffen mit der EU durchführen werden. Es liegt auf der Hand, dass wir gegenüber derartigen strategischen Partnern mehr Einfluss ausüben können, wenn wir uns einig sind.

Die dritte und vielleicht wichtigste Stärke ist die Stärke der Werte der Europäischen Union. Sanfte Macht wird in der Außenpolitik definiert als die Fähigkeit, andere dazu zu bewegen, dass sie wollen, was wir wollen. Die Erweiterung der Europäischen Union ist eines der erstaunlichsten und überzeugendsten Beispiele dafür, was sanfte Macht in der Praxis bewirken kann. Die magnetische Anziehungskraft des Erfolgs der EU, ihrer Werte und Institutionen haben zur Transformation zunächst von Südeuropa und dann von Mittel- und Osteuropa beigetragen, und die Aussicht auf EU-Mitgliedschaft trägt jetzt zu Reformen und Stabilität in der Türkei und auf dem westlichen Balkan bei.

Einige von Ihnen kennen den westlichen Balkan vielleicht besser als ich, aber alle, die wir den westlichen Balkan kennen, wissen, dass nur die Europäische Union und ihre Werte und Stärke es vermögen, den gespaltenen Bevölkerungsgruppen Frieden und Sicherheit in Aussicht zu stellen. Das erkannte der Europäische Rat auf seiner Tagung im Juni und betonte, dass die EU ihren Zusagen in Bezug auf die Erweiterung nachkommen muss, wozu auch die Aufnahme von Verhandlungen mit der Türkei am 3. Oktober zählt.

Gleichzeitig trägt unsere Nachbarschaftspolitik unsere Werte weiter ost- und südwärts bis in die Ukraine und die Mittelmeerländer, mit denen wir während des britischen Ratsvorsitzes ebenfalls Gipfeltreffen veranstalten werden. Diese Werte bilden zudem das Fundament der transatlantischen Beziehungen, der bedeutendsten Bündnisse liberaler Demokratien weltweit, ohne die es nicht möglich sein wird, die globalen Herausforderungen der Zukunft, die vom Terrorismus und der Weiterverbreitung von Waffen, über die Armut bis zum Klimawandel reichen, erfolgreich in Angriff zu nehmen.

Dank dieser Vorzüge – unserer Stärke, unserer globalen Verbindungen und der Überzeugungskraft unserer Werte – ist die Europäische Union heute noch besser in der Lage, ihre Macht als positive Kraft weltweit auszubauen. Ich freue mich darauf, während unseres Ratsvorsitzes mit Ihnen auf die Erreichung dieses Ziels hinzuarbeiten.

(Beifall)

 
  
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  Louis Michel, Mitglied der Kommission. (FR) Herr Präsident, Herr Ratspräsident, meine Damen und Herren! Als ich mich um das Ressort Entwicklung und humanitäre Hilfe bewarb, war mir bewusst, dass Afrika im Mittelpunkt meiner Tätigkeit und meines Engagements stehen würde.

Mein Engagement wird durch ein Gefühl der Empörung und der Dringlichkeit hervorgerufen, denn Afrika steht heute immer noch abseits der Welt, am Rande unseres Bewusstseins und bleibt von den Vorteilen der Globalisierung ausgeschlossen.

Mein Engagement beruht auch auf der rationalen Feststellung, dass sich das Umfeld gewandelt hat und sich heute die sicherlich einmalige Möglichkeit abzeichnet, Afrika zu einem wohlhabenderen, stabileren und besser regierten Kontinent zu machen. In diesem Zusammenhang kann und muss Europa den Ausschlag geben, da es heute möglich ist, günstige Bedingungen für die Beseitigung der Armut zu schaffen, und es keine Entschuldigung mehr gibt, dies nicht zu tun.

Afrika hat sich verändert. Die Afrikaner selbst haben beschlossen, mit der Schicksalsergebenheit Schluss zu machen und ihr Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen. Das energische und wirksame Handeln der Afrikanischen Union beispielsweise in Darfur, in Togo, in Côte-d'Ivoire hat dem Prinzip, dass für afrikanische Krisen afrikanische Antworten gefunden werden müssen, eine neue Dimension verliehen. Dieses Handeln, das auf soliden regionalen Organisationen beruht, eröffnet bisher kaum denkbare neue Perspektiven für Frieden, Stabilität und Sicherheit. Des Weiteren wird die Afrikanische Union von einer starken Führung unterstützt, die heute die Umrisse einer vielversprechenden Vision skizziert.

Ebenso wie Afrika hat sich auch Europa verändert. Es tritt in immer stärkerem Maße als Fürsprecher einer solidarischeren, gerechteren Welt, eines stärker multilateral ausgerichteten Systems auf. In diesem Jahr 2005, dem Jahr der Entwicklung, muss Europa seine Stimme als größter Geber von Entwicklungshilfe erheben und kann in dieser Eigenschaft die internationale Gemeinschaft zu einer konkreten und gezielten Aktion veranlassen, die verhindert, dass die Millenniumsziele zu nicht eingehaltenen Versprechen werden. Ich nehme im Übrigen mit Freude zur Kenntnis, dass der Europäische Rat – wie eben dargelegt – sich dem Vorschlag der Kommission angeschlossen hat, was es in der Tat ermöglichen wird, bis 2015 die öffentliche Entwicklungshilfe und bis 2010 die Hilfe für Afrika zu verdoppeln.

Auch die Welt hat sich verändert. Die Ereignisse der letzten Monate haben uns gezeigt, wie das Vorhandensein von gescheiterten Staaten zu einer Quelle von Instabilität werden und risikolose Zufluchtsorte für Terroristen und Kriminelle hervorbringen kann. Die auf allen Ebenen intensivierte Globalisierung macht auch eine Globalisierung der Solidarität erforderlich. Die Entwicklungspolitik scheint mir gegenwärtig ein bevorzugtes Instrument zur menschlicheren Gestaltung der Globalisierung zu sein. Zumindest ist meiner Meinung nach kein besseres in Sicht. Die Globalisierung weist die Besonderheit auf, dass sie nicht, wie einige behaupteten, durch eine politische Entscheidung im stillen Kämmerlein entstanden ist. Sie ist kein wirklich organisierter, sondern ein spontaner Prozess, der von einigen begrüßt und von anderen gefürchtet wird, doch der – und das ist der Haken – von keinerlei nationaler oder internationaler Autorität direkt beeinflussbar zu sein scheint. Ich gehöre natürlich zu denen, die der Meinung sind, dass sie viel bringen kann und dass sie auf jeden Fall viel mehr Vorteile als Nachteile aufweist.

Auf die Intensivierung der Globalisierung auf allen Ebenen muss natürlich mit der Intensivierung der Solidarität auf allen Ebenen geantwortet werden. Denn was bedeutet die Globalisierung für Menschen, die keinen Zugang zu Wasser haben, für Jugendliche, die keinen Zugang zu Bildung haben, für Kinder, die an Krankheiten sterben, die geheilt werden könnten. Auch wenn einige von der Rückkehr zu Modellen träumen, die leider an Althergebrachtes erinnern, denke ich, es wäre falsch anzunehmen, dass die Menschen die Globalisierung nicht wollen oder dass sie wieder in die Vergangenheit zurückkehren wollen. Was wir Europäer wollen, ist eine Globalisierung, die allen etwas nützt, die sich als positiver Hebel für die gesamte Menschheit ohne Ausnahme erweist. In diesem Zusammenhang gibt es keine dringendere Aufgabe als darauf hinzuwirken, dass die Globalisierung in Afrika und für Afrika funktioniert.

Natürlich ist die Marktliberalisierung in diesem Rahmen nur dort von Vorteil, wo der Staat die Fähigkeit hat, Regeln zur Vermeidung von Fehlentwicklungen und zur Durchsetzung des allgemeinen Interesses zu erlassen. Damit die von der Globalisierung gebotenen Möglichkeiten genutzt werden können, müssen die Regierungen, wie Sie wissen, einen gesamtwirtschaftlichen Rahmen garantieren. Sie müssen auch wirksame und berechenbare Bedingungen für diesen gesamtwirtschaftlichen Rahmen schaffen und weiterhin eine Governance in einem für die Wirtschaftstätigkeit förderlichen Rahmen gewährleisten. Sie müssen ebenfalls eine wachsame Zivilgesellschaft fördern und unterstützen, die eine gerechte und ausgewogene Umverteilung der Güter und Dienstleistungen wie beispielsweise den Zugang zu Justiz, Verwaltung, Gesundheitsvorsorge und Bildung gewährleistet. Unter diesem Gesichtspunkt müssen, insbesondere auch für Afrika, ganz besondere und gezielte Anstrengungen im Kampf für die Gleichstellung von Männern und Frauen unternommen werden.

Aus all diesen Gründen scheint es mir angebracht, eine gemeinsame europäische Strategie festzulegen. Nicht nur für die Entwicklung, sondern auch für Afrika, eine Strategie, die den neuen geopolitischen Gegebenheiten in Afrika gerecht wird und die wir mit unseren afrikanischen Partnern erarbeiten wollen, um diesen neuen Elan auf weltweiter Ebene zu nutzen. Wie bereits gesagt, hat sich die Afrikanische Union sehr rasch zu einem unentbehrlichen politischen Gesprächspartner, zu einer wahrhaften Triebkraft des Wandels auf dem Kontinent entwickelt.

Gleichzeitig halte ich es für angebracht, darauf zu verweisen, dass dieses Bauwerk nicht von allein entsteht. Das Haus der Afrikanischen Union muss auf der Grundlage von soliden regionalen Bauelementen errichtet werden. Es wird keine Integration im kontinentalen Maßstab geben ohne eine starke, ambitionierte und anerkannte Regionalorganisation. Daher ist eine ambitionierte politische Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und der Afrikanischen Union mehr denn je erforderlich. Worauf sollte sich diese Verbindung beziehen? Ich habe keine erschöpfende Antwort, doch möchte ich mich darauf beschränken, vier Tätigkeitsachsen zu nennen, die ich als gemeinsame Arbeitshypothesen vorschlagen möchte. Wie Sie wissen, werde ich am Jahresende nicht nur eine Erklärung zur Entwicklung, eine Aktualisierung der Entwicklungspolitik vorlegen, über die wir selbstverständlich gemeinsam debattiert haben und debattieren werden, sondern auch einen wirklichen Gesamtplan für Afrika.

Die erste Achse ist die Governance. Die Vorrangstellung der Governance wird sicher von niemandem bestritten, denn wie bereits festgestellt wurde, ist Afrika nicht arm, sondern unglücklicherweise schlecht regiert. Doch Afrika beginnt sich zu verändern. Anstrengungen im Bereich der guten Regierungsführung werden auf allen Ebenen unternommen. In den letzten fünf Jahren haben in über zwei Dritteln der Länder des subsaharischen Afrika Mehrparteienwahlen, von denen einige freier und gerechter als andere waren, stattgefunden und mehrere Regierungswechsel sind demokratisch und friedlich abgelaufen, wie erst kürzlich nach den Wahlen in Burundi. Ich hoffe, dass in der Demokratischen Republik Kongo im März ebenfalls bedeutende Fortschritte zu verzeichnen sein werden. Ich möchte auch anführen, dass 23 afrikanische Staaten das Statut zur Errichtung des Internationalen Strafgerichtshofs ratifiziert haben. Das sollte angemerkt werden, denn einige westliche Demokratien haben dies immer noch nicht getan. Doch die wichtigste Entwicklung dieser letzten Jahre besteht darin, dass Afrika sich eine Vision gegeben, eine Aufgabe gestellt und dafür Prinzipien festgelegt hat. Im Bereich der Governance stellte diese durch die Errichtung der Afrikanischen Union verkörperte und sich in der Vision der NEPAD widerspiegelnde Entwicklung eine Abkehr von der Vergangenheit und den althergebrachten Praktiken dar. Diese Vision und diese Prinzipien sind nicht bloße Absichtserklärungen geblieben, denn mit dem afrikanischen Mechanismus der Peer-Review verfügt Afrika jetzt über ein einzigartiges Instrument zur Unterstützung der Afrikaner durch Afrikaner. Dieser Mechanismus verdient unsere volle Unterstützung.

Die zweite Handlungsachse sind die Infrastrukturen und die Netze. Wir sind wohl alle einer Meinung, dass ohne transafrikanische Netze, ohne Infrastrukturen keine Entwicklung möglich ist. Die Europäische Union selbst hat dafür den Beweis geliefert. Sie hat gezeigt, wie zutreffend diese Feststellung ist. Es ist daher unbedingt erforderlich, die gegenwärtigen Anstrengungen zur Verbesserung und Gewährleistung der Dauerhaftigkeit der Infrastrukturnetze sowie zur Beschleunigung des Wachstums und zur Förderung des Handels zu intensivieren. Daher beabsichtigt die Kommission, einen Plan für eine Partnerschaft Europa-Afrika im Bereich der Infrastrukturen und Netze zu erarbeiten. Über diese Partnerschaft werden wir die Entwicklung der transafrikanischen Netze unterstützen, die wesentlich sind für die Interkonnektivität und die Verbreitung von Kenntnissen auf dem Kontinent, der transeuropäischen Telekommunikationsnetze, der Eisenbahnlinien, der Fluglinien, der ebenfalls wichtigen Anschlussinfrastrukturen wie Häfen, Wasserstraßen, alles, was mit Energie und Wasser zu tun hat.

Parallel zu dieser Partnerschaft im Infrastrukturbereich müssten wir neue Formen von Finanzierungsmechanismen entwickeln, die auf der Beteiligung des Privatsektors und weiterer Geldgeber beruhen. Darauf werde ich im Übrigen in einigen Monaten in der Erklärung zum EEF zurückkommen.

Die dritte Tätigkeitsachse ist natürlich der Handel. Alle Akteure erkennen die zentrale Rolle des Handels für das Wirtschaftswachstum an. Der Anteil Afrikas an den weltweiten Exporten ist um fast 60 % zurückgegangen, was einem Verlust von 70 Milliarden Dollar pro Jahr darstellt oder, anders ausgedrückt, 21 % des BIP der Region, mehr als fünfmal die 13 Milliarden Dollar, die Afrika jährlich an Entwicklungshilfe gewährt werden. Diese Tendenz müssen wir natürlich umkehren. Wie Ihnen bekannt ist, handeln wir gegenwärtig die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit sechs Regionen aus, von denen vier zum subsaharischen Afrika gehören. Peter Mandelson, der für den Handel zuständige Kommissar, führt diese Verhandlungen. Es handelt sich dabei zweifellos um den ambitioniertesten Handelsprozess, der jemals zwischen dem Norden und dem Süden ausgehandelt worden ist. Zum ersten Mal unterstützt die Europäische Union die Verhandlungsbemühungen ihrer Partner finanziell. Zum ersten Mal werden Handelsabkommen mit dem einzigen Ziel der Entwicklung unserer Partner ausgehandelt. Zum ersten Mal werden diese Abkommen auf der Grundlage der regionalen Integration unserer Partner und für diese abgeschlossen, und zum ersten Mal kann unsere finanzielle und technische Zusammenarbeit für Reformen, für die Haushaltsunterstützung, für Maßnahmen zur Verbesserung der Fähigkeiten zur Nachfrageerhöhung, für die Schaffung eines für Investitionen und Handel attraktiven Umfeldes genutzt werden.

Schließlich die letzte Handlungsachse: die Kultur. Die Kultur ist eine Schlüsseldimension der Entwicklung, die meiner Meinung nach bisher viel zu oft vernachlässigt worden ist. Doch sie ist von lebenswichtiger Bedeutung. Die Kultur ist die Seele und die Äußerungsform eines Volkes; sie bestimmt die Funktionsweise einer Gesellschaft und damit auch ihre Wirtschaftsstruktur. Daher scheint mir die Berücksichtigung der gesellschaftlichen und kulturellen Identität Afrikas der einzige Weg zu sein, um unsere Entwicklungshilfe in der Realität vor Ort zu verankern und so ihre Wirksamkeit zu erhöhen.

Zum Abschluss möchte ich, Herr Präsident, eine Reihe von Fragen nennen, über die es wünschenswert wäre zu diskutieren. Ich habe gehört, dass von Sanktionen die Rede war. Meiner Meinung nach sind Sanktionen nur dann angebracht, wenn sie die Verursacher, die Verantwortlichen treffen. Hingegen glaube ich nicht an den Nutzen von Sanktionen, wenn sie direkt oder indirekt die Bevölkerung treffen. Es wäre nützlich, die Debatte darüber zu eröffnen.

Ich denke, es muss auch über die berühmte Frage der „Ownership“ oder Eigenverantwortung diskutiert werden. Wie lässt sich am besten gewährleisten, dass die Bevölkerung ihr Schicksal und die Entwicklung eigenverantwortlich gestaltet? Die Eigenverantwortung hängt mit dem Prinzip der Verstetigung zusammen. Wie können die Auswirkungen der laufenden Programme und Projekte verstetigt werden, wenn die externen Träger das Land verlassen? Es stellt sich ebenfalls die Frage, ob und unter welchen Bedingungen die Entscheidung für Haushaltshilfe anstatt für projektgebundene Hilfe sinnvoll ist oder ob ersteres Priorität erhalten sollte. Diese Frage wird sicherlich ebenfalls wie die Kohärenz und die Koordinierung in einer Debatte am Ende des Jahres angesprochen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, dies ist in aller Kürze der Rahmen, innerhalb dessen Antworten auf ein so umfangreiches und wichtiges Thema wie das, was Sie auf die Tagesordnung gesetzt haben, gegeben werden können. Wir werden selbstverständlich noch Gelegenheit haben, vor Jahresende im Rahmen der neuen Politik und im Rahmen dieser Konzentration auf Afrika auf diese Fragen zurückzukommen. Ich möchte anmerken, dass ich meinerseits voller Optimismus bin. Erstens weil eine Reihe von günstigen Umständen gegeben sind: die Tatsache, dass der britische Vorsitz Afrika wirklich ganz oben auf die Agenda der Europäischen Union und auch auf die der G8 gesetzt hat; die Tatsache, dass sich heute ein starker Konsens darüber abzeichnet, dass die Millenniumsziele weder insgesamt noch einzeln erreicht werden können, wenn nicht rasch sehr große Anstrengungen zugunsten Afrikas unternommen werden. Ich möchte sagen, dass wir mehr tun und besser und schneller handeln müssen. Was uns betrifft, so werden wir unser Bestes tun. Ich zweifle nicht, dass das Parlament die Einhaltung dieser Versprechen aufmerksam überwachen wird.

(Beifall)

 
  
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  Luisa Morgantini (GUE/NGL), Verfasserin. (IT) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte Herrn Michel und Herrn Straw danken. Wir werden die Bewertungen und schriftlichen Antworten, die uns übermittelt wurden, ganz sicher in unserem Ausschuss berücksichtigen. Wir werden nicht nur als Wächter auftreten, sondern wir wollen uns für eine gemeinsame Politik einsetzen.

Am 2. Juli habe ich zusammen mit Hunderttausenden von Menschen an dem Marsch durch Edinburgh teilgenommen, um die Forderung zu erheben, Armut Geschichte werden zu lassen, und die G8-Länder zu einer fairen Handelspolitik, mehr Entwicklungshilfe, strengen Kontrollen der Waffenverkäufe sowie einer Politik des Friedens und der Gerechtigkeit aufzufordern, anstatt endlose Kriege zu führen.

Das war eine großartige Demonstration, an der Kinder, Frauen und Männer, ältere Menschen und Jugendliche teilgenommen haben, die sich ihres Handelns voll bewusst waren. Diese Menschen sind eine Bereicherung für unsere Demokratie – und ihrer Stimme muss Gehör geschenkt werden. Wir im Europäischen Parlament haben das getan, indem wir den Sitzungssaal symbolisch mit einem weißen Band umgeben haben und die Abgeordneten bitten, ihre Unterschrift darauf zu setzen als Zeichen dafür, dass wir die von mehreren Hundert Organisationen in der ganzen Welt organisierte Kampagne unterstützen. Präsident Borrell wird die Unterschriftensammlung Herrn Straw übermitteln, sodass sie von ihm an die Führer der G8 weitergeleitet werden kann. Das ist wirklich eine Aktion, ist Übernahme von Verantwortung.

Nelson Mandela hat in seiner Botschaft an die G8 ausdrücklich betont, dass Hunger auch Hunger nach Gerechtigkeit ist, und er hat ergänzt – und ich teile das Gefühl, das seine Worte zum Ausdruck bringen –, dass Armut ebenso wie Sklaverei nicht naturgegeben, sondern von Menschen gemacht sind und dass sie durch menschliches Tun ausgerottet werden können. Außerdem hat er hinzugefügt, dass, solange es Armut gibt, es keine wirkliche Freiheit geben wird. Die Überwindung der Armut ist kein Akt der Barmherzigkeit, sondern ein Akt der Gerechtigkeit und der Verteidigung eines grundlegenden Menschenrechts: des Rechts auf ein Leben in Würde.

Armut ist kein Schicksal, sondern das Ergebnis politischer und wirtschaftlicher Entscheidungen auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene, und sie muss als gesetzwidrig betrachtet werden. Der größte Skandal ist nicht, dass Hunger und Armut existieren, sondern dass sie fortbestehen, obwohl die notwendigen personellen und materiellen Mittel vorhanden sind, ihnen entschlossen und energisch entgegenzutreten.

Mit diesen Worten endet die New Yorker Erklärung, die von 111 Regierungen auf ihrem Treffen unter der Leitung von Präsident Lula unterzeichnet wurde. Sie haben die Finanzierungsinstrumente für die Entwicklung aufgezeigt, unter anderem Steuermaßnahmen, Transaktionen, Bekämpfung der Steuerhinterziehung, Kostenabbau und soziale Verantwortung der Unternehmen. Diese Instrumente sind als Ergänzung und keinesfalls als Ersatz für die bereits bestehenden Instrumente zu betrachten.

Die Armut in den armen Ländern, aber auch in bestimmten Schichten der so genannten reichen Länder zu besiegen heißt nicht nur, das Recht auf Leben zu achten. Ein solcher Sieg ist die beste Waffe gegen fundamentalistische Auswüchse, brutale Konflikte und Terrorismus. In den letzten Jahren haben wir gesehen, dass Strukturanpassungsprogramme, rücksichtslose Privatisierungen und die zügellose Liberalisierung der Märkte und Dienstleistungen – und ich sage das nicht, weil ich gegen den Handel bin – zu einer Verschärfung des Problems von Hunger und Armut beigetragen haben.

Ich meine, wir müssen konsequent bei unseren Entscheidungen sein und die Widersprüche, die durch die Welthandelspolitik hervorgerufen wurden, beherzt und weit blickend anpacken. Wenn wir von fairem Handel sprechen, müssen wir konsequent sein. Es geht nicht an, dass wir die Märkte der afrikanischen Länder mit unseren subventionierten Erzeugnissen überschwemmen und ihre lokale Wirtschaft zerstören. Herr Straw hat Recht, wenn er sagt, dass man kein Partner sein kann, wenn man die ungleichen Bedingungen nicht beachtet. Deshalb müssen wir uns meines Erachtens auch Reformen wie die des Zuckersektors genau ansehen, denn sie schaden den Entwicklungsländern. Der Vorschlag, die Hilfe an Bedingungen zu knüpfen, ist ebenfalls ein wichtiger Schritt, den wir unternehmen und der die Voraussetzungen für eine wirkliche Partnerschaft schafft.

Ich hoffe, dass dieses bei den Menschen und bei uns vorhandene Bewusstsein auch auf die bevorstehende Verhandlungsrunde der WTO in Hongkong übergreift und dass die Millenniums-Entwicklungsziele, die eine wichtige Zwischenetappe sind, erreicht werden können.

Die Bemühungen von Herrn Michel und des luxemburgischen Vorsitzes im Ministerrat waren erfolgreich und haben eine Aufstockung der Hilfe bewirkt. Das ist ein wichtiger Schritt, der nicht zu unterschätzen ist, der allerdings nicht ausreicht, um die Ziele, die wir uns gesteckt haben, zu verwirklichen. Ich hoffe, dass die britische Ratspräsidentschaft, deren Worte von einem hohen Verantwortungsbewusstsein zeugen, noch mehr tun kann. Das seit 1970 verkündete Ziel von 0,7 % des BNE muss endlich Realität werden.

Es gibt noch viele andere bedeutsame Maßnahmen. Beispielsweise wird seit langem im Parlament über eine Erhöhung der Entwicklungs- und der Bildungsausgaben diskutiert. Für die erfolgreiche Bekämpfung von AIDS und die Unterstützung der Kranken sind nicht nur mehr finanzielle Mittel und eine Politik zur Gewährleistung des Zugangs zu Arzneimitteln erforderlich, sondern auch eine Kontrolle und ein Liberalisierungskonzept für die Arzneimittellizenzen.

Ein anderes wichtiges Thema ist der Schuldenerlass, der gestern auf dem Gipfel der Afrikanischen Union gefordert wurde. Zwar haben wir etwas erreicht, doch das genügt nicht. Wir dürfen den Schuldenerlass nicht als Posten des Entwicklungshilfehaushalts betrachten, wie es für den Irak geschieht.

Es bleibt noch viel zu tun, wenn das Jahr 2005 wirklich eine historische Wende für die Armutsbekämpfung markieren soll. Afrika besitzt erhebliche Ressourcen, die wir nutzen können.

(Beifall)

 
  
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  Maria Martens, im Namen der PPE-DE-Fraktion. (NL) Herr Präsident, Herr Straw, Herr Kommissar Michel! Zunächst möchte ich die Organisatoren des „Global Call to Action against Poverty“ zu ihrer Initiative herzlich beglückwünschen. Es handelt sich hier um eine sinnvolle Initiative zum richtigen Zeitpunkt, da in diesem Herbst Verhandlungen nicht nur in der WTO und der G8, sondern auch über die Millenniums-Entwicklungsziele stattfinden.

Armut bleibt ein Problem, mit dem wir uns nicht abfinden dürfen, und die Bekämpfung der Armut steht im Mittelpunkt der Politik zur Verwirklichung der Millenniums-Entwicklungsziele. Wie Sie wissen, ist das Problem der Armut in Afrika, insbesondere südlich der Sahara, am akutesten. Als Berichterstatterin für die Entwicklungsstrategie für Afrika bin ich erfreut, dass der Kommissar sowie der britische Vorsitz entschieden haben, Afrika Priorität einzuräumen. Ebenso begrüße ich die heute von ihnen dargelegte Vorgehensweise, mit der sie das Problem anzupacken gedenken.

Mit Bezug auf den Entschließungsantrag möchte ich sagen, dass es selbstverständlich richtig ist, mehr Mittel für die Armutsbekämpfung bereitzustellen, wie aber von einem der Vorredner ausgeführt wurde, ist die Lösung im Hinblick auf eine effektive Armutsreduktion nicht lediglich finanzieller Art. Wichtiger ist, dass die Ursachen der Armut, zu denen unter anderem Missmanagement, Korruption und Handelsschranken gehören, angegangen werden.

Meines Erachtens könnte die Europäische Union auf mindestens zwei Ebenen tätig werden – erstens durch ihre Beziehungen zu den armen Ländern und zweitens im Rahmen ihrer internen Politik. In manchen Fällen wird Nothilfe zwar weiterhin erforderlich sein, im Hinblick auf den Aufbau stabiler Gesellschaften sollte der Schwerpunkt unserer Beziehungen zu den armen Ländern jedoch vor allem auf der Förderung in den Bereichen gute Regierungsführung, Kapazitätsaufbau und wirtschaftliches Empowerment, insbesondere von kleinen und mittleren Unternehmen, sowie solide soziale Infrastruktur, angemessene Bildung und ausreichende Gesundheitsfürsorge liegen. Wir müssen uns auf mehr Kohärenz, eine bessere Koordinierung und größere Effizienz unserer Politik konzentrieren.

Was die Schuldenlast anbelangt, so stellt der Schuldenerlass kein Allheilmittel gegen die Armut dar. Der Schuldenerlass ist an sich noch keine Garantie für Entwicklung und auch keine Lösung für Probleme wie Korruption, fehlende Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechtsverletzungen und wirtschaftliche Instabilität, und ebenso wenig kommt er automatisch den Ärmsten der Armen zugute. Letztendlich liegt die Verantwortung für ihre eigene Zukunft bei den Ländern selbst. Wir können ihnen lediglich Hilfestellung leisten, vorausgesetzt, es werden Maßnahmen getroffen hinsichtlich der Qualität und effektiven...

(Der Präsident entzieht der Rednerin das Wort.)

 
  
  

VORSITZ: PIERRE MOSCOVICI
Vizepräsident

 
  
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  Miguel Angel Martínez Martínez, im Namen der PSE-Fraktion.(ES) Herr Präsident! Für die Sozialdemokraten stellt die Beseitigung der Armut in der Welt eine absolute Priorität dar, denn sie ist eine Frage von Gerechtigkeit und Solidarität, beides Grundwerte unserer ideologischen und politischen Identität.

Gerechtigkeit und Solidarität sind Teil unseres Beitrags zu dem Prozess, der uns zur Europäischen Union geführt hat, doch in einer globalisierten Welt, in der wir agieren müssen, dürfen Gerechtigkeit und Solidarität nicht als etwas verstanden werden, das ausschließlich unseren Bürgern und unserem Territorium zugute kommt. Im Gegenteil: Es ist an der Zeit, dass Gerechtigkeit und Solidarität unsere Grenzen überschreiten und alle europäischen Politiken und Aktionen auf internationaler Ebene durchdringen, wie es in der Verfassung festgeschrieben ist.

Die Sozialdemokraten im Ausschuss für Entwicklung sind erfreut über zwei Vorgänge, die den Forderungen dieses Ausschusses Rechnung tragen. Der erste ist, dass der Rat „Entwicklungshilfe“ vom Mai wichtige Verpflichtungen bestätigt hat, um die Millenniums-Entwicklungsziele zu verwirklichen, wobei die vor fünf Jahren festgesetzten Ziele beibehalten werden. Der zweite ist, dass der britische Vorsitz die Beseitigung der Armut mit besonderem Schwerpunkt auf Afrika zur Priorität erklärt hat.

Wir halten das für gerechtfertigt, aber von dem Kampf gegen die Armut dürfen wir andere Regionen des Planeten nicht ausnehmen, in denen es schreckliche Elendsgebiete gibt und in denen Ungleichheiten, die sogar noch größer als in Afrika sind, ebenfalls unser prioritäres Handeln erforderlich machen.

Mit der Armband-Aktion, mit dieser Debatte und der Entschließung, die wir annehmen werden, bringen wir jetzt unsere Schritte mit denen von Millionen von Europäern in der gesamten Union in Gleichklang.

Kürzlich haben wir über mangelndes Einvernehmen zwischen den europäischen Führern und Institutionen und unseren Bürgern gesprochen. Diese Mobilisierung gegen Armut ist jetzt eine ausgezeichnete Gelegenheit für Verständigung, Annäherung und Aussöhnung, doch müssen wir behutsam zu Werke gehen! Die Auswirkungen werden nur positiv sein, wenn wir das in uns gesetzte Vertrauen nicht missbrauchen und wenn wir über Worte und gute Absichten hinausgehen. Was die Beseitigung der Armut betrifft, so werden wir eher nach unseren künftigen Taten beurteilt werden, und zwar eher früher als später, als nach unseren heutigen Erklärungen.

(Beifall)

 
  
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  Fiona Hall, im Namen der ALDE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Für diejenigen unter uns, die am Sonnabend in Edinburgh waren, gibt es keinen Zweifel daran, wie engagiert die Öffentlichkeit die weltweite Aktion gegen Armut unterstützt. Ich hoffe, dass die in dieser Woche stattfindende G8-Tagung diese Begeisterung aufgreifen wird.

Ich begrüße Herrn Straws Ausführungen zur Doha-Agenda, aber der Kampf gegen die Armut wird nicht in schlagzeilenträchtigen Gesprächen zwischen führenden Staatsmännern der Welt gewonnen oder verloren, sondern in anonymen Büros, in denen Beamte die konkreten Bestimmungen von Handelsvereinbarungen ausarbeiten. Könnten uns Kommission und Rat daher heute zusichern, dass der Kampf gegen die Armut auch noch in den kommenden Monaten Vorrang genießen wird, wenn fern der Medien und jeglicher parlamentarischer Kontrolle über wesentliche Aspekte der Handelsabkommen verhandelt wird? Wird die Reduzierung der Armut in den konkreten Diskussionen über Agrarproduktion, Ausfuhrsubventionen, die Zuckerreform, Einfuhren von Waren aus der Verarbeitung landwirtschaftlicher Erzeugnisse, Ursprungsregeln und die umstrittenen Abkommen über wirtschaftliche Partnerschaft für die Kommission und den Rat auch dann noch Vorrang haben, wenn die europäische Agrarwirtschaft und große Unternehmen massiv ihren Einfluss geltend machen?

Handelsabkommen reichen nicht aus. Wir müssen einen Schritt weitergehen und die Entwicklungsländer bei der Stärkung ihrer Handlungskompetenz im Bereich Handel durch Dinge wie Mikrokredite oder bessere Transportverbindungen unterstützen, wie Kommissar Michel sagte, damit sie vollen Zugang zu sowohl regionalen als auch globalen Märkten erlangen. Es existieren bereits technische Hilfsmaßnahmen im Bereich Handel: Dazu zählt beispielsweise das Programm der Pestizidinitiative der Kommission, das afrikanischen Landwirten hilft, europäische Auflagen im Bereich der Lebensmittelsicherheit zu erfüllen. Diese Initiative ist angesichts des enormen Bedarfs jedoch ein Tropfen auf den heißen Stein.

Die Liberalen und Demokraten haben stets die Bedeutung des Kampfes gegen Korruption und für gutes Regierungshandeln unterstrichen. Dazu zählt auch, dass man demokratisch gewählte Regierungen respektiert, ob man deren politische Ansichten teilt oder nicht. Die Kommission für Afrika verwies in ihrem Bericht auf die Bedeutung des Pragmatismus, dass es darum geht, sich bei Aktionsprogrammen nicht an ideologischen Fragen zu orientieren, sondern an konkreten Anhaltspunkten dafür, was in der Praxis funktioniert und was nicht.

 
  
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  Marie-Hélène Aubert, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, meine Damen und Herren! „Mit Afrika läuft etwas schief“, stellte der Ökologe René Dumont vor mehr als 30 Jahren fest. Heute ist es wieder in den Schlagzeilen, doch in einem noch dramatischeren Zustand. Und Sie müssen jetzt anerkennen, dass die dogmatische Liberalisierung des Handels, die Strukturanpassungspläne, die ungezügelten Privatisierungen und natürlich die nicht eingehaltenen Versprechen eine bereits sehr ernste Situation noch weiter zuungunsten insbesondere der Bildungs- und der Gesundheitspolitik verschlimmert haben.

Die wesentliche Frage stellt sich jedoch im Norden, und zwar uns selbst. Sind wir bereit, unser Entwicklungsmodell, unsere Art zu produzieren, zu konsumieren, uns fortzubewegen tief greifend umzugestalten sowie die Organisation und das Selbstverständnis unserer Gesellschaften zu überdenken? Heute ist es unumgänglich, dass endlich begonnen wird, im Norden wie im Süden, wesentliche Probleme wie die drei, die ich Ihnen hier nennen möchte, zu lösen. Erstens, sind wir bereit, im Hinblick auf den Zugang zu den Erdöl- und Energieressourcen sowie zu den Bodenschätzen, von denen wir zu stark abhängen und die nicht zur Entwicklung Afrikas beigetragen haben, wirklich eine ganz andere Energiepolitik, die nachhaltig, gerecht und ökologisch ist, zu betreiben?

Zweitens, sind wir in Bezug auf den Zugang zu Land, zu Nahrungsmitteln, zu Ernährung unter Achtung der lokalen ländlichen Territorien und Kulturen bereit, unsere intensiven, überindustrialisierten Agrarpolitiken, unsere subventionierten, unfairen Handelspolitiken zu verändern, die Märkte und die Preise für die Erzeugnisse des Südens so unter Kontrolle zu halten, dass sie einträglich werden?

Drittens, sind wir in Bezug auf den Zugang zu Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Frieden auf örtlicher wie weltweiter Ebene bereit, die internationalen Gremien zu demokratisieren, die Demokraten in Afrika zu unterstützen auf die Gefahr hin, einen Teil der übermäßigen Macht des Nordens über die Welt zu verlieren, die durch die G8 symbolisiert wird, welche sich heute in Gleneagle wie in einer Festung verschanzt haben?

Wenn wir nicht in der Lage sind, zumindest auf diese drei Fragen eindeutig mit Ja zu antworten, dann wird diese große medienwirksame Show mit dem großen weißen Ritter, der Afrika zu Hilfe eilt, wieder einmal nur reines Blendwerk gewesen sein. Die Europäische Union kann es sich nicht mehr leisten, zu enttäuschen. Wir unsererseits sind jetzt bereit, uns unserer Verantwortung zu stellen.

 
  
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  Gabriele Zimmer, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. Herr Präsident! Es geht heute um nicht mehr und nicht weniger als die Sicherung des Menschenrechts auf ein Leben in Würde.

Anlässlich des bevorstehenden G8-Gipfels bekräftige ich die Grundforderungen vor allem auch vieler afrikanischer Bewegungen: Gerechten Handel gewährleisten, die Schuldenkrise der armen Länder beenden, wesentlich mehr Ressourcen für Hilfe aufbringen und sicherstellen, dass diese Hilfe von höchster Qualität ist. Ich verlange, dass die Europäische Union diese Forderungen als an sich selbst gerichtet betrachtet und konsequent um eine gerechte Weltwirtschaftsordnung ringt.

Ich verlange offen zu legen, inwieweit die ODA, die offizielle Entwicklungshilfe, und die Partnerschaftsvereinbarungen eine Art Entwicklungshilfe für europäische Konzerne und Unternehmen sind. Vor dem EU-Gipfel zur Entwicklungspolitik soll die Antwort auf die Frage auf dem Tisch liegen, wie die EU sicherstellt, dass eine solch skandalöse Wirtschaftsförderung unterbleibt.

 
  
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  Nigel Farage, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Der britische Ratsvorsitz, die Kommission, der Präsident des Parlaments, Bob Geldof: Jeder spricht davon, und wir alle klopfen uns gegenseitig auf die Schulter. Wir bilden uns selbstgefällig etwas darauf ein, dass wir Afrika finanziell unterstützen, als ob man das ganze Problem mit Geld lösen kann. Ich fürchte, in diesem Punkt bin und bleibe ich ein Zyniker. Ich sehe Auslandshilfe so: Arme Leute in reichen Ländern geben Geld für reiche Leute in armen Ländern. Ehrlich gesagt, hatten unsere Diskussionen hier am Montag einen stark heuchlerischen Beigeschmack, und das gilt auch für heute. Schließlich gibt es da noch die Gemeinsame Agrarpolitik; schließlich gibt es hohe Zollschranken für Agrarprodukte; wir haben das Zuckerregime und das Exportkreditsystem.

Ich weiß, dass Herr Blair die Gemeinsame Agrarpolitik reformieren will. Ich vermute, dass es schwierig werden wird, aber es gibt etwas, das der britische Ratsvorsitz in den nächsten sechs Monaten tun könnte, um Afrika wirklich zu helfen. Wir haben über zwei Milliarden Euro an europäischen Steuergeldern zur Bestechung der Regierungen in armen schwarzafrikanischen Ländern verwendet, damit sie spanischen Fischern gestatten, in ihren Gewässern zu fischen. Das war mit katastrophalen Konsequenzen für die Umwelt verbunden. Wir haben Zehntausenden von armen Schwarzafrikanern die Lebensgrundlage entzogen und dabei den Tod von Hunderten von ihnen verursacht.

Ich fordere den britischen Ratsvorsitz auf, diese fürchterlichen Fischereiabkommen, von denen das nächste mit den Komoren im September zur Verlängerung ansteht, zu stoppen und etwas zu unternehmen, das Afrika wirklich hilft.

 
  
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  Eoin Ryan, im Namen der UEN-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Nelson Mandela sagte: „Wie Sklaverei und Apartheid ist Armut nicht naturgegeben. Sie ist das Werk von Menschen und kann von Menschen überwunden und ausgerottet werden.“ Täglich sterben 30 000 Kinder an den Folgen extremer Armut. Wir müssen in uns gehen und uns die Frage stellen, die gegenwärtig jeder auf den Lippen hat: Habe ich, haben wir den Willen, die Armut in die Geschichtsbücher zu verbannen? Wir haben das Geld, wir haben die Medikamente, wir haben die Wissenschaft, aber haben wir auch den Willen? Das ist die wichtigste Frage, um die es hier geht.

Millionen von Menschen weltweit sind in bitterer und gnadenloser Armut gefangen, die zumeist das Werk von Menschen ist: ein fragwürdiges globales Handelssystem, die Forderungen wohlhabender Länder nach riesigen Summen für den Schuldendienst. Die Kluft zwischen Arm und Reich wird immer tiefer. Unterernährung, Korruption, AIDS, Malaria, Konflikte, Analphabetentum und erdrückende uneinbringliche Schulden schnüren den besonders armen Ländern dieser Welt den Atem ab. Wie der Kommissar sagte, werden in Afrika Fortschritte erzielt. Das dürfen wir nicht vergessen, aber es muss noch viel mehr getan werden.

Auf einem G8-Treffen, das kürzlich stattfand, kam man überein, den ärmsten Ländern ihre Schulden bei der Weltbank, dem IWF und der Afrikanischen Entwicklungsbank teilweise zu erlassen. Dabei handelt es sich um den Erlass von einer Milliarde Dollar über einen Zeitraum von zehn Jahren. Das ist ein kleiner Betrag, aber ein Schritt in die richtige Richtung. Es muss jedoch noch viel, viel mehr getan werden. So muss der Schuldenerlass so organisiert werden, dass korrupte afrikanische Staats- und Regierungschefs an einer Wiederbewaffnung zur Stützung höchst fragwürdiger Regimes gehindert werden. Wir müssen dafür sorgen, dass wir hier in Europa nicht zur Wiederbewaffnung dieser Regimes beitragen.

Der Erlass aller Schulden kann nur dann etwas bewirken, wenn die internationale Hilfe auf nachhaltigem Niveau fortgesetzt wird. Die Europäische Union hat derzeit den größten Anteil an der bereitgestellten Hilfe und trägt unter anderem mit der Verpflichtung, 0,7 % des BIP jährlich bereitzustellen, maßgeblich zur vollständigen Umsetzung der Millenniums-Entwicklungsziele bei. Ich möchte alle reichen Nationen auffordern, ihre Verpflichtung zur Erfüllung ihrer Hilfszusagen innerhalb eines angemessenen und realistischen Zeitrahmens zu bekräftigen.

Das jüngste, von Bob Geldof organisierte Live8-Konzert war Ausdruck des weltweiten Engagements zur Bekämpfung der Armut. Das gleiche Ziel verfolgten die 200 000 Menschen, die im Vorfeld des heute beginnenden G8-Gipfels in Edinburgh auf die Straße gingen. Wir wurden Zeuge, wie Jung und Alt engagiert ihren Willen bekundeten. Diesem Parlament und anderen Parlamenten sowie Politikern wird häufig vorgeworfen, dass sie die wahren Wünsche der Bürger ignorieren. Die Menschen haben sich zu diesem Problem geäußert, und wir müssen handeln, und zwar entschlossen.

Lassen Sie uns heute, da der G8-Gipfel im schottischen Gleneagles beginnt, der weisen Worte aus dem Munde des hoch geschätzten Nelson Mandela gedenken: „[...] Die Überwindung der Armut ist kein Akt der Barmherzigkeit, sondern ein Akt der Gerechtigkeit.“ Er dient dem Schutz eines grundlegenden Menschenrechts, des Rechts auf Würde und ein würdiges Leben.

 
  
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  Alessandro Battilocchio (NI). (IT) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich spreche im Namen der Sozialisten der Neuen Sozialistischen Partei Italiens und als Mitglied des Entwicklungsausschusses.

Gemäß den Rangordnungen und den Bewertungskriterien von Organisationen wie Weltbank, Freedom House und Transparency International verfügen inzwischen immer mehr afrikanische Länder über die Führung und die Regierungsqualität, um wirtschaftliche Erfolge erzielen zu können, aber sie besitzen nicht die erforderlichen Mittel.

Auch verhältnismäßig gut regierte Länder bleiben faktisch immer noch in der Armutsfalle gefangen. Sie sind zu arm, um wirtschaftliche Entwicklungsprozesse auslösen oder auch nur ein Grundwachstum erreichen zu können. Mit einer extrem schwachen Spartätigkeit im Inneren und gleichermaßen spärlich fließenden ausländischen Investitionen lassen die gegenwärtigen wirtschaftlichen Verhältnisse in Afrika nicht darauf hoffen, dass der Armut entkommen werden kann.

Die reichen Länder müssen sich verpflichten, die Entwicklungshilfen im Zeitraum 2005-2015 zu verdoppeln, um sie bis 2010 auf mindestens 0,5 % des BNE und bis 2015 auf 0,7 % des BNE anzuheben. Diese Erhöhung erscheint recht unbedeutend verglichen mit dem Reichtum der Länder mit hohem Einkommen oder mit den weltweiten Militärausgaben, die sich auf 900 Milliarden USD im Jahr belaufen.

Die Glaubwürdigkeit und das Funktionieren des internationalen Systems stehen auf dem Spiel. Werden 2005 keine entscheidenden Schritte unternommen, wird es den armen Ländern, auch wenn sie noch so gut regiert werden, nicht gelingen, eine gezielte Strategie zur Erreichung der Millenniums-Ziele umzusetzen, und der – ohnehin schwache – Glaube an die Versprechungen der internationalen Gemeinschaft in Bezug auf die Armutsbekämpfung wird gänzlich schwinden.

 
  
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  John Bowis (PPE-DE) . – (EN) Herr Präsident! Vergangenen Sonntag feierte meine Mutter ihren 100. Geburtstag – ein Jahrhundert, in dem es Kriege, Hungersnöte und Seuchen, aber auch immense Fortschritte in Wissenschaft und Technik gegeben hat. Als sie 69 war, verpflichtete sich die Welternährungskonferenz zu einer Welt ohne Hunger. Als sie 91 war, gab der Welternährungsgipfel diese Verpflichtung auf und strebte eine Halbierung der Zahl der Hungernden bis 2015 auf 400 Millionen Menschen an. Inzwischen wird das Jahre 2030 als Termin genannt. Im vergangenen Jahrhundert wurden Millionen von Menschen in Kriegen getötet. In den letzten 50 Jahren sind 400 Millionen Menschen verhungert: Das ist das Dreifache aller Kriegstoten des letzten Jahrhunderts. Wie wir wissen, sind im Jahr 2000 drei Millionen Menschen an AIDS gestorben, aber wir wissen möglicherweise nicht, dass 2,9 Millionen Menschen an Diabetes gestorben sind.

Als wir kürzlich Mali besuchten, sah ich, was passiert, wenn man sich keine Medikamente, kein Insulin, keine Spezialisten und kein Pflegepersonal leisten kann: Amputationen, Blindheit und vorzeitiger Tod. So viele Krankheiten werden nicht oder schlecht behandelt. Das hat die Behinderung von Millionen von Menschen zur Folge, was für die betroffenen Familien und Staaten mit enormen Kosten verbunden ist. Es ist wirklich so: ohne Gesundheit kein Wohlstand.

Das sind die Herausforderungen, und das sind die Antworten: Hilfe bei der Stärkung der Handlungskompetenz, Hilfe ohne Bedingungen, Kleinkreditprogramme zum Aufbau der Wirtschaft von unten nach oben; keine Gelder in die Taschen korrupter Beamter und Politiker; niemand darf sich an der Hilfe bereichern; Unterstützung bei der Beseitigung der Tyrannei in Ländern wie Simbabwe; keine Verschwendung von Mitteln für teure Beraterfirmen und kopflastige Wohltätigkeitsorganisationen; Abbau der Subventionen in Europa und Beseitigung von Handelshindernissen für Entwicklungsländer. Wenn wir neue Normen in Europa festlegen, dann helfen wir den Entwicklungsländern vielfach nicht, diese Normen zu erreichen, damit sie unsere Einfuhranforderungen erfüllen können.

Zum Schluss eine Wort zu den Schulden. Wir sollten den Entwicklungsländern nicht ihre Kreditwürdigkeit nehmen. Lassen Sie uns nach Wegen suchen, wie wir diese Schuldenrückzahlungen in diese Länder, in die Millenniums-Entwicklungsziele, in die Länderstrategiepapiere zurückfließen lassen können, denn dann können die Schulden von Nutzen und keine Last sein.

 
  
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  Margrietus van den Berg (PSE). (NL) Herr Präsident! „Jeder gehört der Welt und die Welt gehört jedem“, so heißt es bei meinem niederländischen Lieblingsmusiker, Thé Lau van The Scene, und so hieß es auch bei dem von 140 Fernsehsendern übertragenen Live-8-Konzert. Jetzt obliegt es uns, den Politikern, eine Kehrtwende herbeizuführen, und mit Gleneagles, dem UN-Millenniumsgipfel und Hongkong haben wir sechs Monate Zeit dafür. 2015, das für das Erreichen der Millenniums-Entwicklungsziele gesetzte Datum, scheint momentan in immer weitere Ferne zu rücken. Wir sind auf dem falschen Weg, aber nun stehen drei Gipfeltreffen bevor, die uns eine Umkehr ermöglichen können. Es gibt vier Schwerpunkte, die der EU-Vorsitz meiner Meinung nach in Angriff nehmen muss.

Erstens, wie Herr Straw selbst ausführte: „Abschaffung der Ausfuhrbeihilfen“. Ich hoffe aufrichtig, dass er dabei im Namen des Rates gesprochen hat. Eine Freirunde?

Zweitens: Erlass der Schulden, vorausgesetzt, diese werden für die Entwicklung verwendet, allerdings nicht aus den bestehenden Entwicklungshilfebudgets, denn dies wäre ein Griff in die eigene Schatulle.

Drittens: Fünf der acht Millenniums-Entwicklungsziele betreffen zwei der wichtigsten Voraussetzungen für Entwicklung, nämlich Grundbildung und grundlegende Gesundheitsfürsorge. Während 35 % der Mittel der EU für die Entwicklungsländer der sozialen Infrastruktur und davon 20 % der Grundbildung und der gesundheitlichen Grundversorgung zugewiesen werden sollten, liegt dieser Anteil in Wirklichkeit lediglich bei beschämenden 9 %. Herr Benn und unser Kommissar haben gemeinsam die Möglichkeit, in dieser Hinsicht eine wesentliche Änderung herbeizuführen.

Viertens: Verpflichtung zur Förderung guter Regierungsführung, unter der Voraussetzung, dass die lokale Bevölkerung mit eingebunden wird. Wir sollten sie einsetzen und in sie investieren, um in Afrika eine gute Regierungsführung zu erreichen.

Lassen Sie mich mit einem Zitat aus „USA for Africa“ schließen: „There comes a time when we hear a certain call, when the world must come together as one“. Das liegt 20 Jahre zurück. Hoffentlich wird auf den drei bevorstehenden Konferenzen dieser Appell erneut ertönen. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg.

 
  
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  Thierry Cornillet (ALDE). (FR) Herr Präsident! Ich denke, wir können uns dem Standpunkt von Herrn Michel anschließen, der vorschlägt, mehr zu tun sowie besser und schneller zu handeln. Ich möchte mich kurz fassen und feststellen, dass wir um zwei Erhöhungen nicht herumkommen. Die erste ist die Erhöhung des Umfangs der Hilfe. Es ist klar, dass zur Erreichung der Millenniumsziele weltweit mindestens 0,7 % des BIP aufgewendet werden müssen, und davon sind wir noch weit entfernt.

Was die Europäische Union betrifft, so liegen unsere Ziele gegenwärtig noch etwas darunter, denn wir erhöhen von 0,38 % auf 0,50 %. Ich möchte indes Ihre Aufmerksamkeit auf die beträchtlichen Summen lenken, die dies darstellt: 20 Milliarden Euro pro Jahr. Dieses Geld kommt nicht aus dem Nichts, sondern aus den Taschen unserer Steuerzahler. Damit komme ich zu der zweiten genannten Erhöhung: die der Qualität und der Effizienz der Hilfe – eine Steigerung, die wir unseren Steuerzahlern schulden. Wir müssen unsere Forderungen nach Good Governance weiterhin aufrechterhalten und insbesondere den afrikanischen führenden Politikern, die Weitsicht im Hinblick auf die Bedingungen für die Übernahme von Eigenverantwortung zeigen, Hilfe leisten. Wir sollten uns vor Augen führen, dass der internationale Handel über den Privatsektor immer noch mehr erbringt als die staatliche Entwicklungshilfe leisten kann. Weiterhin sollten wir bequeme Lösungen vermeiden, die nur ein gutes Gewissen verschaffen, wie Haushaltshilfe ohne Bedingungen, die der Projektarbeit der NRO schadet, oder Schuldennachlass als Wunderlösung, ohne die nachfolgenden Strukturprobleme anzugehen, oder auch ungezielte Sanktionen, die wirkungslos bleiben.

Vor allem besteht ein Zusammenhang zwischen der zweiten Erhöhung und der verstärkten Aussendung von Signalen an unsere Öffentlichkeit. Unsere Aktion muss wahrnehmbar sein. Aus diesem Grund habe ich vorgeschlagen, dass die Union solche Aktionen wie Impfkampagnen für Kinder oder die Malariabekämpfung selbst übernimmt, denn bei solchen Maßnahmen ist eine zahlenmäßige Erfassung möglich, auch wenn sie makaber ist. Damit würden wir zu einer offenen, solidarischen und vor allem effizienten Union.

 
  
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  Caroline Lucas (Verts/ALE). (EN) Herr Präsident! Ich bin gerade von den G8-Alternativtreffen der Zivilgesellschaft in Edinburgh zurückgekehrt, wo Tausende von Menschen darüber debattierten, wie die Armut beseitigt werden kann. Ich möchte auf zwei wichtige Schlussfolgerungen aufmerksam machen.

Erstens ist der freie Handel nicht die Lösung für die Probleme in Afrika. Obwohl Bemühungen um den Schuldenerlass für einige afrikanische Länder willkommen und längst überfällig sind, sind die damit verknüpften Bedingungen, die zwangsweise Liberalisierung und Privatisierung, ebenso erdrückend wie die dadurch erlassenen Schulden.

Zweitens ist die Armut in Afrika nicht das Ergebnis eines Versehens der Natur. Ich habe mich gefreut zu hören, dass auch nach Ansicht von Jack Straw die Armut das Werk des Menschen ist, aber mich erstaunt, dass er dabei nur an Bewohner in Afrika dachte und die G8 völlig ausnahm. Die Armut in Afrika ist im Wesentlichen eine unmittelbare und logische Folge der Politik der G8-Nationen und ihrer Unternehmen, die die Verschuldung des Kontinents in die Höhe getrieben, die Waffen verkauft und die Ressourcen Afrikas geplündert haben, die dem Kontinent eine neoliberale Wirtschaft aufzwingen, die den öffentlichen Dienst privatisieren und die gemeinsam Millionen von Menschen in die Armut getrieben haben. Solange sich daran nichts ändert, solange wir keine Strategie verfolgen, die…

(Der Präsident entzieht der Rednerin das Wort.)

 
  
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  Jean-Claude Martinez (NI).(FR) Herr Präsident! Hinter einem Martinez kann ein zweiter stecken. Nach einem halben Jahrhundert Entwicklungshilfe, weltweiten Rockkonzerten, Schuldennachlassen, fairem Handel und etwas verlogenen Tränen des etwas heuchlerischen weißen Mannes verharrt Afrika immer noch in Armut.

Wie kann man dies ändern? Erstens müssen Wasser, Bildung, Gesundheitsfürsorge und Ernährung zu globalen öffentlichen Gütern erklärt werden. Zweitens, der Zugang zu diesen Gütern ist durch vier weltweite Dienste der Daseinsvorsorge zu gewährleisten. Drittens, die Leitung dieser vier Dienste wird einem wirtschaftlichen Sicherheitsrat nach dem Muster des UN-Sicherheitsrates übertragen. Viertens muss zu ihrer Finanzierung eine Mehrwertsteuer auf die von den geostationären Satelliten erbrachten Leistungen erhoben werden. Und fünftens schließlich muss in Afrika das Verfahren angewendet werden, das alle westlichen Länder für ihre Entwicklung genutzt haben, nämlich der Zollschutz, in diesem Fall allerdings in einer klugen Form mit rückzahlbaren Zollgebühren. Und meine letzten drei Sekunden schenke ich Ihnen, Herr Präsident.

 
  
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  Filip Andrzej Kaczmarek (PPE-DE). (PL) Herr Präsident! Einige Journalisten haben ironisch die Frage gestellt, warum die Politiker nicht bereits die Armut gestoppt haben, wo sie doch in der Lage dazu sind. Ich finde, wir sollten über das Thema der weltweiten Armut keine Scherze oder Wortspiele machen.

Der Kampf gegen die weltweite Armut kann als Maßstab für unsere Humanität und unser Europäertum betrachtet werden. Die Erweiterung der EU hat unter anderem dazu geführt, dass nun eine größere Anzahl von Ländern an der Entwicklungszusammenarbeit teilnehmen, und die neuen Mitgliedstaaten spielen eine zunehmend aktive Rolle bei der Armutsbekämpfung. Im Rahmen der Entschuldungsinitiative für hochverschuldete arme Länder (HIPC) hat Polen entschieden, drei Ländern, darunter zwei afrikanischen, alle Schulden zu erlassen. Die Gesamtschuldensumme der betreffenden Länder - Tansania, Mosambik und Nicaragua – belief sich auf mehr als 53 Millionen US-Dollar. Der Sudan ist ein weiteres Land, das Schulden bei Polen hat und in den Genuss eines Schuldenerlasses gelangen könnte.

Meiner Ansicht nach ist der Schuldenerlass für Länder wie Mosambik, deren Staatshaushalt vollständig von ausländischer Hilfe abhängig ist, besonders wichtig und kann ein erster Schritt auf dem Weg der Hilfe zur Selbsthilfe für die Afrikaner sein. Richard Mbewe, ein in Polen lebender sambischer Wirtschaftsexperte, hat einmal folgenden Ausspruch geprägt: ‚Die Afrikaner sind keine Kinder, und man sollte ihnen keinen Fisch geben; man sollte ihnen Angelruten geben’.

Polens Erfahrungen sind ein Beweis dafür, dass effektive und dauerhafte Wirtschaftsreformen erst nach der politischen Wende eines Landes in Angriff genommen werden können. Ein Großteil der Polen in den 70er-Jahren gewährten Kredite sind vertan worden, und ein Schuldennachlass machte erst nach den Veränderungen von 1989 Sinn. Herr Straw und Kommissar Michel haben daher einen wichtigen Punkt angesprochen, als sie betonten, dass gutes Management und der Kampf gegen Korruption die wichtigsten Herausforderungen für Afrika sind.

Der zweite Pfeiler unserer Politik sollte neben der Entwicklungspolitik die Sensibilisierung der Öffentlichkeit sein, und Kampagnen wie „Lasst Armut Geschichte werden“ tragen zur Förderung des öffentlichen Bewusstseins bei.

 
  
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  Glenys Kinnock (PSE).(EN) Herr Präsident! Ich möchte eingangs feststellen, dass ich sehr stolz darauf bin, dass sich der britische Ratsvorsitz so engagiert für den weltweiten Kampf gegen die Armut einsetzt. Heute bieten sich dafür bessere Chancen denn je zuvor. Und ich glaube, dass es für jedes Hindernis, das sich uns in den Weg stellt, eine Lösung gibt.

Die Welt muss endlich bereit sein, ihre Versprechen gegenüber Afrika einzulösen – ihre Versprechen in Bezug auf Hilfe, nichtrückzahlbare Schulden und fairen Handel. Die afrikanischen Staats- und Regierungschefs müssen sich, wie bereits mehrfach betont wurde, für eine verantwortungsvolle Staatsführung und gegen Korruption einsetzen. Wir müssen auch verstehen, dass schlechtes Regierungshandeln sowohl das Ergebnis als auch die Ursache allgegenwärtiger Armut ist.

Jetzt kann es kein Wenn und Aber geben. Wir können zusammenarbeiten, um in bessere Ertragskulturen zu investieren, den Kampf gegen Malaria zu verbessern, die Kranken mit Medikamenten zu versorgen, einen Impfstoff gegen AIDS zu entwickeln und empfindliche Ökosysteme zu schützen. Wir können dazu beitragen, dass Millionen von Kindern die Schule besuchen können, und wir können das wertvolle Leben von Müttern und Kleinkindern retten. Wir können die Entwicklung ankurbeln, indem wir den Frauen, die in Afrika 50 % der Bevölkerung, aber 70 % der Armen ausmachen, Hilfe zur Selbsthilfe geben. Konflikte können gelöst werden, der Waffenhandel kann kontrolliert werden, und die Unternehmen können und sollten veranlasst werden, ihren Handel offen und ethisch verantwortungsbewusst zu führen.

Afrikas Weg aus der Armut ist jetzt klar vorgezeichnet, und wir verfügen jetzt, wie Gordon Brown sagte, über eine neue Beziehung zu Afrika. Wir können die Generation sein, die in die Geschichte eingeht, weil sie die Lebenschancen von Millionen von Menschen in Afrika transformiert.

 
  
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  Emma Bonino (ALDE). (IT) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist eine gute Nachricht, dass Afrika wieder im Brennpunkt des politischen Interesses steht. Trotzdem ist man sich meinem Eindruck nach noch nicht darüber im Klaren, welche Politik verfolgt werden soll, und die vorgeschlagenen Rezepte sind sehr verschieden und schließen auch einige sehr gewinnträchtige Lösungen ein.

Für uns Abgeordnete der italienischen Radikalen steht hingegen absolut im Vordergrund, dass Demokratie, Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und feste Regeln ein Erfordernis jedweden politischen Konzepts sind, zu dessen Annahme wir uns entschließen sollten, denn kein Handel, weder privat noch innerstaatlich noch international, kann ohne Regeln, ohne Gesetze und ohne Rechtsstaatlichkeit funktionieren.

Die Fragen der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit werden jedoch einfach zur Liste der vielen Dinge, die getan werden müssen, hinzugefügt. Wir sind indessen der Überzeugung, dass diese Themen ganz oben auf der Prioritätenliste stehen müssen, und ich meine sogar, dass wir etwas weniger scheinheilig sein und zugeben sollten, dass auch die öffentliche Hilfe an diesbezügliche Fortschritte der Länder gebunden werden kann.

Ich persönlich verstehe nicht, wie wir in gewissem Sinne so rassistisch sein können, dass wir glauben, die Afrikaner seien vielleicht zu arm, zu ungebildet, zu schwarz, um dieselben demokratischen Rechte zu genießen wie wir. Wir alle forcieren die Demokratie in der arabischen Welt, nicht aber in Afrika. Ich denke, wenn wir nicht diesen Weg verfolgen, werden zum x-ten Mal öffentliche Mittel vergeudet und klägliche oder dürftige Ergebnisse erzielt.

 
  
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  Bernat Joan i Marí (Verts/ALE). Herr Präsident! Die prekäre Lage vieler afrikanischer Staaten sollte zu großer Scham im Bewusstsein der Allgemeinheit führen. Sicherlich müssen wir es schaffen, dass der Hunger in der Welt endlich der Vergangenheit angehört. Nur wie? In den letzten Jahren ist klar geworden, dass das Problem oft nicht in der Quantität der Entwicklungshilfe liegt, sondern darin, wie man diese Hilfe kanalisiert, um die besten Ergebnisse zu erzielen.

Wir sollten systematisch für mehr Transparenz und mehr Demokratie in so vielen afrikanischen Ländern wie möglich arbeiten. Wir sollten nach einer Öffentlichkeit streben, in der die Meinungsfreiheit ganz oben auf der Tagesordnung steht, und diese Länder sollten ganz entschieden in Bildung investieren. Ohne diese Maßnahmen besteht die Gefahr, dass die Entwicklungshilfe moralischen Kriterien genügt, aber praktisch wirkungslos wird. Wir alle können ...

(Der Präsident unterbricht den Redner.)

 
  
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  Anna Záborská (PPE-DE).(FR) Herr Präsident! Ich möchte meiner Freundin Luisa Morgantini für ihre ausgezeichnete Initiative danken, die Frage der Armut in Afrika auf die Tagesordnung zu setzen. Zwei grundlegende Anmerkungen: ja zu einer wirksamen Hilfe, auch in qualitativer Hinsicht, ja zur internationalen Hilfe, doch unter Beachtung der Würde der armen Länder.

Zur Beseitigung des Elends setzen die Staatschefs und Spezialisten auf einen rein quantitativen Ansatz, mit dem messbare wirtschaftliche Ergebnisse angestrebt werden, doch bei dem die unbezahlte informelle Arbeit der ärmsten Familien, einschließlich der intergenerationellen Arbeit, unberücksichtigt bleibt. Der Stolz der Eltern, die ihre Kinder – auch in größter Armut – großziehen, kann nicht quantitativ gemessen werden.

Um das Elend in Afrika zu beseitigen, muss auf internationaler Ebene aus ethischen Gründen der Sinn für Gerechtigkeit und für das Allgemeinwohl entwickelt werden. Hier könnten uns zahlreiche Länder, die zwar wirtschaftlich arm, aber reich an Weisheit sind, als Beispiel dienen. Jedes Volk ererbt von seinen Vorfahren eine Zivilisation, die es bewahren muss. Dazu gehören die für das Leben in einer Gesellschaft notwendigen Institutionen, die politischer Art oder Ausdruck des Geisteslebens sind. Wenn diese letzteren auf wirklichen menschlichen Werten beruhen, dann wäre es ein schwerer Fehler, sie aufzugeben. Noch schwerwiegender wäre eine europäische Einmischung mit dem Ziel, ein Volk dazu zu zwingen, seine religiösen oder ethischen Werte, sein Kulturerbe oder die weltanschaulichen Überzeugungen der Individuen oder der Gemeinschaften, aus denen es sich zusammensetzt, aufzugeben. Ein solches Volk würde das Beste, was es besitzt, einbüßen. Es würde, um leben zu können, seinen Lebensinhalt opfern.

 
  
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  Marie-Arlette Carlotti (PSE). (FR) Herr Präsident! Es könnte durchaus sein, dass der Europäischen Union nach diesen recht traurigen Wochen gerade in der Frage der Entwicklung wieder ein großer Wurf gelingt und sie beweist, dass sie an der Spitze des Kampfes gegen die Armut steht. Die Union befindet sich auf dem richtigen Weg mit ihren beiden Verpflichtungen: bis 2015 0,7 % ihres BNP für die Entwicklungshilfe und 50 % dieser Erhöhung für Afrika zu verwenden. Ich begrüße es, dass die britische Präsidentschaft Afrika in den Mittelpunkt ihres Wirkens stellt.

Tony Blair muss auch seinen Vorsitz der G8 nutzen, um mehr als Absichtserklärungen von den Reichen zu erhalten: Die einzige finanzielle Zusage, für die er sich einsetzen muss, ist die in Monterrey gegebene. Beim Schuldenerlass muss noch mehr getan werden. So sollten eine Demokratiezulage eingeführt und dringend neue Finanzierungsquellen erschlossen werden, wie die Besteuerung der Kapitalbewegungen, des Waffenhandels, des CO2-Ausstoßes oder eine der vielen anderen angesprochenen Möglichkeiten. Doch jetzt muss ein konkretes Ergebnis erreicht werden, denn – um das Motto der Weltkampagne gegen die Armut aufzugreifen -: Nach 2005 keine Ausreden mehr.

 
  
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  Fernando Fernández Martín (PPE-DE).(ES) Herr Präsident! Ein Vierteljahrhundert ist vergangen, seit Willy Brandt seinen Bericht über die Nord-Süd-Beziehungen vorlegte. Seit damals ist das Problem nicht nur nicht gelöst worden, in vielen Fällen hat es sich sogar zugespitzt.

In der Tat zeigt der letzte Bericht über die Armut in der Welt, dass nur in China, in einigen Ländern Südostasiens und in einigen spezifischen Fällen in Lateinamerika gewisse Fortschritte erzielt wurden.

In Afrika sind die Zahlen entmutigend, und deshalb müssen wir die britische Initiative begrüßen, die ich nicht für opportunistisch halte – sie war von Minister Straw und seinem Premierminister vor mindestens zwei Jahren verkündet worden. Nach 40 Jahren haben Dutzende von Kriegen und Millionen von Toten den afrikanischen Kontinent aufgerieben.

Es gibt keine Zauberformeln im Kampf gegen die Armut, und nur zwei Dinge sind sicher: Erstens, entgegen dem, was einige Leute denken, ist die Armut kein wirtschaftliches, sondern ein politisches Problem, und seine Lösung erfordert in erster Linie politische Entscheidungen; zweitens, um Erfolg zu haben, müssen wir Wirtschaftswachstum gewährleisten – ohne Wachstum ist kein Vermögen zu verteilen.

In diesem Zusammenhang werden wir in diesen Tagen Millionen von Stimmen in der ganzen Welt hören, die die Anwendung herkömmlicher Formeln fordern: Aufstockung der offiziellen Entwicklungshilfe, Schuldenerlass und fairen Handel. Das sind drei notwendige, aber unzureichende Maßnahmen. Die politischen und gesellschaftlichen Führer der unter Armut leidenden Länder müssen viel mehr fordern, insbesondere im Bereich der Stärkung der Zivilgesellschaft – die Stärkung ihrer Gesellschaften, Transparenz und verantwortungsvolle Staatsführung, um so die Investitionen in das Gesundheits- und Bildungswesen und die Gleichstellungspolitiken zu erhöhen.

In Afrika gibt es mehr als 100 000 Kindersoldaten, deren Gesichter einige von uns gesehen haben. Wenn wir Fortschritte bei der Zielsetzung erreichen wollen, die Armut bis 2015 um die Hälfte zu verringern, weisen diese von mir genannten Punkte die Richtung, die wir einschlagen müssen, wenn wir Erfolg haben wollen.

 
  
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  Mauro Zani (PSE). (IT) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Will man die Armut in die Geschichte verbannen, muss die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit überwunden werden. Deshalb wird es Zeit, einen zumindest teilweise neuen Weg einzuschlagen. Die neoliberalen Rezepte der Vergangenheit haben versagt und das positive Engagement Europas als wichtigster Geber hat sich bisher noch nicht entscheidend ausgewirkt.

Will man die Millenniums-Entwicklungsziele erreichen, müssen die Bedingungen für Entwicklung geschaffen werden, d. h. Demokratie und verantwortungsbewusste Staatsführung, aber auch Öffnung des Marktes für Agrarerzeugnisse aus den armen Ländern und Streichung der Schulden.

In diesem Zusammenhang erinnere ich daran, dass der Schuldenerlass allein für den Irak dem Betrag entspricht, den der südlich der Sahara gelegene Teil Afrikas in den letzten zehn Jahren erhalten hat. Was zählt, sind deshalb der politische Wille und die Interessen, die auf dem Spiel stehen. Ich hoffe, es ist klar, dass es in unserem allgemeinen Interesse liegt, Entwicklung zu bewirken, um im Gegenzug Stabilität und Sicherheit zu bekommen.

 
  
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  Alexander Stubb (PPE-DE) . – (EN) Herr Präsident! Herr Bowis hat seine hundertjährige Mutter erwähnt. Ich möchte meine britische Schwiegermutter und meinen britischen Schwiegervater erwähnen, die wesentlich jünger sind. Ich bin sehr stolz darauf, dass sie an der Demonstration in Edinburgh teilgenommen haben. Ich sollte hinzufügen, dass das am Sonnabend war und nicht vor zwei Tagen. Sie gehörten nicht zu den Radaumachern!

Ich möchte drei Punkte ansprechen. Der erste betrifft den Kampf gegen die Armut. Ich denke, das ist ein hervorragendes Thema für den britischen Ratsvorsitz. Dieser Punkt beinhaltet drei Elemente, und zwar Schulden, die erlassen werden sollten, Hilfe, die aufgestockt werden sollte, und schließlich den Handel, der freier und fairer vonstatten gehen sollte. Es hat den Anschein, als hätten wir beim Handel bisher am wenigsten erreicht. Wir müssen an der Infrastruktur und am Zugang arbeiten.

Was gilt es kurzfristig zu tun? Drei Dinge. Erstens sollten wir damit aufhören, die afrikanischen Märkte mit billigen Agrarprodukten zu überschwemmen. Zweitens sollten wir die Bedingungen ändern, auf deren Grundlage wir Hilfe leisten. Es ist falsch, dass die Weltbank und der IWF nichtlandwirtschaftliche Subventionen zur Bedingung machen und wir das genaue Gegenteil tun. Drittens sollten diese Länder für eine kurze Zeit die Möglichkeit haben, ihre Märkte so zu schützen, wie wir es tun.

Als dritten und letzten Punkt möchte ich dem britischen Ratsvorsitz einen dahin gehenden Vorschlag unterbreiten, dass wir eine allumfassende Strategie für Afrika erarbeiten sollten. So wie wir eine Strategie fürs Mittelmeer haben und so wie wir eine Strategie für Russland hatten, brauchen wir eine Strategie für Afrika. Diese Strategie für Afrika sollte mit Blick auf diesen Kontinent für Kohärenz und Kontinuität in unserer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik sowie in Bereich Handel und Entwicklung sorgen.

Um dem britischen Ratsvorsitz und vor allem Außenminister Jack Straw aus der Zwickmühle, in der sich die Verhandlungen zum Haushalt befinden, herauszuhelfen, würde ich vorschlagen zu prüfen, ob der Europäische Entwicklungsfonds in den richtigen Haushalt der Europäischen Union aufgenommen werden sollte.

 
  
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  Józef Pinior (PSE).(PL) Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Im vergangenen Jahr haben die reichen Länder der Welt 80 Milliarden US-Dollar für Entwicklungshilfe, 600 Milliarden US-Dollar für Verteidigung und 300 Milliarden US-Dollar für Agrarsubventionen in ihren eigenen Ländern ausgegeben. Die reichen Länder verfügen über alle erforderlichen Mittel zur Ausrottung von Hunger, Armut und der vielen Krankheiten, wie z. B. Malaria, an denen gegenwärtig Millionen Menschen sterben. In dieser neuen globalen Ära muss die Entwicklungspolitik zur Mission der EU werden. Das würde uns die Möglichkeit eröffnen, Europa eine Identität zu geben, durch die sich die EU vom Rest der modernen Welt unterscheidet.

Unsere gegenwärtig dringendsten Aufgaben, insbesondere in Bezug auf Afrika, sind die Entschuldung, die Verbesserung von Quantität und Qualität der Entwicklungshilfe, der faire Handel, die Förderung von diversifizierter Produktion und Export, die Ausrottung von Krankheiten, gegen die wir wirksame Impfstoffe besitzen, sowie Maßnahmen zur Förderung einer umfassenden Bildung und Gleichstellung, insbesondere im Hinblick auf den Status der Frauen.

Ich möchte die heutige Gelegenheit nutzen, dieses Haus an die Worte von Nelson Mandela zu erinnern, die der EU-Politik als moralische Richtschnur dienen sollten:

(EN) „Make poverty history in 2005. Then we can all stand with our heads held high“.

 
  
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  Ioannis Varvitsiotis (PPE-DE). – (EL) Herr Präsident! Ich begrüße die britische Initiative und hoffe, sie wird nachhaltige Resultate erzielen, denn es ist wahr, dass trotz der bisherigen Ankündigungen der Führer der wirtschaftlich starken Staaten nur wenige Fortschritte erreicht worden sind. Das ist darauf zurückzuführen, dass die humanitäre Hilfe allein zwar vorübergehende Linderung schaffen, aber keine substanziellen Ergebnisse hervorbringen kann. Die Hilfe wird nur dann effektiv sein, wenn sie mit systematischen Bemühungen zur Entwicklung des Handels einher geht und wenn sie sich auf die Schaffung von Infrastrukturen im Bildungs- und Gesundheitssektor konzentriert. Darüber hinaus muss die Hilfe den Hebel zur Bekämpfung der politischen Korruption bilden, die heutzutage in den meisten afrikanischen Ländern leider an der Tagesordnung ist, zumal Afrika jetzt vor allem von korrupten afrikanischen Politikern oder Guerillas ausgeplündert wird, die oftmals von internationalen wirtschaftlichen Interessen unterstützt werden.

Besondere Bedeutung muss jedoch der Verwaltung der Ressourcen durch die enge Zusammenarbeit und Überwachung der verschiedenen internationalen Organisationen und der Nichtregierungsorganisationen beigemessen werden. Nur dadurch wird die korrekte Verteilung und Verwendung der Hilfsgüter mit dem langfristigen Ziel realisiert werden können, die Entwicklung dieser Länder voranzubringen, was dazu beitragen wird, das Phänomen der Armut zu beseitigen.

Ich meine, dass alles andere, was wir zu hören bekommen, das Thema nur oberflächlich behandelt und nicht zu seinen Wurzeln vordringt.

 
  
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  Erika Mann (PSE) . (EN) Herr Präsident! Ich unterstütze nachdrücklich den Vorschlag von unserem Kollegen Herrn Stubb. Er hat ganz Recht. Wir brauchen eine umfassende Strategie für Afrika. Der Vertreter des Ratsvorsitzes sprach gerade von der sanften Macht, die die Europäische Union recht erfolgreich anwendet. Ich denke, er hat völlig Recht, aber wir müssen dies in positive Maßnahmen umsetzen. Es schön und gut, über die Aktion gegen Armut zu sprechen, aber das reicht natürlich nicht, vor allem wenn man bedenkt, dass wir Afrika über viele Jahre massiv unterstützt haben und das Ergebnis nicht immer sehr positiv war.

Das Gleiche gilt für unsere Diskussionen über Handel und Armutsminderung. Hier besteht eine enge Verbindung. Das wissen wir, aber verstehen wir das auch wirklich? Ich spreche im Namen des Ausschusses für internationalen Handel. Ich würde eine Strategie für Afrika empfehlen, die vor Ablauf des britischen Ratsvorsitzes unter Berücksichtigung aller Aspekte erneut diskutiert werden sollte. Es wäre gut, wenn der britische Ratsvorsitz darüber nachdenken würde.

 
  
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  Martin Schulz (PSE). Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe als Vorsitzender unserer Fraktion ganz bewusst zum Schluss dieser Debatte das Wort ergriffen. Ich bin ein wenig enttäuscht darüber, dass ich der einzige Vorsitzende einer parlamentarischen Fraktion bin, der zu diesem Thema das Wort ergreift. Das ist ein Thema, bei dem sich eigentlich die Führung einer Fraktion hinter die Kolleginnen und Kollegen stellen muss, die bei der Armutsbekämpfung die Arbeit in unseren Reihen leisten.

Ich will den Kolleginnen und Kollegen, die nicht nur wegen der britischen Ratspräsidentschaft und ihrer Initiative, sondern generell immer an diesem Thema arbeiten, ausdrücklich sagen: Die sozialdemokratische Fraktion betrachtet die Armutsbekämpfung in Afrika und in der Welt als zentrales Element ihrer Arbeit.

Ich will einen Moment meiner Redezeit einer unbekannten Person widmen: der Mutter vor ihrem toten Kind. In der kleinen Stadt, in der ich Bürgermeister war, gab es ganz viele Männer und Frauen, aber vor allem ganz viele Frauen, die während des Krieges Kinder verloren hatten. Wenn ich bei einem Altersjubiläum zu Besuch war, war immer das schlimmste Ereignis, über das ich mit Frauen der Kriegsgeneration sprechen musste, der Verlust eines geliebten Kindes. Diese Wunde vernarbt nie.

Wenn wir nach Afrika schauen, sehen wir jeden Tag unzählige Mütter – jeden Tag ungezählte –, die vor ihren toten Kindern sitzen, fassungslos, trauernd und alleine gelassen. Ich wünschte mir für uns alle, dass wir uns dieses Bild einprägen, denn nichts muss uns mehr ermuntern, uns mehr verpflichten, den Kampf für die Armutsbekämpfung, den die britische Ratspräsidentschaft in den Mittelpunkt ihres Handelns gestellt hat, ernster zu nehmen als das kleine menschliche Gefühl, dass man eine Frau, die ihr Kind verloren hat, in dieser Welt nicht alleine lassen darf, wenn man für sich den Anspruch erhebt, eine humanitäre Welt schaffen zu wollen.

Vor diesem Bild, Herr Präsident, verneigen wir uns als Sozialdemokraten und sagen: Diese Initiative ist das Minimum dessen, was wir leisten können. Und ich will einen konkreten Vorschlag machen: Lassen Sie uns diesen Frauen und vielen, vielen anderen, die unsere Solidarität nötig haben, doch helfen, indem wir eine kleine Maßnahme ergreifen. Wenn die großen multinationalen und globalen Unternehmen 0,25 % – also ein Viertel Prozent – ihrer Gebühren für Währungstransaktionen, in einen Afrikafonds stiften, wenn wir hier im Parlament ein Viertel Prozent der Aufwendungen für unsere internationalen Währungsoperationen im Haushalt sperren und in einen Fonds für die Hilfe für Afrika einzahlen, haben wir einen großen Betrag, den die Wirtschaft und zum Beispiel auch wir in der Europäischen Union gemeinsam mobilisieren können, um ganz konkret, auch durch einen individuellen Beitrag eines jeden Einzelnen, zur Armutsbekämpfung beizutragen. Das wäre ein Schritt, über den wir vielleicht gemeinsam diskutieren könnten.

 
  
  

VORSITZ: JOSEP BORRELL FONTELLES
Präsident

 
  
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  Hilary Benn, amtierender Ratspräsident. (EN) Herr Präsident! Ich möchte Ihnen eingangs dafür danken, dass ich Gelegenheit habe, mich zu dieser Aussprache zu äußern, die mein Kollege Jack Straw heute Morgen eröffnet hat.

Niemandem, der dieser Aussprache zugehört hat, werden die enorme Kompetenz, das Wissen, die Leidenschaft und das Engagement aller Abgeordneten, die sich geäußert haben, entgangen sein. Ich glaube, dass Ihre Stimmen die Stimmen jener repräsentieren, die wir gemeinsam die Ehre haben, hier zu vertreten.

Ich freue mich sehr darauf, im Rahmen des britischen Ratsvorsitzes mit dem Entwicklungsausschuss zusammenzuarbeiten, zu dem ich nächste Woche sprechen werde. Frau Morgantini hatte Recht: Hier geht es nicht um Barmherzigkeit, sondern um Gerechtigkeit. Es ist ein Schrei nach Gerechtigkeit, der, wie Herr Martínez Martínez sagte, durch das weiße Band symbolisiert wird. Die Demonstration Tausender in weiß gekleideter Menschen am letzten Wochenende in Edinburgh war ein Symbol. Die Menschen, die die Live8-Konzerte besucht haben, und die Menschen, die sich mit der Forderung, mehr zu tun, an uns, ihre gewählten Vertreter wenden, bringen alle ihr Gefühl zum Ausdruck, dass es jetzt an der Zeit ist zu handeln – wie auch Frau Martens und Herr Bowis feststellten. Ich gratuliere seiner Mutter zu ihrem 100. Geburtstag. Er hat Recht, das ist ein langes Leben, und sie hat viele Veränderungen erlebt.

Wir können es uns einfach nicht leisten zuzulassen, dass sich Afrika noch weiter vom Rest der Welt entfernt. Herr Schulz, der eben voller Leidenschaft zu uns gesprochen hat, erinnert uns daran, dass jeder Einzelne von uns Verantwortung trägt.

Es hat nach meiner politischen Erfahrung noch nie eine Zeit gegeben, da diese Debatte über Afrika, Armut, deren Ursachen und darüber, was wir tun können, so sehr im Mittelpunkt unserer Politik gestanden hat. Ich glaube, dass uns die von uns vertretenen Bürger eine sehr einfache Botschaft übermitteln. Sie erwarten von uns, dass wir handeln, und sie wollen darauf vertrauen können, dass der politische Prozess in der Lage ist, echte Veränderungen im Namen von Afrika und im Namen der Entwicklung zu bewirken. Es ist moralisch inakzeptabel, dass dieser großartige Kontinent mit seinen 54 Ländern, der nur wenige Kilometer vor Europas Haustür liegt, sich immer weiter von uns entfernt und der einzige Teil der Welt ist, der in den letzten 25 Jahren ärmer geworden ist. Jetzt haben wir die Mittel, etwas dagegen zu tun. Die schwierige Aufgabe für Europa besteht darin, diese Leidenschaft, dieses Engagement und diese Wut, die die Menschen spüren, in praktische Aktionen umzusetzen, die etwas bewirken. Ich pflichte all jenen bei, die eine EU-Strategie für Afrika als das Mittel gefordert haben, mit dessen Hilfe wir unsere Politik zugunsten wirklicher Veränderungen einsetzen. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit Herrn Michel bei der Erarbeitung dieser Strategie. Ich hoffe sehr, dass wir in diesem Punkt Fortschritte erzielen können.

(Beifall)

Ich komme jetzt zu den praktischen Schritten, die wir einleiten müssen. Welche Probleme müssen wir im Rahmen der EU-Strategie für Afrika ansprechen? Dabei muss zuallererst festgestellt werden – und in diesem Punkt muss ich Herrn Farage widersprechen –, dass die Hilfe wirkt. Hilfe rettet Kinderleben.

(Beifall)

Deshalb muss sie aufgestockt werden. Deshalb war die Entschlossenheit, die Europa demonstrierte, als wir, die Entwicklungsminister, vor einem Monat zusammenkamen, um die europäische Hilfe für Afrika zu verdoppeln, ein Paradebeispiel dafür, wozu Europa in der Lage ist. Europa ist mit gutem Beispiel vorangegangen und hat gezeigt, dass wir bereit und willens sind, Maßnahmen zu ergreifen, die etwas bewirken. Das ist der erste Punkt.

Der zweite Punkt betrifft den Schuldenerlass, den etliche meiner Vorredner ansprachen. Die wirkliche Bedeutung des Schuldenerlasses besteht darin, dass arme Länder nicht mehr diese furchtbare Entscheidung treffen müssen, ob sie einerseits monatliche Rückzahlungen vornehmen sollen, die sie sich nicht leisten können, oder ob sie andererseits das Geld lieber für Ärzte, Krankenschwestern, für Maßnahmen zur Sicherung des Schulbesuchs ihrer Kinder oder für den Kauf von Medikamenten, die das Leben von Kindern und Erwachsenen retten, ausgeben sollen.

Drittens ist jedem von uns klar, dass letztlich nur Handel, wirtschaftliche Entwicklung und Wirtschaftswachstum Afrika und die übrige Dritte Welt in die Lage versetzen werden, das Leben ihrer Menschen umzugestalten. So haben wir es in Europa gemacht. Auf diese Weise haben wir unsere Gesellschaften in den zurückliegenden 500 Jahren verändert, denn vor Jahrhunderten war auch hier die Lebenserwartung sehr niedrig, die Armut sehr groß, und nur sehr wenig Menschen besuchten die Schule.

Die Menschen in Afrika wollen dieselbe Chance haben: Geld zu verdienen und sich über den Handel einen Weg aus der Armut heraus in eine bessere Zukunft zu bahnen.

(Beifall)

Es gibt noch zwei weitere Wahrheiten, die wir in dieser Debatte ansprechen müssen. Vor zweieinhalb Wochen war ich im Sudan, und zwar zunächst in Rumbek im Süden des Sudan, wo jedes vierte Kind vor seinem fünften Geburtstag stirbt und drei Viertel der Erwachsenen nicht lesen können. Die in Darfur und im Südsudan gesammelten Erfahrungen haben uns eine sehr wichtige Lektion gelehrt: Solange es keinen Frieden und keine Stabilität gibt, wird es auch keine Entwicklung geben, und solange die Menschen nicht aufhören, sich gegenseitig zu bekämpfen, steht es schlecht um eine bessere Zukunft für die Menschen in Afrika. Deshalb muss Europa auch weiterhin mit gutem Beispiel vorangehen und die Afrikanische Union unterstützen und ihre Handlungskompetenz so ausbauen, dass Afrika seine Konflikte selbst lösen kann. Wie mein Freund Jack Straw einleitend sagte, gibt es jetzt weniger Konflikte in Afrika als vor zehn Jahren, und dort, wo Frieden und Stabilität herrschen, gibt es auch Hoffnung auf eine bessere Zukunft.

Und schließlich, Herr Präsident, können nur Fortschritte erzielt werden, wenn das Regierungshandeln verbessert wird, denn wenn Regierungen für ihre Bürger etwas bewirken sollen …

(Der Präsident entzieht dem Redner das Wort.)

 
  
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  Der Präsident. Herr Minister, Ihre Redezeit ist nicht begrenzt. Sie können sprechen, so lange Sie wollen. Das Problem ist, dass ich die Abgeordneten gebeten habe, den Plenarsaal ruhig zu betreten.

Es ist völlig in Ordnung, dass Sie an der Aussprache nicht teilgenommen haben, aber wenn Sie den Saal betreten, tun Sie es bitte, ohne zu stören.

 
  
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  Hilary Benn, amtierender Ratspräsident. (EN) Vielen Dank für Ihren fürsorglichen Hinweis, Herr Präsident. Es ist weniger wichtig, dass meine Stimme gehört wird, viel wichtiger ist, dass die Welt da draußen unser aller Stimmen vernimmt. Wenn wir mit einer Stimme sprechen, wenn wir unsere Stimme erheben, dann steigen unsere Chancen, in diesem weltweiten Kampf etwas zu erreichen.

(Lebhafter Beifall)

Letztlich erwarten die Menschen, dass die Regierungen etwas für sie tun. Wir erwarten von unseren Regierungen, dass sie für Frieden und Sicherheit sorgen, dass sie unseren Kindern Bildung ermöglichen, dass sie sich um uns kümmern, wenn wir krank sind, dass sie uns die Möglichkeit geben, eine Lebensgrundlage für uns und unsere Familien zu schaffen. In den Entwicklungsländern besteht die Herausforderung darin, die Gesellschaft in die Lage zu versetzen, für die Menschen genau das zu tun, was wir von unseren Regierungen in Europa erwarten.

Letztlich geht es darum, dass Regierungen in der Lage sind, etwas zu bewirken, und dass die Menschen von ihren Regierungen erwarten, dass sie ihr Leben verbessern können. Wenn diese beiden Aspekte zusammenkommen – wenn die Stimmen der Menschen Gehör finden –, dann haben die Gesellschaften bessere Entwicklungsaussichten. Letztlich geht es um politischen Willen und die politische Entscheidungsfreiheit. Darum geht es in der Politik: Wie wir entscheiden, in welcher Art von Welt wir leben wollen; wofür wir unser Geld ausgeben; welche Entscheidungen wir im Bereich Handel treffen, um Entwicklungsländern die Chance auf eine bessere Zukunft zu geben.

Wir sind zufällig die Generation, der die Verantwortung dafür zugefallen ist. Wie Tony Blair, der britische Premierminister, anlässlich der Gründung der Kommission für Afrika sagte: „Wenn nicht wir, wer dann? Wenn nicht jetzt, wann dann?“

Wir sind die Generation, die etwas tun kann, und jetzt ist die Zeit dafür. Lassen Sie uns zusammenarbeiten; lassen Sie uns diese Chance nutzen und durch unsere Aktion in Europa Afrika dabei helfen, eine bessere Zukunft aufzubauen, die Afrika an die nächste Generation weitergeben kann.

(Lebhafter und anhaltender Beifall)

 
  
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  Der Präsident. Vielen Dank, Herr Benn. Es tut mir Leid, dass ich Sie unterbrechen musste.

 
  
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  Martin Schulz (PSE). Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe einen Antrag zur Geschäftsordnung. Ich beziehe mich dabei auf die Artikel 146 und 148 der Geschäftsordnung.

Herr Präsident! Ich will Ihnen ganz persönlich sagen, dass ich Ihnen sehr zu Dank verpflichtet bin für die Bemühungen, die Sie in jeder Plenarsitzung vor den Abstimmungen unternehmen, um einen halbwegs würdigen Ablauf der letzten zehn Minuten vor den Abstimmungen herzustellen. Bedauerlicherweise ist das nicht möglich. Die Kolleginnen und Kollegen, die aus ihren Büros zur Abstimmung in den Saal kommen, treten ein und verstehen überhaupt nicht was Sie sagen, weil es keine Dolmetschung gibt. Die Kolleginnen und Kollegen unterhalten sich, stehen in Gruppen vor dem Anwesenheitsregister, gehen zu ihren Plätzen, haben irgendetwas mit Kolleginnen und Kollegen zu regeln. Alles verständlich, alles akzeptabel. Aber völlig inakzeptabel ist es für die Vertreter des Rates und der Kommission, unter solchen Bedingungen hier reden zu müssen. Das geht nicht, und ich schäme mich dafür. Ich finde das nicht korrekt.

(Beifall)

Ich habe auch keine Lust, das in jeder Plenarsitzung aufs Neue zu erleben. Das ist nicht das Bild eines würdigen Parlaments. Deshalb beantrage ich Folgendes: Weil einerseits die Rechte der Kollegen respektiert werden müssen, andererseits aber auch die Rechte der anderen Institutionen, beantrage ich, dass wir zwischen dem Ende der Aussprache und dem Beginn der Abstimmung eine Pause ....

(Unruhe)

(Der Redner bricht seine Rede ab.)

 
  
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  Der Präsident. Danke für die Unterstützung des Präsidiums, Herr Schulz. Bevor ich der Kommission das Wort erteile, muss ich alle bitten, Platz zu nehmen. Die Abgeordneten, die noch in den Gängen stehen und persönliche Angelegenheiten diskutieren, werden von den Saaldienern aufgefordert, den Plenarsaal zu verlassen.

Würden die Saaldiener bitte die noch in den Gängen stehenden Abgeordneten ersuchen, den Saal zu verlassen!

Herr Tannock, aufgrund welchen Artikels bitten Sie um das Wort?

Wären Sie so freundlich, Platz zu nehmen und Ruhe zu bewahren?

 
  
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  Charles Tannock (PPE-DE) . (EN) Herr Präsident! Ich habe Glück und verstehe Spanisch ohne Kopfhörer. Wie sollen die Abgeordneten, die hinten im Saal stehen, Sie ohne Kopfhörer verstehen, wenn Sie Spanisch mit ihnen sprechen? Könnten Sie bitte Französisch oder Englisch sprechen, damit Sie verstanden werden?

(Beifall)

 
  
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  Der Präsident. Sie benehmen sich heute äußerst ungebärdig. Lassen Sie mich sagen, dass Ihr Verhalten gegenüber dem Thema, das wir heute Vormittag behandeln, beschämend ist.

(Beifall)

Darf ich alle Abgeordneten, die in den Gängen auf und ab gehen, bitten, Platz zu nehmen oder zumindest keine Gespräche zu führen, die unsere Arbeit stören?

 
  
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  Louis Michel, Mitglied der Kommission. (FR) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst Frau Morgantini auch dafür danken, dass sie die lobenswerte Initiative ergriffen hat, diese heutige Aussprache zu organisieren.

In dieser Aussprache hat sich erstens gezeigt, dass es einen umfassenden Konsens und eine sehr starke Unterstützung für die Entscheidung gibt, Afrika in den Mittelpunkt unserer Entwicklungspolitik zu stellen. Dies scheint mir äußerst wichtig, denn diese Entscheidung ist sowohl vom Parlament als auch von der Kommission sowie vom Rat getroffen worden. Dies bedeutet natürlich nicht, dass die anderen Armen dieser Welt uns nicht interessieren. Ganz im Gegenteil. Es bedeutet einfach, dass über die Hälfte der Erhöhung der Entwicklungshilfe tatsächlich für Afrika aufgewendet wird, um den notwendigen Aufholprozess zu gewährleisten.

Die zweite Erkenntnis, die ich dieser Aussprache entnehme, besteht darin, dass alles dafür spricht, eine wirkliche europäische Entwicklungsstrategie insbesondere für Afrika zu erarbeiten, zu entwickeln und festzulegen, welche die großen Entwicklungsprobleme wie Governance, Infrastrukturen, Schulden berücksichtigt. Jemand hat beispielsweise gesagt, dass die Schuldenfrage keine Universallösung ist. Das wissen wir. Die Schuldenfrage ist zwar bedeutsam, aber dabei handelt es sich genau genommen nicht um ein Entwicklungsinstrument. Die Schuldenfrage, die Regelung der Schulden ermöglicht es ganz sicher nicht, die Wirksamkeit der Entwicklung zu gewährleisten. Dennoch handelt es sich um eine nützliche Voraussetzung.

Die Einführung von Sozialpolitiken im Zuge der Entwicklung einer dynamischen Zivilgesellschaft, die Einführung von Politiken des Zugangs zu Justiz, Bildung, Gesundheitsbetreuung und auch zur Kultur, wie ich vorhin sagte, ist ein wichtiger Faktor. Ich denke, dies alles muss einfließen in eine globale Strategie, in einen globalen Plan und ein konkretes Programm, das wir umsetzen müssen. Ich sage gleich, dass ich mir der Schwierigkeit voll bewusst bin, die sich ergeben wird. Die Schwierigkeit besteht darin, dass wenn dieses Programm vorliegt, ein hoher Führungsdruck auf die bürokratischen Apparate, die dieses Programm umzusetzen haben, ausgeübt werden muss. Dabei zähle ich auf die Unterstützung sowohl des Parlaments als auch des Rates. In der Kommission werden wir alles in unserer Macht Stehende tun, um diese Dossiers voranzubringen. Meiner Meinung nach ist es äußerst wichtig, dass wir konkrete Ergebnisse erzielen. Ich denke, angesichts all der gegebenen Versprechen, all der äußerst glaubwürdigen Aussichten, die sich bieten, all der positiven Aspekte, die heute zu dieser starken Hoffnung beitragen, muss rasch und konkret der Beweis erbracht werden, dass die Dinge so wie vorgesehen vorankommen.

Ein weiterer Faktor, den ich insbesondere in Bezug auf Afrika anführen möchte, besteht in der äußerst wichtigen Rolle aller Maßnahmen zur Gleichstellung von Männern und Frauen auf diesem Kontinent. Dies ist ein Aspekt des Problems, dem wir uns nicht oft genug widmen. Ich möchte ihm wirklich eine Querschnittsdimension verleihen, denn hier müssen Lösungen gefunden und Möglichkeiten genutzt werden. Dabei denke ich an die Unternehmen, an den Handel. Ich denke an Mikrokredite, an die größere Selbständigkeit der Frauen, die diese Kreditform ermöglicht. Es handelt sich um einen wesentlichen kulturellen Faktor.

Dies, meine Damen und Herren, wollte ich Ihnen kurz darlegen. Ich wollte Ihnen sagen, wie dies Hilary Benn und Jack Straw getan haben, dass jetzt gehandelt werden muss. Und wir sind es, die handeln müssen. Ich denke, wir haben keine Entschuldigung mehr, wie dies immer wieder gesagt worden ist. Ich meine, wir können diese Aufgabe nicht weiter verschieben, die darin besteht, diese große Hoffnung, die die Menschen in sich tragen, in Taten umzusetzen. Wie vorhin jemand gesagt hat, ist es sehr wohl möglich, dass ausgehend von dieser Entwicklungspolitik, von diesem neuen Schwung auch die magische europäische Idee wieder neue Impulse erhält. Ich denke, Europa kann mit der Entwicklung auf höchst konkrete Weise seine Werte zum Ausdruck bringen und tut dies bereits; daher bin ich voller Optimismus.

(Beifall)

 
  
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  Alessandra Mussolini (NI). (IT) Herr Präsident, gestern ist etwas sehr Schwerwiegendes passiert: Italien wurde beleidigt...

(Der Präsident entzieht der Rednerin das Wort.)

 
  
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  Der Präsident. Wenn Sie zur Geschäftsordnung sprechen wollen, müssen Sie zuerst den Artikel angeben, auf den Sie sich berufen.

 
  
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  Alessandra Mussolini (NI). (Bei ausgeschaltetem Mikrofon zitiert Frau Mussolini Artikel 90 der Geschäftsordnung.)

 
  
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  Der Präsident. Sie können nicht auf der Grundlage von Artikel 90 sprechen.

Ich teile Ihnen mit, dass wir sechs Entschließungsanträge zum Abschluss dieser Debatte erhalten haben(1).

Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet im Anschluss statt.

Schriftliche Erklärung (Artikel 142)

 
  
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  Luciana Sbarbati (ALDE). (IT) „Eure ersten Pflichten, die ersten nicht in Bezug auf die Zeit, sondern in Bezug auf die Bedeutung und weil Ihr ohne deren Erfüllung den anderen nur unvollständig nachkommen könnt, sind Eure Pflichten gegenüber der Menschheit“, sagte Mazzini.

Das ist meine Art, Solidarität mit jenen Ländern zu bekunden, bei denen wir meinten, wir könnten ihnen Barmherzigkeit und Almosen zuteil werden lassen, ohne uns mit ihrer gegenwärtigen Entwicklung und mit der Ausrottung der Armut zu beschäftigen.

Die Streichung ihrer Schulden wird das Problem der Entwicklungshilfe, die von der Völkergemeinschaft gewährleistet werden muss, oder der äußerst dringend von ihnen benötigten gesundheitlichen Versorgung nicht beseitigen; es wird uns nicht von den Assoziierungsabkommen mit ihren Regierungen oder von der Förderung von Bildungs- und Ausbildungsprogrammen entbinden, die ihnen helfen, sich in komplexe soziale, wirtschaftliche und politische Systeme zu integrieren, demokratische Regierungsformen zu wählen und eine Zukunft zu haben. Das heißt eine Chance, auch außerhalb ihres Landes, jedoch in dem Bewusstsein, dorthin zurückkehren und sich als freie Bürger fühlen zu können.

Die politische Klasse muss die Globalisierungsprozesse mittels Entscheidungen steuern, die gleichbedeutend sind mit der Sicherstellung von Wasser, Energie, Nahrung, Gesundheit, Freiheit und Bildung.

Der Europäische Rat hat während seiner letzten Tagung beschlossen, die Entwicklungshilfe bis 2010 auf 20 Milliarden Euro pro Jahr aufzustocken, was für viele Millionen Menschen ein Signal der Hoffnung ist. Wir können die Armut besiegen, und wir sind die erste Generation, die das kann, weil wir über die dafür erforderlichen Mittel verfügen.

 
  
  

VORSITZ: GÉRARD ONESTA
Vizepräsident

 
  

(1) Siehe Protokoll.

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