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Ausführliche Sitzungsberichte
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Mittwoch, 14. Januar 2009 - Straßburg Ausgabe im ABl.
1. Eröffnung der Sitzung
 2. Vorlage von Dokumenten: siehe Protokoll
 3. Vorstellung des Tätigkeitsprogramms des tschechischen Vorsitzes (Aussprache)
 4. Abstimmungsstunde
  4.1. Sicherheitsmerkmale und biometrische Daten in Pässen und Reisedokumenten (A6-0500/2008, Carlos Coelho) (Abstimmung)
  4.2. Vergabe bestimmter öffentlicher Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit (A6-0415/2008, Alexander Graf Lambsdorff) (Abstimmung)
  4.3. Gefährliche Stoffe und Zubereitungen: Dichlormethan (A6-0341/2008, Carl Schlyter) (Abstimmung)
  4.4. Fischereisektor: Ratifizierung des IAO-Übereinkommens 188 über die Arbeit im Fischereisektor durch die Mitgliedstaaten (A6-0423/2008, Ilda Figueiredo) (Abstimmung)
  4.5. Lage der Grundrechte in der Europäischen Union 2004-2008 (A6-0479/2008, Giusto Catania) (Abstimmung)
  4.6. Seearbeitsübereinkommen 2006 (B6-0624/2008) (Abstimmung)
  4.7. Entwicklung des UN-Menschenrechtsrats und Rolle der EU (A6-0498/2008, Laima Liucija Andrikienė) (Abstimmung)
  4.8. Zugang der Öffentlichkeit zu den Dokumenten des Parlaments, des Rates und der Kommission (A6-0459/2008, Marco Cappato) (Abstimmung)
 5. Stimmerklärungen
 6. Berichtigungen des Stimmverhaltens und beabsichtigtes Stimmverhalten: siehe Protokoll
 7. Genehmigung des Protokolls der vorangegangenen Sitzung: siehe Protokoll
 8. Lage im Nahen Osten / Gaza (Aussprache)
 9. Gaslieferung Russlands an die Ukraine und in die EU (Aussprache)
 10. Fragestunde (Anfragen an den Rat)
 11. Zusammensetzung der Ausschüsse und der Delegationen: siehe Protokoll
 12. Lage am Horn von Afrika (Aussprache)
 13. Strategie der Europäischen Union gegenüber Belarus (Aussprache)
 14. 11. Juli: Tag des Gedenkens an die Opfer des Massakers von Srebrenica (Aussprache)
 15. Tagesordnung der nächsten Sitzung: siehe Protokoll
 16. Schluss der Sitzung


  

VORSITZ: HANS-GERT PÖTTERING
Präsident

 
1. Eröffnung der Sitzung
Video der Beiträge
  

(Die Sitzung wird um 9.05 Uhr eröffnet.)

 

2. Vorlage von Dokumenten: siehe Protokoll

3. Vorstellung des Tätigkeitsprogramms des tschechischen Vorsitzes (Aussprache)
Video der Beiträge
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  Der Präsident. – Als nächster Punkt folgt eine Erklärung des Rates zur Vorstellung des Tätigkeitsprogramms des tschechischen Ratsvorsitzes.

Ich darf den Präsidenten des Europäischen Rates, Herrn Ministerpräsident Mirek Topolánek, sehr herzlich hier im Europäischen Parlament begrüßen. Herzlich willkommen, Herr Ministerpräsident Topolánek!

(Beifall)

Ich darf auch den Präsidenten der Europäischen Kommission, José Manuel Durão Barroso, sehr herzlich begrüßen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir alle wissen, dass eine Präsidentschaft eine besondere Herausforderung ist, und ich weiß von Herrn Ministerpräsident Topolánek, dass es ihn intellektuell, aber auch emotional sehr berührt, dass er mit seiner politischen Erfahrung in den Jahren des Kommunismus jetzt als Vertreter, als Repräsentant der Europäischen Union uns hier seinen Bericht für die Europäische Union abgibt.

Nach Slowenien ist dies die zweite Präsidentschaft von Ländern, die am 1. Mai 2004 der Europäischen Union beigetreten sind. Ich darf sicher in Ihrer aller Namen sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass die tschechische Präsidentschaft unsere ganze Unterstützung hat und wir alles tun wollen, dass in schwierigen Zeiten die tschechische Präsidentschaft für die Europäische Union erfolgreich wird.

Auf dieser Grundlage darf ich Sie bitten, Herr Präsident des Europäischen Rates, Herr Ministerpräsident Topolánek, zum Europäischen Parlament zu sprechen. Nochmals sehr herzlich willkommen im Europäischen Parlament!

(Beifall)

 
  
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  Mirek Topolánek, amtierender Präsident des Rates. − (CS) Herr Präsident des Europäischen Parlaments, Herr Präsident der Europäischen Kommission, meine Damen und Herren! Ich spreche heute erstmals als Präsident des Europäischen Rates zu Ihnen. Die tschechische Republik hat die Präsidentschaft der EU von Frankreich übernommen, was ich für mehr als symbolisch halte. Frankreich spielte eine wichtige Rolle bei der Geburt des modernen tschechischen Staates. Unser größter König und Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Karl IV wuchs am französischen Hof auf und folgte dem Modell der Sorbonne in Paris. Er gründete die Universität in Prag, eines der herausragendsten Bildungsinstitute Europas. Mit Frankreich verbindet uns daher vieles, einerseits die Erfüllung unserer nationalen Bestrebungen und andererseits die Förderung der universalen europäischen Werte.

Genauso wie es nicht einfach war, eine Universität in Böhmen zu gründen, die sich mit der Sorbonne vergleichen lässt, ist es nicht einfach, die EU-Präsidentschaft von Frankreich zu übernehmen. Ich sehe nur eine Möglichkeit, diese Aufgabe würdevoll zu erfüllen. Es ist kein Zufall, dass ich einen mittelalterlichen Monarchen als Beispiel für unsere Verbundenheit mit Frankreich und den europäischen Werten gewählt habe. Karl IV konnte sich mit seiner Politik nicht rein auf die Tschechei konzentrieren; im Gegenteil, er musste ein ganzes, vielschichtiges Imperium einigen und repräsentieren.

In gewisser Hinsicht setzt die Europäische Union diesen mittelalterlichen Universalismus dadurch fort – insbesondere durch die gemeinsamen Moralvorstellungen und einen gemeinsamen Rechtsrahmen, die Vorrang vor lokalen Machtinteressen haben. Man spricht auch von einer zweiten Europäischen Union, die bürokratisch, technokratisch und seelenlos ist, aber ich glaube an dieses erste Europa: das Europa der Freiheit, der Gerechtigkeit, der Ideen und der Regeln.

In diesem Werteuniversum, in dem das Recht über dem Einzelnen steht, spielt die Größe des Landes keine Rolle. Worauf es wirklich ankommt, ist die Fähigkeit, einer gemeinsamen Idee zu dienen. Die Aufgabe des Landes, das den Vorsitz führt, besteht weder darin, dessen Interessen zu fördern, noch Entscheidungen zu treffen. Vielmehr ist es seine Aufgabe, Aussprachen zu moderieren und anzuregen. Heute stehe ich nicht als Ministerpräsident der Tschechischen Republik vor Ihnen, sondern als Präsident des Europäischen Rates. Die Ansichten, die ich hier in den kommenden sechs Monaten vertreten werde, sind nicht meine persönlichen oder die der tschechischen Regierung. Sie werden der Konsens der 27 Mitgliedstaaten sein, der in den Beschlüssen des Europäischen Rates zum Ausdruck kommt.

Ich kann mir nicht vorstellen, anders vor Sie zu treten. Sie als direkt gewählte Abgeordnete des Europäischen Parlaments haben selbstverständlich das Recht, mir über alles Fragen zu stellen, und wenn Sie Interesse daran haben, bringe ich gerne jederzeit meine Meinung ein oder erkläre die tschechische Haltung; aber ich halte dies nicht für wesentlich. Die Arena für die nationalen Interessen ist der Europäische Rat, der sich innerhalb des notwendigerweise komplexen Systems der gegenseitigen Kontrolle der europäischen Demokratie als solche versteht. Allerdings besteht die vorrangige Aufgabe des Rates darin, auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen und einen Kompromiss zu finden, der für alle von uns akzeptabel ist. Ich werde dies stets rigoros, entschlossen und korrekt verteidigen.

In der EU sagt man von den Tschechen, dass sie immer mit irgendetwas unzufrieden seien. Dass wir zu den Nörglern gehören, vor denen sich andere fürchten sollten, und dass wir eine Nation von Hussiten und hitzköpfigen Chauvinisten seien. Ich wehre mich vehement gegen diese Art von Kritik. Wie unser erster Präsident, T. G. Masaryk bin ich davon überzeugt, dass die „Tschechische Frage“ tatsächlich eine europäische Frage ist, und dass sich das Land immer in einem gesamteuropäischen Kontext entwickelt hat, im Einklang mit gemeinsamen europäischen Werten und den Entwicklungen in anderen Ländern.

Wie Masaryk bereits vor hundert Jahren in der zweiten Ausgabe seiner „Tschechischen Frage“ geschrieben hat: „Die Renaissance unserer nationalen Literatur und Sprache fand gleichzeitig mit der Renaissance und den neuen Entwicklungen in allen europäischen Nationen statt. Das heißt, unsere Renaissance war weder so isoliert noch so außergewöhnlich wie man dies üblicherweise darstellt, sondern voll und ganz Teil des europaweiten Trends.“

Ich denke, diese Worte sind auch heute noch relevant, jetzt, da die Europäische Union als Ganzes und ihre Mitgliedstaaten nach einem neuen Gesicht für Europa suchen. Ein Gesicht, in dem sich traditionelle europäische Werte widerspiegeln, und das dem dritten Jahrtausend mit Mut entgegenblickt. Ein Gesicht, das im Einklang mit dem Motto der Union steht: „In varietate concordia“, Einheit in der Vielfalt. Wie im 19. Jahrhundert treten die Tschechen als junges und kleines Mitglied in die Debatte ein. Genau wie damals betrachten wir uns jedoch als langjährigen Teil der großen Familie stolzer europäischer Nationen.

In den kommenden sechs Monaten haben wir die Gelegenheit, unsere Haltung gegenüber der europäischen Integration voll und ganz unter Beweis zu stellen. Die tschechische Präsidentschaft fällt in ein Jahr, das aus mehreren Gründen bedeutend ist. Dieses Jahr feiern wir den fünften Jahrestag der historisch größten EU-Expansion in 2004, die der symbolische und praktische Höhepunkt des erfolgreichen Prozesses der Wiedervereinigung eines zuvor geteilten Kontinents war. Außerdem begeht Europa den 20. Jahrestag seit dem Fall des Eisernen Vorhangs, der es den Ländern des ehemaligen Sowjetblocks ermöglichte, zur Freiheit und Demokratie zurückzukehren.

Des Weiteren wird der 30. Jahrestag der ersten Direktwahlen zum Europäischen Parlament, das Sie repräsentieren, in das Jahr 2009 fallen. Vom Dreieck der EU-Institutionen ist es das Parlament, das wir für die Quelle direkter politischer Legitimität betrachten. Das Europäische Parlament ist das einzige direkt gewählte Organ der EU, und aufgrund der wiederholten Appelle für einen Abbau des so genannten „demokratischen Defizits“ sind seine Befugnisse über die Jahrzehnte verstärkt worden.

Abschließend sind in diesem Jahr 60 Jahre seit der Gründung der NATO vergangen, dem wichtigsten transatlantischen Verteidigungsbündnis. Die NATO ist auf Sicherheitsebene die Manifestation der Beziehungen zwischen Europa und dem Atlantikraum, die die Gültigkeit der Werte unserer europäischen Zivilisation auf beiden Seiten des Ozeans bekräftigen.

2009 wird nicht nur ein Jahr bedeutender Jahrestage sein, sondern auch ein Jahr wichtiger und schwieriger Herausforderungen. Wir müssen auch weiterhin institutionelle Probleme lösen. Die internationale Rolle der EU wird nicht nur durch den nach wie vor ungelösten Konflikt in Georgien auf die Probe gestellt, sondern auch durch die neue Eskalierung der Spannungen im Nahen Osten. Letztendlich verlangt das Thema der Energiesicherheit einmal mehr unsere dringende Aufmerksamkeit. Neben unseren geplanten Aufgaben werden wir uns wie auch die französische Präsidentschaft neuen Ereignissen stellen müssen. Weitere Überraschungen können nie ausgeschlossen werden.

Das Land, das den Vorsitz führt, kann keinen Einfluss auf die langfristige Tagesordnung oder das Entstehen neuer Probleme nehmen. Was es kann und wo es auch Einfluss nehmen muss, ist die Auswahl der Prioritäten im Verlauf der Präsidentschaft; und wie es üblich ist, beabsichtige ich, diese Prioritäten hier vorzustellen.

Unsere primären Anstrengungen haben sich darauf konzentriert, dafür zu sorgen, dass diese Prioritäten nicht nur den tschechischen Standpunkt widerspiegeln, sondern auch die Kontinuität der Entwicklungen in der EU sowie die Haltungen und Ideen einzelner Mitgliedstaaten und politische Tendenzen. Dies ist eine umfassende und von Kompromissen geprägte Aufgabe gewesen, nicht jedoch eine auf Konfrontation ausgelegte und einseitige. Auch wenn es natürlich unmöglich ist, jeden Einzelnen mit diesen Prioritäten zu 100 % zufrieden zu stellen, denke ich, dass jeder von Ihnen etwas in unserem Programm finden kann, mit dem man sich identifizieren kann.

Gleichzeitig möchte ich sicher nicht den Umstand verhehlen, dass die Präsidentschaft für die Tschechische Republik, wie für jeden anderen Mitgliedstaat auch, eine Gelegenheit bieten, die Aufmerksamkeit auf Bereiche zu lenken, in denen es unsere spezifischen Kenntnisse ermöglichen, einen Beitrag für Europa zu leisten. Was sind das für Bereiche?

Als von Erdöl- und Erdgasimporten abhängiges Land und als ehemaliger Ostblockstaat sind wir uns der Bedeutung der Energiesicherheit für die wirtschaftliche Entwicklung, aber auch für eine freie und unabhängige Außenpolitik bewusst.

Als neuer Mitgliedstaat, das den Totalitarismus erlebt hat, bedeutet unsere Mitgliedschaft in der Gemeinschaft viel für uns, und wir sehen es als unsere moralische Pflicht an, die Zusammenarbeit mit denen zu verstärken, die nicht als Mitglieder aufgenommen worden sind. Genau wie Frankreich sein Knowhow in Bezug auf den Mittelmeerraum genutzt hat, möchten wir die EU von der Bedeutung der Ostpartnerschaft überzeugen.

Der dritte Beitrag, den ich hier erwähnen möchte, ist unsere Erfahrung mit der Krise im Bankensektor, die wir Ende der 1990er Jahre durchgemacht haben. Wir können mit unseren Empfehlungen und unseren Experten zur aktuellen Debatte beitragen. Aufgrund der Stabilisierung der Finanzinstitute sind wir heute eines der sehr wenigen Länder, die nicht dazu gezwungen waren, Steuergelder zur Rettung von Banken zu verwenden, die von der Finanzkrise betroffen waren.

Unsere Prioritäten für die Präsidentschaft spiegeln das tschechische Knowhow wider, sie respektieren die Kontinuität der EU-Entwicklung und sind gut auf die derzeitigen Probleme abgestimmt.

Wie Sie wahrscheinlich wissen, ist „Europa ohne Schranken“ das Motto unserer Präsidentschaft. Ich möchte diesem den Untertitel „Ein Europa der Regeln“ hinzufügen. Diese Vision gewinnt in der heutigen turbulenten politischen und wirtschaftlichen Lage neue Bedeutung. Wir denken, dass nur ein Europa, das sein wirtschaftliches, menschliches und kulturelles Potenzial voll ausschöpft, auf der globalen Bühne wirtschaftlich und politisch konkurrieren kann. Dies trifft besonders in Krisenzeiten zu.

Die volle Entwicklung des Potenzials von Europa wird durch eine Reihe interner Grenzen behindert, die wir versuchen sollten, zu beseitigen. Ich denke zum Beispiel an die letzten verbleibenden Hindernisse für die volle Ausübung der vier Freizügigkeiten in der EU durch alle Mitgliedstaaten – die unnötige Bürokratie für Unternehmen oder die mangelnden Verbindungen zwischen Energieverbundnetzen, die die steigende Energiesicherheit und die Entwicklung des internen Energiemarkts behindern.

Andererseits kann ein Europa ohne Schranken kein Europa ohne Regeln und Grenzen sein. Die Beseitigung der internen Schranken muss mit dem Schutz vor illegalen Handlungen Hand in Hand gehen, die die Sicherheit und die Interessen der Europäer bedrohen, insbesondere in den Bereichen des Schutzes des geistigen Eigentums und der illegalen Einwanderung. Nur klar abgesteckte Grenzen werden es uns ermöglichen, eine aktivere Rolle im Abbau externer Schranken zu spielen, zum Beispiel im internationalen Handel, so dass wir das Potenzial und die Wettbewerbsvorteile europäischer Länder besser nutzen können.

Während der sechs Monate ihrer Präsidentschaft wird die Tschechische Republik versuchen, diese allumfassenden Ziele durch die Umsetzung von drei Hauptprogrammbereichen, die „drei tschechischen E“, zu erreichen: 1. Wirtschaft [Economy], 2. Energie [Energy] und 3. die Europäische Union in der Welt [European Union in the World]. Mit leichter Übertreibung könnte man sagen, dass diese drei E Anfang des Jahres in zwei G transformiert wurden: Gas und Gaza. In der Physik bedeutet E Energie und G ist das Symbol für die Fallbeschleunigung. Für jeden, der mehr Übung braucht, sind 2 G eine große Strapaze.

Ich sage gerade heraus, dass ich stundenlang über einzelne Prioritäten und Aufgaben sprechen könnte, aber wichtiger als alle Worte sind die bisherigen Ergebnisse der tschechischen Präsidentschaft. Heute haben wir den 14. Januar, was bedeutet, dass wir die Präsidentschaft seit zwei Wochen innehaben. In dieser Zeit haben wir es geschafft, eine politische Lösung für das komplizierte Problem des russischen Erdgases zu finden und ein Abkommen zwischen beiden Konfliktparteien auszuhandeln. Wir haben auch eine europäische Delegation in das Gebiet des Nahostkonflikts entsandt. Die Delegation führte eine schwierige Gesprächsrunde mit allen Beteiligten und erreichte die ersten Erfolge durch die Öffnung eines humanitären Korridors in den Gaza-Streifen.

All dies ist zu einer Zeit geschehen, in der wir uns in Tschechien in einer schwierigen Lage befanden. Es kam zu einer Regierungsumbildung und zu Angriffen der Opposition, was die tschechische Präsidentschaft der EU in unverantwortlicher Weise torpediert und die außenpolitischen Pflichten des Landes durch einen politischen Streit im Inland behindert hat. Ich denke, die Ergebnisse, die wir trotz dieser Widrigkeiten erzielt haben, sind eine mehr als angemessene Antwort auf die zweifelnden Stimmen, die behaupteten, die Tschechische Republik sei aus objektiven und subjektiven Gründen der Aufgabe nicht gewachsen, die EU anzuführen.

Wenden wir uns nun detaillierter den einzelnen Bereichen zu:

Das erste E: Wirtschaft [Economics]

Die tschechische Präsidentschaft wird vornehmlich auf eine Umsetzung der Beschlüsse in der Erklärung des G20-Gipfels vom November 2008 und der Beschlüsse des Europäischen Rats vom Dezember 2008 drängen. Im Einklang mit diesen Beschlüssen ist die Vermeidung einer exzessiven Regulierung und des Protektionismus der wichtigste Schlüssel zum Erfolg – bzw. in anderen Worten; Einhaltung des primären EU-Rechts und Einhaltung etablierter Vorschriften. Die EU darf sich nicht vor der Welt verschließen; im Gegenteil, sie muss nach der größtmöglichen Offenheit im Welthandel streben und den maximalen Nutzen daraus ziehen.

Hier treffen die Worte meines Freundes Joseph Daul der PPE-DE-Fraktion den Nagel auf den Kopf: Die derzeitige Wirtschaftskrise ist keine Niederlage des Kapitalismus, sondern vielmehr das Ergebnis politischer Fehler und fehlender Vorschriften zur Aufsicht der Finanzmärkte.“

Die vorrangigen Aufgaben werden eine Revision der Richtlinie über die angemessene Eigenkapitalausstattung von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten, das Führen von Gesprächen über die Richtlinie zur Regulierung der Versicherungen, eine Verordnung über Ratingagenturen und eine E-Geld-Richtlinie sein. Ferner wird die Präsidentschaft auf eine Revision der Verordnung über Zahlungen in Euro und, last but not least, auf eine prompte und gründliche Umsetzung des Plans des Rates für Wirtschaft und Finanzen drängen, der in Reaktion auf die Finanzmarktkrise beschlossen wurde. Gleichzeitig ist es wichtig, die Möglichkeiten zu analysieren, die die derzeit gültigen Gesetze bieten, und diese voll zu nutzen.

Nur einer wirtschaftlich starken und einflussreichen EU kann es gelingen, die wichtigen Fragen der globalen Politik, der Sicherheit, des Handels und der Umwelt zu lösen. Die Präsidentschaft muss sich daher für die Umsetzung des Europäischen Konjunkturprogramms einsetzen, wobei auf dessen Einbeziehung in den Rahmen der Lissabon-Strategie zu achten ist: Nach den kurzfristigen Instrumenten zur Stärkung unserer Wirtschaft kommen nun Instrumente für mittel- und langfristige Strukturreformen ins Spiel.

Ein Beispiel für diese wichtigen Strukturreformen ist die gemeinsame Agrarpolitik. Der Schlüssel liegt in der Festlegung gleicher Bedingungen für alle EU-Mitgliedstaaten für die Leistung von Direktzahlungen – sowohl hinsichtlich der Höhe der bezahlten Beträge als auch in Bezug auf das Zahlungssystem (Beseitigung historischer Ungleichheiten und Berücksichtigung der vielfältigen Landwirtschaft der einzelnen Mitgliedstaaten). Die Tschechische Republik möchte diese Dimension in die Debatte über die Zukunft der gemeinsamen Agrarpolitik nach 2013 einbringen.

Langfristig ist die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der EU der beste Schutz gegen den zerstörerischen Einfluss künftiger Krisen. Wie ich bereits zuvor erwähnt habe, geht es hier um die volle Durchsetzung und Ausübung der vier Freizügigkeiten, auf denen die EU basiert. Diesen möchte ich eine „fünfte Freizügigkeit“ hinzufügen – den freien Wissenstransfer, was in gewisser Weise eine Rückkehr zum von mir erwähnten mittelalterlichen Universalismus ist.

Ein wichtiger Faktor für die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit ist eine Verbesserung der Regulierungsqualität, darunter ein Abbau der Regulierungslast, um es insbesondere für kleine und mittelgroße Unternehmen einfacher zu machen, Geschäfte zu treiben. Die Tschechische Republik hat sich in diesem Bereich stark profiliert.

Was den Außenhandel anbelangt, konzentriert sich die Präsidentschaft auf eine Wiederbelebung der Gespräche mit der WTO. Hier legen wir großen Wert auf einen erfolgreichen Abschluss der Doha-Entwicklungsagenda (engl.: Doha Development Agenda, DDA). Die DDA ist eine Bemühung zur Erreichung einer transparenten Liberalisierung des Handels auf multilateraler Ebene, die langfristige Vorteile mit sich bringen wird. Wenn die Gespräche über die DDA ausgesetzt werden, wird die Präsidentschaft versuchen, ein Nachdenken über multilaterale Instrumente in Gang zu setzen, und sie wird eine Intensivierung der Gespräche innerhalb des Rahmens anderer WTO-Agenden unterstützen.

Wir dürfen neben der Notwendigkeit zur Verbesserung des Regulierungsumfelds und dem Bürokratieabbau die Investitionen in Bildung, Forschung, Entwicklung und Innovation nicht vergessen. An dieser Stelle möchte ich Martin Schulz, den Vorsitzenden der PSE-Fraktion zitieren: „Europa kann im Bereich der Niedriglöhne und Sozialstandards nicht erfolgreich mit anderen Regionen der Welt konkurrieren, wohl aber in den Bereichen technologischer Innovationen, besserer Arbeitsqualität und der Kompetenz und des Wissensstands seiner Bürger“. Ich schließe mich dieser Ansicht voll und ganz an.

Das zweite E: Energie

Die zweite Priorität passt wie die erste in den Kontext der aktuellen Entwicklungen. Ich würde sagen, sie ist sogar dringlicher und zwingender. Die weltweite Krise kann Europa kurzfristig schwächen, aber ein drohender Energieengpass würde sofort und langfristig nicht nur die europäische Wirtschaft zerstören, sondern auch die Freiheit und Sicherheit. Die tschechische Präsidentschaft wird definitiv ihre Anstrengungen fortsetzen, eine sichere, konkurrenzfähige und nachhaltige Energieversorgung für Europa zu gewährleisten.

Im Bereich der Energiesicherheit möchten wir uns auf drei Aspekte konzentrieren: erstens, den Abschluss der zweiten Prüfung der Energiestrategie, darunter eine Analyse der Energienachfrage und des Energieangebots in der EU auf mittlere Sicht und basierend darauf die Identifizierung geeigneter Infrastrukturprojekte. Zweitens, die Fertigstellung der Richtlinie zur Verpflichtung der Mitgliedstaaten, Mindestvorräte an Erdöl und/oder Erdölerzeugnissen zu halten, in deren Rahmen wir eine Erhöhung der obligatorischen Mindestvorratshaltung von 90 auf 120 Tage unterstützen. Drittens, die Reform der transeuropäischen Energienetze (TEN-E); hier beinhaltet das im November 2008 von der Kommission abgesegnete Legislativpaket zur Energiesicherheit auch das Grünpapier über europäische Energienetze. Nicht weniger wichtig sind die Stärkung der Infrastruktur im Territorium der Mitgliedstaaten, darunter der bestehenden grenzübergreifenden Verbindungen, sowie die Umsetzung eines neuen Energienetzverbunds. In allen damit zusammenhängenden Gesetzgebungsakten hoffen wir auf die Unterstützung des Europäischen Parlaments.

Natürlich sind wir auch daran interessiert, die Versorgungs- und Transportwege zu diversifizieren. Es ist klar, dass zum Beispiel der Bau der Nabucco-Erdgaspipeline ein Thema ist, dem die höchste Priorität beigemessen wird, und die Förderung des Baus neuer Ölpipelines ist gleichermaßen wichtig. Des Weiteren müssen wir Anstrengungen zur Diversifizierung des Energiemixes unternehmen, einschließlich der Rehabilitierung der Atomenergie und der Investitionen in neue Technologien.

Als Beispiel unserer Fähigkeit, in der Praxis Energiesicherheit zu erreichen, möchten wir auf das Abkommen verweisen, das wir hinsichtlich der Einführung eines Überwachungsmechanismus für den Transit von russischem Gas ausgehandelt haben. Ziel waren die Wiederherstellung des grundsätzlichen Vertrauens zwischen der Russischen Föderation und der Ukraine sowie die Einführung einer elementaren Transparenz in Bezug auf dieses Thema. Es ist uns gelungen, Russland und die Ukraine zur Unterzeichnung eines gemeinsamen Dokuments zu bewegen, damit eine erneute Versorgung der EU möglich wird.

Nun muss die EU Entscheidungen treffen und Maßnahmen ergreifen, um dafür zu sorgen, dass sich diese Krise mit all ihren Auswirkungen auf die Mitgliedstaaten künftig nicht wiederholt. Die Transparenz im Gasgeschäft muss erhöht und die Versorgungswege und Versorger müssen diversifiziert werden. Auch der Energiemix in den EU-Ländern muss breiter gestreut werden. Wir müssen ernsthaft über die Entwicklung einer sicheren Atomenergie nachdenken. Der Aufbau der Infrastruktur in der EU muss rasch vorangetrieben werden, um effektive Verbindungen zwischen den Mitgliedstaaten als Voraussetzung für den Aufbau eines effektiven Gasmarkts zu schaffen.

Im Bereich des Binnenmarkts und der Infrastruktur müssen wir Anstrengungen unternehmen, um eine effiziente Koordination der Betreiber von Verteilungssystemen zu erreichen, den Aufbau eines einheitlichen Binnenmarkts für Strom und Gas abzuschließen und zu gewährleisten, dass die Lücken im Verteilungs- und Transportsystem beseitigt werden.

Was die Frage der legislativen Prioritäten in diesem Bereich anbelangt, möchten wir das dritte Paket über den Energiebinnenmarkt zum Abschluss bringen, was bedeutet, dass die Revision von zwei Richtlinien und zwei Verordnungen über Strom und Gas durchgeführt werden muss, deren Ziel es ist, die Liberalisierung des Strom- und Gasmarkts abzuschließen. Wir sind ferner bestrebt, für eine gute Umsetzung der Verordnungen zu sorgen und eine Behörde für die Zusammenarbeit zwischen Energieregulierern zu schaffen.

Ein weiterer Bereich ist die Steigerung der Energieeffizienz, den die schwedische Präsidentschaft detaillierter in Angriff nehmen will. Dies bedeutet, dass sich das Trio der Präsidentschaftsländer bestehend aus Frankreich, der Tschechischen Republik und Schweden wirklich umfassend und von allen Seiten mit diesem Thema beschäftigt haben wird.

Wenngleich diese Priorität Energie heißt, ist sie untrennbar mit der Klimaschutzpolitik verbunden. In diesem Bereich wird die Präsidentschaft versuchen, ein weltweit akzeptables Abkommen über die Festlegung von Emissionssenkungsverpflichtungen nach 2012 zu erreichen. Dies bedeutet insbesondere, die USA, Indien und China mit an Bord zu holen, und es wird den Weg für die Erzielung eines breiten internationalen Konsenses Ende 2009 in Kopenhagen ebnen. Ein solcher Konsens sollte auch die aktuellen Trends in der Weltwirtschaft widerspiegeln. Im Kontext der bevorstehenden Wirtschaftsrezession und der Versorgungskrise wird es ganz besonders wichtig sein, die Umweltvorschriften, die Wettbewerbsfähigkeit und die Sicherheit zu harmonisieren.

Der Beginn des Jahres erinnerte uns daran, dass wir als Teil der Priorität „die EU in der Welt“ auch unvorhergesehene dringende Aufgaben einplanen müssen. Die neue Eskalation der Spannungen zwischen Israel und der Hamas erfordert nicht nur einen aktiven Ansatz der EU selbst, sondern auch eine Koordinierung mit wichtigen globalen und regionalen Stellen. Es ist wieder einmal bestätigt worden, dass es keinen Frieden geben kann, bevor Palästina nicht als vollwertiger Staat zu funktionieren beginnt, der in der Lage ist, in seinem Territorium für Recht und Ordnung sowie für die Sicherheit seiner Nachbarn zu sorgen.

Aus diesem Grund muss die Europäische Union zusätzlich zu ihren derzeitigen diplomatischen Aktivitäten ihre Anstrengungen bezüglich des Aufbaus der Infrastruktur in Palästina, der Ausbildung von Sicherheitstruppen und der Verstärkung der Befugnisse der palästinischen Verwaltung fortsetzen. Im Verlauf der Konfliktlösung wird die tschechische Präsidentschaft versuchen, ihre guten Beziehungen zu Palästina und Israel zu nutzen, aber es ist offensichtlich, dass ein langjähriger Frieden im Nahen Osten ohne gegenseitiges Vertrauen nicht möglich sein wird.

Ich habe die Ostpartnerschaft bereits erwähnt. Die Georgienkrise hat gezeigt, wie wichtig es für die EU ist, eine Strategie für diese Region zu haben. Die Vertiefung der östlichen Dimension der europäischen Nachbarschaftspolitik durch eine verstärkte Zusammenarbeit mit den Ländern der Region (vor allem mit der Ukraine) und gleichermaßen mit den Ländern der transkaukasischen und kaspischen Region ist von großer Bedeutung, nicht nur in moralischer, sondern auch in praktischer Hinsicht. Diese Kooperation wird uns in die Lage versetzen, unseren Außenhandel und die Rohstoffe für die Energieversorgung zu diversifizieren.

Was die transatlantischen Beziehungen anbelangt, ist es offensichtlich, dass die EU, solange diese nicht verstärkt und ausgebaut werden, ihre Rolle als starker Global Player nicht effizient ausüben kann. Auch die Vereinigten Staaten können diese Rolle derzeit nicht im Alleingang ausüben. Langfristig können wir nur erfolgreich sein, wenn wir zusammenarbeiten. Die tschechische Präsidentschaft wird daher einen Schwerpunkt auf einen intensiven Dialog mit den Vertretern der neuen US-Regierung in den Bereichen Wirtschaft, Klima und Energie sowie auf die Zusammenarbeit mit Drittländern (Pakistan, Afghanistan, Russland und Naher Osten) legen.

Ebenfalls von fundamentaler Bedeutung für das Ansehen der EU in der Welt ist die Haltung der Mitgliedstaaten bezüglich der Aushandlung eines neuen Partnerschaftsabkommens mit Russland. Die Ereignisse der letzten Jahre und vor allem der letzten Monate werfen eine Reihe von Fragen auf und unterstreichen die Notwendigkeit eines einheitlichen Ansatzes der EU als Ganzes. Die Voraussetzungen hierfür sind ein Verständnis Russlands und eine gemeinsame Analyse, weshalb wir die Zusammenarbeit mit Russlandexperten aus der gesamten Europäischen Union fördern.

Unter der tschechischen Präsidentschaft werden ferner die Gespräche über eine Erweiterung im Hinblick auf die Länder des Westbalkans und die Türkei fortgesetzt. Die Länder des Westbalkans dürfen trotz unserer wirtschaftlichen Probleme und der derzeitigen internationalen Krisen nicht vergessen werden. Im Fall von Kroatien wird die Präsidentschaft alles in ihrer Macht Stehende tun, um zu gewährleisten, dass dieses Land so bald wie möglich der EU beitritt. Das positive Beispiel Kroatiens ist eine notwendige Voraussetzung für die Aufrechterhaltung der Aussichten anderer Westbalkanstaaten auf einen möglichen EU-Beitritt. Wir werden mit Sicherheit alles Mögliche tun, um ihren Fortschritt innerhalb des Stabilisierungs- und Assoziierungsprozesses zu fördern.

Als Teil dieses Projekts ist die tschechische Präsidentschaft ebenfalls dazu bereit, an der Entwicklung einer südlichen Dimension der Europäischen Nachbarschaftspolitik und der Verbesserung der Beziehungen mit den Partnerländern weiterzuarbeiten. Dies beinhaltet die Stärkung der Beziehungen zwischen der EU und Israel sowie des Nahost-Friedensprozesses im Allgemeinen – die derzeit dramatischen Ereignisse in dieser Region dürfen uns nicht aufhalten. Im Gegenteil; sie unterstreichen die Notwendigkeit des Findens einer friedlichen Lösung.

Last but not least beinhaltet die Priorität von Europa in der Welt den Bereich der inneren Sicherheit. Dies ist deshalb der Fall, weil die aktuellen Bedrohungen der Sicherheit naturgemäß zunehmend ein Thema der inneren Sicherheit werden. Die Schaffung eines Raums der Freiheit, Sicherheit und Ordnung ist ein gemeinsames Interesse der EU, denn dies wirkt sich auf das Leben aller ihrer Bürger aus. In diesem Zusammenhang wird die Präsidentschaft Anstrengungen unternehmen, um weitere Fortschritte bei der Schengen-Kooperation, der Zusammenarbeit von Polizei und Zollbehörden und der Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten in zivilen und strafrechtlichen Angelegenheiten zu erzielen.

Wir sind uns dessen bewusst, dass das Ende unserer Präsidentschaft von den Wahlen zum Europäischen Parlament, einer intensiveren politischen Atmosphäre und der Notwendigkeit des Abschlusses des legislativen Prozesses für ausgewählte Gesetzgebungsakte geprägt sein wird, damit wir sie nicht aus den Augen verlieren. Auf unserer Tagesordnung steht ferner der Beginn der Gespräche über die neue Form der Europäischen Kommission.

Zudem obliegt es der tschechischen Präsidentschaft, die Debatte mit Irland über das Schicksal des Vertrags von Lissabon fortzusetzen. Ich bin überzeugt, dass es erforderlich ist, diese Gespräche sensibel und unter Achtung der Souveränität der irischen Bürger zu führen. Außerdem, wenn in der Tschechischen Republik ein Referendum über den Vertrag von Lissabon durchgeführt würde, stehen alle Zeichen dafür, dass er dort ebenfalls abgelehnt würde. Wir müssen eine Lösung finden, die die Mehrheit der Iren akzeptieren kann. Dies wird uns zweifellos auch bei unserer internen politischen Debatte helfen.

Ich habe meine Rede u. a: mit dem Satz begonnen, die tschechische Frage sei auch eine europäische Frage. Wahrscheinlich hat keine andere Nation so viel Raum, Anstrengungen und Zeit für eine Debatte über ihre eigene Identität aufgewendet wie die Tschechen. Das, was die Europäische Union gerade durchmacht, eine Suche nach ihrer Form und dem Zweck ihres Bestehens, ist etwas, was wir aus unserer eigenen Geschichte sehr gut kennen. In unserer Rolle als Land, das den Vorsitz führt, bieten wir daher der Gemeinschaft unsere zweihundertjährige Erfahrung in der Suche unserer eigenen historischen Rolle an, unserem eigenen Platz in der Familie der europäischen Nationen.

Die tschechische Beziehung zu Europa wurde vor mehr als siebzig Jahren vom Kritiker und Philosophen František Václav Krejčí gut beschrieben: „Wir sehen die tschechischen Gebiete nicht so sehr als „Herzstück Europas“ in geografischem, sondern vielmehr in kulturellem und intellektuellem Sinne. Wir befinden uns im tiefsten Inneren des Kontinents, in dem die Einflüsse aller seiner Teile miteinander verschmelzen; wir fühlen uns von allen europäischen Nationen umgeben, wenn nicht direkt, so über die imaginäre Kraft kultureller Werke. Wir sagen dies, weil sich bei uns die intellektuellen Ströme kreuzen, woraus folgt, dass wir die Aufgabe haben, zu vermitteln, insbesondere zwischen Ost und West.“

Ich denke, diese Worte sind Anfang 2009 eine Inspiration, zu einer Zeit, in der es die Aufgabe der Tschechischen Republik ist, die Debatten in der Europäischen Union in den kommenden sechs Monaten zu moderieren. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

 
  
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  Der Präsident. − Herr Präsident des Europäischen Rates! Wir danken Ihnen für Ihren sehr konstruktiven und umfangreichen Bericht und wünschen Ihnen für Ihre Präsidentschaft alles Gute!

 
  
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  José Manuel Barroso, Präsident der Kommission. – (FR) Herr Präsident, Herr Ratspräsident, meine Damen und Herren! Die ersten Tage des Jahres 2009 lassen keinen Raum für Zweifel. Die kommenden sechs Monate werden die Europäische Union auf die Probe stellen. Europa wird seine Entschlossenheit, seinen Bürgern, Arbeitnehmern und Unternehmen dabei zu helfen, sich der Wirtschaftskrise zu stellen und diese zu überwinden, unter Beweis stellen müssen. Europa wird sich in Notsituationen wie der unerwarteten Unterbrechung der Gasversorgung, die wir derzeit erleben, solidarisch zeigen müssen. Europa wird seine Fähigkeit unter Beweis stellen müssen, seinen gesamten externen Einfluss dazu zu nutzen, internationale Konflikte zu schlichten, die so gefährlich für den Weltfrieden sind wie der Konflikt im Gaza-Streifen.

In enger Zusammenarbeit mit dem amtierenden tschechischen Ratspräsidenten und der Europäischen Union wird die Kommission ihr Bestes geben, um unter Beweis zu stellen, dass die Union der Aufgabe gewachsen ist. Ich möchte bei dieser Gelegenheit den Ministerpräsidenten Topolánek und sein gesamtes Team willkommen heißen und wünsche ihnen allen erdenklichen Erfolg an der Spitze des Rates. Ferner möchte ich nochmals mein volles Vertrauen in die Fähigkeit der Tschechischen Republik zum Ausdruck bringen, diese äußerst wichtige Aufgabe zu erfüllen. Zusammen können wir den Europäern im Verlauf dieser sechs Monate zeigen, warum die Europäische Union heute so unverzichtbar ist. Wir können ihnen beweisen, warum es direkt in ihrem Interesse ist, ihre Meinungen durch die Wahl von Abgeordneten kundzutun, die im nächsten Europäischen Parlament sitzen werden. Zeigen wir unseren Mitbürgern, warum Europa mehr Demokratie und Effizienz braucht, wie es im Vertrag von Lissabon vorgesehen ist, und warum es davon profitieren dürfte. Zeigen wir ihnen auch, warum wir heute mehr denn je den Vertrag von Lissabon brauchen, der von allen unseren Mitgliedstaaten unterstützt wird.

Wir verfügen über ein solides Fundament, auf dem wir aufbauen können. 2008 hat die Union unter Beweis gestellt, dass sie in der Lage war, schwierige Entscheidungen zu treffen, die unsere Gesellschaften viele Jahre lang binden werden. Das Energie- und Klimawandelpaket veranschaulicht klar und deutlich den politischen Willen eines visionären und entschlossenen Europas. Mit diesem Paket können wir Schritte zur Erreichung eines ehrgeizigen internationalen Abkommens im Dezember unternehmen. 2008 hat die Union ferner bewiesen, dass sie sich an Veränderungen anpassen kann. Sie hat schnell Mittel gefunden, um auf die Finanzkrise zu reagieren, und sie hat rasch und ohne Verzögerung eine Einigung über ein Konjunkturprogramm zur Stimulierung der europäischen Wirtschaft erzielt. Ich werde darauf zurückkommen.

Ferner geht die Union sicher in das Jahr 2009, gestärkt durch ihren internationalen Ruf. An erster Stelle stand die Hilfe bei der Konfliktlösung wie zum Beispiel beim Konflikt zwischen Russland und Georgien. Zudem wird die Union ihre Anstrengungen ungemindert fortsetzen, Konfliktparteien zusammenzubringen, wie beispielsweise im Gaza-Streifen, und tatsächlich haben wir es der Europäischen Union zu verdanken, dass zumindest die humanitären Korridoren geöffnet worden sind, um dem palästinischen Volk helfen zu können.

Die Europäische Union hat des Weiteren die Initiativen zur Bekämpfung der Wirtschaftskrise inspiriert, die auf dem G20-Gipfel vorangetrieben wurden. Sie hat erneut ihren uneingeschränkten Willen zur Öffnung von Märkten bekräftigt, insbesondere zum Abschluss des Doha-Prozesses für Entwicklung und Handel sowie zur Erreichung der Millenniums-Entwicklungsziele, die durch die Widrigkeiten der Krise nicht in Frage gestellt werden dürfen. Europa muss auch weiterhin alles in seiner Macht Stehende tun, um sich den aktuellen Herausforderungen zu stellen, und meiner Ansicht nach haben wir Grund zur Zuversicht.

Im Laufe dieses Jahres wird die Kommission alles dafür tun, um zu gewährleisten, dass wir den Schwung nicht verlieren, den wir während des G20-Gipfels in Washington gewonnen haben. Unserer Ansicht nach ist es wichtig, auch weiterhin alle Hindernisse zur Reformierung des globalen Finanzsystems aus dem Weg zu räumen, und auf dem G20-Gipfel in London haben wir eine hervorragende Gelegenheit dazu. Die Europäische Union muss in London mit einer Stimme sprechen und weiterhin ihre Führung im Zusammenhang mit der Reformierung des globalen Finanzsystems unter Beweis stellen.

Die Kommission wird in diesem Jahr erneut wichtige Initiativen vorschlagen, zum Beispiel für eine bessere Regulierung der Art und Weise, in der die Finanzmärkte funktionieren, zur Einführung eines neuen Aktionsprogramms auf dem Gebiet der Gerechtigkeit, Freiheit und Sicherheit und zum Vorschlag neuer Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel. Wir werden unsere Vorschläge unter Berücksichtigung der Haushaltsüberprüfung ausarbeiten. Des Weiteren werden wir unser Augenmerk besonders auf die Entwicklungen der wirtschaftlichen und sozialen Lage richten und alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen. Sie sind immer noch dabei, einige äußerst wichtige Vorschläge zu prüfen, meine Damen und Herren. Wir hoffen, dass diese bis zum Ende der Wahlperiode vor allem dank des Engagements des tschechischen Vorsitzes angenommen werden können. Dabei denke ich insbesondere an die Vorschläge rund um die Wirtschafts- und Finanzkrise, das Sozialpaket, den Energiebinnenmarkt – der sich aufgrund der derzeitigen Ereignisse als unerlässlich erwiesen hat – und auch das Telekommunikationspaket und den Straßenverkehr.

Ich werde mich heute besonders auf den Themenbereich Energie und Wirtschaft konzentrieren. Hier werden die Bürger Europas dieses Jahr am stärksten unter Druck geraten. Und hier kann ein entschlossenes und effizientes Handeln der Europäischen Union einen echten Unterschied machen.

Ein Thema, das der dringenden und entschiedenen Aufmerksamkeit bedarf, ist Erdgas. Wir sahen uns gezwungen, uns ohne eigenes Verschulden der Europäischen Union in einen Streit zwischen Russland und der Ukraine über den Gastransit einzuschalten. Die gegenwärtige Situation ist sowohl inakzeptabel als auch unglaublich. Inakzeptabel, weil die Verbraucher in einigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach einer Woche der Versorgungsunterbrechung immer noch kein Gas haben. Unglaublich, weil am Tag nach der Unterzeichnung eines wichtigen Vertrags auf höchster Ebene, in dessen Rahmen die Führungen Russlands und der Ukraine zugesichert haben, den Vertrag umzusetzen und den Gashahn wieder aufzudrehen, die Situation unverändert geblieben ist.

Ohne jemandem etwas unterstellen zu wollen, gibt es eine objektive Tatsache: Russland und die Ukraine zeigen, dass sie unfähig sind, ihre Verpflichtungen einigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union gegenüber einzuhalten. Es ist Fakt, dass Gazprom und Naftogaz nicht in der Lage sind, ihren Pflichten den europäischen Verbrauchern gegenüber nachzukommen.

Ich möchte eine klare Botschaft an Moskau und Kiew senden. Wenn der von der Europäischen Union unterstützte Vertrag nicht umgehend eingehalten wird, wird die Kommission den europäischen Unternehmen empfehlen, diese Angelegenheit vor Gericht zu bringen und an die Mitgliedstaaten plädieren, gemeinsam zu handeln, um alternative Wege der Energieversorgung und des Transits zu finden.

(Beifall)

Wir werden sehr bald sehen, ob es ein technisches Problem gibt oder ob der politische Wille fehlt, den Vertrag einzuhalten. Nur um dies nochmals klarzustellen. Wenn der Vertrag nicht eingehalten wird, bedeutet dies, dass Russland und die Ukraine, was die Energieversorgung anbelangt, nicht länger als verlässliche Partner der Europäischen Union betrachtet werden können.

(Beifall)

In jedem Fall wird die Kommission weitere Vorschläge zur Verbesserung der Energiesicherheit in Europa nach unserer Prüfung der Energiestrategie im vergangenen November vorlegen.

Die Umsetzung des Klima- und Energiepakets und die Mobilisierung der 5 Milliarden Euro der noch nicht verwendeten Mittel aus dem Gemeinschaftshaushalt zugunsten des Energieverbunds werden ebenfalls entscheidend sein, und ich möchte dem tschechischen Vorsitz für seine Unterstützung bei der Erfüllung dieser Pflicht danken, die auf der letzten Sitzung des Europäischen Rates sehr ernst genommen wurde. Europa muss jetzt handeln, um eine künftige Wiederholung dieser Situation zu verhindern.

Lassen Sie mich nun weiter ausholen und auf die Wirtschaft blicken. Alle Zeichen sprechen dafür, dass sich das Wirtschaftsklima weiter verschlechtern wird. Die Arbeitslosigkeit steigt. Die Produktionszahlen sinken weiter. Wahrscheinlich muss sich die Lage erst verschlechtern, bevor es wieder besser wird. Wir dürfen die Ernsthaftigkeit der Lage nicht verbergen und uns nicht von negativen Gedanken und Fatalismus leiten lassen. Wir haben die richtigen Strategien entworfen, um durch die Krise zu kommen. Wir können ihre Auswirkungen auf die Schwächsten in unseren Gesellschaften abfedern, und wir können nun Entscheidungen treffen, die uns zugute kommen werden, wenn wir die Krise überwunden haben, und wir hoffen, dass wir diese Krise überwinden werden.

Die oberste Priorität für die kommenden Wochen muss darin bestehen, zusammenzuarbeiten, um unsere Absichten zu verwirklichen. Das von der Kommission vorgeschlagene und vom Europäischen Rat unterstützte Konjunkturprogramm ist die richtige Antwort darauf. Es bietet einen Anreiz, der groß genug ist, um sich auf jeden Mitgliedstaat auszuwirken: rund 1,5 % des BIP der Europäischen Union ist eine beträchtliche Geldsumme, wenn sie gut verwendet wird.

Es strebt die größtmögliche Effizienz an, indem zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden: die langfristige Gesundheit und Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft und die Notwendigkeit eines kurzfristigen Anreizes zur Umkehr der Talfahrt. Es berücksichtigt, dass dies keine abstrakte Debatte über die Wirtschaft ist, sondern eine Krise, die die Europäer sowie ihre Existenzgrundlage und ihr Wohlergehen betrifft. Die sozialen Konsequenzen der Krise müssen direkt angegangen werden.

Abschließend nutzt es die europäische Dimension, um durch eine geeignete Koordinierung zu gewährleisten, dass die Initiativen in einem Mitgliedstaat einen positiven Anstoßeffekt auf die anderen haben und eine positive Interaktion anregen.

Zur Umsetzung dieses Programms benötigen wir das aktive Engagement des Vorsitzes, die Unterstützung einzelner Mitgliedstaaten und des Rats und das klare Engagement dieses Parlaments. Dies bedeutet insbesondere eine rasche Einigung auf die rechtlichen Vorschläge im Paket, von der beschleunigten Inanspruchnahme der Strukturfonds und der überprüften Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung bis hin zur Einigung über die Freigabe der noch nicht für strategische Projekte ausgegebenen 5 Milliarden Euro, wobei ein besonderer Schwerpunkt auf den Bereichen Energie und Energieverbund liegt. Die russisch-ukrainische Krise hat uns deutlicher gezeigt denn je, dass ganz Europa vom Schließen der Lücken in unserer Energieinfrastruktur strategisch profitieren wird. Das heißt, wir müssen den Plan zur Freigabe einer Finanzspritze von rund 200 Milliarden Euro für unsere Wirtschaft effektiv umsetzen. Natürlich bedeutet dies auch, dass wir die Situation immer wieder prüfen müssen, denn wie Sie wissen, kann sich diese jederzeit ändern.

Bei der Durchführung dieser kurzfristigen Aktion dürfen wir jedoch langfristige Maßnahmen nicht aus den Augen verlieren. Wir können am besten arbeiten, wenn wir auf einigen der Erfolge aufbauen, auf denen der Wohlstand Europas basiert, wie beispielsweise der Binnenmarkt. Das Motto des tschechischen Vorsitzes: „Europe ohne Schranken“, ist tatsächlich eine wichtige und inspirierende Botschaft, aber wie Ministerpräsident Topolánek schon sagte, braucht ein Europa ohne Schranken Regeln – europäische Regeln. Regeln zur Gewährleistung gleicher Bedingungen für die Mitgliedstaaten und die einzelnen Wirtschaftsakteure. Regeln zur Sicherstellung, dass die Vorteile der europäischen Integration bis zu unseren Bürgern durchdringen. Regeln zur Gewährleistung der langfristigen Nachhaltigkeit unseres Lebensstils.

Wir werden in dieser Richtung eng mit dem Vorsitz und diesem Parlament zusammenarbeiten, denn das Europa, das wir haben wollen, und das Europa, das wir brauchen, verbindet Freiheit, Solidarität und Sicherheit zum Nutzen aller Europäer.

(Beifall)

 
  
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  Joseph Daul, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, Herr amtierender Ratspräsident, Herr Präsident der Europäischen Kommission, geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Kaum ist die tschechische Präsidentschaft im Amt. schon wird sie mit erheblichen Schwierigkeiten konfrontiert und mit der komplizierten Aufgabe betraut, drei große Krisen zu managen: die Wirtschafts- und Sozialkrise setzt sich fort, wegen der Gaskrise, die ernste Auswirkungen auf die Union und ihre Nachbarstaaten hat, geraten Russland und die Ukraine in Konflikt und im Nahen Osten bricht ein weiterer Krieg aus.

Angesichts dieser Herausforderungen haben unsere Länder nur eine Möglichkeit: das Bilden eines Blocks, das Zeigen von Solidarität und ein koordiniertes und entschlossenes Vorgehen.

Ich freue mich, dass die tschechische Präsidentschaft in enger Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission schnell und geschlossen gehandelt hat, als die Energiekrise zu einem Konflikt zwischen Kiew und Moskau geführt hat. Wenngleich noch keine Lösung in Sicht ist, können wir nicht hinnehmen, als Geisel genommen zu werden. Wir müssen daher entschlossen handeln. Herr Topolánek und Herr Barroso, Sie beide haben Recht. Durch die Einbeziehung der Energie in ihre drei Hauptprioritäten hat die tschechische Präsidentschaft voll und ganz begriffen, was in den kommenden Jahren eine der größten Herausforderungen für Europa sein wird, nämlich unsere Energieunabhängigkeit und die erforderliche Diversifizierung unserer Energieressourcen.

Die Fraktion der Christdemokraten und der Europäischen Demokraten ist, wie alle Bürger Europas, äußerst besorgt über diesen Konflikt und die Bedrohung, die dieser für die europäischen Länder insgesamt darstellt. Wir können nicht tolerieren, dass EU-Mitgliedstaaten in diesem Konflikt als Geiseln genommen werden, und dies zeigt einmal mehr die dringende Notwendigkeit einer Einigung über eine europäische Energiepolitik auf. Wir müssen uns daher ernsthafte Gedanken über Wege zur Minderung unserer Abhängigkeit machen und handeln, um einen Energiemix zu erreichen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die derzeitige Lage im Nahen Osten weist uns ebenfalls darauf hin, dass wir unsere Verantwortung auf internationaler Ebene annehmen müssen. Ja, Europa ist der weltweit größte Spender humanitärer Hilfsleistungen. Darauf können wir stolz sein und wir müssen so weitermachen. Aber humanitäre Hilfsleistungen allein werden den Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern nicht lösen.

Was Europa braucht ist einen starken artikulierten politischen Willen, ein Europa mit ausreichend personellen, militärischen und finanziellen Ressourcen, um es zu einem glaubhaften Akteur auf der Weltbühne zu machen. Warum richtet die Welt ihre Augen so sehr auf Barack Obama? Weil Europa noch nicht in der Lage ist, seine Vision, seine Ideale und sein Wissen vorzubringen. Europa hat zu Recht den Unilateralismus der derzeitigen US-amerikanischen Regierung kritisiert, und wenn sich die Dinge mit dem neuen Bewohner des Weißen Hauses ändern sollten, was ich hoffe, sind wir dann bereit, unseren Teil des Multilateralismus zu garantieren? Sind wir bereit, die militärischen Ressourcen freizusetzen, nicht um in den Krieg zu ziehen, sondern um den Frieden zu gewährleisten? Sind wir bereit, die erforderlichen Haushaltsmittel aufzuwenden, um uns in die Lage zu versetzen, unsere Politik umzusetzen?

Herr Topolánek, Sie haben die Außenpolitik der Union richtigerweise zu einer ihrer Prioritäten gemacht. Die derzeitigen Ereignisse stehen beispielhaft für die Dringlichkeit, mit der dieses Thema behandelt werden sollte, seien es die Beziehungen mit Russland, den Vereinigten Staaten, dem Nahen Osten, dem Mittelmeerraum, dem Balkan, Afrika oder den Schwellenländern. Die Europäer erwarten von Europa, dass es seinen Einfluss auf internationaler Ebene geltend macht. Alle Meinungsumfragen zeigen dies schon seit Jahren. Warum also warten?

Letztendlich wird die amtierende Präsidentschaft die Wirtschafts- und Sozialkrise in Angriff nehmen müssen, indem sie dafür sorgt, dass nationale Konjunkturprogramme aufgelegt werden, damit sie der Europäischen Union beim im April stattfindenden G20-Gipfel in London Orientierung geben kann. Wir fordern die tschechische Präsidentschaft auf, Hand in Hand mit der Europäischen Kommission zusammenzuarbeiten, um gemeinsam mit unseren internationalen Partnern Regeln zu definieren und umzusetzen, die für unsere Wirtschaftsakteure gelten.

Die Europäische Union muss ihr Sozialmodell, die soziale Marktwirtschaft, schützen und die Umsetzung eines Marktaufsichtssystems für die globalen Finanzmärkte ähnlich dem fördern, das wir in unseren Ländern haben. Europa muss im Umgang mit der Finanz- und auch der Wirtschaftskrise geschlossen und entschlossen auftreten.

Herr Topolánek, wir zählen auf Sie und Ihre Präsidentschaft, und hoffen, dass Sie Europa gut durch diese schwierigen Fahrwasser führen und leiten.

(Beifall)

 
  
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  Martin Schulz, im Namen der PSE-Fraktion. – (DE) Herr Präsident, Herr Ministerpräsident Topolánek! Sie führen die letzte Ratspräsidentschaft in dieser Wahlperiode des Europäischen Parlaments. Die erste Ratspräsidentschaft dieser Wahlperiode war die niederländische, geführt von Herrn Balkenende. Kein Mensch erinnert sich mehr daran, was er hier gesagt hat und was wir ihm geantwortet haben. Deshalb ist das, was wir jetzt in den nächsten fünf bis sechs Monaten miteinander diskutieren und erreichen, die Grundvoraussetzung für eine hohe Wahlbeteiligung bei der Europawahl. Wenn die Menschen sehen, dass wir, d. h. die Präsidentschaft, das Parlament, die Kommission, es in einer krisenhaften Situation schaffen, gemeinschaftlich in Kooperation die vor uns liegenden Aufgaben zu lösen, dann bin ich sicher, dass das eine positive, eine konstruktive Grundstimmung im Vorfeld der Europawahl schafft.

Deshalb haben wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten im Parlament ein Interesse am Erfolg Ihrer Präsidentschaft. Ich hatte zu Beginn Ihrer Präsidentschaft in den ersten Tagen einige Zweifel. Herr Schwarzenberg sagt, Israel macht von seinem Selbstverteidigungsrecht Gebrauch, und ergreift einseitig Partei in einer Phase, in der wir eigentlich die Europäische Union als Vermittler brauchen. Das ist korrigiert, das ist gut. Sie selbst sagen, bei dem Konflikt um den Gasstreit treten wir nicht als Vermittler auf. Das ist zwischenzeitlich korrigiert. Sie haben das gut gemacht.

Es gab anfangs Schwierigkeiten, aber sie sind jetzt beherrscht, und das ist gut so. Wenn das, was am Anfang an Unsicherheit da war, jetzt tatsächlich dazu führt, dass – und ich will unterstreichen, Herr Barroso hat Recht – die Ergebnisse Ihrer Aktivitäten positiv sind, dann haben Sie die volle Unterstützung unserer Fraktion. Das gilt auch für die Rede, die Sie heute Morgen hier gehalten haben, die wir alle mit großem Wohlwollen und auch mit einem Gefühl von Zuversicht für die nächsten Monate gehört und zur Kenntnis genommen haben.

Ich will einen Punkt herausgreifen, den Sie genannt haben. Sie zitierten meinen Freund Joseph Doyle, der hier gesagt hat – er ist sonst ein kluger Mann, aber das war ein Irrtum –, es handelte sich bei der Finanzkrise nicht um eine Niederlage des Kapitalismus. Es ist tatsächlich keine Niederlage des Kapitalismus, den gibt es leider immer noch. Aber es ist eine Niederlage der Kapitalisten, die uns jahrelang erzählt haben, wir brauchen keine Regeln, der Markt regelt sich alleine, er regelt alles von selbst. Die haben eine Niederlage erlitten, und wenn Sie, der Sie bisher einer Politik gefrönt haben, die eher auf der Linie der Leute lag, die sagten, wir brauchen keine Regeln, heute morgen hier erklären, wir brauchen ein Europa der Regeln, dann kann ich Ihnen nur sagen, jawohl, wir brauchen bei der Regelung der Finanzmarktkrise, bei ihrer Bewältigung mehr Regeln, und, Herr Topolánek, herzlich willkommen im Club der Regulierer in Europa, dann haben auch Sie Ihre Lektion gelernt.

(Beifall)

Herr Ministerpräsident, wir sind in einer entscheidenden Phase der internationalen Politik. Die Europäische Union darf sich, wenn sie die weltweite Rolle, die zum Beispiel der Herr Kommissionspräsident beschrieben hat, in der Frage der Energiesicherheit oder des Gazakonflikts, wahrnehmen will, nicht in ihre Einzelteile zerlegen lassen. Dann brauchen wir die Union der 27 als starken Wirtschafts- und politischen Block. Denn nur, wenn wir uns nicht auseinanderdividieren lassen, sind wir stark. Die Stärke der anderen ist doch, dass sie immer darauf spekulieren können, dass die Europäer mit unterschiedlichen Zungen reden. Schwarzenberg sagt, Israel verteidigt sich, Louis Michel sagt, Israel verletzt das Völkerrecht. Mit solch einer Europäischen Union braucht man nicht zu verhandeln.

Wenn die Russen oder die Ukrainer wissen, die eine Hälfte der Europäer steht auf ihrer Seite, die andere Hälfte auf der anderen Seite, dann sind wir nicht stark. Stark sind wir aber dann, wenn wir eine starke vertragliche Grundlage haben. Eine starke vertragliche Grundlage ist der Vertrag von Lissabon. Wenn unter Ihrer Präsidentschaft Ihre Regierung, die ja mit dem Staatspräsidenten, den Sie haben, gestraft genug ist, den Vertrag ratifiziert, dann ist das ein starkes Signal für ein starkes Europa.

(Beifall)

Auf der Prager Burg sitzt Václav Klaus, wir werden ihn im Februar hören. Dann kommt er nach Brüssel. Auf der Prager Burg saß, Sie haben es zitiert, Herr Ministerpräsident Topolánek, auch Karl IV. Karl IV. hat die Goldene Straße von Prag nach Nürnberg gebaut. Für seine Zeit war das eine enorme Tat, die Völker und Nationen miteinander verbinden sollte. Karl IV. war, bevor er deutscher Kaiser mit Sitz in Prag wurde, ein Herzog von Luxemburg. Deshalb waren diese Zeiten auf der Prager Burg wirklich europäisch. Hoffen wir, dass bald wieder einer auf der Prager Burg sitzt, der genauso europäisch ist.

(Beifall)

 
  
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  Graham Watson, im Namen der ALDE-Fraktion. – Herr Präsident! Im Namen meiner Fraktion heiße ich den amtierenden Präsidenten herzlich willkommen. Wir wünschen Ihnen viel Erfolg.

Ein großer Tscheche sagte einmal: „Ich bin kein Anfänger mehr: von mir wird die Erreichung von Zielen erwartet, und Ergebnisse zu liefern ist mein Job.“ Nun, was für Milan Baroš gilt, gilt auch für Sie und Ihre Minister. In Ihrem Arbeitsprogramm sind diese Ziele enthalten.

Zur Wirtschaft haben Sie gesagt, dass Marktbeschränkungen – interne und externe – abgebaut werden müssen, und dass die Antwort Europas auf die Rezession nicht nur über die Ausgabenschiene erfolgen darf, sondern wir auch für einen faireren Wettbewerb, Handelsliberalisierung und eine größere Freizügigkeit des Personen- und Güterverkehrs über die nationalen Grenzen hinweg kämpfen müssen.

Dies sind harte Zeiten für die Bürger Europas. Ihr Rezept wird angefochten werden, aber nicht von den Liberalen und den Demokraten. Was die Erfahrungen der Tschechischen Republik und so vieler anderer anbelangt, zeigt sich die Macht der Märkte darin, Menschen aus der Armut herauszuholen.

Was die Energie betrifft, liegen Sie damit richtig, wenn Sie die Ziele der überprüften Energiestrategie verfolgen, aber die Prüfung und unsere Klimawandelziele sollten keine Obergrenze für unsere Ambitionen darstellen, sondern vielmehr ein Sprungbrett zu größeren und ökologischeren Höhen, um das Tempo der Umstellung Europas von fossilen Brennstoffen auf erneuerbare Energien zu beschleunigen und unserer starken Energieabhängigkeit ein Ende zu setzen.

Derzeit erhalten unsere Beobachter keinen Zugang zu den ukrainischen Abfertigungszentren. Russland behauptet, es könne kein Gas exportieren, weil die Ukraine es nicht transportieren will, und die Ukraine behauptet, das Land könne kein Gas exportieren, weil die Russen die Transitstrecke blockiert hätten. Indes leidet die Industrie in Ost- und Mitteleuropa, und es gibt Leute, die in ihren Häusern frieren. Zudem gibt es Pläne, mit von unserer Union als unsicher eingestuften Atomkraftwerken wieder ans Netz zu gehen.

Das ist kein funktionierender Energiemarkt. Es ist vielmehr wie in einem Film der Marx Brothers: A Night in the Cold – bzw. zwölf Nächte, ohne dass ein Ende absehbar ist. Halten Sie sich also nicht mit Gesprächen über den Energiebinnenmarkt und den Ausbau erneuerbarer Energien auf: Nutzen Sie die Macht Ihrer Präsidentschaft lieber dazu, die erforderlichen Investitionen auf den Weg zu bringen.

Was die EU in der Welt anbelangt, begrüßen wir die Ambitionen Ihrer Präsidentschaft. Europa sollte eine führende Rolle bei der Konfliktbewältigung spielen und außerdem die Entwicklung und die Menschenrechte fördern.

Aber wenn Sie ernsthaft versuchen wollen, die Handlungsfähigkeit der EU auszuweiten, warum haben Sie dann erneut die Ratifizierung des Vertrags von Lissabon aufgeschoben? Wenn Sie die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen verhindern wollen, warum bauen Sie dann ein ballistisches Raketenabwehrsystem auf europäischem Boden?

(Beifall)

Und wenn Sie Frieden im Nahen Osten wollen, warum lassen Sie dann zu, dass Europa durch so viele unterschiedliche Friedensmissionen lächerlich gemacht wird?

Je mehr sich die Ereignisse im Gaza-Streifen häufen, desto schwieriger wird es für viele von uns, uns unparteiisch zu verhalten. Dieses Haus wird nie zu einer gemeinsamen Haltung gelangen, wenn wir versuchen, genaue Schuldzuweisungen zu machen, aber Schuld gibt es auf beiden Seiten. Beide Seiten können gebeten werden, auf Gewalt zu verzichten und einen sofortigen Waffenstillstand zu erreichen.

Es gibt keine Entschuldigung für die Raketenangriffe der Hamas, aber auch nicht für den Einsatz von Sprengstoff mit dichtem, reaktionsträgem Metall, mit dem Zivilisten verstümmelt werden.

Das Motto Ihrer Präsidentschaft lautet „Europa ohne Schranken“. Vielleicht dachte sein Verfasser an das alte tschechische Sprichwort: „Schütze dich nicht durch Zäune, sondern durch deine Freunde“.

Herr amtierender Ratspräsident, wir, Ihre Mitbürger hier in Europa sind Ihre Freunde. Der Ministerpräsident Ihres Landes verglich die Europäische Union mit der Sowjetunion. Nun, wir wollen keine Privatgespräche mithören, wie er dies bei Abgeordneten dieses Hauses zu tun pflegte.

Wer am Rande bleiben will, kann dies gerne tun. Aber dies ist eine Union der Freunde – der Freunde, Gleichgestellten und Partner.

Die Ziele Ihrer Präsidentschaft sind wagemutig. Wir unterstützen sie. Halten Sie daran fest, dann werden auch wir zu Ihnen stehen.

(Beifall)

 
  
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  Brian Crowley, im Namen der UEN-Fraktion. – (GA) Herr Präsident! Zwischen der Europäischen Union und Amerika müssen bessere politische und wirtschaftliche Beziehungen gefördert werden. Ich hoffe, dass der Vorsitz der Tschechischen Republik dies in den kommenden Monaten in Angriff nehmen wird. Amerika wird nächste Woche einen neuen Präsidenten haben, und wir alle müssen uns großen Herausforderungen stellen. Auf jeden Fall müssen wir die Finanzmärkte bald regulieren.

im Namen der UEN-Fraktion. Herr amtierender Ratspräsident, wir begrüßen Sie heute in diesem Haus, und insbesondere begrüßen wir es, dass die Tschechische Republik die Führung der Europäischen Union in einer entscheidenden Zeit übernimmt. Im Namen meiner Fraktion, der Union für das Europa der Nationen, bieten wir ebenfalls unsere Unterstützung für Ihr Programm an, um zu gewährleisten, dass die Europäische Union mit einer klaren und stärkeren Stimme spricht, wie auch die Mitgliedstaaten der Europäischen Union.

Viele Kollegen haben sich in ihren Vorträgen bereits auf die aktuellen Krisen bezogen, und zu Beginn möchte ich sowohl Ihrer Präsidentschaft als auch Präsident Barroso meine Anerkennung für die entschlossenen Maßnahmen zollen, die ergriffen wurden, als das Thema in Bezug auf die Unterbrechung der Gasvorsorgung der Europäischen Union vorgebracht wurde, nicht nur, weil wir Schuldzuweisungen vorgenommen haben, sondern auch, weil wir unverzüglich auf sozialer, wirtschaftlicher und politischer Ebene eingegriffen haben, um beide Seiten dazu zu bewegen, sich gemeinsam an einen Tisch zu setzen, um Gespräche miteinander zu führen, nachdem ihnen dies zuvor nicht gelungen war.

Darum ist es im Rahmen dieser Präsidentschaft nun so wichtig, diesen Gedanken der Ostpartnerschaft auszubauen, dass wir nach Osten und zum Balkan blicken, denn dort sind derzeit die Störzonen der Europäischen Union, nicht nur wegen der politischen Instabilität, sondern auch wegen unserer gegenseitigen Abhängigkeit von der Energie und Wirtschaftstätigkeit.

Zum Schluss sprachen Sie aufgrund der kurzen Redezeit über die fünfte Freizügigkeit – den freien Wissensaustausch. Dieses Wissen kann uns die Instrumente an die Hand geben, die wir jetzt brauchen, um Fortschritte in den Bereichen Innovation, Forschung und Fähigkeiten zu erzielen. Unter Berücksichtigung Ihrer eigenen Geschichte – individuell und als Land – des Totalitarismus, der Freiheit und der Größe in den Bereichen Bildung und Innovation, blicken wir nun auf Sie in der Erwartung, dass Sie uns den nächsten Schritt weisen, den die Europäische Union nun gehen muss.

Lassen Sie mich mit einem kurzen Zitat von John F. Kennedy schließen, der in seiner Antrittsrede sagte: „Wir stehen heute am Rande einer neuen Grenze. Aber die neue Grenze, von der ich spreche, ist kein Sack voller Versprechungen – sie ist ein Sack voller Herausforderungen“. Ich weiß, dass Sie in der Lage sind, sich diesen Herausforderungen zu stellen.

 
  
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  Monica Frassoni, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Genau in diesem Moment, in dem wir hier diese Debatte führen, werden Bomben auf die Menschen im Gaza-Streifen abgeworfen. Ich denke, dass es unsere höchste Priorität als Abgeordnete des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission sein sollte, dem Bombardement der Menschen in Gaza Einhalt zu gebieten. Meiner Ansicht nach ist dies momentan unsere Pflicht, und zwar unabhängig davon, wer unserer Meinung nach dafür verantwortlich ist und welche unterschiedliche Sichtweisen es in Bezug auf diesen Punkt unter uns gibt. Ich muss sagen, dass unsere Fraktion, die Grünen/EFA-Fraktion, eine recht klare Idee hierüber haben, auf die wir heute Nachmittag näher eingehen werden.

Herr Präsident, Sie haben Ihren Vortrag damit begonnen, über mittelalterliche Zeiten zu sprechen, ein Zeitalter, das von Gewalt geprägt war und uns fremd und dunkel erscheint, abgesehen von ein paar Lichtpunkten, aber mit Sicherheit war es rau und dunkel. In der Tat kommt es uns so vor, ungeachtet der Anstrengungen Ihrer Koalitionspartner, dass das Programm für diese sechs Monate stark von einer etwas altmodischen Sichtweise geprägt ist, sagen wir, von der Sichtweise eines Konformisten und einem vom Geschäft und dem Markt dominierten extremen Laissez-Faire-Ansatz, der heute aus der Mode gekommen ist, Herr Präsident.

Ich denke auch, dass es ein wenig indifferent in Bezug auf die Notwendigkeit von Politiken, Gesetzen und Instrumenten für soziale Themen ist, mit denen auf die tatsächlichen Bedürfnisse der Bürger eingegangen wird. Zudem scheint es hinsichtlich der Umweltpolitik zur Bekämpfung des Klimawandels, die als Kostenpunkt oder Hindernis betrachtet wird statt als große Chance für Innovation und nachhaltiges Wachstum, etwas aus der Spur geraten zu sein. Wenn Sie mir das erlauben, tendiert es sogar etwas zum Machismus, indem gesagt wird, dass die Notwendigkeit zur Überprüfung der Ziele von Barcelona hinsichtlich der Kinderbetreuungsstrukturen besteht, natürlich mit dem Hintergedanken, die Frauen wieder an Heim und Herd zu binden.

Es ist ferner ein Programm, das Migranten ausschließlich als Sicherheitsproblem ansieht, das an der NATO festhält und nicht an Multilateralismus interessiert ist, das noch immer mit dem Raketenabwehrschild liebäugelt, und dessen Schwerpunkt nicht wirklich auf dem liegt, was für uns in der Außenpolitik wichtig ist, nämlich der Kohäsion, der Kohäsion unserer Union.

Des Weiteren sind wir nicht wirklich zufrieden mit der Tatsache, dass ein so wichtiger Bereich wie die Bekämpfung der Kriminalität noch nicht einmal erwähnt wurde. Was diesen Punkt anbelangt, möchte ich gerne wissen, welche Priorität Sie der Annahme der Richtlinie gegen die Diskriminierung beimessen. Zusammenfassend ist dies ein Programm, das auf eine Welt voller Gefahren mit wenigen Chancen hinweist.

Sie haben über Ihre Vermittlungsarbeit im Gaskonflikt zwischen Russland und der Ukraine gesprochen, aber aus Ihrem Programm geht klar und deutlich hervor, dass während Ihres Vorsitzes keine klaren Maßnahmen gegen Länder wie die Slowakische Republik und Bulgarien unternommen werden, die die Gelegenheit, die ihnen die Gaskrise bot, nutzen, gefährliche und veraltete Atomkraftwerke wieder in Betrieb zu nehmen. Herr Präsident, bitte erinnern Sie sich auch daran, dass es keine sichere Atomkraft gibt; vielleicht wird das in 30, 40, 50 oder 60 Jahren der Fall sein – das kann ich nicht sagen – aber momentan gibt es das nicht. Daher lohnt es sich nicht, darüber zu diskutieren, denn dies ist ein sehr teures Trugbild, das uns sicherlich von unseren tatsächlichen Prioritäten ablenken würde.

Energiesicherheit und Solidarität können durch entschlossene Maßnahmen erreicht werden, aber nicht durch Ablenkungen, indem Energieeffizienz und -einsparung gefördert werden. Dies ist ein enormes Feld für Innovation, Beschäftigung und Konsumeinschränkung. Es ist der Fahrplan, dem wir folgen sollten, um unter anderem auf den Gaskrieg zu reagieren. Wir möchten Sie um etwas Bestimmtes bitten, Herr Präsident; bitte überzeugen Sie Ihre Kollegen, die Erreichung einer bindenden Zusage bezüglich des Ziels der 20 %igen Energieeinsparung bis 2020 zum Kernthema des Frühjahrsgipfels des Europäischen Rates zu machen. Es ist im Energiepaket des vergangenen Jahres fast untergegangen. Außerdem möchten wir Sie bitten, Ihre Prioritäten durch eine weniger oberflächliche Beurteilung der im vergangenen Dezember gefassten Beschlüsse zu den erneuerbaren Energien zu überprüfen.

Herr Präsident, ein letztes Wort zur Zukunft Europas: der Vertrag von Lissabon ist nicht perfekt, aber es ist wirklich kurios, dass Sie ihn noch nicht ratifiziert haben. Nutzen Sie doch daher diese Gelegenheit, uns den Grund hierfür zu erklären und uns zu sagen, wann Sie gedenken, dies zu tun.

(Beifall)

 
  
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  Miloslav Ransdorf, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (CS) Der amtierende Präsident des Rates hat über unsere komplexe Geschichte gesprochen. Ich bin der Ansicht, dass die tschechische Präsidentschaft eine Gelegenheit für uns darstellt, dazu beizutragen, die existierende Teilung Europas in West und Ost zu überwinden. In seinem Roman Schweik hat Jaroslav Hašek einst ein Wortspiel gemacht, ein deutsch-ungarisches Wortspiel: kelet oszt, nyugat veszti, was frei übersetzt bedeutet, dass der Osten gibt und der Westen nimmt. Dementsprechend hat sich die Geschichte entwickelt. Ich glaube, dass wir nun die Chance dazu haben, hier einen Schlusspunkt zu setzen. Ich denke, dass uns die tschechische Präsidentschaft auch eine Gelegenheit dazu bietet, uns von unseren eigenen Dogmen und Vorurteilen zu befreien. Als Beispiel für solche Dogmen möchte ich den jüngsten Artikel von Václav Klaus anführen, in dem er uns rät, dass wir zur Überwindung der Finanzkrise die Sozial-, Umwelt- und Gesundheitsstandards vorübergehend aufweichen sollten, da diese Standards wie er sagt ein rationales menschliches Verhalten behindern. Ich würde sagen, dass das Gegenteil zutrifft und dass die tschechische Präsidentschaft dazu beitragen sollte sicherzustellen, dass wir eine von sozialen und ökologischen Grundsätzen geleitete Wirtschaft haben, also eine Wirtschaft, die durch soziale und ökologische Faktoren angetrieben wird. Ich möchte an dieser Stelle anmerken, dass ich mit Ministerpräsident Topolánek in einer Sache einig bin: wir müssen darauf vertrauen, dass uns der Innovationsfluss aus der Krise herausbringt, und wie Richard Florida schon sagte, müssen wir eine kreative Klasse schaffen, die dazu beitragen wird, dass sich unsere Wirtschaft aus der Sackgasse befreien kann.

Ich will sagen, dass wir alle Mut zur Veränderung brauchen. Stefan George, der große deutsche Literat, sagte einst: „Herr der Zukunft ist, wer sich wandeln kann'“. Ich hoffe, dass wir imstande sein werden, uns zu ändern, auch bezüglich unserer sklavischen Abhängigkeit von der Vergangenheit, dass wir die Teilung zwischen Ost- und Westeuropa überwinden und ein einheitliches Europa bilden können, das frei von Komplexen hinsichtlich der Überlegenheit der Vereinigten Staaten oder anderer ist. Abschließend möchte ich herausstellen, dass ich, wenngleich die Rede von Herrn Ministerpräsident Topolánek mit noblen Absichten, Beschlüssen und Zielen gespickt war und es für die tschechische Präsidentschaft durchaus richtig and angemessen ist, ehrgeizige Projekte anzuführen, dazu eine skeptische Anmerkung in Form eines Sinnspruchs des polnischen Satirikers Jerzy Lec habe, der sagte, dass eine heilige Pilgerreise nicht verhindern kann, dass Ihre Füße schwitzen.

 
  
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  Vladimír Železný, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (CS) Herr amtierender Ratspräsident! Kein Land hat seine Präsidentschaft unter so negativen Vorzeichen begonnen und war Gegenstand so vieler düsterer Vorhersagen wie die Tschechische Republik. Insbesondere die französische Presse hat ein sehr schwarzes Bild gezeichnet, als sie die Sturmwolken heraufbeschwörte, die sich über der bemitleidenswerten Union zusammenzogen, weil sie nun nicht mehr von einem so fähigen Vorsitzenden wie dem französischen Präsidenten angeführt wird, sondern stattdessen von einer Bande von Tschechen übernommen wurde.

Von Tschechen, die so dreist waren, den Vertrag von Lissabon nicht zu ratifizieren, in dessen Rahmen ein paar große Länder dauerhaft die Entscheidungsmacht an sich reißen werden. Was noch schlimmer ist, diese Tschechen haben einen beliebten Präsidenten mit einem unangenehm scharfen Verstand, der nicht nur dem Vertrag von Lissabon die Stirn bietet, sondern auch die Aufmerksamkeit kompetent auf das sich immer stärker ausweitende Demokratiedefizit in der Union lenkt. Es war eben so ein Defizit, das vor zwanzig Jahren dazu geführt hat, dass wir den Sozialismus in unserem Land über Bord geworfen haben.

Gerade die tschechische Präsidentschaft verfolgt immer wieder aufgeschobene Ziele und hat sensible Themen zu ihren Prioritäten gemacht, und sie wird sehr erfolgreich sein. Wünschen wir ihr das Beste und geben wir ihr unsere Unterstützung trotz des peinlichen Geschreis der tschechischen Sozialisten, die seit Langem die Vaterlandsliebe gegen den proletarischen Internationalismus eingetauscht haben und heute auf Anweisung ihrer sozialistischen Anführer in boshafter Weise versuchen, die tschechische Präsidentschaft zu destabilisieren. Das ist mir völlig gleichgültig!

Das Komplott besteht darin, dass die tschechische Präsidentschaft zeigen soll, dass die kleinen Länder unbeholfen sind und dass es an der Zeit ist, die Zügel der Union mithilfe des Vertrags von Lissabon dauerhaft an die großen, fähigen und erfahrenen Länder zu übergeben. Das macht diese Präsidentschaft so wichtig. Sie wird beweisen, dass auch kleinere Länder in der Lage sind, die EU zu leiten. Was sie von den großen Ländern unterscheidet, ist der Umstand, dass sie nicht größenwahnsinnig und selbstgefällig sind und der PR-Hysterie unterliegen, dass ihre Präsidenten keine zügellose Hyperaktivität an den Tag legen und dass sie nicht ständig mit nicht vorhandenen Errungenschaften prahlen.

Ich wünsche Herrn Ministerpräsident Topolánek, dem stellvertretenden Ministerpräsident Vondra und dem Rest des Teams aus ganzem Herzen viel Erfolg. Dies wird mehr als nur der Erfolg meines eigenen Landes sein; es wird der Erfolg eines kleinen und neuen Landes sein. Das ist die wichtige Botschaft an die EU. Sehen Sie, wir haben auch in einem anderen Bereich Erfahrung. Während die größten EU-Länder stets eine vorhersehbare Demokratie gehabt haben und deshalb nur gelernt haben, mit Standardsituationen umzugehen, haben wir ein halbes Jahrhundert lang unter einem stark vom Standard abweichenden totalitären Regime gelebt. Dies hat uns gelehrt, für vom Standard abweichende Situationen kreative Lösungen zu finden, was uns sehr zugute kommen wird.

 
  
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  Jana Bobošíková (NI). (CS) Herr amtierender Ratspräsident der Europäischen Union, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin stolz über die Gewandtheit und das entschlossene Handeln, das die tschechische Präsidentschaft beim Thema der Gasversorgung an EU-Länder bewiesen hat. Ich würde mich auch freuen, wenn der amtierende Ratspräsident Mirek Topolánek in den Gesprächen über die Zukunft der EU, das heißt, über den Vertrag von Lissabon, dieselbe Entschlossenheit zeigen könnte, wie wir dies bei den Gasverhandlungen mit Vladimir Putin und Julia Tymoschenko gesehen haben.

Es sollte der Ehrgeiz des amtierenden Ratspräsidenten sein, die Rolle eines Gruppenleiters zu spielen, nicht nur die eines Bewahrers. Herr amtierender Ratspräsident, Sie haben die einmalige Chance, unter Beweis zu stellen, dass alle Länder ungeachtet ihrer Größe in der Europäischen Union gleichwertige Partner sind. Wenn Sie Ihre Nerven behalten, Herr Topolánek, werden Sie Geschichte schreiben.

Sie haben die Gelegenheit und die Macht erhalten, nach dem Referendum in Irland öffentlich zu verkünden, dass der Vertrag von Lissabon gestorben ist und dass er uns in eine Sackgasse geführt hat. Sie sind in der Position, die Schaffung eines neuen, visionären Dokuments vorzuschlagen, das die Interessen der einzelnen EU-Mitgliedstaaten auf einen gemeinsamen Nenner bringt und die Unterstützung der Bürger in Referenden gewinnen wird. Es gibt keine Notwendigkeit dafür, den Vertrag von Lissabon blind zu unterstützen, der die undemokratische Macht der Beamten stärkt und das Versagen der europäischen Elite, eine Einigung zu erzielen überspielt, insbesondere auch ihre Abneigung, sich den Bürgern gegenüber zu rechtfertigen.

Herr Topolánek, Sie vertreten hier ein Land, dem es im letzten Jahrhundert gelungen ist, sich vom österreichisch-ungarischen Kaiserreich zu befreien, das den Münchner Verrat überlebt und dem Schrecken der Nazizeit widerstanden hat. Sie vertreten ein Land, dessen Bürger sich gegen die Invasion der Truppen des Warschauer Pakts gewehrt hat. Sie vertreten ein Land, das 40 Jahre lang unter dem Daumen der Sowjetunion war, das unvermeidlich unter dem Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe in die geplante Armut abrutschte und das das totalitäre Regime unblutig abschüttelte.

Ich weigere mich zu glauben, dass Sie als Ministerpräsident eines Landes mit einer derartigen historischen Erfahrung wirklich wollen, dass Beschlüsse über die Sozialpolitik, Energie, Steuern, Recht und Sicherheit anderswo getroffen werden als in den einzelnen Mitgliedstaaten. Ich glaube nicht, dass Sie wirklich wollen, dass die ausschließlichen Zuständigkeiten der Union über den Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten stehen. Ich glaube nicht, dass Sie wollen, dass die Union in den Schutz und die Verbesserung der Volksgesundheit, der Industrie, der Kultur, des Tourismus, der Bildung oder des Sports eingreift. Ich glaube nicht, dass Sie den Umstand begrüßen, dass der Vertrag von Lissabon in mehr als fünfzig Bereichen das Recht auf ein nationales Veto abgeschafft und das Abstimmungsgewicht kleinerer Staaten, darunter auch das der Tschechischen Republik, beschnitten wird.

Herr amtierender Ratspräsident und Ministerpräsident der Tschechischen Republik, haben Sie den Mut, den anderen 26 Staatsoberhäuptern mitzuteilen, was Sie privat bei sich zuhause sagen. Sagen Sie, dass der Vertrag von Lissabon nicht gut ist und dass Sie ihn ablehnen. Tun Sie dies im Namen von Demokratie und Freiheit. Dies wird Ihnen sicher nicht den Beifall der so genannten „Europäischen Elite“, der Beamten der Kommission und der Mehrheit dieses Parlaments einbringen. Aber Sie werden die Bewunderung und den Respekt der Bürger ernten, die hier leicht vergessen werden, und Sie werden Ihr Prestige in Ihrem eigenen Land aufpolieren. Sie haben den Vorsitz über 450 Millionen Bürger, nicht nur über ein paar Politiker und Beamte.

In der Tschechischen Republik beziehen Sie sich auf den Vertrag von Lissabon häufig als ein notwendiges Übel. Was macht denn dieses Übel so notwendig? Überzeugen Sie sich nicht länger selbst davon, dass der Vertrag von Lissabon ein notwendiges Übel ist. Er ist nun einmal übel, und Sie können das ändern. Veranlassen Sie die Arbeit an einem neuen Dokument, beziehen Sie sich zur Inspirierung auf die Römischen Verträge und das Abschlussdokument der Konferenz von Messina und fördern Sie die gemeinsamen Interessen der Europäischen Union. Das heißt, Freiheit, Wohlstand, Wettbewerbsfähigkeit und Sicherheit, nicht Europagesundheit, Europasteuern, Europaparks und Europabier.

Herr Topolánek, das notwendige Übel ist eine feige Ausrede. Sie sind kein Feigling, oder zumindest hoffe ich das nicht. Sie haben die Unterstützung durch das irische Referendum, Sie habe 55 % der tschechischen Bürger hinter sich, die gegen den Vertrag von Lissabon sind, und sie können sich auf die einflussreiche Stimme des tschechischen Präsidenten Václav Klaus verlassen. Ich bin sicher, Sie wissen, dass die größte Feigheit darin besteht, zu wissen, was getan werden sollte, es aber nicht zu tun.

 
  
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  Mirek Topolánek, amtierender Präsident des Rates. − (CS) Vielen Dank für all Ihre Fragen und Kommentare zu meinem Vortrag. In der Tschechischen Republik haben wir auch ein Parlament, und wir sind daran gewöhnt, dass es viele verschiedene Meinungen gibt, weshalb mich einige der hier vorgetragenen Ansichten nicht überrascht haben, wenngleich ich mich ihnen nicht voll anschließen kann. Allerdings möchte ich gerne zu Beginn wiederholen – und ich sage dies zur Beantwortung einer ganzen Reihe von Fragen – dass ich meine Aufgabe hier darin sehe, der Präsident des Europäischen Rates zu sein, und während diesen sechs Monaten beabsichtige ich nicht, meine persönlichen oder parteipolitischen Interessen vorne anzustellen; aber ich denke, ich muss auf eine Sache antworten, denn sie betrifft mich persönlich. Es geht um die äußerst harschen Worte zum tschechischen Präsidenten Václav Klaus, ein Präsident, der sich bei den Bürgern Europas einen Namen gemacht hat, was meines Erachtens gut ist, und ich bin stolz darauf. Václav Klaus ist die Ikone der tschechischen Transformation in den 1990er Jahren, und es ist, wie ich hinzufügen möchte, ihm zu verdanken, dass wir heute erfolgreich sind und diese ersten zehn Jahre gut überstanden haben. Ich bin stolz auf die Tatsache, dass wir sicher durch die Samtene Revolution kamen, stolz darauf, dass wir die russischen Truppen 1991 aus unserem Land getrieben haben, dass wir 1999 der NATO und 2004 der Europäischen Union beigetreten sind, und dass wir im vergangenen Jahr die Schranken zwischen den EU-Ländern beseitigt haben und nun ohne Reisepass und Beschränkungen von Lissabon nach Vilnius reisen können. Ich bin stolz darauf, daran beteiligt gewesen zu sein, und dass ich heute hier stehe, und ich kann es kaum glauben, dass die Tschechische Republik nun die Präsidentschaft einer Gemeinschaft innehat, die eine Bevölkerung von knapp einer halben Milliarde und 27 Länder umfasst. Wenn die Europäische Union die Fähigkeit verlieren sollte – lassen wir einmal die Frage der Regulierung und Vereinheitlichung beiseite – freie öffentliche Diskussionen zu führen, und wenn sie versucht, auch diese Diskussion zu vereinheitlichen, dann ist das nicht meine Europäische Union. Wenn wir die Fähigkeit verlieren sollten, unsere Meinungen frei zu äußern, führt dies direkt in eine Katastrophe, und ich lehne die Angriffe auf Václav Klaus strikt ab. Er hat die einmalige Möglichkeit, seine Ansichten in diese vereinheitlichte und meines Erachtens überkorrekte Diskussion einzubringen und damit für frischen Wind zu sorgen. Eine freie Diskussion sollte künftig etwas sein, worauf die Europäische Union stolz sein kann, und sie sollte nie eingeschränkt werden.

Was den Vertrag von Lissabon anbelangt – der einer Erwähnung meinerseits verdient – ich würde sagen, es ist im Wesentlichen ein durchschnittlicher Vertrag. Er ist etwas schlechter als der Vertrag von Nizza und etwas besser als der darauf folgende. Das ist meine persönliche Meinung dazu. Ich habe diesen Vertrag im Auftrag der Tschechischen Republik ausgehandelt. Wir haben ihn im Parlament abgesegnet, ich habe ihn unterzeichnet und werde im Parlament für ihn stimmen. Aber einmal mehr erscheint mir der Gedanke absurd, dass wir den einzelnen Mitgliedstaaten im Voraus vorschreiben sollen, dass sie ein Dokument ratifizieren müssen, dass sie kein nationales Recht darauf haben, ihrem eigenen Verfahren zu folgen und dass für sie entschieden wird, ob sie es annehmen sollen. Wir müssen die Institutionen verändern, wir müssen das Funktionieren der europäischen Mechanismen verbessern und wir müssen die Regulierung vereinfachen. Ich bin mir nicht sicher, ob all dies im Vertrag von Lissabon enthalten ist. Jeder von uns hatte eine leicht unterschiedliche Ansicht darüber, wie er aussehen sollte, und für mich, Frau Bobošíková, stellt er einen Kompromiss dar, vielleicht einen sehr komplexen Kompromiss, und ich werde seine Ratifizierung unterstützen.

Zumindest ein paar Worte sollten über die Lage im Nahen Osten und die Haltung Europas zu diesem Konflikt gesagt werden. Seit Langem wird die Europäische Union als „sehr großer Payer, aber nicht als Player“ gesehen. Das heißt, sie hat einen großen Beitrag zu den Investitionen geleistet, darunter humanitäre und entwicklungsfördernde Investitionen in dieser Region, aber ihr Gewicht nicht in die Wagschale des Nahost-Quartetts gelegt und nicht die Verantwortung gezeigt, die eine Beteiligung an diesem Quartett mit sich bringt. Ich denke, die derzeitige Lage gibt der Europäischen Union auch im Hinblick auf die neue amerikanische Regierung eine Gelegenheit, nicht nur Mittel in diese Region zu investieren, sondern auch Initiativen zur Problemlösung einzubringen und sich aktiver zu beteiligen. Ich möchte nicht der Richter der einen oder der anderen Seite sein, denn die Israelis haben ein Recht darauf, sicher und ohne Raketenangriffe zu leben, und ich bin bereits in Sderot und Ashkelon sowie anderen Teilen Israels gewesen. Gleichermaßen haben die Palästinenser momentan das Recht auf Gründung ihres eigenen Staates und auf Etablierung einer funktionierenden Regierung sowie auf ein sicheres und anständiges Leben. Dieser 60-jährige Konflikt hat nichts gelöst. Ich mache mir keine Illusionen darüber, dass wir ihn nun lösen werden; unser kurzfristiges Ziel besteht darin, einen Waffenstillstand und ein Ende der Feindseligkeiten zu erreichen. Ich möchte nicht nur die Rolle der europäischen Verhandlungen und die von Karel Schwarzenberg angeführte Mission erwähnen, die in die Region aufgebrochen ist, sondern natürlich auch die Rolle der Arabischen Staaten in der Region, die positiv war. Dasselbe kann von der Rolle Ägyptens, der Türkei und anderer Länder gesagt werden. Ich denke, dass wir, nachdem bestimmte Bedingungen erfüllt worden sind, darunter ein hartes Durchgreifen beim Waffenschmuggel von Sinai in den Gaza-Streifen, gemeinsam eine Situation erreichen können – innerhalb der globalen Sicherheitsarchitektur oder über die Europäische Union allein oder nur eines Teils dieser globalen Architektur – in der der Konflikt beendet werden könnte, wenngleich ich nicht davon überzeugt bin, dass dies bald geschehen würde.

Was die Fragen zur Energie, der Energiesicherheit, des Klimawandels und der Rolle der Europäischen Union in diesem Prozess anbelangt, sollte es jedem klar sein, dass wenn die Führungsrolle der Europäischen Union beim Thema des Klimawandels – ganz gleich was meine persönlichen Ansichten dazu sind – keine Unterstützung aus der Wirtschaft und von großen Akteuren wie den USA, der Russischen Föderation, Brasilien, Indien und China erhält, diese Initiative der Europäischen Union ein Alleingang, eine Stimme in der Wildnis, und somit auf globaler Ebene wertlos ist. Unsere Aufgabe besteht darin, die anderen Weltmächte und die größten Schadstoffemittenten davon zu überzeugen, unserem Beispiel zu folgen. Darin sehe ich unsere Rolle im ersten Halbjahr dieses Jahres, denn meines Erachtens ist das Klima- und Energiepaket nun unter Dach und Fach und wartet nur noch auf seine Umsetzung, natürlich nachdem es vom Europäischen Parlament abgesegnet worden ist – worauf ich hoffe. Die gesamte Frage des Energiemixes ist zum Teil überideologisiert und überpolitisiert, und meiner Ansicht nach sollte die Europäische Union diesbezüglich einen äußerst praktischen und pragmatischen Ansatz verfolgen und sich auf die kurz-, mittel- und langfristigen Ziele sowie die kurz-, mittel- und langfristigen Mittel zur Erreichung derselben konzentrieren. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Länder, die zu 90 % von der kohlebasierten Produktion abhängen, wie Polen, in der Lage sind, diese Abhängigkeit innerhalb von fünfzehn bis zwanzig Jahren vollständig zu beseitigen. Natürlich müssen wir in neue Kohletechnologien investieren, „saubere Kohletechnologien“, sowie in eine Optimierung der Werkseffizienz, denn wir können diese Abhängigkeit nicht einseitig und schnell verringern. Wir müssen darüber diskutieren, in Innovation investieren und natürlich den Energiemix allmählich in die Richtungen anpassen, über die wir hier sprechen – in anderen Worten, in Richtung eines besseren Umweltschutzes, einer geringeren Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen und natürlich einer sicheren und relativ günstigen Energieversorgung, so dass Europa wettbewerbsfähig bleiben kann und in der Lage ist, weltweit zu konkurrieren. Die gesamte russisch-ukrainische Krise ist nicht nur eine Vertrauenskrise, sondern eine Krise, bei der kommerzielle, wirtschaftliche, politische, geopolitische und strategische Interessen eine Rolle spielen. Es ist ein vielschichtiges Problem, und ich möchte mit Sicherheit nicht der Richter sein, der feststellt, wer momentan und auf kurze Sicht der Schuldige ist, denn für uns, die Europäische Union und die europäischen Länder tragen beide, Russland und die Ukraine, Verantwortung dafür. Russland liefert kein Gas und die Ukraine blockiert den Gastransit. In dieser Angelegenheit müssen wir unseren Einfluss in der Region geltend machen und nach Wegen zur kurzfristigen Lösung dieses Problems suchen, Mittel- bis langfristig müssen wir die Energiequellen und die Transitstrecken diversifizieren und den Verbund von Strom- und Gasnetzen in der Europäischen Union sicherstellen, so dass wir erreichen können, was uns bislang nicht gelungen ist: Solidarität und die Umsetzung von Krisennotplänen. Ich möchte ja nicht schwarz malen, aber die Krise ist noch nicht überwunden, und die Lage in der Slowakischen Republik, Bulgarien und den Balkanländern ist äußerst ernst und kritisch.

Basierend auf meinen Notizen darüber, was von Vertretern der einzelnen Fraktionen gesagt wurde, bin ich in keiner Weise damit einverstanden, dass unsere Agenda zu liberal oder zu konservativ sei. Unsere Agenda ergibt sich aus den langfristigen Zielen und der langfristigen Tagesordnung der Europäischen Union, und es hat sich bereits in den allerersten Tagen des neuen Jahres gezeigt, dass der tschechische Beitrag dazu, die tschechische Note, gut durchdacht war, denn unser Schwerpunkt auf Energiesicherheit kann uns unerwartet und nicht zu früh zu einigen sehr gründlichen, tief gehenden Gesprächen darüber führen, wie man die Unabhängigkeit und Freiheit der Europäischen Union sicherstellen kann, was eine Unabhängigkeit bzw. eine geringere Abhängigkeit von Energieimporten und -quellen außerhalb der Europäischen Union voraussetzt.

Es wurden hier Fragen in Bezug auf die Antidiskriminierungsrichtlinie, die Barcelona-Ziele und den geringen Schwerpunkt auf soziale Themen gestellt. Ich sehe dies nicht so. Natürlich haben wir versucht, diese grundlegenden Ziele auf eine eher symbolische Form zu reduzieren, denn wir unterschätzen weder die Antidiskriminierungsfrage noch die Frage des Schutzes von Frauen. Ich versichere Ihnen, dass wir durchaus über sehr umfangreiche Erfahrungen mit Kindern verfügen, die in diversen Betreuungseinrichtungen leben müssen, und für uns ist es entscheidend, dass Frauen und Familien eine Wahl haben sollten: dass sie in der Lage sein sollten, zu wählen, ob sie sich zu gegebener Zeit eine Kinderbetreuung suchen, und wir wollen die vielfältigsten Mechanismen schaffen, um dies möglich zu machen, so dass die Familie nicht in eine soziale Notlage gezwungen wird. Gleichermaßen ist es wichtig, dass es eine geeignete Auswahl an Kinderbetreuungseinrichtungen geben sollte, und glauben Sie mir, ein Land wie die Tschechische Republik hat in Zeiten des Totalitarismus viel einschlägige Erfahrung damit gesammelt, als dieses Prinzip eher zwangsweise durchgesetzt wurde.

Ich denke, das ist wahrscheinlich alles, was ich einleitend hierzu sagen muss. Wenn es etwas gibt, woran es den Tschechen nicht mangelt, ist es Selbstbewusstsein, deshalb möchte ich abschließend gerne sagen, dass wir nicht im geringsten unter einem Minderwertigkeitskomplex leiden, denn die Tschechische Republik ist das kleinste der großen Länder oder das größte der kleinen Länder. Wir sind das zwölftgrößte Land in der Europäischen Union. Ich möchte Sie einfach daran erinnern, dass als die schwedische Präsidentschaft den Vorsitz im Jahr 2001 übernahm, die Artikel in der Presse genau dieselben waren wie im November und Dezember in den europäischen Medien. Es wurde daran gezweifelt, dass die europaskeptischen Schweden, die den Euro nicht haben und ihn auch nicht wollen, imstande sein würden, das Thema der Einheitswährung anzugehen, ob sie Diskussionen über die Ratifizierung des Vertrags von Nizza leiten könnten und ob sie als neues Land überhaupt in der Lage sein würden, die Europäische Union anzuführen. Wenn wir nun den Vertrag von Nizza durch den Vertrag von Lissabon ersetzen und Schweden durch die Tschechische Republik, sehen diese Artikel genau gleich aus. Wir haben diesbezüglich keinen Minderwertigkeitskomplex.

 
  
  

VORSITZ: FRAU KRATSA-TSAGAROPOULOU
Vizepräsidentin

 
  
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  Jan Zahradil (PPE-DE).(CS) Herr amtierender Ratspräsident! Ich möchte mit dem tschechischen Thema fortfahren, das hier losgetreten worden ist. Was wir beobachten, ist etwas, was Sie selbst angeführt und eingeräumt und was Sie in Ihrem Vortrag betont haben, nämlich den Umstand, dass die Wahlen zum Europäischen Parlament schnell näher rücken und Sie wahrscheinlich eine Reihe von Beiträgen sowohl von Tschechen als auch von anderen Abgeordneten zu hören bekommen, die mehr durch die Schaffung einer Wahlkampfatmosphäre beeinflusst sind als durch den Versuch, das Präsidentschaftsprogramm zu beurteilen, das Sie vorgelegt haben.

Ich denke, dass die tschechische Regierung in den ersten Tagen des tschechischen Vorsitzes mit einer Prüfung beispiellosen Umfangs konfrontiert worden ist und dass sie diese Prüfung mit Bravour bestanden hat. Ich bin sehr froh, dass einige meiner Kolleginnen und Kollegen dies hier angesprochen haben. Es hat sich auch gezeigt, dass die 3 E, die drei Prioritäten Wirtschaft, Energie und Außenpolitik, richtigerweise als tschechische Prioritäten erkannt worden sind, denn die Ereignisse, mit denen das Jahr begann – der Konflikt im Gaza-Streifen und die Krise im Zusammenhang mit der Gasvorsorgung Europas – können zumindest zwei diesen drei Prioritäten zugeordnet werden. Eine Tatsache, die wir zuvor versäumt haben, offen zuzugeben, ist auch klar zutage getreten, nämlich dass die Energiesicherheit ein essentielles Schlüsselthema für die Zukunft der Europäischen Union ist und wichtiger ist als alles andere, ich wage zu behaupten, sogar wichtiger als der Vertrag von Lissabon, da uns dieser weder mit Licht noch mit Wärme versorgen wird. Die Energiesicherheit ist ein Thema für mehr als eine Präsidentschaft, mit dem wir uns viele Jahre lang werden befassen müssen. Es ist eine große Herausforderung und eine große Ehre für die Tschechische Republik, bei diesem Thema Fortschritte erzielen zu können. Gleichzeitig zeigt es auf, wie alle 3 E miteinander verbunden sind, denn die Energiesicherheit hat Auswirkungen auf die Wirtschaft, die die ersten Beeinträchtigungen stets als erstes zu spüren bekommt, und auf die Außenpolitik, da wir die Energiesicherheit Europas und die Versorgungsvielfalt ohne eine Östliche Partnerschaft, eine Nachbarschaftspolitik oder eine erneute Erweiterung der Europäischen Union, zum Beispiel um die Türkei, nicht gewährleisten können.

Ich denke, dass sich die Tschechische Republik dieser Aufgabe widmen, diese Debatte weiterführen und der tschechischen Präsidentschaft und der Leitung der EU ihren unverwechselbaren Stempel aufdrücken wird. Ich wünsche uns allen diesbezüglich jeden erdenklichen Erfolg.

 
  
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  Libor Rouček (PSE).(CS) Herr Ministerpräsident Topolánek, Herr Präsident Barroso, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kenne niemanden in diesem Parlament, keinen Abgeordneten, der nicht möchte, dass die tschechische Präsidentschaft ein Erfolg wird. Die Europäer im Osten, Westen, Norden und Süden, im so genannten alten und neuen Europa, wünschen der Europäischen Union und der tschechischen Präsidentschaft viel Erfolg. Man braucht gar nicht erst zu erwähnen, dass die Abgeordneten dieses Parlaments ungeachtet ihrer Fraktion, Sozialdemokraten, Konservative, Liberale oder Grüne, dieselbe Hoffnung haben. Bedauerlicherweise, und ich wiederhole dies nochmals, bedauerlicherweise gibt es jedoch gewisse Ängste und Zweifel in der europäischen Öffentlichkeit und selbst in diesem Parlament darüber, ob die Tschechische Republik imstande sein wird, den Vorsitz erfolgreich zu führen. Hierfür gibt es mehrere Gründe.

Der erste Grund ist die Instabilität innerhalb der Regierungskoalition der Tschechischen Republik. Meine Kolleginnen und Kollegen halten es zum Beispiel für unbegreiflich, dass gleich zu Beginn der Präsidentschaft Minister ersetzt worden sind und es zu einer Regierungsumbildung gekommen ist. Wie können neue Minister, wie die Minister für Transport und regionale Entwicklung, die keine Erfahrung mit der Europapolitik haben, erfolgreich mit der europäischen Tagesordnung umgehen und den Vorsitz des Europäischen Rats führen? Auch können meine Kolleginnen und Kollegen nicht verstehen, warum sich zum Beispiel die Christdemokraten, die derzeit in der Tschechischen Republik an der Macht sind und um ihr Überleben kämpfen, dafür entschlossen haben, ihren Wahlkongress während der tschechischen Präsidentschaft abzuhalten.

Auch die Beziehung zwischen der Regierung und dem tschechischen Präsidenten haben eine Reihe von Fragen aufgeworfen, wie wir bereits gehört haben. Ich hätte gerne eine klare Antwort darauf, ob die tschechische Präsidentschaft oder die tschechische Regierung die Ansichten des Präsidenten Václav Klaus teilt, der den Vertrag von Lissabon ablehnt, die globale Erwärmung leugnet und behauptet, die derzeitige Finanz- und Wirtschaftskrise sei durch Überregulierung und die bestehende Sozial- und Umweltpolitik verursacht worden.

Es gibt ferner ernste Gründe für Zweifel in Bezug darauf, ob Sie Ihre Hausaufgaben gemacht haben und ihr Ende letzten Jahres gegebenes Versprechen gegenüber Kanzlerin Merkel und Präsident Sarkozy einhalten werden, dass die tschechische Regierung als Land, das den Vorsitz führt, den Vertrag von Lissabon ratifizieren wird. Herr Ministerpräsident, ich bitte Sie um eine klare Aussage dazu, wann der Vertrag in der Tschechischen Republik ratifiziert wird. Des Weiteren hätte ich gerne eine klare Aussage dazu, weshalb die Ratifizierung des Vertrags von der Ratifizierung bilateraler Abkommen mit den Vereinigten Staaten über das Radarthema und einem Gesetz abhängig gemacht worden ist, das die Beziehungen zwischen den beiden Kammern des tschechischen Parlaments regelt.

Der Vertrag von Lissabon ist, wie wir hier gehört haben, ein absolutes Muss. Wir brauchen ihn unter anderem, um die tschechischen Prioritäten erfüllen zu können. Diese Prioritäten sind meines Erachtens richtig, aber um in der Lage zu sein, diese künftig weiter zu verfolgen, zum Beispiel im Hinblick auf die Energiesicherheit und eine wichtigere Rolle Europas in der Außenpolitik, brauchen wir eine engere Zusammenarbeit, und demzufolge brauchen wir den Vertrag von Lissabon.

Abschließend wünsche ich der tschechischen Präsidentschaft alles Gute und viel Erfolg. Dies liegt im Interesse der Tschechischen Republik und der Europäischen Union.

 
  
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  Silvana Koch-Mehrin (ALDE).(DE) Frau Präsidentin, Herr Ratspräsident! Sechs Monate Sarkozy liegen hinter der Europäischen Union mit Drama, Dynamik und Deklarationen. Und nun übernehmen Sie, Herr Präsident, mit einem Humor, an den man sich vielleicht etwas gewöhnen muss. Ich hoffe darauf, dass Sie ein konstruktiver und produktiver Ratspräsident sein werden, denn auf die EU kommen gigantische Aufgaben zu. Sie selbst haben über den Krieg zwischen Israel und der Hamas gesprochen, über die Wirtschaftskrise, und natürlich geht es auch um interne Fragen, also den Lissabon-Vertrag.

Aber lassen Sie mich einen Aspekt Ihrer Rede herausgreifen: die Energiesicherheit. Sie haben die fundamentale Bedeutung hervorgehoben. Ich stimme Ihnen zu: Energie ist das Grundnahrungsmittel der modernen Gesellschaft. Unser Lebensstil, unsere Wirtschaft, unsere weitere Entwicklung hängen davon ab. Wir dürfen nicht von Energielieferungen abhängig sein. Wir brauchen eine gute Mischung aus unterschiedlichen Energiequellen, um unabhängig zu sein.

Deshalb hoffe ich darauf, dass Sie mit Ihrer offenen und zupackenden Art die europäischen Partner zu einer neuen Diskussion um die Atomenergie bewegen können und vor allem der deutschen Regierung Mut machen, den Atomausstieg wieder zurückzunehmen. Es ist ein Gebot der Sicherheit für unseren Kontinent.

Es gibt viel zu tun. Das ist Ihre Chance, Europa nach vorne zu bringen. Ich danke Ihnen und vertraue auf eine gute Zusammenarbeit.

 
  
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  Konrad Szymański (UEN). - (PL) Frau Präsidentin, amtierender Ratspräsident! Es gibt nur einen Maßstab, an dem die von Ihrer Regierung gewählte tschechische Präsidentschaft gemessen werden wird, und das ist angesichts der dramatischen Ereignisse der vergangenen Wochen die Energiepolitik der Europäischen Union.

Heute ist eine neue Runde des Energiestreits zwischen Russland und Europa zu Ende gegangen, aber wir haben nach wie vor keine systematische Garantie und keinen politischen Rahmen zur Vermeidung ähnlicher Probleme in der Zukunft. Nach den Energiekrisen von 2004, 2006 und 2008 ist es höchste Zeit, dass die Europäische Union die Diversifizierung nicht nur der Energieversorgung, sondern auch der Energiequellen selbst, die wir so dringend brauchen, in Angriff nimmt. Aus diesem Grund erwarte ich von der tschechischen Präsidentschaft, dass sie frische Schritte zur Sicherung der finanziellen Unterstützung für die Nabucco-Gaspipeline und eine energischere Energiepolitik in Zentralasien unternimmt. In diesem Zusammenhang erwarte ich ferner, dass die Nordpipeline von der Prioritätenliste der Europäischen Kommission gestrichen wird, denn sollten diese Maßnahmen nicht ergriffen werden, haben wir im nächsten Winter dieselben Probleme erneut.

 
  
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  Claude Turmes (Verts/ALE). – (FR) Frau Präsidentin! Die Glaubwürdigkeit Europas steht und fällt mit der Energiefrage. Herr Barroso, vielen Dank dafür, dass Sie heute Morgen Klartext geredet haben.

Der Zirkus, den Gazprom und Naftogaz jetzt seit zwei, drei, vier, fünf Tagen veranstaltet, ist einfach unglaublich! Von nun an müssen wir klipp und klar sagen, „Leute, es reicht!“ Dafür müssen wir aber an einem Strang ziehen. Vielen Dank für die gute Koordination! Aber kann mir an dieser Stelle jemand erklären, was mit diesen Reisen des slowakischen und des bulgarischen Ministerpräsidenten nach Moskau bezweckt werden soll? Allein das zeigt doch schon, dass wir nicht geschlossen handeln. Erklären Sie mir doch bitte, warum diese beiden Herren dort hinreisen.

Als nächstes denke ich, dass die Kommission eine wichtige Rolle spielen muss: Wir brauchen Notfallpläne für Gas. Zuallererst müssen wir die Erdgas-Sicherheitsrichtlinie überarbeiten. Andernfalls hat die Europäische Kommission nicht genug politische Macht, um zu handeln. Wir brauchen eine Koordinierung auf europäischer Ebene. Zweitens brauchen wir einen Dringlichkeitsplan für die Gasinfrastruktur in Mittel- und Osteuropa, für den die verfügbaren Mittel eingesetzt werden.

Drittens müssen wir die Konjunkturerholung in Europa mit einem umfassenden Energieinvestitionsplan koppeln. Die Hauptpriorität haben die Gebäude in Osteuropa. Es ist ein Skandal, dass ein so geringer Teil des Strukturfonds in etwas Nützliches investiert wird! Anstatt Stadien für Europameisterschaften zu bauen, würde ich es vorziehen, das Geld für unsere Bürger zu investieren – in Gebäude, Wärmeisolierungen und erneuerbare Energien.

Abschließend möchte ich anmerken, dass wir stärker von der Atomenergie abhängig sind als vom Erdgas. Wir importieren 99 % unserer Kernbrennstoffe! Hören Sie endlich damit auf, die Kernkraft mit Unabhängigkeit zu verbinden! Frau Koch-Mehrin, Sie machen sich ja lächerlich, wenn Sie dies behaupten.

 
  
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  Jiří Maštálka (GUE/NGL).(CS) Herr Ministerpräsident, geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin mir ziemlich sicher, dass es in diesem Saal niemanden gibt, der die tschechische Präsidentschaft um die Bedingungen beneidet, die vorherrschten, als sie den Vorsitz der Europäischen Gemeinschaft übernahm. Herr Premierminister, einer der wichtigsten Slogans, die Sie für Ihre Präsidentschaft ausgewählt haben, ist ein Europa ohne Schranken. Dieser Slogan kann auf unterschiedliche Weise interpretiert werden, abhängig von der politischen und persönlichen Erfahrung jedes Einzelnen. Persönlich glaube ich, dass er nicht anders verstanden werden kann als eine weitere Liberalisierung der Finanz- und Marktmechanismen. Ich sehe ihn als eine Herausforderung, das europäische Sozialmodell, auf das Europa wirklich stolz sein kann, genauer zu definieren. Ich denke hier nicht einfach an die Chance, bedeutungslose Hindernisse aus dem Weg zu räumen oder an die Beschäftigungsprognosen. Ich sehe diese Gelegenheit als eine Chance, den mobilen Arbeitnehmern glaubwürdige Garantien der Gleichbehandlung zu geben. Dazu können beispielsweise positive Entwicklungen beim ungelösten Thema der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung während der tschechischen Präsidentschaft gehören.

Wenn Europa keine Schranken haben soll, wäre es gut, nicht gleich zu Beginn neue zu schaffen. Europa bezieht sich nicht nur auf die Europäische Gemeinschaft, es umfasst auch unsere Nachbarn, die nicht nur geografisch, sondern auch historisch zu Europa gehören. Ich würde gerne Ihre Meinung zu diesem Thema erfahren und auch gerne wissen, wie die Strategie aussieht, die die Präsidentschaft gegenüber unseren Nachbarn entlang den Grenzen der Europäischen Union verfolgen will. Ich denke dabei in erster Linie an Serbien und das sensible Thema des Kosovo, aber auch speziell an Moldawien, das viele positive Schritte hin zu engeren Beziehungen mit der Europäischen Gemeinschaft unternommen hat. Meines Erachtens beinhaltet die Nichtschaffung von Schranken auch eine entschlossene, aber europäische Politik gegenüber Russland und China. Wir müssen auch eine ausgewogene Beziehung mit diesen Ländern anstreben, insbesondere, wenn es um europäische Interessen geht.

Ein Europa ohne Schranken bedeutet auch, der Tatsache ernsthaft Aufmerksamkeit zu schenken, dass es in der EU zahlreiche Minderheiten gibt. Dazu gehört eine Minderheit, über die wir nur sehr widerwillig in diesem Parlament sprechen: die so genannten Nichtbürger in einigen Staaten der Europäischen Union. Wesentlich für das Angehen dieser Themen ist unter anderem die Einführung einer neuen Politik bzw. in anderen Worten die Beseitigung der Politik der Doppelstandards. Sie haben gesagt, dass Freiheit und die Entscheidungsfindung von fundamentaler Bedeutung sind. Geben Sie doch bitte den Bürgern Ihres eigenen Landes die Chance, in einem Referendum über den Vertrag von Lissabon und den Standort für die US-amerikanische Radaranlage zu entscheiden. Dies würde Ihren Worten eine größere Glaubwürdigkeit verleihen.

 
  
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  Philippe de Villiers (IND/DEM). – (FR) Frau Präsidentin! Im Namen meiner Fraktion der Unabhängigkeit und Demokratie begrüße ich die tschechische Präsidentschaft und erweise ihr meinen Respekt. Wir haben große Hochachtung vor ihr, denn das tschechische Volk hat schon viel Elend erlebt und ist daher besser in der Lage als viele von uns, den Wert und die Bedeutung des Begriffs Freiheit zu verstehen. Ich möchte ihr gegenüber auch meine Hoffnungen zum Ausdruck bringen. Herr Topolánek, Herr Klaus, Sie stellen zwei Hoffnungsträger für uns dar: das Hören auf die Stimme des Volkes bedeutet sicherzustellen, dass das Referendum zum Vertrag von Lissabon in ganz Europa respektiert wird, und den Menschen ihre Freiheit zurückzugeben, indem sie von der Brüsseler Bürokratie befreit werden, die uns überschwemmt. Heute werden immer mehr von uns, den Völkern Europas, zu Europakritikern.

 
  
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  Frank Vanhecke (NI). - (NL) Frau Präsidentin! Da ich nur eine Minute Redezeit habe, kann ich nur an die tschechische Präsidentschaft plädieren, uns dabei zu helfen sicherzustellen, dass die europäischen Institutionen die Demokratie respektieren. In einer Demokratie trifft das Volk die Entscheidungen. Bezeichnenderweise wurde der Vertrag von Lissabon, der auch als Europäische Verfassung bekannt ist, in den Ländern, in denen die Menschen die Möglichkeit erhielten, ihre Meinung zum Ausdruck zu bringen – in Frankreich, den Niederlanden und Irland – in den Papierkorb geworfen. Ich hoffe, dass sich die neue Präsidentschaft noch mehr auf die Seite der Bürger und der Freiheit stellt, und nicht, wie wir es von den meisten Präsidentschaften gewohnt sind, auf die Seite der arroganten Eurokraten.

Dann ist da noch das Thema der Türkei. Die große Mehrheit der Europäer lehnt den Beitritt eines nichteuropäischen Staates zu unserer Union ab. Aber auch hier setzen die Eurokraten ihren eigenen Willen durch, weshalb wir auf die Unterstützung der tschechischen Präsidentschaft angewiesen sind. Angesichts des Umstands, dass die Tschechische Republik vor nicht allzu langer Zeit eine Diktatur abgeschüttelt hat, könnte sich Ihre Präsidentschaft in den kommenden sechs Monaten als Verfechter für Demokratie und Freiheit erweisen, wenn Sie es wagen, den Wünschen der EU-Elite die Stirn zu bieten.

 
  
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  Timothy Kirkhope (PPE-DE). - Frau Präsidentin! Ich begrüße Herrn Premierminister Topolánek im Europäischen Parlament, und ich weiß aus früheren Gesprächen, dass Europa in den kommenden sechs Monaten in sehr guten Händen ist. Es ist ein historischer Moment für die Tschechische Republik – einer, bei dem Sie Ihre politischen Fähigkeiten einbringen.

Das Programm der tschechischen Präsidentschaft sieht einige wichtige Prioritäten vor: die drei „E“, Energie, wirtschaftliche Verbesserung und Europas Rolle in der Welt. Schon zu Beginn Ihres Vorsitzes sind Sie mit erheblichen Herausforderungen konfrontiert worden. Sie sind in Moskau und Kiew gewesen, und Sie arbeiten hart daran, die Erdgaslieferungen in die europäischen Länder wieder in Gang zu bringen. Sie haben bislang große diplomatische Fähigkeiten bei den Verhandlungen mit Russland und der Ukraine gezeigt, aber es ist entscheidend, dass die russische Regierung versteht, dass die Geiselnahme von einzelnen Ländern keine Option ist, Geschäfte in der modernen Welt zu tätigen. Sie haben bislang den Weg für die EU geebnet, und ich gratuliere Ihnen dazu, wie auch zu Ihrer Arbeit an der Lösung der derzeitigen Krise im Nahen Osten zur Erreichung eines glaubhaften Waffenstillstands, der die Wiederaufnahme von Friedensgesprächen ermöglicht.

Die Wirtschaftskrise ist in Ihrer Tagesordnung weiterhin oben angesiedelt. Sie unterstützen sensible Maßnahmen, um dafür zu sorgen, dass der Konjunkturabschwung abgebremst wird. Sie haben sich klar dazu geäußert, wie wichtig es ist, dass Europa und die Mitgliedstaaten keine neuen und umfassenden Regulierungen auf europäischer oder nationaler Ebene durchführen. Sie haben von der Mobilisierung der Länder gesprochen, die Ihre liberale Wirtschaftsprognose teilen, um sich momentan gegen Protektionismus auszusprechen. Wir müssen sicherstellen, dass die Regulierungsanpassungen verhältnismäßig und angemessen sind.

Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass wir binnen einer Woche einen neuen US-Präsidenten im Weißen Haus haben werden. Ich weiß, dass wir uns darauf verlassen können, Herr Ministerpräsident, dass Sie gute Arbeitsbeziehungen mit dem gewählten Präsidenten Obama aufbauen werden. Mir ist bekannt, dass Sie meine Ansicht darüber teilen, dass die Zukunft des transatlantischen Bündnisses für unsere Sicherheit und unseren Wohlstand von entscheidender Bedeutung ist. Ich wünsche Ihnen jeden erdenklichen Erfolg. Zum Schluss ein Zitat von Winston Churchill aus seiner letzten großen Rede im britischen Unterhaus: „Never flinch; never weary; never despair“ (niemals zurückweichen, niemals müde werden, niemals verzweifeln). Viel Glück.

 
  
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  Kristian Vigenin (PSE). - Frau Präsidentin! Wir müssen zugeben, dass die tschechische Präsidentschaft einen schwierigen Start hatte. In diesem Zusammenhang möchte ich die sich zuspitzende Wirtschaftskrise, die brutale Militäroperation Israels und die bislang größten Krisen im Hinblick auf die europäische Gasversorgung nennen.

Ihr Handeln wird sich zudem aufgrund der steigenden politischen Spannungen durch die Kampagnen für die Europawahlen zunehmend schwieriger gestalten. Das Ende Ihrer Präsidentschaft wird durch die Wahl von 532 neuen Abgeordneten geprägt sein. Ich unterstreiche diese Zahl, weil im Vertrag von Lissabon eine andere Zahl vorgesehen ist. Ich denke, dass die Ratifizierung des Vertrags und sein Inkrafttreten in Ihrer Tagesordnung sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene höher angesiedelt sein sollten.

Es mag aussehen, als hätten Sie Pech, die EU in solch einer Situation zu leiten, aber jede Krise ist auch eine Chance. Nutzen Sie diese Chancen. Machen Sie die EU im Nahen Osten aktiver, sichtbarer und glaubwürdiger. Versuchen Sie, eine verantwortungsvollere Energie- und Energieversorgungspolitik zu erarbeiten. Tun Sie mehr dafür, die europäische Wirtschaft wieder auf Kurs zu bringen und gleichzeitig die Arbeitsplätze der Menschen zu erhalten. Herr Topolánek, ich würde gerne sehen, dass eine Präsidentschaft eines neuen Mitgliedstaats von Erfolg gekrönt ist. Das liegt speziell in Ihrer Verantwortung. Es wird unter Beweis stellen, dass die Neuzugänge nicht nur imstande sind, zu folgen, sondern auch zu leiten.

Die Hauptvoraussetzung für den Erfolg ist das Zusammenbringen aller 27 Mitgliedstaaten und unter ihnen eine Einigung über Politiken und Handlungen zu erreichen. Dies wird nicht gelingen, wenn sich Ihr eigenes Land nicht geschlossen zeigt. Die widersprüchlichen Aussagen der diversen tschechischen Institute schaden Ihren Erfolgsaussichten, also bitte tun Sie Ihr Bestes, um allen internen politischen Spielchen Einhalt zu gebieten. Es ist nicht leicht, sich kurz vor den Wahlen zu behaupten, aber Sie können dem Vorbild Sloweniens folgen. Die zweite Voraussetzung besteht darin, die Unterstützung der wichtigsten politischen Fraktionen in diesem Parlament zu erhalten. Sie müssen in den kommenden sechs Monaten Ihre eigene politische Richtung außen vor lassen und einen breiten Dialog führen. Das ist etwas, was Sie von der französischen Präsidentschaft lernen können.

Abschließend möchte ich die Aufmerksamkeit auf die Zunahme des Extremismus, des Antisemitismus und der Fremdenfeindlichkeit in Europa lenken. Auch die Tschechische Republik ist von diesem Trend betroffen. Ich bitte Sie, dieses Thema in Ihrer Tagesordnung hoch anzusiedeln, insbesondere im Hinblick auf die bevorstehenden Europawahlen. Ich wünsche Ihnen jeden erdenklichen Erfolg.

 
  
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  Adina-Ioana Vălean (ALDE). - Frau Präsidentin! Ich möchte dem amtierenden Ratspräsidenten für sein heutiges Kommen und die Vorstellung des Programms der tschechischen Präsidentschaft danken. Allerdings möchte ich die Aufmerksamkeit auf einige Themen lenken, von denen ich hoffe, dass sich Ihre Präsidentschaft damit befassen kann.

Zunächst haben Sie „Europa ohne Schranken“ als Motto gewählt. Dem schließe ich mich voll und ganz an. Es sollte sich insbesondere für die europäischen Bürger bewahrheiten, die ein Recht darauf haben, sich innerhalb der EU frei zu bewegen und am Ort ihrer Wahl zu wohnen. Ich bin die Berichterstatterin des Antrags in Bezug auf die Freizügigkeitsrichtlinie. Bedauerlicherweise scheint es, dass Ihr Motto von Seiten der nationalen Behörden in Gefahr ist. Die Kommission hat kürzlich einen sehr enttäuschenden Bericht über die Umsetzung dieser Richtlinie veröffentlicht. Angesichts der ungeeigneten Umsetzung dieser Richtlinie durch die Mitgliedstaaten hoffe ich, dass Sie diesem Thema ein größeres Gewicht geben als es in Ihrem Programm im Bereich Freiheit und Sicherheit vorgesehen ist.

Zweitens haben Sie neben einigen einschüchternden Themen, denen Sie sich während Ihrer Präsidentschaft stellen müssen – darunter die sich fortsetzende globale Finanzkrise und Sorgen in Bezug auf die Energiesicherheit – auch eine große legislative Last zu tragen. Daher vertraue ich darauf, dass Sie alle erforderlichen Mittel einsetzen werden, um die zahlreichen ausstehenden Berichte vor Ablauf des parlamentarischen Mandats angemessen abschließen zu können. Insbesondere erwarten die europäischen Bürger Preissenkungen bei Telefonaten, SMS und Daten-Roaming. Ich hoffe, dass Sie Ihr Versprechen einhalten und in erster Lesung eine Einigung bezüglich meines Roaming-II-Berichts erzielen werden. Vielen Dank. Ich wünsche Ihnen alles Gute für Ihre Präsidentschaft.

 
  
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  Mario Borghezio (UEN).(IT) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich heiße die tschechische Präsidentschaft herzlich willkommen und hoffe, dass es ihr gelingen wird, Europa von dem sinnlosen Wortgerangel in Brüssel wegzubringen und stattdessen aktiv gegen den schmachvollen Menschenhandel mit illegalen Einwanderern vorzugehen, der im Mittelmeerraum stattfindet.

Unser Innenminister Maroni hat bei einem kürzlichen Treffen der Innenminister von Zypern, Griechenland, Italien und Malta endlich versucht, Europa wachzurütteln. Es ist an der Zeit, dass Europa die Ernsthaftigkeit der Lage im Mittelmeerraum begreift: Wir haben einen Menschenhandel mit illegalen Einwanderern und einen Drogenhandel von Afrika nach Asien. Die tschechische Präsidentschaft muss sich mit der dringenden Notwendigkeit spezifischer Maßnahmen befassen, mit denen die Innenminister angewiesen werden, Rückführungsabkommen mit den Nicht-EU-Ländern abzuschließen, aus denen diese illegalen Einwanderer kommen.

Wir müssen die von Frontex ergriffene Initiative verstärken, die jedoch mit den geeigneten Instrumenten und Mitteln koordiniert werden muss, und Europa muss begreifen, dass eine solche Initiative nur dann effizient sein kann, wenn sie von Politiken zur Rückführung der illegalen Einwanderer und Mitteln für Länder wie das meine begleitet wird, die illegale Einwanderer aufnehmen müssen. Herr amtierender Ratspräsident, fahren Sie doch einmal nach Lampedusa und sehen Sie selbst, wie ernst das Problem ist. Wir werden zum Zentrum der Bekämpfung des Drogenhandels im Mittelmeerraum – eine Schande, von der wir uns befreien müssen. Reisen Sie in Ihrer Eigenschaft als Politiker nach Lampedusa, und kehren Sie danach als Tourist zur schönsten Mittelmeerinsel zurück!

(Beifall)

 
  
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  Milan Horáček (Verts/ALE). -  (DE) Frau Präsidentin, Herr Barroso, pane premiére Topolánku, zdravím české předsednictví! Aus Prag für die deutschen Grünen ins Europäische Parlament gewählt, freue ich mich besonders, dass Tschechien für die nächsten sechs Monate den Ratsvorsitz innehat. Ich bin vor über 40 Jahren nach der Okkupation der Tschechoslowakei ins politische Exil nach Deutschland gegangen, und es ist für mich immer noch ein Wunder, dass wir jetzt in Tschechien und Zentraleuropa in Freiheit den Aufbau der Demokratie und die Achtung der Menschenrechte vorantreiben können.

Die aktuelle politische, ökonomische und ökologische Entwicklung würde für jede Ratspräsidentschaft eine große Herausforderung bedeuten. Aber diese, glaube ich, wird sie bewältigen. Ich wünsche nicht nur Tschechien, sondern auch uns das Beste für diese Präsidentschaft.

(Beifall)

 
  
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  Adamos Adamou (GUE/NGL). - (EL) Herr Präsident der Kommission, Herr amtierender Ratspräsident! Zu den Prioritäten Ihrer Präsidentschaft gehört Folgendes: Damit die Europäische Union auf internationaler Ebene handeln kann, muss sie ihre Sicherheit mit einer strategischen Zusammenarbeit mit der ΝΑΤΟ verbinden und ihre eigene Verteidigungsfδhigkeit zur Ergδnzung der NATO aufbauen.

Die Bόrger fragen sich, wer die Europδische Union in dem Maί bedroht, dass sie ihre Sicherheit mit der NATO verbinden muss. Im Gegensatz dazu stellt die von Israel verfolgte Strategie eine sichtbare Bedrohung der Europδischen Union dar, die Strategie des Krieges, die die Europäische Union nicht rundheraus verurteilt und in Bezug auf die sie keine Sanktionen verhängt hat, wie dies in anderen Situationen der Fall war.

Des Weiteren sagen Sie, dass Sie eine Wirtschaft ohne Grenzen wollen und dass eine übermäßige Regulierung sowie eine Zunahme des Protektionismus vermieden werden sollte. Sind das die Lektionen, die wir als Europäische Union aus der Wirtschaftskrise gelernt haben? Kein Schutz für die Schwachen und Marktspekulation? Es überrascht daher kaum, dass die Bürger mit der Politik der Europäischen Union die Geduld verlieren. Das Euro-Barometer, das wir immer ignorieren, sagt viel darüber aus.

Was heute aktuell ist und was die Massendemonstrationen fordern, ist die Notwendigkeit einer Friedenspolitik. Man darf sich nicht durch Neutralität mitschuldig machen. Die Reaktionen und die Proteste der Basis sind ein eklatanter Beweis für das Bedürfnis nach Gerechtigkeit sowie nach einer politischen Kontrolle des Markts und der Rohstoffpreise, die es jedem Staat ermöglichen wird, die soziale Rolle zu übernehmen, die ihm seine Bürger zuweisen, ohne die dogmatischen Beschränkungen des Stabilitätspakts.

 
  
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  Kathy Sinnott (IND/DEM). - Frau Präsidentin! Ich möchte den amtierenden Ratspräsidenten begrüßen und ihm alles Gute für seinen Vorsitz und sein Team wünschen.

Als irische Abgeordnete möchte ich der tschechischen Regierung und dem tschechischen Volk danken. Als mein Volk in einem Referendum gegen den Vertrag von Lissabon stimmte, erklärte lediglich die tschechische Vertretung, dass sie das irische Votum respektiere. In einem Umfeld der Missachtung des französischen, niederländischen und irischen Votums – und von den Völkern, die nicht abstimmen durften – wurde dieser Respekt sehr begrüßt.

Respekt ist eine wertvolle und notwendige Haltung. In Europa sind wir vielen Krisen ausgesetzt. Sie haben ein ehrgeiziges Programm zusammengestellt, um mit ihnen umzugehen. Ein solches Programm erfordert Respekt unter den Mitgliedstaaten. Es erfordert ferner Respekt für die Völker dieser Mitgliedstaaten, damit wir auf Erfolg hoffen können.

Ich bin von dem Respekt beeindruckt, den Sie Ihrem Volk erwiesen haben, indem Sie eingeräumt haben, dass es wie die Iren den Vertrag von Lissabon wahrscheinlich ebenfalls abgelehnt hätte, wenn es die Möglichkeit dazu gehabt hätte. Ein solcher Respekt wirft ein gutes Licht auf Ihre Präsidentschaft und auf Europa.

 
  
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  Hartmut Nassauer (PPE-DE).(DE) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Vielleicht haben Sie, Herr Ratspräsident Topolánek, gar nicht mit einer solch freundlichen und wohlwollenden Aufnahme im Europäischen Parlament gerechnet. Aber die tschechische Ratspräsidentschaft ist ein Ereignis mit einem Hauch von Historie. In meinem politischen Leben gibt es zwei herausragende Ereignisse, einmal die Wiedererlangung der deutschen Einheit und zum anderen die europäische Wiedervereinigung nach zwei blutigen europäischen Bürgerkriegen im letzten Jahrhundert. Dass Tschechien heute die Präsidentschaft im Europäischen Parlament vertritt, ist Ausdruck des unglaublichen historischen Wandels, dessen Zeugen wir sind und für den wir dankbar sein können. Ich sichere Ihnen die Unterstützung der EVP-ED-Fraktion zu, ohne Vorbehalte, ohne Skepsis.

Zu Recht haben Sie den Bogen mit Karl IV. beginnen lassen, der nicht nur einer der ersten Architekten eines transeuropäischen Verkehrsnetzes war, sondern auch der Gründer einer der ältesten und bedeutendsten europäischen Universitäten und damit Exponent eines europäischen Universalismus, der uns Europäer möglicherweise mindestens ebenso sehr prägt wie die Verträge, die wir abgeschlossen haben. Sie stoßen bei uns auf Zustimmung, ungeachtet der ein oder anderen euroskeptischen Äußerung, die wir aus Ihrem Land kennen. Wir in der EVP sind ganz entschiedene Europäer – daran besteht kein Zweifel –, aber gerade deswegen sind wir in der Lage, europäische Fehlentwicklungen zu erkennen und dazu beizutragen, sie zu korrigieren. Zur Korrektur von europäischen Fehlentwicklungen ist der Lissabon-Vertrag ein exzellentes Instrument. Deswegen möchte ich die Erwartungen hier zum Ausdruck bringen, dass Sie als Ratspräsident zum Inkrafttreten dieses Vertrags beitragen und dass Ihr Land diesen Vertrag möglichst rasch ratifiziert.

 
  
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  Enrique Barón Crespo (PSE).(ES) Frau Präsidentin, Herr amtierender Ratspräsident, Herr Präsident der Kommission, geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte die tschechische Präsidentschaft genauso herzlich begrüßen wie damals im Jahr 1991, als ich mich in meiner Eigenschaft als Präsident des Europäischen Parlaments an den Senat der ehemaligen Tschechoslowakei wandte, um ihm den Beitritt zu unserer Gemeinschaft anzubieten. Meines Erachtens ist diese großartige Generation der tschechischen und slowakischen Bürger in einer Person verkörpert, die in Europa und weltweit sehr respektiert wird. Ich spreche natürlich vom Präsidenten Václav Havel.

Ich habe zwei Anmerkungen und Fragen an den amtierenden Ratspräsidenten. Sie haben die Entscheidung getroffen – und ich bin froh, dass Sie über ein Europa der Regeln sprechen – die Ratifizierung des Vertrags von Lissabon der Ratifizierung des Raketenabwehrschilds unterzuordnen. Viele von uns glauben, dass dies nicht der richtige Weg ist, aber Sie haben die Entscheidung getroffen, Ihr eigenes Land etwas unterzuordnen, das wir gemeinsam behandeln müssen. Eine Tatsache lässt sich jedoch nicht ignorieren: Der Gasstreit ist ein politischer Streit. Meiner Ansicht nach wird es für Sie sehr schwierig werden, in dieser Situation eine Ostpolitik zu betreiben. Eines kann ich nicht verstehen: Wenn die Tschechen auf ihre Souveränität und Unabhängigkeit stolz sind, wie können Sie Entscheidungen der Tschechen der irischen Vorgehensweise unterordnen?

Zweitens haben Sie, Herr amtierender Ratspräsident, den Euro nicht erwähnt. Gestern haben wir in diesem Haus den 10. Jahrestag des Euro und den Beitritt Ihrer Schwesterrepublik, der Slowakei, zum Euro-Raum gefeiert. Was werden Sie tun, um den Euro während der tschechischen Präsidentschaft zu verteidigen?

 
  
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  Lena Ek (ALDE). - (SV) Frau Präsidentin, Herr Topolánek, Herr Barroso! Es ist vollkommen richtig, dass wir uns inmitten zweier Krisen befinden: einer Klimakrise und einer Finanzkrise. Nun kommt auch noch eine Energiekrise hinzu. Deswegen ist es wichtig, weiterhin fokussiert zu bleiben. Meine Frage an Herrn Ministerpräsident Topolánek ist daher folgende: Wird die Tschechische Republik sicherstellen, dass die Konjunkturprogramme zur Überwindung der Wirtschaftskrise auch die Klimakrise lösen können?

Immerhin haben wir hier die Gelegenheit, unseren Bürgern sowohl zu einer besseren Umwelt als auch zu neuen Arbeitsplätzen zu verhelfen und unseren Kleinunternehmen unter die Arme zu greifen. Die Geschichte hat uns gelehrt, dass auf jede Finanzkrise neue Technologien folgen. Durch Investitionen in neue umweltfreundliche Technologien wie Fernwärme, Biokraftstoffe, Kraft-Wärme-Kopplung, energieeffiziente Häuser, Solarzellen, intelligente Stromnetze, und so weiter können wir von den Anpassungen profitieren, die erforderlich sind, um mit der Klimabedrohung umzugehen und den Wirtschaftsaufschwung schaffen, den Europa und die Welt brauchen. Eine gleichzeitige Investition in klimaverträgliche Technologien und Beschäftigung wird die sicherheitspolitische Lage in Bezug auf Russland ebenfalls stabilisieren.

Diejenigen, die gegen das Energiepaket und eine umfassende gemeinsame Energiepolitik für Europa waren, werden nun vielleicht verstehen, warum wir so viel Arbeit darauf verwendet haben, dass die EU bei diesen Themen mit einer Stimme spricht. Jedenfalls wissen die frierenden Bürger Europas genau, was getan werden muss. Wir können uns keine Situation leisten wie wir sie in der Nahostkrise hatten, als drei oder vier europäische Delegationen gegeneinander gearbeitet haben.

Daher begrüße ich die tschechische Präsidentschaft und die gut etablierte Zusammenarbeit mit Schweden, dem nächsten Land, das den Vorsitz übernehmen wird. Ich wünsche Ihnen viel Glück.

 
  
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  Ģirts Valdis Kristovskis (UEN).(LV) Liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Barroso, Herr Topolánek! Ich möchte der tschechischen Regierung gegenüber meine Wertschätzung für ihre Entschlossenheit zum Ausdruck bringen, mit der Beurteilung der politischen, moralischen und rechtlichen Aspekte der Verbrechen des kommunistischen Regimes fortzufahren, mit der sie unter der slowenischen Präsidentschaft begonnen hat. Als Folge der Verbrechen des kommunistischen Regimes hat das Gesicht Europas eine abscheuliche Narbe davongetragen. Allerdings geben europäische Politiker unter dem Einfluss der Realpolitik immer noch vor, nichts davon bemerken zu wollen. Das zeigt, dass es Europa angesichts der autoritären Ideologie Russlands nach wie vor an Selbstachtung fehlt. Bedauerlicherweise müssen wir uns, solange die Taten der Nazis als Verbrechen gegen die Menschlichkeit betrachtet, die Verbrechen des kommunistischen Regimes der UdSSR aber entschuldigt werden, der Tatsache stellen, dass Europa und seine historische Wahrheit in seine Ost- und Westhälfte gespalten ist. Die Gasversorgung über die Ukraine ist unterbrochen und russische Panzer passieren die Grenze Georgiens. Europas gemeinsame Werte bleiben also nichts als ein Traum. Ich fordere die tschechische Präsidentschaft dazu auf, die Resolution in der Prager Erklärung umzusetzen.

 
  
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  Jacek Saryusz-Wolski (PPE-DE). - Frau Präsidentin! Dies ist die erste Präsidentschaft eines ehemaligen Ostblocklandes, und wir drücken Ihnen, Herr Ministerpräsident, die Daumen, dass sie von Erfolg gekrönt sein wird.

Sie haben Ihre Präsidentschaft in einem heißen politischen Klima mit eisigem Wind von Seiten der Energiekrise übernommen. Herr Ministerpräsident Topolánek, ich möchte Ihnen zu Ihrem schnellen Handeln und ihrem Engagement zum Finden einer Lösung für die Gaskrise sowie zu der von Ihnen durchgeführten Vermittlung zwischen Russland und der Ukraine gratulieren.

Für zwei der drei Hauptprioritäten der tschechischen Präsidentschaft – Energie und die Östliche Partnerschaft – brauchen wir Gas. Dies ist der Knackpunkt der beiden Prioritäten Ihrer Präsidentschaft. Sie müssen jetzt gleich eine solidarische Notlösung finden. Sie müssen daran arbeiten, dass die Gaslieferungen an 18 Mitgliedstaaten freigegeben werden, deren Bürger und Wirtschaftszweige leiden. Danach müssen Sie nach einer dauerhaften, nachhaltigen und systemischen Lösung suchen, die längerfristig ausgerichtet ist. Wir brauchen Sie zur Entwicklung einer umfangreichen und entschlossenen Strategie.

Ich begrüße auch Ihre Priorität im Hinblick auf die Östliche Partnerschaft, die uns einen geeigneten Rahmen für eine bessere Zusammenarbeit mit unseren Ostpartnern bieten würde, die so nahe an unseren Grenzen angesiedelt sind. Das Europäische Parlament wird sie um seine eigene Dimension ergänzen, indem eine interparlamentarische Versammlung eingerichtet wird, der wir den Namen EURONEST gegeben haben. Diese Partnerschaft würde dazu beitragen, einer weiteren Krise wie die derzeitige vorzubeugen.

Ich bin zuversichtlich, dass die tschechische Präsidentschaft, die sich mit diesen schwierigen Zeiten und dem Krisenmanagement konfrontiert sieht, imstande sein wird, unsere Erwartungen zu erfüllen, und dass wir in sechs Monaten weniger Schranken und ein starkes und sichereres Europa haben werden – bzw. ein angenehmeres Europa, wie man Ihrem Slogan entnehmen kann.

(CS) Machen wir Europa angenehmer! Ich wünsche Ihnen viel Erfolg.

 
  
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  Jo Leinen (PSE).(DE) Frau Präsidentin, Herr Ratspräsident Topolánek! „Europa ohne Schranken“ ist ein gutes Motto, weil es den Kern der europäischen Idee trifft, die Menschen zusammenzubringen. Ich hoffe allerdings auch, dass die Barrieren in einigen Köpfen verschwinden, die immer noch politische, wenn nicht gar ideologische Vorbehalte gegen die Europäische Union haben und die sich deshalb selbst für die Weiterentwicklung der EU, wie sie im Lissabon-Vertrag vorgesehen ist, blockieren. Da ist auch in Ihrem Land noch viel Arbeit zu leisten.

Der Reformvertrag muss kommen. Wie wollen Sie Energiepolitik machen ohne die Grundlage, die im Lissabon-Vertrag dafür vorgesehen ist? Das geht gar nicht. Das kann man für viele andere Politikbereiche auch so sehen. Es ist völlig unzulässig, die Ratifizierung an andere innenpolitische Probleme zu koppeln. Das ist inakzeptabel, denn es geht um einen gemeinsamen Vertrag und nicht um innenpolitische Auseinandersetzungen – Opposition gegen Regierung oder umgekehrt.

Europa ist eine Wertegemeinschaft. Menschenrechte und Rechtsstaat stehen im Vordergrund. Da gibt es auch in Ihrem Land Defizite. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um den Fall Dr. Yekta Uzunoglu zu erwähnen, der seit 14 Jahren für Gerechtigkeit und für Entschädigung kämpft. Sorgen Sie dafür, dass unter Ihrer Präsidentschaft dieser leidige Fall erledigt wird, für den Václav Havel schon in den Hungerstreik getreten ist.

Präsident Sarkozy hat am Ende der französischen Ratspräsidentschaft gesagt, die sechs Monate hätten ihn verändert. Ich wünsche Ihnen, dass auch Sie und einige in der Tschechischen Republik sich durch diese Erfahrung noch verändern können.

 
  
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  Andrew Duff (ALDE). - Frau Präsidentin! Ich möchte dem amtierenden Ratspräsidenten vier Fragen stellen.

Herr amtierender Ratspräsident, wenn Sie, wie Sie sagten, den Vertrag von Lissabon für schlechter halten als den Vertrag von Nizza, warum haben Sie ihn dann unterzeichnet?

Zweitens, würden Sie bitte bestätigen, dass sich die Tschechische Republik nicht dazu verleiten lassen wird, dem irischen Beispiel zu folgen, um zu versuchen, das Lissabon-Paket auseinanderzureißen?

Drittens, sehen Sie keinen Widerspruch darin, hierher zu kommen und ein Loblied auf die Legitimität des Parlaments zu singen, aber gleichzeitig die Unterstützung des Vertrags abzulehnen, der dessen Befugnisse so sehr verstärkt?

Viertens, kann die tschechische Präsidentschaft wirklich Autorität haben, solange die Tschechische Republik den Vertrag nicht ratifiziert?

 
  
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  Bogdan Pęk (UEN). - (PL) Frau Präsidentin, Herr amtierender Ratspräsident! Es ist paradox, dass diese mehrfache Krise, die die Welt, einschließlich Europas, getroffen hat, auch ein großer Verbündeter sein kann, denn diejenigen, die daran gewohnt waren, jedem zu erzählen, wie sie ihr Unternehmen führen sollten, tragen nun die Hauptverantwortung für diese Krise. Sie waren es, die darüber gewaltet und uns hineingezogen haben.

Heute können wir einen frischen Wind in Ihrer Erklärung spüren, weshalb ich der tschechischen Präsidentschaft alles Gute wünsche. Ich möchte Sie gerne an ein historisches Ereignis erinnern, das es zu nutzen gilt. Im Jahr 1618 kam eine unangenehme diplomatische Vertretung der Habsburger nach Hradčany, deren Verhalten ungewohnt arrogant war. Die Tschechen warfen sie buchstäblich aus dem Fenster hinaus, was später als „Fenstersturz“ bekannt wurde. Ich freue mich jetzt auf einen solchen politischen Fenstersturz. Ich wünsche mir, dass Sie alle unehrlichen Berater mit Anstand und Vernunft aus dem Fenster werfen und dass es Ihnen gelingt, in den europäischen Angelegenheiten Fortschritte zu erzielen. Genau das erwarten die Bürger Europas, und Sie werden keinen Erfolg haben, wenn Sie auf diese Scharlatane hören.

 
  
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  Stefano Zappalà (PPE-DE).(IT) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wie immer in Europa durchleben wir wichtige historische Ereignisse, und die sechs Monate der tschechischen Präsidentschaft bilden da sicher keine Ausnahme.

Es gibt viele große Probleme, für die diese Präsidentschaft Lösungen finden muss: darunter für den Vertrag von Lissabon, der noch endgültig angenommen werden muss. Der Weg ist bereits vorgezeichnet worden, aber wir brauchen weitere Impulse, um sicherzustellen, dass sich der Prozess nicht über das laufende Jahr hinaus erstreckt. Die ernste Weltwirtschaftskrise wird weiterhin negative Auswirkungen haben, und es besteht kein Zweifel, dass diese im Laufe des Jahres erheblich sein werden. Es ist zu hoffen, dass die Präsidentschaft den Weg fortsetzt, den die französische Präsidentschaft bereits eingeschlagen hat, so dass der kommende G8-Gipfel unter dem Vorsitz Italiens Ergebnisse bringt, die den Anforderungen Europas gerecht werden.

Europa sieht sich im Hinblick auf die Energieversorgung mit einem ernsten Problem konfrontiert: Das ist eine entscheidende Tatsache, und es scheint ein komplexes Problem zu sein, dessen Lösung nicht einfach ist. Allerdings steht eine Lösung möglicherweise kurz bevor. In jedem Fall sollte die Zukunft im Hinblick auf die Abhängigkeit vieler Staaten, meines Landes eingeschlossen, von solchen Lieferungen garantiert werden.

Die Lage im Gaza-Streifen darf nicht länger toleriert werden. Man sollte nicht mit Terroristen verhandeln, aber die Angriffe auf das israelische Volk müssen ein für alle Mal ein Ende haben, und wir sollten den Tod unschuldiger Zivilisten an der Front eines absurden und leider permanenten Kriegs nicht länger tolerieren.

Das Einwanderungsproblem sollte auf europäischer Ebene gelöst werden, weshalb der Lage bestimmter Staaten mehr Aufmerksamkeit schenken sollten, darunter Italien und Malta, die diesbezüglich erhebliche Probleme haben. Das Zypern-Problem sollte schleunigst angegangen werden, um ein für alle Mal die Beziehungen zwischen Griechenland und der Türkei sowie zwischen Europa und der Türkei zu klären. Die Türkei hofft übrigens noch immer auf einen Beitritt.

Zum Schluss hoffe ich, Sie, Herr Topolánek, immer in dieser Kammer zu sehen. Ich wünsche Ihnen alles Gute für Ihre Arbeit und gratuliere Ihnen dazu, dass Sie nach Ihrer ersten Stellungnahme immer noch hier bei uns sind. Die bisherigen Präsidentschaften haben uns diesbezüglich nicht besonders verwöhnt. Vielen Dank. Das ist ein gutes Zeichen.

 
  
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  Bernard Poignant (PSE). – (FR) Frau Präsidentin, Herr amtierender Ratspräsident! Ich habe von Ihren tschechischen Historikern den Grund erfahren, weshalb Sie den Vertrag von Lissabon nicht ratifiziert haben: Sie sprechen in der Tat von der Magie der Zahl 8, wie in 2008. Diese Zahl zieht sich durch Ihre ganze Geschichte. Sie sagen, dass die Tschechoslowakei 1918 und 1348 Prag gegründet wurde. Sie nennen rund vierzig Beispiele dazu, darunter insbesondere drei schmerzliche aus der jüngeren Vergangenheit: 1938 haben Sie Frankreich und Großbritannien im Stich gelassen, 1948 kam es zu einem Staatsstreich und 1968 rollten sowjetische Panzer durch die Straßen von Prag. Ich kann also verstehen, dass Sie dies 2008 aufgeschoben haben, da sie dachten, die Ratifizierung des Vertrags sei in diesem Jahr gewagt, umso mehr, als einige die begrenzte Souveränität von Herrn Breschnew mit dem Vertrag verglichen. Trotz all seiner Fehler und seiner Vergangenheit ist unser hier anwesender Kollege Barroso nicht Herr Breschnew!

(Gelächter)

Wir sind Teil eines Projekts, das durch seine gemeinsame und freiwillige Souveränität gekennzeichnet ist. Der Vertrag von Lissabon ist nur ein Moment, eine Phase in dieser Geschichte. Ich bitte Sie: 2008 ist vorüber, ratifizieren Sie ihn doch im Jahr 2009!

(Beifall)

 
  
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  Margarita Starkevičiūtė (ALDE). - (LT) Die Tschechische Republik übernimmt die Präsidentschaft der Europäischen Union zu einer Zeit, in der wir darüber debattieren, wie wir die Wirtschaft transformieren können und ob das künftige Modell der Europäischen Union eher sozial oder liberaler ausgerichtet sein wird. Manchmal wird dies sogar als Auseinandersetzung zwischen dem Alten und dem Neuen Europa dargestellt, aber ich denke, die Tschechische Republik wird imstande sein, einen Konsens zu finden, da es wirklich keinen großen Unterschied zwischen diesen beiden Konzepten gibt. Ihr Zusammenkommen ergibt sich aus der Globalisierung und dem multikulturellen wirtschaftlichen Umfeld, das sich noch immer entwickelt. Das Konzept einer „Marktwirtschaft“ wird von manchen Völkern recht unterschiedlich verstanden, was eine Mentalitätsfrage ist. Die ehemaligen Ostblockländer wissen ganz genau, dass das Vorhandensein von Marktinstitutionen und -gesetzen nicht notwendigerweise bedeutet, dass der Markt erfolgreich floriert. Sie müssen der Mentalität und den Erwartungen der Völker entsprechen. Wenngleich wir manchmal versuchen, diese Unterschiede zwischen den Wirtschaftsmodellen für politische Vorteile zu unterstreichen, wird das Hinausschieben der Reform der Wirtschaftspolitik, wenn wir das sich wandelnde multilinguale und multikulturelle Wirtschaftsumfeld berücksichtigen, auf lange Sicht radikalen populistischen Gruppierungen zur Macht verhelfen und für eine langfristige politische Instabilität und ein Zurückbleiben der Wirtschaft sorgen.

 
  
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  Elmar Brok (PPE-DE).(DE) Frau Präsidentin, Herr Ratspräsident, Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte der tschechischen Ratspräsidentschaft zu ihrer Amtsaufnahme gratulieren. Dies ist die erste Ratspräsidentschaft aus einem früheren Land des Warschauer Paktes und von daher auch, wie Herr Nassauer richtig zum Ausdruck gebracht hat, von symbolischer Bedeutung.

In der Frage der Gasverhandlungen, in der Frage der Tätigkeit von Ratspräsident Schwarzenberg im Nahen Osten und vielen anderen Beispielen sieht man, dass die tschechische Ratspräsidentschaft auf die Arbeit, die auf sie wartet, gut vorbereitet ist. Deswegen möchte ich gerade darauf Wert legen, dass das, was als strategisches Konzept im Zusammenhang mit der Energiesicherheit zum Ausdruck gebracht wurde, von großer Bedeutung ist. Gerade an diesem Beispiel wird deutlich, dass es viele Bereiche gibt, bei denen es nicht mehr möglich ist, dass der Nationalstaat allein für die Interessen seiner Bürger sorgt, sondern dass dies nur mit gemeinsamem europäischem Anspruch geht.

Aber, Herr Ratspräsident, die Zuständigkeit für Energie und Energiesicherheit bekommen wir erst durch den Vertrag von Lissabon. Das, was wir jetzt machen, ist koordinierend und nicht verpflichtend. Viele Herausforderungen, die wir in Angriff nehmen müssen, lassen sich erst durch die Handlungsmöglichkeiten des Vertrags von Lissabon – durch die Möglichkeiten einer verstärkten Demokratisierung, nämlich die Stärkung der Rechte des Europäischen Parlaments und die Stärkung der Rechte der nationalen Parlamente – angehen. Aus diesem Grunde habe ich die Vermutung, dass die Verdolmetschung ins Deutsche nicht in Ordnung war, als ich in der deutschen Verdolmetschung hörte, dass Sie zum Ausdruck gebracht hätten, dass der Vertrag von Nizza möglicherweise besser sei als der Vertrag von Lissabon. Sie sollten die deutsche Fassung noch richtig stellen können. Aus diesem Grund heraus sollten wir die Möglichkeit suchen, deutlich zu machen, dass wir die gemeinsamen Herausforderungen mit all den großen Punkten nur über den Vertrag von Lissabon besser bewältigen können. Vielen Dank.

 
  
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  Edite Estrela (PSE).(PT) Herr amtierender Ratspräsident! Sie sprachen von einem Europa der Regeln. Sie sprachen tatsächlich viel über Regeln. Nun, eine der Regeln der Demokratie ist die Erfüllung von Verpflichtungen. Sie haben sich verpflichtet, den Vertrag von Lissabon bis Ende 2008 zu ratifizieren. Das taten Sie nicht, und das war nicht gut. Aus diesem Grund stelle ich Ihnen folgende Frage: „Wann wird die Tschechische Republik den Vertrag von Lissabon nun ratifizieren?“

Sie haben auch über Selbstvertrauen gesprochen. Das kam mir fast wie Arroganz vor. Die tschechische Regierung und ihr Präsident haben jedes Recht, zu sagen und zu tun, was ihnen beliebt, aber sie dürfen nicht vergessen, dass sie Teil der Europäischen Union sind und nun im Namen von knapp 500 Millionen Bürgern und 27 Mitgliedstaaten sprechen.

Deshalb können Sie die Tatsache nicht außer Acht lassen, dass 25 Mitgliedstaaten den Vertrag von Lissabon bereits ratifiziert haben und Irland inzwischen ein zweites Referendum anstrebt. Glücklicherweise weisen die Meinungsumfragen auf eine Mehrheit der Befürworter hin. Die Iren haben verstanden, dass sie in diesem besonders schwierigen internationalen Umfeld der Umstand, dass sie der Europäischen Union und der Eurozone angehören, vor größeren Problemen bewahrt hat.

Nun liegt es an der Tschechischen Republik, zu erklären, wann sie den Vertrag von Lissabon unterzeichnen will. Wie mein Fraktionsvorsitzender, Herr Martin Schulz gesagt hat, ist es in einem Moment, in dem sich Europa mit beispiellosen Herausforderungen konfrontiert sieht, erforderlich, dass Europa mit einer Stimme spricht. Nun, dies wird nur mit dem Vertrag von Lissabon möglich sein.

 
  
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  Marco Cappato (ALDE).(IT) Frau Präsidentin, Herr Topolánek, geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sie haben über die Östliche Partnerschaft gesprochen, Herr Topolánek. Eine Partnerschaft ist eine recht neue Erfindung der Europäischen Union, die es in dem Europa, das die Gründungsväter des Manifests von Ventotene schaffen wollten, oder im Europa der Anfangszeiten nach dem Zweiten Weltkrieg nicht gab. Jenes Europa stellte seinen Nachbarn, einschließlich denen in Mittel- und Osteuropa, einen Beitritt in Aussicht. Europa ist nicht nur deshalb ein Friedensfaktor gewesen, weil es seinen Nachbarn eine Partnerschaft anbot, sondern weil es ihnen Hoffnung auf eine Mitgliedschaft gab, Hoffnung, ein Teil der EU zu werden.

Die französische Präsidentschaft, die der Ihren vorausging, hat hierzu jedoch klar Stellung zum Thema Schranken und der Definition der Grenzen von Europa bezogen, indem sie vor allem der Türkei die Tür vor der Nase zugeschlagen und deutlich gemacht hat, dass die Europäische Union ihre Grenzen dicht machen will. Das Ergebnis dessen ist, dass es um die Europäische Union herum, wo es in den vergangenen Jahrzehnten Hoffnung für Länder wie das Ihre gab, heute stattdessen Kriege und Spannungen im Nahen Osten, den Balkanländern, im Kaukasus, im Uralgebirge und in Maghreb gibt.

Wir, die gewaltfreie Radikale Partei, wollen Sie dazu auffordern, einmal mehr die über die dringende Notwendigkeit nachzudenken, dass sich die Vereinigten Staaten von Europa für neue Beitritte öffnen, für Mitglieder, und sich nicht auf konfuse partnerschaftliche Beziehungen stützen. Eine solche Partnerschaft macht die Durchsetzung von zivilen und politischen Rechten für die Bürger in Europa und an dessen Grenzen – das wichtigste überhaupt – unmöglich.

 
  
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  Gunnar Hökmark (PPE-DE). - Frau Präsidentin! Ich möchte dem amtierenden Ratspräsidenten zu seiner Kompetenz beglückwünschen, die seine Präsidentschaft bereits vielfach unter Beweis gestellt hat.

Viele Schweden haben nach wie vor das Gefühl, dass Prag aufgrund des Erbes der politischen Geografie des vergangenen Jahrhunderts im Osten von Stockholm liegt. Das ist falsch, und Ihre Präsidentschaft, Herr amtierender Ratspräsident, wird die Tschechische Republik wieder an ihren richtigen Platz in unseren mentalen Landkarten rücken – den Platz im Herzen Europas, wie es in der Vergangenheit der Fall war und künftig wieder sein wird.

Ich möchte des Weiteren die Hoffnung zum Ausdruck bringen, dass Sie das Terrain für die schwedische Präsidentschaft gut ebnen werden, vor allem was die Klimathematik und die Wettbewerbsfähigkeit anbelangt, wo es für Sie so wichtig ist, zu zeigen, dass wir die wirtschaftlichen Probleme mit Offenheit, ohne Protektionismus und mit der Dynamik einer offenen Wirtschaft angehen werden, aber auch im Hinblick auf die Energieprobleme, bei denen Sie eine entscheidende Rolle spielen werden, da Sie sich eindeutig in einer sehr guten Position befinden. Die Zeit, in der wir leben, unterstreicht die Notwendigkeit für Reformen und Wandel.

Ich denke, es ist fair zu sagen, dass Solidarität und Sicherheit in Bezug auf Energie bedeutet, dass wir den europäischen Energiebinnenmarkt reformieren und ausbauen müssen. Ohne diese werden wir diversen Gefahren und Versuchen ausgesetzt sein, uns zu spalten und auseinander zu bringen. Ein Ziel sollte darin bestehen, sicherzustellen, dass niemand die Produktion und Lieferung von Gas und Strom gleichzeitig mit dem Vertrieb kontrollieren kann; um dafür zu sorgen, dass wir einen gemeinsamen Markt haben. Wenn das während Ihrer Präsidentschaft erreicht werden kann, wird dies ein strategischer Schritt nach vorn sein, zu dem wir Ihnen hoffentlich nach Ablauf der sechs Monate gratulieren können.

 
  
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  Maria Berger (PSE).(DE) Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Ratspräsident! Gemeinsam mit einigen Kolleginnen und Kollegen, die heute hier im Saal sind, habe ich vor dem Jahr 2004 zu jenen Abgeordneten gehört, die sich als Mitglieder des Gemischten Parlamentarischen Ausschusses in besonderem Maße für die Mitgliedschaft Tschechiens eingesetzt haben. Es ist deshalb heute auch für nichttschechische Abgeordnete ein besonderer Tag, erstmals eine tschechische Präsidentschaft begrüßen zu dürfen. Gerade als österreichische Abgeordnete muss ich auch noch dazusagen, dass es nicht immer sehr populär war, sich in Österreich für einen Beitritt Tschechiens stark zu machen. Wir gehören daher sicher zu jenen, die dem tschechischen Vorsitz besondere Unterstützung anbieten und die ersten Anfangsschwierigkeiten nicht überbewerten wollen. Die doch etwas einseitige erste Stellungnahme zum Gazakonflikt oder auch die Stellungnahme des Staatspräsidenten zu angeblich zu hohen sozialen und ökologischen Standards wurden ja schon genannt. Aus österreichischer Sicht schmerzt uns besonders die verständnisvolle Reaktion auf die Pläne der Slowakei, Bohunice wieder in Betrieb zu nehmen, was eindeutig gegen bestehendes EU-Recht verstoßen würde.

Von dem sehr hervorragenden Philosophen und Schriftsteller Jiří Gruša gibt es eine „Gebrauchsanweisung für Tschechien und Prag“. Ich kann allen Kolleginnen und Kollegen nur empfehlen, diese äußerst humorvolle Lektüre zu genießen. Es gibt noch keine Gebrauchsanleitung für Europa in schriftlicher Form. Sollte es sie je geben, wird jede neue Präsidentschaft gut beraten sein, Unterstützung, die ihr im Europäischen Parlament oder von den Regierungen der Nachbarstaaten angeboten wird, nicht auszuschlagen.

 
  
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  Othmar Karas (PPE-DE).(DE) Frau Präsidentin! Herr Ratspräsident, Sie haben eine besondere Verantwortung. Die tschechische Ratspräsidentschaft hat holprig begonnen, die Kunstpräsentation provoziert und sorgt für Empörung. Aber das ernsthafte Bemühen, nun Tritt zu fassen, die Verantwortung für die gesamte Union wahrzunehmen, ist nicht erst seit heute spürbar. Die Vorbereitungen scheinen gut. In Ihrem Programm setzen Sie die richtigen Schwerpunkte. Wir werden Sie aber danach bewerten, mit welcher Entschlossenheit, welchem persönlichen Einsatz, welcher europäischen Gesinnung und welcher Erfolgsquote Sie diese umsetzen.

Kommissionspräsident Barroso hat gemeint, dass die EU in diesem Halbjahr auf die Probe gestellt wird. Die tschechische Ratspräsidentschaft und die tschechische Regierung stehen auf dem europapolitischen Prüfstand. Wir werden diese Bewährungsproben nur meistern, wenn wir gemeinsam unser Bestes geben. Daher bitte ich Sie auch, damit aufzuhören, die Innenpolitik gegen die Europapolitik auszuspielen oder Ihre Ratspräsidentschaft mit innenpolitischen Fragen zu belasten. Sagen Sie den Bürgerinnen und Bürgern doch deutlich, dass Sie jetzt schon spüren, beim Gaskonflikt, in Gaza, beim Vorgehen der Slowakei bei Bohunice, bei der Finanzkrise, dass Sie mit dem Lissabon-Vertrag Ihre Funktion stärker und besser im Gleichklang mit den anderen europäischen Institutionen ausüben könnten.

Die Europäische Union ist eine Werte- und eine Rechtsgemeinschaft. Ja, wir haben Regeln! Wer diese Regeln nicht einhält, wer Versprechen nicht umsetzt, handelt unsolidarisch. Die Rechts- und Wertegemeinschaft, die politischen Ziele vereinen uns trotz aller Unterschiede.

Daher fordere ich Sie auch auf: Verstecken Sie sich nicht hinter Irland, setzen Sie einen Schritt, ratifizieren Sie den Lissabon-Vertrag vor dem Europatag 2009, noch während Ihrer Ratspräsidentschaft! Wir werden Sie nach Ihren Taten messen und nicht nach den Aussagen Ihres Präsidenten in Tschechien.

 
  
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  Gary Titley (PSE). - Frau Präsidentin! Ich fand es interessant, dass der amtierende Ratspräsident sagte, die Opposition versuche, die tschechische Präsidentschaft zu torpedieren, denn von meinem Platz aus sehe ich, dass das die tschechische Präsidentschaft ganz gut alleine schafft.

Ich habe gehört, die tschechische Präsidentschaft tue alles in ihrer Macht Stehende zur Unterstützung einer Erweiterung der Europäischen Union und des Beitritts Kroatiens. Wenn sie dies tut, warum kann sie dann den Vertrag von Lissabon nicht ratifizieren? Immerhin hat die tschechische Präsidentschaft ihre Einwilligung dazu gegeben, weshalb sie ihren Pflichten auch nachkommen sollte.

Seien wir doch mal ehrlich: ein gelungener Start einer Präsidentschaft war das nicht. Der tschechische Präsident bezeichnet das Klimawandelpaket als törichten Luxus. Der tschechische Finanzminister kommentierte, das Konjunkturprogramm würde an die kommunistische Ära erinnern. Wir haben ein so genanntes Kunstwerk – das bei jedem Anstoß erregt hat, aber insbesondere bei den Bulgaren –und die erste Aussage zur Krise im Gaza-Streifen musste ein paar Stunden später zurückgenommen werden.

Was wir derzeit brauchen ist Führung, und was ich bis jetzt gesehen habe, hat mir gezeigt, dass je frühere wir einen Vollzeitratspräsidenten bekommen, desto besser, denn nur ein kohärentes Handeln Europas wird für Sicherheit in Europa, Einfluss in der Welt und eine Konjunkturerholung sorgen. Wir brauchen endlich Führungskraft.

(Die Präsidentin entzieht dem Redner das Wort.)

 
  
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  Josef Zieleniec (PPE-DE).(CS) Frau Präsidentin! Die tschechische Präsidentschaft verdient Anerkennung für ihre aktive Rolle bei der Schlichtung des Streits über die erneute Aufnahme der tschechischen Gaslieferungen. Allerdings wäre es ein großer Fehler, jetzt die Hände in den Schoß zu legen, ohne die langfristigen Ursachen dieses Problems anzugehen.

Der Ursprung liegt eindeutig im Ehrgeiz Russlands, seinen Einflussbereich in die Ukraine und nach Mitteleuropa auszudehnen. Das Ziel der EU muss daher sein, die Ukraine auf dem Radarschirm der Union zu behalten. Allerdings wird dies nicht möglich sein, solange die Ukraine weiterhin undurchsichtige Transaktionen sponsert und an „Freundschaftspreisen“ festhält, die nicht die echte Marktlage widerspiegeln und die Ukraine weiterhin von Russland abhängig machen.

Zu den Prioritäten der Tschechischen Republik zählen die Energiesicherheit und die Stärkung der Östlichen Partnerschaft. Ein fundamentaler Aspekt dieser Partnerschaft muss darin bestehen, der Ukraine dabei zu helfen, so schnell wie möglich Marktenergiepreise festzulegen, die im Rahmen langfristiger Verträge ausgehandelt werden.

Die Präsidentschaft sollte ferner einen wirksamen Druck auf Kiew ausüben, um undurchsichtige Wirtschaftsstrukturen abzubauen, die die Reformanstrengungen und die Bemühungen zum Aufbau eines Rechtsstaats untergraben. Nur ein starker externer Druck auf die Ukraine und eine aktive Kooperation können dem Land dabei helfen, kurzfristige und oftmals persönliche Interessen zugunsten einer echten Unabhängigkeit von Russland und eines Rechtsstaats aufzugeben, der frei von der allgegenwärtigen Korruption ist. Solange in der Ukraine nicht aufgeräumt wird, können wir nicht erwarten, dass die EU effektiv auf die zunehmend bestimmende Politik Russlands gegenüber Mittel- und Osteuropa reagiert.

Der richtige Moment für den Beginn einer engen Zusammenarbeit zwischen der EU und der Ukraine ist die Zeit unmittelbar nach dem Entschärfen der Gaskrise. Wenn es der tschechischen Präsidentschaft nicht gelingen sollte, im Auftrag der EU einen wirksamen Druck auf die ukrainische Staatsführung auszuüben, werden wir bald nicht nur weitere kalte Tage ohne Gas erleben, was schwere Folgen für die Wirtschaft der Mitgliedstaaten haben wird, sondern vor allem eine gefährliche Verschiebung der geopolitischen Beziehungen in Mittel- und Osteuropa.

 
  
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  Proinsias De Rossa (PSE). - Frau Präsidentin! Wie alle in diesem Parlament wünsche ich der amtierenden tschechischen Präsidentschaft alles Gute. Allerdings bin ich angesichts Ihres beschämenden Kommentars heute Morgen als amtierender Ratspräsident bestürzt, dass Sie den Vertrag von Lissabon für schlechter halten als den Vertrag von Nizza. Das stimmt nicht, es spaltet nur und stellt einen Vertrauensbruch dar. Sie sollten ernsthaft erwägen, Ihre Bemerkungen, die Sie heute Morgen hier in Bezug auf Lissabon gemacht haben, zurückzunehmen.

Wir brauchen die gemeinschaftlichere, demokratischere und wirksamere Union, die uns der Vertrag von Lissabon ermöglicht, um uns den zahlreichen Problemen stellen zu können, von denen jedes einzelne unsere Welt in einen Konflikt stürzen kann. Dazu zählen die Energiesicherheit, der Klimawandel, die Wirtschafts- und Finanzkrise und die diversen Kriege in vielen Regionen. Als amtierender Ratspräsident ist es Ihre Aufgabe, in Europa zu vermitteln und Europa zu leiten, basierend auf unseren gemeinsamen Werten der Solidarität – intern und extern –, einer sozialen Marktwirtschaft, Multilateralismus und der Gleichstellung von Frauen und Männern, was auch den Anspruch von Frauen und Männern auf ein gemeinsames Sorgerecht beinhaltet.

Herr amtierender Ratspräsident, Sie müssen Ihre konservativen und neoliberalen Ansichten in den kommenden sechs Monaten auf Eis legen. Andernfalls werden Sie in diesen sechs Monaten ständig mit diesem Parlament in Konflikt geraten. In Irland wird voraussichtlich im Herbst dieses Jahres ein Referendum über einen überarbeiteten Vertrag von Lissabon abgehalten. Ich werde hart arbeiten, um ein positives Ergebnis für Irland und Europa sicherzustellen. Ihre Bemerkungen heute haben diese Aufgabe sehr erschwert. Sollte das Referendum scheitern, wird es Ihnen die große Mehrheit der Europäer nicht danken.

(Die Präsidentin entzieht dem Redner das Wort.)

 
  
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  Jerzy Buzek (PPE-DE). - (PL) Frau Präsidentin, Herr amtierender Ratspräsident, Herr Präsident der Kommission! Ich möchte dem amtierenden Ratspräsidenten ganz besonders für die Übernahme der Präsidentschaft danken und Ihnen zu den schwierigen, aber erfolgreichen ersten zwei Wochen Ihrer Präsidentschaft gratulieren. Ich verstehe Ihre Worte über die nationale Identität voll und ganz, eine Identität, die wir, die Länder zwischen dem Osten und Westen Europas, erfolgreich aufgebaut haben.

Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auf eine Angelegenheit lenken, die meines Erachtens in diesen sechs Monaten entscheidend sein wird; das dritte Energiepaket. Dieses Paket beschäftigt sich in erster Linie mit dem gemeinsamen Energiemarkt, einer gemeinsamen europäischen Agentur für die Zusammenarbeit der nationalen Regulierungsbehörden, grenzübergreifenden Verbindungen und gemeinsamen Investitionen und damit mit der Integration – in anderen Worten, mit der Energiesolidarität und einer sicheren Energieversorgung.

Zweitens bringt das dritte Energiepaket auch eine Liberalisierung und eine gerechte Regulierung des Zugangs zu Netzen mit sich, das heißt, es wird Wettbewerb auf dem Markt geben, was wiederum zu niedrigeren Kosten, weniger Umweltschäden und günstigeren Energiekosten für Verbraucher und damit auch für die Wirtschaft führt, was zur Überwindung der Krise beitragen wird.

Drittens beinhaltet das dritte Energiepaket gerechte Vorschriften für den Handel mit Ländern außerhalb unserer Märkte, darunter gemeinsame Strategien zur Versorgung der EU-Länder und die Möglichkeit des Transports über Drittländer. Im Zusammenhang mit der Östlichen Partnerschaft und der östlichen Dimension der EU spricht das dritte Energiepaket eindeutig für sich.

Das dritte Energiepaket kann jedem der drei Hauptprioritäten Ihrer Präsidentschaft – Energie, Wirtschaft und die östliche Dimension Europas – zugute kommen. Ich appelliere an Sie, diese Priorität beizubehalten und voll ...

(Die Präsidentin entzieht dem Redner das Wort.)

 
  
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  Jan Andersson (PSE). - (SV) Frau Präsidentin! Auch ich möchte die tschechische Präsidentschaft begrüßen. Während dieser Präsidentschaft werden wir ein geringes Wachstum und steigende Arbeitslosenzahlen haben. Wir befinden uns in einer schwierigen Wirtschaftslage. Ich habe letzte Woche in der Financial Times über die von Präsident Klaus vorgeschlagenen Lösungen gelesen und kann mich diesen in keinerlei Hinsicht anschließen. Er sagt, wir müssen unseren Ehrgeiz in Bezug auf die Umwelt-, Klima- und Sozialpolitik herunterschrauben. Das ist absolut der falsche Weg. Wenn Europa in der Lage sein soll, künftig zu konkurrieren, müssen wir in moderne Umwelttechnologie investieren. Wir müssen in eine moderne Infrastruktur investieren, damit wir eine auf lange Sicht nachhaltige Gesellschaft haben, sowie in eine aktive Klimapolitik. Dies wird für mehr Wachstum und Beschäftigung sorgen.

Bei der Sozialpolitik liegen die Dinge ähnlich. Wir müssen in eine Sozialpolitik mit fairen Arbeitsbedingungen, Gleichbehandlung der Arbeitnehmer, einem guten Arbeitsumfeld, und so weiter investieren. Das bedeutet nicht notwendigerweise ein niedrigeres Wachstum, sondern ein Wachstum, das auf lange Sicht nachhaltiger ist.

Abschließend möchte ich auf die Familienpolitik eingehen. Die Familienpolitik, über die ich in Ihrem Programm gelesen habe, ist altmodisch. Die moderne Familienpolitik baut auf eine gleichwertige Verantwortung von Frauen und Männern für Kinder und Arbeit. In Ihrem Programm schlagen Sie einen vollkommen gegensätzlichen Weg ein.

 
  
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  Rumiana Jeleva (PPE-DE).(BG) Vielen Dank, Frau Präsidentin! Als Abgeordnete aus Bulgarien begrüße ich den Umstand, dass die tschechische Präsidentschaft Energie und Energiesicherheit zu ihren Hauptprioritäten gemacht hat. In den letzten Tagen sind viele EU-Mitgliedstaaten im Streit zwischen der Ukraine und Russland als Geiseln genommen worden. Allein In Bulgarien haben mehr als 160 000 Haushalte keine Heizung gehabt. Leider war die bulgarische Regierung nicht imstande, ihren Bürgern während dieser Krise zu helfen. Bulgarien ist das einzige Land in der EU, das über keine alternativen Gasquellen, -versorger und -reserven verfügt. Wir müssen aus diesem Fall unsere Konsequenzen ziehen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich denke, ich spreche für das gesamte Parlament, wenn ich sage, dass wir nicht zulassen können, dass europäische Bürger den Preis für politische Spielchen unter Ländern zahlen, die ihre Energieressourcen als politische Instrumente einsetzen. Deshalb bin ich der Ansicht, dass wir nachhaltige Lösungen im Energiesektor brauchen. Wir brauchen eine gemeinsame europäische Energiepolitik. Ein wichtiges Element ist in diesem Zusammenhang die Verbesserung der Energieinfrastruktur. Wenn wir über die europäische Energiesolidarität sprechen, meinen wir gemeinsame Energieprojekte in der Europäischen Union und die Vermeidung der derzeitigen Praxis bilateraler Verträge.

Ich bin auch zuversichtlich, dass es in nicht allzu langer Zeit in Europa möglich sein wird, gesamteuropäische Atomkraftwerke als gemeinsame Projekte zu bauen, an denen die Mitgliedstaaten beteiligt sind. In diesem Zusammenhang begrüße ich ferner den Umstand, dass die tschechische Präsidentschaft den Ausbau der Arten der Zusammenarbeit mit Ländern des Südkaukasus, des Balkans und der Ukraine zu einer weiteren Hauptpriorität gemacht hat. Nur durch die Verfolgung eines integrierten Ansatzes, bei dem die Interessen und Chancen berücksichtigt werden, die sich aus diesen Interessen sowohl der Mitgliedstaaten als auch der Länder aus den eben erwähnten Regionen ableiten, können wir garantieren, dass wir imstande sind, Krisen wie die eben erlebte Gaskrise überwinden und abwenden zu können. Wir müssen umgehend handeln und alles tun, was im besten Interesse der Europäischen Union ist. Die Notwendigkeit der Durchführung konkreter Maßnahmen mit dem Ziel der Entwicklung einer gemeinsamen europäischen Energiepolitik ist nun größer denn je.

Ich wünsche der tschechischen Präsidentschaft viel Erfolg.

 
  
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  Katalin Lévai (PSE). (HU) Frau Präsidentin, Herr Ministerpräsident! Die tschechische Präsidentschaft hat den Slogan „Europa ohne Schranken“ zu seinem Motto erkoren und die Themen Energiepolitik und wirtschaftliche Stabilität als ihre Hauptprioritäten festgelegt. Des Weiteren möchte ich auf die Bedeutung der Hinzufügung einer weiteren Priorität hinweisen – die des europäischen Bürgers.

Ich bitte dringend darum, den Themen mehr Aufmerksamkeit zu widmen, die das tägliche Leben der Bürger direkt betreffen. Des Weiteren sollte ein größerer Schwerpunkt auf den Ausbau moderner europäischer Sozialprogramme gelegt werden, um die europäische Solidarität und die Chancengleichheit zu gewährleisten und die Minderheitenpolitik umzusetzen. Ich schließe mich denen an, die auf eine Ratifizierung des Vertrags von Lissabon drängen.

Die Bürger müssen stärker in die Europapolitik eingebunden werden, denn meines Erachtens führt das Fehlen von Sozialpaketen und einer wirksamen Kommunikation zu einem zunehmenden Verlust des Vertrauens in europäische Institutionen. Meiner Ansicht nach spielt die Bildung dabei eine besonders wichtige Rolle ...

(Die Präsidentin entzieht der Rednerin das Wort.)

 
  
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  Zuzana Roithová (PPE-DE).(CS) Herr amtierender Ratspräsident, meine Damen und Herren! Der Beginn der tschechischen Präsidentschaft war vom Konflikt im Gaza-Streifen und der Energiekrise geprägt. Nach einer ganzen Reihe herablassender und zweifelnder Bemerkungen hinsichtlich der Fähigkeit der Tschechischen Republik, die Union zu leiten, beobachten Europa und andere Teile der Welt überrascht, wie verantwortungsbewusst und effektiv die tschechische Präsidentschaft im Zusammenhang mit den unerwarteten Krisen gehandelt hat. Ich frage mich jedoch, ob sie wirklich so unerwartet waren, und ich zolle der Tatsache Beifall, dass die tschechische Regierung frühzeitig, zu Weihnachten, begonnen hat, sich mit ihnen zu beschäftigen, denn der französischen Präsidentschaft ist es nicht gelungen, sie im Keim zu ersticken.

Ich möchte, dass Sie sich genauso furchtlos in die Verhandlungen mit China einbringen, das die Regeln des Welthandels vorsätzlich bricht, einen unlauteren Wettbewerb fördert und die Gesundheit der Europäer bedroht, indem das Land am laufenden Band gefälschte und gesundheitsgefährdende Produkte herstellt. Heute haben zum Beispiel europäische Eltern große Schwierigkeiten, Kinderschuhe zu finden, die keine Gesundheitsrisiken mit sich bringen, und sowohl der Rat als auch die Kommission haben sich diesem Thema kaum gewidmet.

Ich begrüße des Weiteren den Umstand, dass Sie „Europa in der Welt“ zu Ihren Prioritäten rechnen. Ich versichere Ihnen, dass Europa dem Welthandel gegenüber sehr offen ist, aber bislang war kein Ratspräsident imstande, für eine angemessene Gegenseitigkeit zu sorgen und China für europäische Produkte zu öffnen. Ich hoffe, dass Sie und Ihr erstklassiges Team erfolgreicher sein werden.

Herr amtierender Ratspräsident, ich gratuliere Ihnen zur Vorstellung eines wahrhaft erstklassigen, realistischen Programms für Europa und zu Ihrem persönlichen Wachstum. Angesichts dessen, dass Sie der Vorsitzende einer politischen Partei sind, von denen einige der derzeitigen Minister 2003 gegen unseren Beitritt zur Union gestimmt haben, machen Sie auf der europäischen Bühne einen äußerst guten Job. Ich hoffe nur, dass wir unter Ihren Parteifreunden in Bezug auf den Vertrag von Lissabon einen ähnlichen Reifungsprozess feststellen können.

Die Medien berichten, dass die Iren nun unter dem Druck der Finanzkrise besser verstehen, dass der Vertrag ein ordentliches Instrument ist, das ausgearbeitet wurde, um besser mit harten Zeiten umgehen zu können. Ich hoffe, dass auch Sie den Vertrag allmählich in einem positiven Licht sehen können, selbst wenn dies bedeutet, dass Sie Präsident Klaus von der Kontaktliste Ihres Handys streichen müssen. Ich wünsche uns allen ungeachtet des Pluralismus unserer Ansichten eine erfolgreiche tschechische Präsidentschaft.

 
  
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  Katerina Batzeli (PSE). - (EL) Frau Präsidentin, Herr Ministerpräsident! Neben der Frage der Außenpolitik, der Maßnahmen zur Bekämpfung der Wirtschaftskrise und der Ratifizierung des Vertrags von Lissabon müssen junge Menschen zu den grundlegenden Prioritäten der Europäischen Union gehören. Ich habe in Ihrem Programm über diese Priorität gelesen. Meines Erachtens sollte Ihr Programm zum Thema der Jugendlichen integrierter und proaktiver sein.

Junge Menschen halten nicht mehr viel von Behauptungen und Versprechen. Sie fühlen sich angesichts eines zusammenbrechenden Staates, der nicht imstande ist, die Wirtschaftskrise zu bewältigen, nicht sicher. Sie akzeptieren keine Bildungssysteme, die sie in die Arbeitslosigkeit und die gesellschaftliche Geringschätzung befördern. Sie akzeptieren keine Europaskepsis oder die Angst vor Europa. Sie haben ein Problem mit der Ratifizierung des Vertrags von Lissabon. Sie geraten täglich in Konflikte. Die neue Generation kann verstehen, was mit ...

(Die Präsidentin entzieht der Rednerin das Wort.)

 
  
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  John Bowis (PPE-DE). - Herr Präsident! Ich möchte dem amtierenden Ratspräsidenten gerne sagen, dass sein Land für mich durch zwei Männer symbolisiert wird: Franz Kafka und Jan Palach. Beide symbolisieren den Kampf um Freiheit und Demokratie, und beide zeigten die Frustration, den Schmerz und das Opfer, die manchmal mit diesem Kampf einhergehen.

Aus diesem Grund denke ich, dass Sie, Herr amtierender Ratspräsident, eine besondere Sichtweise zum Kampf im Gaza-Streifen haben und den Schmerz und die Frustration der Menschen im Gaza-Streifen und in Israel verstehen. Ich hoffe, dass dies der Fall ist. Ich bitte Sie, alles in Ihrer Macht Stehende zu tun, um dem Gemetzel in dieser Region ein Ende zu bereiten.

Sie werden auch in der Lage sein, sich mit dem amerikanischen Präsidenten über das Thema Klimawandel zu verständigen und ihn für Kopenhagen auf Linie zu bringen.

Zuhause werden Sie die Chance haben, sich mit den verbleibenden Legislativvorschlägen dieses Parlaments einen Namen zu machen – und ich unterstreiche die neuen Möglichkeiten für die Bürger, die sich aus dem grenzüberschreitenden Gesundheitswesen ergeben, ein Thema, das meines Wissens auf Ihrer Tagesordnung steht.

Sie haben die Freizügigkeit des Wissens erwähnt. Diese ist nirgendwo so wichtig wie in der Medizinwissenschaft, aber auch für die psychische Gesundheit ist sie von Bedeutung. Ich habe das Privileg gehabt, einen Teil der Arbeit an der Reform der Gesetze zur psychischen Gesundheit in der Tschechischen Republik zu fördern. Ich weiß, dass Sie diese Reformen nicht nur in Ihrem Land, sondern in ganz Europa fördern wollen. Ich möchte Sie an den Juni zurückerinnern, als wir den Pakt für psychische Gesundheit für die Europäische Union ausarbeiteten. Das steht im Augenblick nicht auf Ihrer Liste, aber ich hoffe, Sie werden dafür sorgen, dass es als zu förderndes Thema auf Ihre Tagesordnung kommt, denn es ist vor allem Ihre Aufgabe, den Menschen in unserer Gemeinschaft unter die Arme zu greifen, die verwundbar sind und unsere Unterstützung brauchen. Ich weiß, Sie werden diesbezüglich Ihr Bestes tun, und ich wünsche Ihnen bei allen Ihren Anstrengungen gutes Gelingen.

(Beifall)

 
  
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  Józef Pinior (PSE). - (PL) Ich möchte gerne mit der Erinnerung an das geheime Treffen der Opposition beginnen, das vor 21 Jahren von der Solidarnosc im Riesengebirge an der polnisch-tschechischen Grenze stattfand.

Die Tschechische Republik ist das erste Land Mittel- und Osteuropas, das die EU-Präsidentschaft übernimmt. Herr amtierender Ratspräsident, das ist eine Verpflichtung. Die Tschechen, die den Vorsitz der Europäischen Union innehaben, sind Erben der mittel- und osteuropäischen Tradition des Kampfes zur Abschaffung des Eisernen Vorhangs und für eine demokratische Gemeinschaft der Staaten auf dem europäischen Kontinent. Ich betone die besondere intellektuelle und politische Bedeutung der tschechischen Präsidentschaft.

Von ihren zahlreichen Prioritäten ist die Ratifizierung des Vertrags von Lissabon und die Stärkung der gemeinsamen europäischen Außenpolitik die wichtigste. Eine weitere äußerst wichtige Aufgabe besteht darin, eine transatlantische Strategie für die transatlantischen Beziehungen nach der Wahl des neuen amerikanischen Präsidenten auszuarbeiten. Abschließend wünsche ich dem Präsidenten Vaclav Havel eine rasche Erholung von seiner kürzlichen Operation.

 
  
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  Mihael Brejc (PPE-DE). - (SL) Die tschechische Präsidentschaft hat ihre Bereitschaft erklärt, einzugreifen, um wieder Bewegung in die Verhandlungen über den Beitritt Kroatiens zur Europäischen Union zu bringen. Herr Präsident, erlauben Sie mir, Sie in diesem Zusammenhang daran zu erinnern, dass jeder Beitrittskandidat zuverlässige Dokumente vorlegen muss. Wenn die Dokumente nicht zuverlässig sind, sollte das betreffende Land über diese Tatsache in Kenntnis gesetzt werden.

Im speziellen Fall Kroatiens hat das Land auf seiner Landkarte eine Grenze eingezeichnet, die umstritten ist. Statt zu erwähnen, dass der ein oder andere Grenzabschnitt umstritten ist, hat es einfach die Grenze so eingezeichnet, wie Kroatien dies gerne hätte. Natürlich kann ein solches Dokument nicht zuverlässig sein, denn es betrifft im Grunde einen Streit zwischen den beiden Ländern, der an anderer Stelle geschlichtet werden muss. Es handelt sich um einen bilateralen Disput zwischen zwei Ländern, die ansonsten gute nachbarschaftliche Beziehungen pflegen – um einen Disput, der wie gesagt an anderer Stelle geschlichtet werden muss. Deshalb möchte ich gerne herausstellen, dass Slowenien keinesfalls kapriziös ist, wenn es darauf hinweist, dass die von Kroatien vorgelegten Dokumente nicht zuverlässig sind. Slowenien weist mit Recht darauf hin, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, den Beitrittskandidaten auf den Umstand aufmerksam zu machen, dass er Dokumente vorlegen muss, die den Standards der Europäischen Union entsprechen.

Was wäre nun eine mögliche Lösung? Es sind bereits viele Vorschläge eingereicht worden, und ich denke, die tschechische Präsidentschaft wird ebenfalls versuchen, einen geeigneten Vorschlag vorzulegen. Die Lösung könnte sein, dass Kroatien einen Regierungs- oder Parlamentsbeschluss einreicht, aus dem klar hervorgeht, dass diese Grenzen nur zur Orientierung dienen oder provisorisch sind. Es kann auch ein anderer Begriff verwendet werden, der deutlich macht, dass die Grenzen vorläufig und noch nicht endgültig festgelegt sind. Auf diese Weise würden wir meiner Ansicht nach einen kleinen Schritt vorwärts kommen und Kroatien so schnell wie möglich einen Beitritt ermöglichen, was auch im Interesse Sloweniens liegen würde.

Abschließend möchte ich Ihnen viel Erfolg für Ihren Ratsvorsitz in der Europäischen Union wünschen.

 
  
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  Richard Falbr (PSE).(CS) Es wurde viel Kritik am amtierenden Ratspräsidenten geübt; ich für meinen Teil möchte mich davon bewusst distanzieren. In tschechischen Märchen kommt häufig ein Schloss mit einem weisen König vor, der niemanden provoziert, niemanden angreift und nicht behauptet, ein Experte in allen Angelegenheiten zu sein. Das ist bei der Prager Burg nicht der Fall. Gut, nichts ist vollkommen. Dennoch bin ich zuversichtlich, dass der amtierende Ratspräsident gut mit diesem Handicap zurechtkommen und die Versprechen uns gegenüber halten wird. Ich kenne ihn nun schon seit knapp 20 Jahren, und ich freue mich, wie sehr die Mitgliedschaft in der Europäischen Union sein politisches Wachstum gefördert hat. Ich drücke ihm die Daumen; die Spanier sagen „Con mi patria, con razón o sin ella“, die Engländer sagen „Good or bad, my country“ und ich sage „Ich gehe für mein Land durch Dick und Dünn“.

 
  
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  Zita Pleštinská (PPE-DE). – (SK) Ich möchte eingangs meine Freude darüber zum Ausdruck bringen, dass gleich zu Beginn der Präsidentschaft unseres brüderlichen Nachbarn, der Tschechischen Republik, jegliche Zweifel hinsichtlich der Fähigkeit eines neuen Mitgliedstaats, die Angelegenheiten der Europäischen Union zu leiten, ausgeräumt wurden.

Die tschechische Präsidentschaft hat unter Beweis gestellt, dass sie imstande ist, auf kritische Situationen wie den Krieg im Gaza-Streifen und die Unterbrechung der Gasversorgung von Russland an die EU zu reagieren und zu handeln. Als Vertreterin der Slowakischen Republik, die fast 97 % des Erdgases von Russland erhält und sich zusammen mit Bulgarien in der kritischsten Lage befindet, möchte ich Herrn Ministerpräsident Mirek Topolánek für sein Engagement in den Verhandlungen mit der russischen und ukrainischen Partei meine persönliche Anerkennung aussprechen. Herr Ministerpräsident, die Slowakische Republik hat nach wie vor kein Erdgas bekommen, weshalb wir weiterhin Ihre aktive Unterstützung brauchen. Europa braucht eine gemeinsame Energiepolitik und muss seine Verhandlungsposition auf dem Gebiet der Energie verbessern.

Frankreich startete mit dem Russland-Georgien-Konflikt in seine Präsidentschaft, und die tschechische Präsidentschaft muss sich mit dem kommerziellen und politischen Disput zwischen Russland und der Ukraine beschäftigen. Ich glaube fest daran, dass nun die Zeit gekommen ist, etwas aus diesen Vorfällen zu lernen. Es ist wichtig, Bereiche zu ermitteln, in denen die EU von Russland abhängig ist, sowie Bereiche, in denen Russland von der EU abhängig ist. Die Beziehungen mit Russland sind wichtig, aber es ist inakzeptabel, dass Russland Erdgas als politische Waffe missbraucht. Wir müssen hinsichtlich der Themen der Diversifizierung von Energiequellen und des Baus der Nabucco-Pipeline unverzüglich handeln. Herr Ministerpräsident, die Slowakische Republik befindet sich in einer außergewöhnlichen Lage und betrachtet Sie hinsichtlich der strategischen Entscheidung über das Atomkraftwerk in Jaslovské Bohunice als Verbündeten. Ich möchte auch Sie, Herr Barroso, als Präsident der Europäischen Kommission um Unterstützung bitten.

Ich persönlich denke, dass es nach wie vor viele Mankos bei der Umsetzung der Personenfreizügigkeit, weshalb ich das Motto der tschechischen Präsidentschaft – Europa ohne Schranken – begrüße.

Ich wünsche der tschechischen Präsidentschaft viel Erfolg bei der Umsetzung ihres 3E-Programms und damit, die EU näher an die Erreichung der Ziele von Lissabon heranzuführen.

 
  
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  Miloš Koterec (PSE). – (SK) Herr Ministerpräsident! Wir kommen aus demselben Land, weshalb ich mich freue, Sie im europäischen Parlament begrüßen zu dürfen. Ich wünsche Ihnen viel Glück mit der Umsetzung der Ziele, die Sie uns vorgestellt haben.

Ihre 3E-Prioritäten bringen die aktuellen Probleme, denen sich die Europäische Union gegenübersieht, sicher gut auf den Punkt, und ich vertraue darauf, dass Sie beim Thema Wirtschaft die sozialen Aspekte nicht vergessen werden, die für den Großteil der EU-Bürger so wichtig sind. Als ich Sie bei den Feierlichkeiten zur Einführung des Euro in der Slowakischen Republik gesehen habe, war ich sehr froh, dass der neue amtierende Ratspräsident ein Befürworter einer engeren Integration zwischen den Ländern der Union ist. Dennoch würde ich mich wie die meisten Abgeordneten dieses Parlaments noch mehr freuen, wenn Sie zur Ratifizierung des Vertrags von Lissabon in der Tschechischen Republik beitragen würden. Sollte dies nicht gelingen, wird es schwierig sein, die Prioritäten zu erreichen, die Sie sich gesetzt haben. Wenn wir wollen, dass die EU, wie Sie gesagt haben, nicht nur ein Akteur, sondern auch ein Akteur auf der Weltbühne werden soll, müssen wir diesen Schritt gehen.

Herr Ministerpräsident, wie bereits mehrfach gesagt wurde, werden die Europawahlen ein wichtiger Moment in Ihrer Präsidentschaft sein. Die Wahlergebnisse werden die EU-Politik in den kommenden fünf Jahren beeinflussen, und eine wesentliche Unterstützung vom Rat kann hier eine große Rolle spielen. Wenn die Slowakische Republik aus der Eishockey-Weltmeisterschaft ausscheidet und sich die Tschechische Republik für die nächste Runde qualifiziert ...

(Die Präsidentin entzieht dem Redner das Wort.)

 
  
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  Tunne Kelam (PPE-DE). - Frau Präsidentin! Ich möchte der tschechischen Präsidentschaft die wärmste Unterstützung aus Estland anbieten. Eine wirklich verbesserte Wettbewerbsfähigkeit und die Umsetzung der vier Grundfreiheiten sind das beste Mittel gegen die Wirtschaftskrise. Herr amtierender Ratspräsident, ich unterstütze Ihre Idee des vollumfänglichen Ausbaus der Östlichen Partnerschaft. Wir verstehen nun, wie wichtig es ist, Länder wie die Ukraine und Georgien an Rechtsstaatlichkeit und demokratische Verantwortung zu binden.

Im vergangenen September hat das Europäische Parlament vorgeschlagen, den 23. August zum Gedenktag an die Opfer des Kommunismus und Nazismus zu machen. Wir vertrauen darauf, dass Sie die Führungsrolle bei der Überzeugung der Regierungen aller 27 Mitgliedstaaten übernehmen werden, diesen Tag ab nächsten August offiziell zu begehen. Des Weiteren erwarten wir von Ihnen, dass Sie uns bei einer auf EU-Ebene durchgeführten moralischen und politischen Beurteilung der Verbrechen leiten werden, die unter dem totalitären Kommunismus begangen wurden.

(Die Präsidentin entzieht dem Redner das Wort.)

 
  
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  Silvia-Adriana Ţicău (PSE).(RO) „Wirtschaft, Energie und die Europäische Union in der Welt“ ist das Motto des tschechischen Vorsitzes der EU. Die Bürger Europas erwarten von den europäischen Institutionen, dass sie sie gegen Krisen schützen und ihre Lebensqualität verbessern. Das Konjunkturprogramm der Europäischen Union, zunehmende Energieeffizienz und Energieversorgungssicherheit sind derzeit die Prioritäten der europäischen Bürger.

Ich appelliere dringend an die tschechische Präsidentschaft, trotz der näher rückenden Europawahlen bzw. ganz besonders aus diesem Grund, eine Vision, politischen Willen und vor allem Engagement für die Bürger Europas zu zeigen. Gemeinsam können wir eine Einigung in erster Lesung über die Richtlinie über die Energieeffizienz von Gebäuden erreichen. Ich versichere Ihnen, dass sowohl das Europäische Parlament als auch die Europäische Kommission dazu bereit sind, Sie zu unterstützen, damit die Richtlinie über die Energieeffizienz von Gebäuden eine der zahlreichen Errungenschaften der tschechischen Präsidentschaft sein wird.

 
  
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  Marios Matsakis (ALDE). - Frau Präsidentin! Nach der traumatischen Erfahrung des russischen Kommunismus in der Vergangenheit hat die Tschechische Republik nun das andere Extrem gewählt und sich fest und mit Hingabe den USA verschrieben. Herr amtierender Ratspräsident, dies zeigt sich nicht nur deutlich durch Ihre Haltung zur Situation im Gaza-Streifen und dem Vertrag von Lissabon, sondern auch durch den Beschluss Ihrer Regierung, amerikanische Raketen auf tschechischem Boden zu stationieren. Ihre Bereitschaft, der Regierung in Washington treu zu dienen, durch die Sie in Kauf nehmen, den Frieden in Europa zu gefährden, ist inakzeptabel und verdächtig.

Ihr Land ist heute Teil der EU und nicht der USA, und Sie müssen dafür sorgen, dass Ihre Regierung entsprechend handelt. Amerikanische Satellitenstaaten haben keinen Platz in unserer Union. Entscheiden Sie sich also: EU oder USA? Sie können nicht beides haben!

 
  
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  Mirosław Mariusz Piotrowski (UEN). - (PL) Frau Präsidentin, Herr amtierender Ratspräsident! Die tschechische Präsidentschaft ist die erste seit vielen Jahren, die den alten Hut, die Europäische Verfassung, die auch als Vertrag von Lissabon bekannt ist, von ihrer Tagesordnung gestrichen hat. Dieser realistische Ansatz sorgt für Optimismus und zeigt, dass die Demokratie und der Grundsatz der Einstimmigkeit respektiert werden.

Die tschechische Präsidentschaft hat beschlossen, sich auf die dringendsten Themen zu konzentrieren, darunter der Gaza-Konflikt und die Energiesicherheit. Anfänglich war keine Intervention in den Gaskonflikt zwischen Russland und der Ukraine vorgesehen, aber als er allmählich zahlreiche Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen begann, hat sich Herr Topolánek eingeschalten, um zu vermitteln. Es ist klar, dass die Präsidentschaft in sechs Monaten nicht alle Ziele erreichen kann, die sie sich gesetzt hat, aber die ersten zwei Wochen deuten bereits darauf hin, dass sie trotz der kassandrischen Prophezeiungen einiger Politiker in diesem Hause effektiv sein kann. Im Namen der Delegation ...

(Die Präsidentin entzieht dem Redner das Wort.)

 
  
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  Dimitar Stoyanov (NI).(BG) Vielen Dank, Frau Präsidentin! Ich habe aus den Nachrichten erfahren, dass mit Unterstützung der tschechischen Präsidentschaft eine Art Kunstwerk in Brüssel geschafften wurde, das mein Land Bulgarien als Toilette darstellt. Das ist eine schwere Beleidigung und widerspricht den Traditionen der Partnerschaft und des gegenseitigen Respekts der Europäischen Union. Wir bestehen deshalb darauf, dass dieses Bild unverzüglich von der tschechischen Präsidentschaft und jedem, der es letztendlich gewagt hat, eines der Mitgliedstaaten derart zu beleidigen, entfernt wird, So etwas können wir nicht tolerieren. Sollte dieses Bild nicht umgehend entfernt werden, werden meine Kolleginnen und Kollegen zusammen mit mir hingehen und es eigenhändig entfernen.

 
  
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  Mirek Topolánek, amtierender Präsident des Rates. − (CS) Danke, dass Sie mir das Wort erteilen. Ich möchte meine Abschlusserklärungen gerne damit beginnen, Ihnen für alle Ihre Ansichten zu danken. Es war eine sehr herzliche Begrüßung, wie ich sie in dieser Form nicht erwartet hätte. Ich möchte auch anmerken, dass die tschechische Präsidentschaft und ich selbst in meiner Eigenschaft als Präsident des Europäischen Rates im gesamten Verlauf der kommenden sechs Monate engen Kontakt halten und auch mit der Europäischen Kommission eng zusammenarbeiten werden. Die ersten vierzehn Tage haben gezeigt, wie der ständige tägliche und äußerst aktive Kontakt, nicht nur mit José Manuel Barroso, sondern auch mit der gesamten Kommission, für ein gemeinsames Handeln bei den Themen gesorgt hat, die Anfang des Jahres auf uns hereingestürzt sind. Ich beziehe mich hier nicht nur auf unsere Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament, sondern insbesondere auf unsere Kommunikation mit der Europäischen Kommission, als wir versucht haben, mit diesen Ad-hoc-Themen umzugehen. Ich möchte Präsident Barroso gegenüber meine Dankbarkeit zum Ausdruck bringen.

Bevor ich hierher kam, habe ich mir geschworen, keine Witze zu erzählen. Der einzige Witz, den ich zum Besten gegeben habe und über den zuhause jeder lachen würde, ist nicht gut angekommen. Das macht nichts, ich werde es weiter versuchen, und vielleicht wird es sogar von den Deutschen richtig übersetzt und wir verstehen einander.

Der Vertrag von Lissabon darf kein Mantra sein. Er muss ein Instrument sein und nicht das Ziel. Er ist ein Mittel zur Verbesserung des Funktionierens der Europäischen Union. Er dar nie erzwungen werden. Jedes Land hat seine eigenen Werkzeuge und Spielregeln für die Erreichung der Ratifizierung. Der Umstand, dass ich den Vertrag unterzeichnet habe, bedeutet nicht, dass ich auf die Entscheidungen der zwei Kammern des tschechischen Parlaments Einfluss nehmen werde, die autonom und frei sind und für sich selbst entscheiden werden. Gleichermaßen haben wir nicht die Absicht, im Voraus Druck auf die Entscheidung des irischen Volkes auszuüben. Es ist unmöglich, die Gültigkeit des Vertrags in irgendeiner Weise zu erzwingen, wenngleich ich der Auffassung bin, dass wir den Vertrag derzeit brauchen, um das Funktionieren der Europäischen Union zu erleichtern. Dies ist mein abschließender Kommentar in dieser Angelegenheit, und ich werde nicht wieder darauf zurückkommen, denn ich habe nun meine persönliche Sichtweise erklärt.

Das Zitat, das der ehrenwerte Abgeordnete Herr Kirkhope angeführt hat, hat mir gefallen, und ich werde ein weiteres Churchill-Zitat heranziehen, um aufzuzeigen, was ich über unsere heutige Zeit denke: „Morgen dürfen keine weiteren Krisen kommen, denn mein Terminkalender ist schon voll.“ Was wir in den ersten zwei Wochen erlebt haben, zeigt meines Erachtens, dass wir unsere Prioritäten gut gewählt haben und dass wir gut vorbereitet waren. Des Weiteren haben wir Mitte Dezember während der französischen Präsidentschaft damit begonnen, uns mit dem Gasproblem zu befassen.

Ich entschuldige mich bei allen geschätzten Abgeordneten, deren spezifische Frage ich nicht beantworte; ich werde versuchen, diese Diskussion ein wenig zu verallgemeinern und eher auf den generellen Ansatz zur Lösung dieser speziellen Probleme einzugehen.

Ich möchte auf den Menschen-, Drogen- und Kinderhandel und Ähnliches zurückkommen. Dieses Parlament führt zurzeit eine Debatte über das Niveau von Freiheit und Sicherheit, die auch in der Tschechischen Republik stattfindet, und wir sind sehr daran interessiert, die Richtlinien und das gesamte Gesetzgebungsverfahren im Rahmen der Ratsentschließungen zu beschleunigen, um dem Schmuggel einen Riegel vorzuschieben. Ich möchte nur sagen, dass wir dafür bereit sind und die einzelnen Elemente dieser Probleme angehen wollen.

Nun ein paar Worte zu der großen Diskussion über das Nabucco-Vorhaben. Wir müssen in aller Aufrichtigkeit eingestehen, dass Nabucco nur dann eine Alternative zu anderen Transitstrecken sein wird, wenn wir auch eine alternative Versorgungsquelle haben. Was die Debatte über die Ukraine anbelangt, hat sich mein Landsmann Josef Zieleniec recht klar ausgedrückt – hier handelt es sich um ein politisches und geopolitisches Problem, und ich bin der Ansicht, dass wenn wir der Ukraine nicht die Chance geben, seine innenpolitischen Probleme zu lösen, wenn wir die Akteure, die sich unangemessen verhalten haben, nicht in ihre Schranken verweisen, seien es nun Einzelpersonen oder Firmen im Gasmarkt, dann könnten wir die pro-europäische Ausrichtung der Ukraine aufs Spiel setzen, was natürlich ein geopolitisches Problem wäre. Wir können über die Ziele der ganzen Krise nur spekulieren – vielleicht nur ein kurzfristiger Preisanstieg, vielleicht ein weitaus größerer Druck auf den Bau der Nord-Stream-Pipeline, der alternativen Nordroute, oder vielleicht soll tatsächlich die Anlehnung der Ukraine an Europa unterbunden werden. Wie auch immer, diese Faktoren sind Teil des Problems, das nicht nur kurzfristiger Natur ist und sich nicht nur um Energie dreht.

Wenn ich auf die Frage antworten müsste, ob Europa liberaler oder sozialistischer ausgerichtet sein sollte, möchte ich es noch einmal mit einem Scherz versuchen, indem ich sage, dass ich einen Kompromiss eines liberal-konservativen Europas vorschlagen würde, aber das ist wirklich mein letzter Scherz.

In Bezug auf den von der Tschechischen Republik verfolgten Weg hinsichtlich der Einführung des Euro habe ich am 1. Januar erklärt, dass die Tschechische Republik ihren Beitrittstermin am 1. November dieses Jahres bekannt geben würde. Meine Regierung ist die erste, die die Maastricht-Kriterien erfüllen wird. Ich betrachte dies nicht als Wettrennen. Ich gratuliere meinen slowakischen Kollegen, und wir werden abwarten, wie sich die Finanzkrise auf die Einhaltung der Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts und auf die De-facto-Erfüllung aller Regeln des Euro-Raums auswirken wird. Ich mache mir Sorgen – und das gilt auch in Bezug auf den Umgang mit der Finanzkrise – dass die Lockerung der eigenen Regeln der EU eine zerstörerische Wirkung haben wird. Deshalb werden wir natürlich, wenn wir von einem Europa der Regeln sprechen, auf der Einhaltung der Richtlinien über staatliche Beihilfen und Wettbewerb bestehen, und das wird eines der Kriterien für die Beurteilung aller Vorschläge darüber sein, wie wir die Finanzkrise angehen sollten. Die Regeln gelten in guten wie in schlechten Zeiten und für jeden. Für die Gleichbehandlung muss hier ein absoluter Maßstab angelegt werden.

Ich möchte mich nun zum Motto „Ein Europa ohne Schranken“ äußern. Ja, es hat zumindest drei Bedeutungen. Zum einen ist da die wirtschaftliche Bedeutung, die den Abbau von Binnenmarktschranken beinhaltet, dann hat es eine mentale oder psychologische Bedeutung, in anderen Worten, der Abbau von Schranken in den Köpfen der Europäer, was natürlich ein Ziel der kürzlich beigetretenen Länder ist, und abschließend geht es um den Abbau von externen Schranken, die Vermeidung des Protektionismus, eine echte Liberalisierung des Welthandels als eines der Werkzeuge für den Umgang mit der Krise, die Ankurbelung der Nachfrage und eine wirksame Umsetzung der Entschließungen des G20-Gipfels in Washington.

Vielleicht sollte ich auf etwas zu sprechen kommen, was mich persönlich betrifft und auch bereits von den Medien aufgegriffen wurde. Václav Havel ist schwer krank und liegt im Krankenhaus. Er ist ein Mann, der nicht nur in der Tschechischen Republik ein Symbol sowohl für unsere Ausrichtung vor und nach der samtenen Revolution darstellt – er symbolisiert im Wesentlichen den Fall des Eisernen Vorhangs. Er war der erste Tscheche im Europäischen Parlament, und im Namen von uns allen wünsche ich ihm, dass er sich schnell wieder erholt.

Ich möchte konkret auf den Kommentar eines ehrwürdigen Abgeordneten dieses Parlaments eingehen. Ich war gerührt angesichts der Besorgnis von Herrn Rouček bezüglich der tschechischen Regierung, und ich könnte mindestens sechs Beispiele von Ländern aus den vergangenen zehn bis fünfzehn Jahren aufzählen, die während ihres Vorsitzes der Europäischen Union zahlreiche innenpolitische Probleme hatten und trotzdem erfolgreich waren. So kam es in Belgien zur Zeit des Inkrafttretens des Maastrichter Vertrags zu Verfassungsänderungen, ohne dass dadurch die Präsidentschaft beeinträchtigt wurde. Während des französischen Vorsitzes, als Frankreich unter einer innenpolitischen Krise litt, wurde die Europäische Union um Schweden, Finnland und Österreich erweitert. Zur Zeit des Amsterdamer Vertrags im Jahr 1999 während der deutschen Präsidentschaft hatte Gerhard Schröder mit großen Problemen zu kämpfen und Lafontaine trat aus seiner Partei aus. Während des von José María Aznar geleiteten spanischen Vorsitzes wurde der Euro eingeführt, und auch während der irischen Präsidentschaft gab es innenpolitische Probleme. Ich könnte noch viele weitere Beispiele nennen. Machen Sie sich keine Sorgen über die internen Probleme der tschechischen Politik; sie werden keinen Einfluss auf die tschechische Präsidentschaft haben.

Was das Kernenergieforum anbelangt, können wir keine Debatte über Atomkraft führen, bei der der Streit zwischen den Grünen, den Liberalen, den Konservativen und so weiter zu einem erzwungenen Ergebnis führt. Das in Kooperation mit der Europäischen Kommission organisierte Kernenergieforum in Bratislava und Prag sollte eine neue Debatte über die Sicherheit, Chancen, Risiken, Bedürfnisse und all die Dinge abhalten, die in den vergangenen Jahren bereits zu einer Art Tabu geworden sind. Das Brechen dieses Tabus ist das eigentliche Ziel des slowakisch-tschechischen Kernenergieforums. Es ist offensichtlich, warum sich Premierminister Fico in der Ukraine und in Moskau aufhält: die Probleme Bulgariens und der Slowakischen Republik sind kritisch, denn diese Länder sind vollkommen von den Erdgaslieferungen aus der Ukraine abhängig. Bulgarien kann nur ein Drittel der benötigten Kapazität einlagern und in der Slowakischen Republik haben bereits mehrere tausend Unternehmen ihre Produktion heruntergefahren, das Wärmekraftwerk in Nováky ist ausgebrannt und das Land befindet sich in einer großen Krise. Ich stehe mit Robert Fico täglich in Kontakt und unterstütze seine Mission, wenngleich ich nicht glaube, dass sie zu diesem Zeitpunkt erfolgreich sein wird. Wir müssen gegenüber den beiden Akteuren Ukraine und Russland sowie den Konzernen Naftohaz und Gazprom einen wesentlich schärferen Ton anschlagen. Des Weiteren müssen die nächsten Schritte von Seiten der Europäischen Kommission und der tschechischen Präsidentschaft meines Erachtens weitaus effektiver und härter sein. Wir müssen nach den Werkzeugen zur Überwindung einer Reihe von technischen Problemen Ausschau halten. Es darf nicht sein, dass diese Lieferungen aus einem völlig irrelevanten Grund nicht wiederaufgenommen werden (das heißt, die Nutzung von technischem Gas), und wir werden in dieser Hinsicht weitere Maßnahmen ergreifen.

Wir haben viel über den Balkan und die damit zusammenhängenden Probleme gesprochen, und es wurden diesbezüglich viele Fragen gestellt. Kollege Peterle weiß ganz genau, dass, wenn der Beitrittsprozess im Hinblick auf Kroatien wiederaufgenommen werden soll, eine bilaterale Lösung für den Streit zwischen Slowenien und Kroatien gefunden werden muss. Das ist kein europäischer Streit, auch wenn er sich tatsächlich bereits in den Beitrittsgesprächen niederzuschlagen beginnt. In diesem Sinne können möglicherweise meine Kontakte mit den beiden Premierministern sowie mein persönlicher Beitrag zu diesem Problem bei der Lösung des slowenisch-kroatischen Grenzstreits hilfreich sein.

Es gibt noch vieles, was ich gerne sagen würde, aber ich werde versuchen, Sie nicht länger hinzuhalten. Ich möchte Ihnen Raum für Ihre nächsten Punkte geben. Zum Schluss möchte ich noch anmerken, dass wir die Möglichkeit, einer Staatengemeinschaft anzugehören, die sich auf Werte und Fundamente gründet, die wir nach November 1989 wieder als unsere eigenen Werte und Ziele annehmen konnten, sehr schätzen. Ferner schätzen wir die Gelegenheit, den Vorsitz über diese gesamte Gemeinschaft zu führen. Das ist etwas so Einmaliges, etwas, das meine Generation, die 1989 33 Jahre alt war, nie für möglich gehalten hätte. Auch die Tatsache, dass wir viele Probleme gemeinsam angehen können, schätzen wir sehr. Aber am meisten schätzen wir die interne freie Debatte. Es ist diese Freiheit, die es uns erlaubt, Probleme aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln zu beleuchten, was für ihre Lösung so wichtig ist. Tomas Garrigue Masaryk hat einmal gesagt, dass „Demokratie Diskussion bedeutet“. Ich freue mich sehr darauf, in die Fußstapfen des ersten tschechoslowakischen Präsidenten zu treten und bin in Bezug auf diese Diskussion absolut offen. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit heute und freue mich auf unser nächstes Zusammentreffen.

 
  
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  José Manuel Barroso, Präsident der Kommission. − Frau Präsidentin! Das ist eine sehr interessante Diskussion gewesen, und ich bin ermutigt angesichts des allgemeinen Verständnisses der Herausforderungen und im Allgemeinen der Unterstützung für die tschechische Präsidentschaft. Ich bringe nochmals meinen Wunsch zum Ausdruck, loyal, konstruktiv und im besten Geiste mit unseren tschechischen Freunden zusammenzuarbeiten. Ihr Erfolg ist auch der Erfolg Europas.

Wie einige von Ihnen betont haben, ist dies die letzte Präsidentschaft vor den Europawahlen. Meines Erachtens ist es sehr wichtig, dass wir alle im Verlauf dieser Monate zeigen, wie relevant alle unsere Institutionen für das Wohlergehen, den Wohlstand und die Solidarität unserer Bürger sind.

Gleichermaßen ist es sehr wichtig, dies zu kommunizieren, und das kann nicht nur von den europäischen Institutionen oder nur von den Mitgliedstaaten übernommen werden. Wir müssen dies in einem wirklich partnerschaftlichen Geist tun, denn viel, was im Verlauf dieser Monate geschehen wird, wird für die Zukunft Europas und auch für den Respekt unserer Institutionen in ganz Europa von großer Bedeutung sein.

Ich möchte diese Zeit nutzen, um einige konkrete Fragen zu beantworten, die mir gestellt wurden, speziell zum Thema Energie. Ja, wir brauchen dringend eine Revision der Richtlinie über die Sicherheit der Gasversorgung. Die Kommission sagte dies bei der Präsentation ihrer Überprüfung der Energiestrategie im letzten November, und wir arbeiten hart daran, den Legislativvorschlag so bald wie möglich dem Europäischen Parlament und dem Europäischen Rat vorzulegen. Ja, wir brauchen mehr Solidarität und Fortschritt im Zusammenhang mit der Energieversorgungssicherheit in Europa. Dies war der Inhalt unserer erst vor kurzem vorgelegten Überprüfung der Energiestrategie.

Ich möchte diese Zeit einmal mehr dazu nutzen, alle Mitgliedstaaten und europäischen Institutionen zu bitten, aktiver an den Mechanismen der europäischen Energiesolidarität zu arbeiten. Ja, wir müssen auch die Investitionen in die Energieinfrastruktur, Verbindungsleitungen und Energieeffizienz beschleunigen. Deshalb ist es so entscheidend, die 5 Milliarden Euro des Gemeinschaftshaushalts für diese Zwecke zu verwenden.

Ich appelliere an Sie beide, den Vorsitz des Parlaments und die tschechische Präsidentschaft, dies schnellstmöglich in der Praxis umzusetzen. Ja, die Konjunkturerholung muss mit einem smarten grünen Wachstum Hand in Hand gehen, wenn wir gestärkt aus dieser Krise hervorgehen wollen. Unsere Vorschläge zur Beschleunigung der Verwendung der Strukturfonds für diese Zwecke liegen auf dem Tisch. Sowohl für Energieeffizienz als auch für Energie-Interkonnektoren werden Mittel benötigt, und durch die Koordination der nationalen Konjunkturprogramme werden wir auch die nationalen Anstrengungen in diese Richtung anpassen, im Einklang mit den Vorgaben des Europäischen Rats.

Lassen Sie mich auch sagen, dass für die Überwindung dieser Wirtschaftskrise und die Zurückführung Europas auf den Weg hin zu einem nachhaltigen Wachstum auch die Einhaltung der Gemeinschaftsregeln über die Chancengleichheit erforderlich ist. Europa muss weiter daran arbeiten, die Teilnahme von Frauen und Männern am Wirtschaftsleben zu erleichtern und dazu beitragen, dass das Familien- mit dem Arbeitsleben vereinbart werden kann.

Nun ein Wort zum Vertrag von Lissabon, den viele von Ihnen erwähnt haben: Wir sind mehr denn je darauf angewiesen, dass der Vertrag von allen Mitgliedstaaten ratifiziert wird. Ja, wir müssen alle nationalen Ratifizierungsverfahren respektieren, aber wenn eine Regierung im Namen eines Staates einen Vertrag unterzeichnet, muss diese die feierliche Verpflichtung übernehmen, ihn in Kraft zu setzen.

(Beifall)

Viele von Ihnen haben über die tschechische Präsidentschaft gesprochen und wie wichtig sie ist. Wie einige von Ihnen sagten – Herr Nassauer, Herr Brok und andere – die Tatsache, dass wir überhaupt eine tschechische Präsidentschaft haben, ist an sich schon von großer Bedeutung. Zum ersten Mal hat ein früheres Land des Warschauer Pakts die Verantwortung für den Vorsitz des Europäischen Rats übernommen. Denken Sie nur einmal darüber nach, was für eine große Errungenschaft das ist. 20 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs steht die Tschechische Republik an der Spitze des Europarats, und Ministerpräsident Topolánek trägt gemeinsam mit dem stellvertretenden Ministerpräsidenten Vondra diese Verantwortung. Ich habe volles Vertrauen in das, was Sie tun werden.

Ich möchte gerne eine Erfahrung mit Ihnen teilen, die ich letztes Jahr während der portugiesischen Präsidentschaft gemacht habe. Ministerpräsident Socrates aus Portugal und ich waren in Zittau an der Grenze zwischen der Tschechischen Republik, Polen und Deutschland, und ich sah, wie sehr dieser Moment den Ministerpräsidenten Topolánek berührte. Diese Grenze, die uns einst in die zwei Hälften Europas spaltete, ist nun ein freier Verkehrsknotenpunkt, der von den Europäern aus allen diesen Ländern rege genutzt wird. Es war ein unvergesslicher Moment und eine großartige Errungenschaft, über die wir stolz sein sollten. Aus diesem Grund bin ich wirklich der Ansicht, dass es wichtig ist, unsere Werte zu verteidigen, um diese Präsidentschaft zu einem Erfolg zu machen.

Einige von Ihnen sagten, es sei wichtig, dass die Tschechische Republik erfolgreich ist, weil Tschechien ein kleines Land ist. Es tut mir leid, aber die Tschechische Republik ist kein kleines Land, nicht einmal im europäischen Maßstab. Tatsächlich ist es manchmal ein Anzeichen für einen Minderwertigkeitskomplex, einige unserer Mitgliedstaaten als kleine Länder zu betrachten. Wie Paul-Henri Spaak, einer der Gründerväter unseres europäischen Projekts schon sagte – in der Europäischen Union gibt es keine kleinen und großen Länder mehr. Wenn Sie möchten, ist keines von ihnen groß. Das Problem ist nur, dass das einige von ihnen noch nicht begriffen haben.

Schauen wir uns doch einmal den Rest der Welt an. Wenn wir die Dimension der amerikanischen Stärke im Verteidigungs- und Technologiebereich betrachten, die enorme geografische Ausdehnung Russlands, die Bevölkerungsdichte in China und Indien, können wir dann sagen, es gebe irgendein großes Land in Europa?

Es gibt keine großen Länder mehr in Europa. Alle sind groß, was ihre Würde anbelangt. Für die Europäische Kommission haben alle Mitgliedstaaten genau dieselbe Würde, aber wenn wir in der Welt groß sein wollen, muss die Europäische Union stark sein. Wir müssen gemeinsam handeln. Wir müssen den Einfluss aller unserer Institutionen nutzen, und wenn wir auf diese Weise gemeinsam handeln, sorgen wir in der Welt für einen Unterschied zum Besseren. Deshalb brauchen wir den Vertrag von Lissabon. Deshalb brauchen wir ein gemeinsames Ziel. Deshalb brauchen wir starke Institutionen. Ich wünsche der tschechischen Präsidentschaft alles Gute.

(Anhaltender Beifall)

 
  
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  Die Präsidentin. - Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung erfolgt im Anschluss.

Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)

 
  
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  Gerard Batten (IND/DEM), schriftlich. Einige von uns freuen sich schon sehr auf die Ansprache des Präsidenten Klaus im Februar. Es wird erfrischend sein, die Rede von jemandem zu hören, der über die Intelligenz und Aufrichtigkeit verfügt, die ideologische Orthodoxie der immer enger zusammenrückenden Europäischen Union und des Klimawandels in Frage zu stellen.

Präsident Klaus hat die Europäische Union zu Recht mit der alten Sowjetunion verglichen. Mein Freund, der heldenhafte russische Dissident Vladimir Bukovsky, sagt über die Europäische Union: „Ich habe in Ihrer Zukunft gelebt, und sie funktioniert nicht.“ Herr Bukovsky hat durchaus Recht. In der EU haben wir eine sanfte Art des Kommunismus.

Wir können nur hoffen, dass die tschechische Präsidentschaft dem großen europäischen Projekt etwas skeptischer gegenübersteht als manche der ehemaligen Präsidentschaften. Was die Tschechen tun können, ist eine Hinauszögerung der Ratifizierung des Vertrags von Lissabon bis nach dem zweiten irischen Referendum. Denn wenn die Iren erneut gegen die gescheiterte Verfassung stimmen sollten, können die Tschechen die demokratische Entscheidung der einzigen EU-Nation anerkennen, in der ein Referendum durchgeführt wurde, und die Umsetzung des Vertrags dadurch stoppen, dass sie seine Ratifizierung verweigern. Hoffen wir, dass Präsident Klaus der richtige Mann dafür ist.

 
  
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  Alessandro Battilocchio (PSE), schriftlich.(IT) Vielen Dank, Frau Präsidentin! Ich wünsche der Tschechischen Republik aufrichtig Erfolg mit ihrer Arbeit. Die Zeichen stehen zu Beginn ihrer Präsidentschaft nicht gut: ihre fundamentale Europaskepsis, die in der jüngsten Vergangenheit vielen tschechischen Handlungen zugrunde lag (darunter die Nichtratifizierung des Vertrags von Lissabon bis dato), sorgt selbst bei Optimisten für Unruhe. Die Erklärung des amtierenden Ratspräsidenten zum Gaza-Konflikt hat ebenfalls erkennen lassen, dass er weit vom institutionellen Denken entfernt ist: die Positionen sollten mit den anderen 26 Mitgliedstaaten abgestimmt werden. Ferner sendet der Umstand, dass es kein Treffen mit der sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament gab, ein sehr schlechtes Signal aus: es ist noch nie vorgekommen, dass ein amtierender Ratspräsident keine Zeit gefunden hat, um einen Dialog mit einer großen Fraktion im Parlament zu führen. Frau Präsidentin, wir hoffen, dass wir durch wirksames und entschiedenes Handeln überrascht werden. In diesem Fall werden wir Ihnen hierfür nach Ablauf der sechs Monate mit intellektueller Redlichkeit Anerkennung zollen.

 
  
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  Ilda Figueiredo (GUE/NGL), schriftlich. – (PT) Die tschechische Präsidentschaft hat sich drei Prioritäten gesetzt: Wirtschaft, Energie und Außenbeziehungen. Daher folgte die Vorlage des Programms der tschechischen Präsidentschaft den bereits bekannten Eckpunkten, aber es gab ein paar Besonderheiten, insbesondere im Hinblick auf die Ratifizierung des Vertrags von Lissabon. Der tschechische Ministerpräsident bekräftigte, dass die Souveränität der irischen Bürger geachtet werden muss. Er hat sogar erwogen, dass im Falle eines Referendums in der Tschechischen Republik vielleicht ähnliche Ergebnisse wie in Irland erzielt worden wären, und akzeptiert, dass der Vertragsentwurf eventuell abgelehnt wird.

Bezüglich der Gaskrise zwischen Russland und der Ukraine sind seines Erachtens beide Länder dafür verantwortlich, und er nannte wirtschaftliche, strategische und politische Gründe für ihr Handeln. Ferner will er eine stärkere Intervention der Europäischen Union unterstützen, hat aber keine spezifischen Vorschläge unterbreitet.

Im Hinblick auf die sozioökonomischen Themen hat er nichts Neues vorgebracht, was bedeutet, dass die neoliberalen Haltungen und die vom Europäischen Parlament abgelehnten Vorschläge zur Arbeitszeitrichtlinie, dem Stabilitäts- und Wachstumspakt und der neoliberalen Lissabon-Strategie beibehalten werden. Des Weiteren ignorierte er die Wirtschaftskrise und ihre ernsten Folgen in der sozialen Dimension.

Darüber hinaus sagte er praktisch gar nichts in Bezug auf die Kriegsverbrechen, die Israel nach wie vor gegen die Palästinenser verübt, was wir beklagen.

 
  
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  Genowefa Grabowska (PSE), schriftlich. (PL) Die tschechische Präsidentschaft hat in einer schwierigen Zeit für die gesamte EU begonnen. Die Finanzkrise und die Wirtschaftsrezession stellen die EU mehr denn je in ihrer sechsundfünfzigjährigen Geschichte auf die Probe. Hinzu kommen noch die Europawahlen im Juni und der jüngste militärische Konflikt im Gaza-Streifen. Ich persönlich bedaure, dass die Tschechen nicht über die geeigneten Werkzeuge für diese Aufgabe verfügen. Ich bedaure ferner, dass der Vertrag von Lissabon zur Reformierung der EU noch keine Realität ist.

Aus diesem Grund haben wir keine gemeinsame Außenpolitik, es gibt kein System für die Entscheidungsfindung, und die Mitgliedstaaten sind nicht durch einen Grundsatz der Energiesolidarität gebunden. Darüber hinaus sind die Ansichten von Präsident Klaus über den Klimawandel, die EU-Reform und den Euro, die bizarr, wenn nicht gar feindselig sind, zu einem großen Teil dafür verantwortlich. Deshalb appelliere ich an die tschechische Regierung und den Ministerpräsidenten Mirek Topolánek, sich so weit wie möglich von den öffentlichen Erklärungen des Präsidenten Klaus über EU-Angelegenheiten zu distanzieren. Dies liegt sowohl in seinem als auch in unserem gemeinsamen Interesse.

Die tschechischen Prioritäten, als die großen drei „E“ bekannt – Wirtschaft, Energie und Außenbeziehungen –, sind eine Kurzzusammenfassung dessen, was Europa braucht. Deshalb bin ich der Ansicht, dass das Versprechen von Herrn Schwarzenberg, dass die Tschechen „in den Angelegenheiten Europas erhebliche Fortschritte erzielen werden“ und dass sie „nicht auf unterster Schiene“ handeln werden, wahr werden. Ich wünsche unserem Nachbarn im Süden aus ganzem Herzen eine erfolgreiche Präsidentschaft!

 
  
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  Gábor Harangozó (PSE), schriftlich. Das im Dezember beschlossene Konjunkturprogramm ist ein großer Schritt in die richtige Richtung, um dem derzeitigen Wirtschaftsabschwung zu begegnen. Jetzt müssen seine konkreten Aspekte schnell und effizient umgesetzt werden. In dieser Hinsicht sollte die Union ihre Anstrengungen maximieren, um den Zugang zu verfügbaren Mitteln zu erleichtern. Wir sollten daher – während wir gleichzeitig das Vertrauen in unseren Finanzmarkt wiederherstellen – insbesondere die Maßnahmen verbessern und vereinfachen, um die Nutzung der Struktur- und Kohäsionsfonds zu beschleunigen. Die Kohäsionspolitik ist das größte Instrument der Solidarität in der Union, und natürlich hat sie eine entscheidende Bedeutung für die Bekämpfung der negativen Auswirkungen einer globalen Krise dieses Ausmaßes. Des Weiteren begrüße ich im Rahmen der Prioritäten der neuen tschechischen Präsidentschaft den Willen zur Aufnahme von Diskussionen über die Neudefinierung der benachteiligten Regionen parallel zur Mitteilung der Kommission. Eine bessere Abgrenzung dieser Regionen wird letztendlich dazu beitragen, ihre Bedürfnisse besser zu befriedigen und ihre Entwicklungspotenziale zu fördern und damit stärker im Einklang mit den Zielen der sozialen, territorialen und wirtschaftlichen Konvergenz in der gesamten Union zu arbeiten. Wir müssen in der Tat unsere Bemühungen zur Vermeidung der negativen Folgen der Krise nicht nur auf die Wirtschaft, sondern auch auf unsere Bürger, vor allem auf die schwächsten unter ihnen, verstärken.

 
  
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  Mieczysław Edmund Janowski (UEN), schriftlich. (PL) Ich möchte dem Ministerpräsidenten Mirek Topolánek für die Erläuterung der Prioritäten der tschechischen Präsidentschaft danken. Die drei großen „E“, Wirtschaft, Energie und Europa in der Welt, die den Rahmen für den Gemeinschaftsvorsitz bilden werden, werden durch zusätzliche ungeplante Ereignisse von außen beeinträchtigt: Gaza und Gas.

Das Problem des Gaza-Konflikts hat politische Dimensionen. Allerdings ist er inzwischen derart militarisiert worden, dass nun humanitäre Maßnahmen im Vordergrund stehen. Dort sterben Menschen! Nicht nur militante Hamas-Mitglieder, die den militärischen Konflikt ausgelöst haben, sondern auch unschuldige Kinder, Frauen und Männer. Die EU muss gemeinsam mit den VN alles in ihrer Macht Stehende tun, um eine Lösung für diesen blutigen Konflikt zu finden. Juden und Palästinenser können friedlich Seite an Seite leben. Ich bitte Sie: Seien Sie in Ihren Anstrengungen zur Erreichung dieses Ziels unnachgiebig.

Die Gaskrise hat viele europäische Staaten getroffen. Der Streit zwischen zwei Unternehmen, einem russischen und einem ukrainischen, ist zu einem Streit zwischen den beiden Ländern ausgeartet. Nun leiden viele Bürger in zahlreichen Ländern erheblich unter den Folgen, und ihre Energieversorgung wurde inmitten eines harten Winters unterbrochen. Er hat ferner zu erheblichen wirtschaftlichen Verlusten geführt, da auch in der Produktion Erdgas benötigt wird. Daher ist es höchste Zeit, ein EU-weites Öl- und Gassystem aufzubauen, das von diversen Quellen gespeist wird. Des Weiteren müssen wir dringend nach neuen Energiequellen Ausschau halten und modernisierte Methoden der Kohlevergasung nutzen. Polen unternimmt Schritte dieser Art.

Ich wünsche unseren tschechischen Freunden von Herzen, dass sie die Ziele der EU erfolgreich verwirklichen können.

 
  
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  Magda Kósáné Kovács (PSE), schriftlich.(HU) Die tschechische Präsidentschaft befindet sich in einer schwierigen Lage. Es ist schwer, die Zügel der Macht erstmals nach einer Präsidentschaft in der Hand zu halten, die als einer der alteingesessenen Motoren Europas das Schiff der Union bereits mehrmals erfolgreich gesteuert hat. Sie ist in einer schwierigen Lage, denn erst jetzt werden die Auswirkungen der Finanzkrise in ganz Europa spürbar. Die Lage ist auch deshalb schwierig, weil sich der tschechische Vorsitz nicht nur gegen die extreme Europaskepsis im Parlament, sondern auch gegen hochrangige Politiker ihres Heimatlandes behaupten muss.

Nichtsdestotrotz scheint das Programm der tschechischen Präsidentschaft zu denen zu gehören, mit denen versucht wird, die Europäische Union ausgewogen zu leiten. Mit dem ehrgeizigen Ziel des Mottos „Europa ohne Schranken“ stellt es nicht nur das Problem in den Vordergrund, wie man mit der Wirtschaftskrise umgehen soll, sondern auch das, wie man die längerfristigen Grundsätze der EU effektiv bekräftigen kann. Die Tschechische Republik ist das erste Land der Region Ost- und Mitteleuropa, das alle üblichen Merkmale neuer EU-Mitgliedstaaten aufweist. Dementsprechend versucht das Programm der tschechischen Präsidentschaft, die Anforderungen der neuen Mitgliedstaaten angemessen darzustellen.

Wir freuen uns alle sehr darüber, dass sich die Reaktion der tschechischen Präsidentschaft auf die Wirtschaftskrise auf die Förderung der Arbeitnehmer in der EU und der vertikalen Mobilität konzentriert.

Gleichzeitig möchte ich die Aufmerksamkeit der Präsidentschaft speziell auf die Notwendigkeit lenken, die Lage der meisten unterentwickelten Regionen und der Roma-Minderheit zu verbessern. Hier handelt es sich in der Tat um grenzübergreifende soziale und wirtschaftliche Probleme auf europäischer Ebene.

Neben dem Einsatz von Einwanderern als Arbeitnehmer können die Alterung der EU-Bevölkerung und die daraus resultierenden sozialen Spannungen langfristig durch die Förderung EU-interner Arbeitskräfte mit nicht konkurrenzfähigen Kenntnissen und Fähigkeiten abgefedert werden.

 
  
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  Iosif Matula (PPE-DE), schriftlich.(RO) Ich möchte der Tschechischen Republik zur Übernahme des Vorsitzes der Europäischen Union gratulieren. Des Weiteren möchte ich zum Ausdruck bringen, dass ich die Tatsache sehr schätze, dass es möglich gewesen ist, ein 18-Monats-Programm als Teil eines Kooperationsprozesses mit Frankreich, das zuvor den Vorsitz der Europäischen Union innehatte, und Schweden zu erstellen, das die EU-Präsidentschaft im zweiten Halbjahr dieses Jahres übernehmen wird.

Die Herausforderungen, mit denen diese Präsidentschaft gleich zu Beginn konfrontiert wurde, darunter der Krieg im Gaza-Streifen, die Unterbrechung der russischen Erdgaslieferungen und die Wirtschaftskrise, haben bekräftigt, dass die von der Tschechischen Republik gewählten Prioritäten absolut relevant sind.

Von den drei von der tschechischen Präsidentschaft genannten Prioritäten – Energie, Wirtschaft und Europa in der Welt – möchte ich mich auf den Energieaspekt beziehen. Ich persönlich denke, dass Europa eine gemeinsame Energiepolitik braucht, damit eine übermäßige Abhängigkeit von Energiequellen aus einer einzigen Region vermieden werden kann.

In dieser Hinsicht unterstütze ich die Notwendigkeit des Aufbaus von Beziehungen mit neuen Anbietern sowie die Bedeutung der Investitionen in unkonventionelle Technologien zur Energieerzeugung. Wir müssen die Transportinfrastruktur verbessern und dem Bau der Strecke für die Nabucco-Gaspipeline die gebotene Aufmerksamkeit widmen. Ich denke auch, dass es entscheidend ist, die Verfahren zum Start von Projekten zu verkürzen, die darauf abzielen, alternative und unkonventionelle Energiequellen zu finden.

 
  
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  Mary Lou McDonald (GUE/NGL), schriftlich. Das Unvermögen des Europäischen Rates, bis dato die echten Ursachen hinter dem irischen „Nein“ zum Vertrag von Lissabon anzugehen, macht ein zweites „Nein“ im nächsten Referendum erst möglich.

Angesichts des Umstands, dass ein zweitens „Nein“ durchaus realistisch ist, versucht sich die tschechische Präsidentschaft auf die Möglichkeit vorzubereiten, dass der Vertrag von Lissabon nicht in Kraft treten wird. Sie bemüht sich darum, einen „Plan B“ für die Wahl einer neuen Kommission nach den Regeln des Vertrags von Nizza zu erstellen. Die Idee der Wahl einer Kommission aus 26 Kommissaren und einem Hohen Vertreter für die europäische Außen- und Sicherheitspolitik aus dem 27. Mitgliedstaat ist nur ein möglicher Weg, wie mit diesem Problem umgegangen werden könnte.

Die Menschen in ganz Europa erkennen, dass der Vertrag von Lissabon nicht das Allheilmittel ist, als das ihn viele seiner eifrigen Befürworter darstellen. Allerdings könnte er dazu beitragen, die wirtschaftlichen und sozialen Probleme, mit denen wir konfrontiert werden, noch zu verschärfen.

Was die Krise im Gaza-Streifen anbelangt, ist die Reaktion der tschechischen Präsidentschaft weit von dem entfernt, was nötig wäre. Die EU muss geschlossen handeln, um die Rechte der belagerten Palästinenser zu verteidigen und das Blutvergießen zu beenden.

 
  
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  Rareş-Lucian Niculescu (PPE-DE), schriftlich.(RO) Die Tschechische Republik, die die Präsidentschaft des Rates der Europäischen Union am 1. Januar 2009 übernommen hat, sieht sich gemeinsam mit anderen Staaten, die 2004 und danach der EU beigetreten sind, mit Problemen konfrontiert, die dahingehend bedenkliche Ausmaße annehmen, dass viele Wohngebäude nicht mehr beheizt werden können.

Wir sollten Folgendes bedenken: Bei den von den Bürgern bezahlten Energie- und Heizkosten könnten durch eine Renovierung der Heizungssysteme in diesen Gebäuden und die Ausschöpfung der begrenzten Möglichkeiten zur Nutzung der Struktur- und Kohäsionsfonds für Investitionen in diesem Bereich erhebliche Einsparungen erzielt werden. Ich denke daher, dass die tschechische Ratspräsidentschaft auch dieses Thema zu ihren Prioritäten zählen sollte.

Zweitens, in Bezug auf den europäischen Haftbefehl hat die Tschechische Republik dahingehend eine Erklärung basierend auf Artikel 32 des Rahmenbeschlusses abgegeben, dass sie das Auslieferungsverfahren „nur für nach dem 1. November 2004 begangene Straftaten“ anwendet. Ähnliche Regelungen gelten auch in anderen europäischen Staaten. Fälle wie dieser untergraben das Vertrauen der Bürger in die Wirksamkeit der europäischen Politik zur Verbrechensbekämpfung. Die Tschechische Republik, die den Ratsvorsitz innehat, bietet eine gute Möglichkeit zur erneuten Überprüfung dieser Erklärungen.

 
  
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  Athanasios Pafilis (GUE/NGL), schriftlich. (EL) Die Aussagen des tschechischen Ministerpräsidenten und des Präsidenten der Europäischen Kommission sowie die Debatte im Allgemeinen über das Programm der tschechischen Präsidentschaft der EU im Parlament sind eine Folge der volksfeindlichen Politik im Rahmen früherer Präsidentschaften. Sie haben die Botschaft ausgesandt, dass der Angriff des Kapitals auf die Arbeiter und die unteren Klassen unvermindert anhalten wird. Die imperialistische Rolle der EU wird gestärkt, da sich die tschechische Präsidentschaft große Mühe gab, den Moment ihrer Amtsübernahme zu zelebrieren, indem sie den kriminellen imperialistischen Angriff Israels auf den Gaza-Streifen unterstützte und das barbarische Abschlachten des palästinensischen Volkes legitimierte, und das mit voller Unterstützung der USA und unter Einhaltung des Plans der USA, der NATO und Osteuropas zum „Neuen Nahen Osten“.

Das Programm der tschechischen Präsidentschaft signalisiert eine fortgesetzte Intensivierung der volksfeindlichen Angriffe der ΕU zur Abwδlzung der Auswirkungen der Krise im kapitalistischen System auf die Arbeiterklasse und die Armen. Hier haben wir es mit einer gestiegenen Aggression der EU gegen das Volk, einer imperialistischen Intervention und einem Ausbau ihrer Fδhigkeit zu tun, weltweit militδrisch zu intervenieren.

Das Volk muss auf eine derartige Aggression von Seiten der EU mit einem Gegenangriff reagieren. Widerstand, Ungehorsam und Distanzierung von der reaktionären Politik der EU sowie von der EU selbst bringen das Volk weiter.

 
  
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  Maria Petre (PPE-DE), schriftlich.(RO) Ich möchte meine Rede gerne damit beginnen, nochmals auf den Gedanken zurückzukommen, über den ich am Montag während der Eröffnung der Plenarsitzung gesprochen habe. Sie haben den Vorsitz während eines Zeitraums inne, der für uns von besonderer Bedeutung ist. In diesem Jahr feiern wir den 20. Jahrestag des Falls des Eisernen Vorhangs. Ich habe am Montag gesagt, dass diese 20 Jahre für uns, aber insbesondere für die Millionen von Bürgern, die uns hierher entsandt haben, zum einen eine Wartezeit und zum anderen eine Zeit der Akzeptanz waren. Vielleicht war es für uns normal, nicht imstande zu sein, die Last der 50 Jahre, die uns vom Rest Europas trennten, schneller abzuschütteln.

Ich möchte Ihnen zur Einbeziehung der dritten Priorität, Europa in der Welt, ganz speziell aber zur Aufnahme der Östlichen Partnerschaft als Priorität, gratulieren. Die Geschichte unserer beiden Länder, die Rumäniens und die der Tschechischen Republik, haben zwei wesentliche Dinge gemein: 1968 und dann den Prager Frühling, die für uns Rumänen unter der grausamsten kommunistischen Diktatur einen Hoffnungsschimmer darstellten, der uns auf dem Weg in die Freiheit leitete.

Als rumänische Abgeordnete möchte ich Sie bitten, angemessen und ganz speziell für die Östliche Partnerschaft einzutreten. Es gibt Millionen von Bürgern in dieser Region, für die diese Hoffnung wiederaufleben muss, indem sie in den kommenden Monaten die Ereignisse des Prager Frühlings erneut durchleben. Wir beide können die Tragweite dieser Erwartung voll und ganz verstehen.

 
  
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  Czesław Adam Siekierski (PPE-DE), schriftlich. (PL) Nun liegen sechs Monate des tschechischen Vorsitzes der Europäischen Union vor uns, eine Präsidentschaft, die, wie sich klar herausgestellt hat, nicht einfach sein wird. Die zwei größten Krisen, mit denen wir es in den vergangenen Wochen zu tun hatten, zeigen uns, dass es für eine gute Leitung der Europäischen Union nicht nur sorgfältig erstellter Programme bedarf, sondern vor allem der Fähigkeit, schnell und angemessen auf schwierige Probleme zu reagieren. Daran sollte sich jeder Mitgliedstaat, der sich auf die Übernahme des EU-Vorsitzes vorbereitet, erinnern.

Die tschechische Präsidentschaft folgt auf eine sehr dynamische und ehrgeizige französische Präsidentschaft. Es ist unwahrscheinlich, dass die beiden Vorsitze nicht miteinander verglichen werden. Allerdings sind die tschechischen Behörden meines Erachtens gut auf diese Aufgabe vorbereitet, und die tschechische Präsidentschaft wird ein Beispiel dafür sein, wie selbst ein kleines Land, das der Gemeinschaft erst vor kurzem beigetreten ist, imstande ist, diese ordentlich zu leiten. Nicht einmal die politischen Meinungsunterschiede auf nationaler Ebene sollte sie stoppen.

Ich möchte an die Präsidentschaft appellieren, ein wenig ihrer Aufmerksamkeit den täglichen Problemen zu widmen. Ehrgeizige Pläne im großen Stil sind wichtig und notwendig, aber sehr häufig weit von den Bedürfnissen der Normalbürger entfernt. Es ist wichtig, dass die Menschen in der Europäischen Union unmittelbar vor den Europawahlen das Gefühl haben, dass die Gemeinschaft für sie gegründet wurde, für ihre Bürger, und dass sie dazu da ist, ihr tägliches Leben zu verbessern. Also, große Visionen – ja, aber bitte auf das tägliche Leben bezogen.

Ich wünsche Ihnen Erfolg!

 
  
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  Petya Stavreva (PPE-DE), schriftlich.(BG) Die Tschechische Republik übernimmt den Vorsitz der EU in einer Zeit, in der sich Europa mit den Herausforderungen der globalen Finanzkrise, der unterbrochenen russischen Gaslieferungen und des Gaza-Konflikts konfrontiert sieht.

Ich denke, dass das ehrgeizige Programm der tschechischen Präsidentschaft durch eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Europäischen Parlament und der Europäischen Kommission erreicht werden kann. Europa muss weiterhin bezüglich aller Punkte auf der Tagesordnung der EU-Bürger eine aktive Haltung einnehmen. Momentan ist das Thema der Energieversorgungssicherheit von besonderer Brisanz, und die Anstrengungen der Mitgliedstaaten müssen verstärkt werden. Die Unterbrechung der russischen Gaslieferungen an europäische Verbraucher in Regionen, in denen Minusgrade herrschen, hat Europa lahmgelegt und gibt dem Konzept der Energieunabhängigkeit eine neue Dimension. Die Krisensituation macht es zwingend erforderlich, die Abhängigkeit der Mitgliedstaaten von russischen Gaslieferungen zu verringern und nach Alternativen Ausschau zu halten.

Die Bürger eines vereinten Europas erwarten von der tschechischen Republik, dass sie aktiv tätig wird und zur Lösung dieses Problems beiträgt, das schon längst nicht mehr nur ein Handelsstreit zwischen Russland und der Ukraine ist.

Ich wünsche der Präsidentschaft viel Erfolg.

 
  
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  Theodor Dumitru Stolojan (PPE-DE), schriftlich.(RO) Ich begrüße den Umstand, dass die tschechische Präsidentschaft das Energiethema zu einer ihrer Prioritäten gemacht hat.

Die inakzeptablen Vorfälle in den letzten Wochen bezüglich der Erdgasversorgungssicherheit einiger EU-Mitgliedstaaten haben einmal mehr die Notwendigkeit einer europäischen Energiepolitik bekräftigt, die durch klar definierte und mit europäischen Mitteln finanzierte Projekte umgesetzt wird. Der Erdgasbinnenmarkt der EU kann nur durch einen raschen Ausbau der Speicheranlagen für Erdgas und Flüssiggas sowie die Beschleunigung der Umsetzung des Nabucco-Projekts normal funktionieren.

 
  
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  Margie Sudre (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Ich möchte der tschechischen Regierung meine besten Wünsche übersenden, die den Vorsitz der Union in einer heiklen Lage aufgrund der Komplexität ihrer nationalen politischen Situation und eines besonders besorgniserregenden internationalen Kontexts führt.

Die tschechische Präsidentschaft muss wie der von Nicolas Sarkozy in den vergangenen sechs Monaten geführte Vorsitz entschlossen und dynamisch vorgehen, um aktiv zu einer sofortigen Waffenruhe im Gaza-Streifen beizutragen und eine starke politische Dynamik auf der Grundlage des vorbereiteten Arbeitsprogramms aufrechtzuerhalten, das gemeinsam mit Frankreich und Schweden entworfen wurde. Schweden wird den Ratsvorsitz von den Tschechen übernehmen.

Angesichts der Wirtschaftskrise sollte das von den 27 Mitgliedstaaten angenommene koordinierte Konjunkturprogramm unverzüglich umgesetzt werden, um die Industrie, den Wettbewerb und die europäischen Arbeitsplätze zu schützen. Europa spielt eine wichtige Rolle bei der Überwindung der Krise, und die tschechische Präsidentschaft muss dazu beitragen, dies unter Beweis zu stellen.

Ich begrüße die Verpflichtung des tschechischen Ministerpräsidenten, dafür zu sorgen, dass der Vertrag von Lissabon bis zum Ende dieser Präsidentschaft von seinem Land ratifiziert wird. Von den wirtschaftlichen, diplomatischen und institutionellen Krisen, die Europa schwächen, ist letztere die einzige, deren Überwindung allein von den Europäern abhängt. Die tschechische Präsidentschaft muss die Union in die Lage versetzen, diesen Erfolg zu erzielen, um unseren Mitbürgern gute Zukunftsaussichten garantieren zu können.

 
  
  

VORSITZ: LUIGI COCILOVO
Vizepräsident

 

4. Abstimmungsstunde
Video der Beiträge
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  Der Präsident. – Als nächster Punkt folgt die Abstimmung.

Ich möchte das Plenum darüber in Kenntnis setzen, dass wir während der Abstimmung auf ausdrücklichen Antrag des Verbands der Parlamentsjournalisten bei allen Ergebnissen die Anzahl der Ja- und Nein-Stimmen und der Enthaltungen vorlesen müssen. Wir hätten die Dinge gerne für Sie vereinfacht, aber es ist nicht möglich.

(Einzelheiten zum Ergebnis der Abstimmung: siehe Protokoll)

 

4.1. Sicherheitsmerkmale und biometrische Daten in Pässen und Reisedokumenten (A6-0500/2008, Carlos Coelho) (Abstimmung)
  

Nach der Abstimmung über den Bericht von Carlos Coelho (A6-0500/2008)

 
  
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  Francesco Enrico Speroni (UEN). - (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte gerne etwas zur Geschäftsordnung sagen. Sie haben uns darüber informiert, dass Sie auf Antrag der Journalisten, einer geschätzten Interessengruppe, alle Abstimmungsergebnisse vorlesen werden, aber meiner Ansicht nach sollten die Regeln des Parlaments von den Abgeordneten und nicht von den Journalisten festgelegt werden. Ich würde gerne wissen, ob es sich hier um den Verband blinder Journalisten handelt, denn die Journalisten können die Abstimmungsergebnisse doch sehr gut von den Bildschirmen ablesen. Jedenfalls können taube Journalisten Schwierigkeiten haben, wenn Sie die Ergebnisse vorlesen.

(Beifall)

 
  
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  Der Präsident. − Herr Speroni, ich habe gewisse Schwierigkeiten damit, meine persönliche Meinung zu den Problemen der Arbeit der Journalisten zum Ausdruck zu bringen. Da dieser Antrag diesmal an das Präsidium gestellt wurde, denke ich, dass das Präsidium darauf antworten sollte. Persönlich teile ich wahrscheinlich Ihre Ansichten. Es ist bereits entschieden worden, dass das Thema der zu erteilenden Antwort auf der Tagesordnung der nächsten Präsidiumssitzung stehen wird.

 
  
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  Edward McMillan-Scott (PPE-DE). - Herr Präsident! Ich schließe mich der von Herrn Speroni vorgetragenen Meinung an. Ich verstehe die Schwierigkeit, in der Sie sich befinden, aber ich denke, dass er Recht hat. Auf den Bildschirmen werden die Ergebnisse aller Abstimmungen angezeigt. Wenn man alle Abstimmungsergebnisse einschließlich der der Änderungsanträge vorlesen müsste, wäre dies sehr zeitraubend – besonders bei einer Abstimmung wie wir sie heute haben. Ich schlage deshalb vor, dass Sie das Präsidium bitten, dies an den zuständigen Ausschuss weiterzuleiten, und wir werden dies bei einer künftigen Abstimmung berücksichtigen – wenn dies für das Parlament akzeptabel ist.

(Beifall)

 
  
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  Der Präsident. − Wie ich bereits gesagt habe, wird die Angelegenheit an das Präsidium verwiesen, damit es eine definitive Antwort erteilen kann.

Wir werden daher nun mit der Abstimmung beginnen.

 

4.2. Vergabe bestimmter öffentlicher Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit (A6-0415/2008, Alexander Graf Lambsdorff) (Abstimmung)

4.3. Gefährliche Stoffe und Zubereitungen: Dichlormethan (A6-0341/2008, Carl Schlyter) (Abstimmung)

4.4. Fischereisektor: Ratifizierung des IAO-Übereinkommens 188 über die Arbeit im Fischereisektor durch die Mitgliedstaaten (A6-0423/2008, Ilda Figueiredo) (Abstimmung)

4.5. Lage der Grundrechte in der Europäischen Union 2004-2008 (A6-0479/2008, Giusto Catania) (Abstimmung)
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  Der Präsident. − Vor der Abstimmung über den ersten Teil von Ziffer 32

 
  
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  Mogens Camre (UEN). - Herr Präsident! Dies dient dazu, den Text dieses Änderungsantrags zu vervollständigen. Wir möchten einfach nach dem Wortlaut „12. Dezember 2006“ die Worte „sowie am 4. und 17. Dezember 2008“ hinzufügen. Grund hierfür ist, dass es Gerichtsurteile über diese späteren Termine gab, und es wäre nicht richtig, das Urteil von 2006 zu erwähnen, ohne auf die jüngsten Gerichtsurteile vom Dezember 2008 hinzuweisen.

 
  
 

(Der mündliche Änderungsantrag wird berücksichtigt.)

– Vor der Abstimmung über Änderungsantrag 25

 
  
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  Syed Kamall (PPE-DE). - Herr Präsident! Nach meiner Abstimmungsliste sieht es so aus, als wäre Ziffer 36 gestrichen worden, und ich frage mich, ob wir darüber nicht hätten abstimmen sollen.

 
  
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  Der Präsident. − Änderungsantrag 8 ist zurückgezogen worden. Deshalb können Sie nicht über Ziffer 36 abstimmen.

– Vor der Abstimmung über Ziffer 161

 
  
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  Marco Cappato (ALDE).(IT) Herr Präsident, geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Zu Ziffer 166 möchte ich gerne sagen, dass der ursprüngliche englische Text die authentische Version ist, denn es gibt zu viele Übersetzungen, die die Bedeutung völlig verzerren; so heißt es beispielsweise in der italienischen Übersetzung „morte decorosa'“ [ehrbarer Tod]. Ich werde nicht in die Details gehen, aber die englische Version ist die authentische.

 
  
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  Der Präsident. − Vielen Dank dafür, dass Sie uns darauf hingewiesen haben. Ich werde im geeigneten Moment darauf zurückkommen, ohne Herrn Cappato erneut das Wort zu übergeben, denn nun müssen wir über Ziffer 161 abstimmen. Wir müssen noch über den ursprünglichen Text der Ziffer abstimmen, nachdem der Änderungsantrag abgelehnt worden ist.

 

4.6. Seearbeitsübereinkommen 2006 (B6-0624/2008) (Abstimmung)

4.7. Entwicklung des UN-Menschenrechtsrats und Rolle der EU (A6-0498/2008, Laima Liucija Andrikienė) (Abstimmung)

4.8. Zugang der Öffentlichkeit zu den Dokumenten des Parlaments, des Rates und der Kommission (A6-0459/2008, Marco Cappato) (Abstimmung)

5. Stimmerklärungen
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Mündliche Stimmerklärungen

 
  
  

- Bericht: Carlos Coelho (A6-0500/2008)

 
  
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  Hubert Pirker (PPE-DE).(DE) Herr Präsident! Ich habe für diesen Bericht gestimmt, weil er im Interesse der Sicherheit der Kinder eine Reform eingefordert und zusätzlich Maßnahmen für sichere Reisepässe gebracht hat, also insgesamt ein Paket, das uns im Kampf gegen den Kinderhandel und um mehr Sicherheit für Kinder vorwärtsbringt.

 
  
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  Zuzana Roithová (PPE-DE). – (CS) Ich halte es für erforderlich, die Sicherheitsmerkmale der Reisedokumente um biometrische Daten zu ergänzen. Allerdings müssen wir neben der Erhöhung der Sicherheit der europäischen Bürger, was unser oberstes Ziel ist, auch die Kehrseite der Medaille berücksichtigen, und zwar den Schutz der Privatsphäre unserer Bürger. Ich werde mich dafür einsetzen, sicherzustellen, dass die Umsetzung dieser Gesetzgebung und ihrer Umsetzung auf nationaler Ebene nicht zu bürokratischen Schwierigkeiten oder gar zum Datenmissbrauch führt. Dies schließt den Missbrauch durch Drittländer außerhalb der EU ein. Ich möchte auf die Notwendigkeit hinweisen, eine stärkere Einbindung von Europol und Frontex in dieser Angelegenheit zu fördern. Nur eine enge Zusammenarbeit der Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten untereinander wird zu dem erwünschten Ergebnis führen, Europa zu einem sicheren Zuhause für uns alle zu machen. Ich bin froh, dass Kinder ab 12 Jahren ihren eigenen Reisepass haben werden. Diese Maßnahme wird den grenzübergreifenden Missbrauch von Kindern durch organisierte Kriminelle eindämmen, was ein weiterer Grund für meine Unterstützung dieses offensichtlich kontroversen Themas ist.

 
  
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  Frank Vanhecke (NI). - (NL) Herr Präsident! Ich habe den Coelho-Bericht über biometrische Daten in EU-Reisepässen ausdrücklich unterstützt, denn dies ist unter anderem ein erster Schritt zur Bekämpfung der vielen Formen des Missbrauchs und der Fälschung von Reisepässen. Es ist eine Art der Harmonisierung, die wir zumindest gut heißen können, denn es ist mit Sicherheit eine nützliche und sogar notwendige Maßnahme in den Schengen-Ländern.

Wenn ein System der offenen Binnengrenzen eingeführt wird, sollte die größere Außengrenze natürlich so effizient wie möglich geschützt werden. Dieser Bericht ist ein Schritt in die richtige Richtung, denn die Außengrenze wird derzeit nicht ausreichend geschützt.

Gestatten Sie mir jedoch einen Einwand. Bessere Reisepässe allein reichen nicht aus. Jedes Jahr kommen mehrere hunderttausend Nichteuropäer auf unseren Kontinent Europa. Dabei handelt es sich um legale, halblegale und illegale Einwanderer. Im letzten Jahr kamen mehr als 70 000 Nichteuropäer nach Belgien, zusätzlich zu einer unbekannten Anzahl an illegalen Ausländern. Das ist eine Flutwelle, die wir stoppen müssen, und bessere Reisepässe allein werden in dieser Angelegenheit keine Lösung sein.

 
  
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  Dimitar Stoyanov (NI). (BG) Ich danke Ihnen, Herr Präsident! Ich habe aus zweierlei Gründen gegen den Coelho-Bericht gestimmt. Erstens bin ich äußerst besorgt um die Rechte der Bürger und den Umstand, dass die Erfassung biometrischer Daten eine erhebliche Bedrohung der Sicherheit der Bürger darstellen wird, insbesondere was ihre Freiheit anbelangt. Auch gegen das Grundrecht der Menschen auf Freizügigkeit wird verstoßen.

Aber was mich noch mehr beunruhigt, ist, dass in meinem Land zum zweiten Mal in den vergangenen zehn Jahren neue Personalausweise eingeführt worden sind. Persönlich möchte ich anmerken, dass ich tatsächlich schon zum dritten Mal in zehn Jahren einen neuen Personalausweis ausgestellt bekommen habe. Sie mögen das amüsant finden, aber in Bulgarien ist das Einkommen der Bevölkerung so gering, dass die zusätzliche Belastung ihres Haushaltseinkommens, das sie für den Erwerb neuer Personalausweise aufwenden müssen, für diese Menschen einfach unethisch und unmoralisch ist. Wenn wir über Rentner sprechen, die 100 BGN erhalten, was einer Pension von 50 Euro entspricht, ist es nicht richtig, von ihnen 20 Euro für die Ausstellung neuer Personalausweise zu verlangen. Deshalb habe ich gegen den Coelho-Bericht gestimmt, denn ich denke, dass er für mein Land höchst unangemessen ist.

 
  
  

- Bericht: Marco Cappato (A6-0459/2008)

 
  
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  Gay Mitchell (PPE-DE). - Herr Präsident! Ich möchte nur zu Protokoll geben, dass ich am Ende gegen den Cappato-Bericht gestimmt habe, weil dem Parlament meines Erachtens ein besserer Bericht vorgelegt werden sollte, der sich mit diesen Angelegenheiten befasst.

Ich möchte auch sagen, dass das Parlament etwas in Bezug auf unsere Protokolle unternehmen muss, denn es gibt Abgeordnete, die seit über viereinhalb Jahren hier sind und ein volles Gehalt für diese Zeit erhalten haben, aber weniger Reden gehalten haben als Herr Burke, der erst seit sechs Monaten in diesem Parlament vertreten ist. Ich denke, es ist Zeit, uns diesem Thema zuzuwenden.

Es gibt Leute, die sich weder in diesem Parlament noch in dessen Ausschüssen oder im Plenum engagieren. Einige von ihnen sind Mitglieder kleiner Fraktionen. Sie kommen hierher und erhalten Redezeit, bevor sie zum Flughafen eilen, um ihre Zeit in unseren nationalen Mitgliedstaaten zu verbringen, anstatt hier zu sein, und erzählen den Menschen dann, wie übel es mit der Demokratie in der Europäischen Union bestellt ist. Nun, um die Demokratie in der Europäischen Union steht es wirklich schlecht, wenn Abgeordneten dieses Parlaments, die hier nicht erscheinen, Gehälter ausbezahlt werden können, damit sie mit dieser Art des schamlosen Missbrauchs der Demokratie weitermachen können. Herr Präsident, ich möchte dies zu Protokoll geben.

Ich denke, dass, wenn wir schon Reformen durchführen, wenn wir Dokumente zur Verfügung stellen und sicherstellen, dass es eine größere Transparenz gibt, dann sollten wir auch Schritte unternehmen, um zu zeigen, welche Parlamentarier sich an der Arbeit des Parlaments beteiligen und welche nicht.

 
  
  

- Bericht: Alexander Graf Lambsdorff (A6-0415/2008)

 
  
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  Zuzana Roithová (PPE-DE). – (CS) Der europäische Waffenmarkt ist aufgrund seiner Fragmentierung ineffektiv. Heute haben wir einen Raum für die öffentliche Beschaffung in diesem Sektor geschaffen, während wir gleichzeitig die Befreiungen aus strategischen Gründen gemäß Artikel 273 des Gründungsvertrags respektieren. Im Ausschuss habe ich daran gearbeitet, der Verschwendung öffentlicher Mittel durch undurchsichtige Militärmandate Einhalt zu gebieten. In der Vergangenheit wurde die Klausel bezüglich der nationalen Interessen im Fall der öffentlichen Armeemandate, die eindeutig nichts mit der Qualität der geleisteten Sicherheit zu tun hatten, ebenfalls missbraucht. Ich könnte ohne zu zögern Arbeits-, Catering- und Transportaufträge nennen. Dieser Vorschlag wird Geld einsparen, das anschließend in Forschung und Technik investiert werden kann, um uns effektiver gegen aktuelle und künftige Bedrohungen zu schützen.

 
  
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  Jim Allister (NI). - Herr Präsident! Ich lehne diesen Bericht wegen der Bedrohung ab, die er nach meinem Verständnis für Regierungen und Unternehmen darstellt, die riesige Summen in Verteidigungsforschung und -entwicklung investiert haben und sich jetzt in der Entwicklungs- und Produktionsphase um den Ertrag gebracht sehen.

Nach der vorgeschlagenen Richtlinie müssen Beschaffungsverträge jetzt dem europäischen Wettbewerb geöffnet werden, womit einem Unternehmen für Verteidigungsgüter – selbst einem Land – keine Mittel zum Schutz seiner internationalen Eigentumsrechte und der Arbeitsplätze bleiben. Da einige Rüstungsunternehmen in Großbritannien in Forschung und Entwicklung führend sind, löst die von diesem Bericht ausgehende Bedrohung ernste Besorgnis aus.

Mein Unbehagen wird noch durch die Erkenntnis verstärkt, dass die Stärkung der EU-Integration und der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik eine treibende Kraft in diesem Bericht darstellt, statt dass der greifbare wirtschaftliche Vorteil den Vorrang erhielte.

 
  
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  Carlo Fatuzzo (PPE-DE).(IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich werde versuchen, mich kürzer zu fassen als gewöhnlich; ich habe für den Lambsdorff-Bericht gestimmt, der die gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik einen Schritt voranbringt. Allerdings frage ich mich, und ich frage auch Sie: Wann werden wir endlich eine echte europäische Verteidigung, eine echte europäische Armee haben, eine reale Möglichkeit, Geld zu sparen, und wann werden wir in der Lage sein, uns als ein vereintes Europa zu verteidigen? Ich hoffe, Herr Präsident, dass dies sehr bald der Fall ist!

 
  
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  Der Präsident. − In diesem Fall steht es mir nicht zu, eine direkte Antwort zu geben, die kompliziert wäre. Lassen Sie uns mit weiteren Stimmerklärungen fortfahren, jetzt zum Schlyter-Bericht.

 
  
  

- Bericht: Carl Schlyter (A6-0341/2008)

 
  
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  Zuzana Roithová (PPE-DE). – (CS) Den Bericht über gefährliche Stoffe und Zubereitungen, namentlich Dichlormethan, der eine Einschränkung dieses karzinogenen Stoffs in Abbeizmitteln ermöglicht, habe ich unterstützt, auch wenn Ausnahmen unter strengen Bedingungen vorgesehen sind. Ich bin überzeugt, dass von den Ausnahmen in der Praxis kein Gebrauch gemacht werden wird, weil es sichere Alternativen gibt, für die sich in der Zukunft nicht nur Verbraucher, sondern auch gewerbliche Nutzer bevorzugt entscheiden werden.

 
  
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  Kathy Sinnott (IND/DEM). - Herr Präsident! Manche Stoffe sind so gefährlich, dass sie vollständig verboten werden müssen oder ihre Verwendung auf eng begrenzte Fälle eingeschränkt werden muss, begleitet von strengsten Gesundheits- und Sicherheitsmaßnahmen. Dichlormethan ist einer dieser Stoffe und muss aus dem Verkehr gezogen werden.

 
  
  

- Bericht: Ilda Figueiredo (A6-0423/2008)

 
  
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  Zuzana Roithová (PPE-DE). – (CS) Ich begrüße das internationale Übereinkommen, das für die Beschäftigten im Fischereisektor neue Arbeitsbedingungen schaffen wird. Bei Fischern ist die Häufigkeit von schweren Arbeitsunfällen und Todesfällen am höchsten. An den Rat und die Kommission möchte ich die Bitte richten, alles dafür zu tun, dass dieses Übereinkommen deutlich vor 2012 ratifiziert wird. Vermerken Sie bitte im Protokoll, dass meine Abstimmungseinrichtung nicht funktionierte und dass ich natürlich für diesen Bericht gestimmt habe.

 
  
  

- Bericht: Giusto Catania (A6-0479/2008)

 
  
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  Irena Belohorská (NI). – (SK) Der Initiativbericht von Herrn Catania hat einen bedeutsamen Meinungsaustausch zwischen Fraktionen dieses Hauses und einzelnen Abgeordneten ausgelöst.

Die Europäische Union steht jetzt vor sehr ernsten Problemen, wie der Finanzkrise und der Energiekrise, die vom Konflikt zwischen der Ukraine und Russland hervorgerufen wurde. In dieser Zeit sollten wir gemeinsam handeln und Schritte vermeiden, die unsere Einheit untergraben könnten. Die Folgen dieser Krisen werden zweifellos alle Bürger der Europäischen Union betreffen, ob Slowaken, Polen, Ungarn oder Deutsche. Ich halte die regelmäßig in unseren Sitzungen aufkommenden Versuche, Streit zwischen Mitgliedstaaten anzuzetteln, für ein Zeichen der Unkenntnis der gegenwärtigen ernsten Lage, in der die Einheit der EU bedroht ist. Wir sollten uns mehr darauf besinnen, Lösungen zu finden und den Vertrag von Lissabon zu ratifizieren, um die Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union zu stärken.

Wiederholt habe ich hier im Europäischen Parlament die Ansicht zum Ausdruck gebracht, dass Autonomie in unserem gemeinsamen Raum keinen Platz hat. Die Schlüsselidee der Integration der EU-Länder darf nicht vergessen und erst recht nicht ignoriert oder gar verworfen werden. Wir müssen Schumans Aussage im Gedächtnis behalten, dass ein intelligenter Europäer sich nicht am Leid seines Nachbarn erfreuen kann, weil wir alle durch ein gemeinsames Schicksal in guten wie in schlechten Zeiten verbunden sind.

 
  
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  Hubert Pirker (PPE-DE).(DE) Herr Präsident! Der Bericht Catania ist eine echte Mogelpackung. Wenn wir den Bericht verfolgen, enthält er keinerlei Überprüfung, inwieweit die Grundrechte in der Europäischen Union im Zeitraum von 2004 bis 2008 eingehalten worden sind. Er ist lediglich ein Forderungskatalog der politisch Linken in diesem Hause.

Gefordert wurden unter anderem die Anerkennung der Ehe gleichgeschlechtlicher Partner in allen Mitgliedstaaten, die Legalisierung von Drogen, die Legalisierung der Euthanasie und die Legalisierung illegaler Zuwanderer. Diese Forderungen, die ich oben genannt habe und die mit Mehrheit angenommen worden sind, werden von mir und von der ÖVP-Delegation insgesamt strikt abgelehnt, und wir haben daher – und ich auch – gegen diesen Bericht gestimmt.

 
  
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  Peter Baco (NI). – (SK) Ich habe für den Bericht über die Lage der Grundrechte in der Europäischen Union 2004–2008 gestimmt.

Meine Unterstützung habe ich von der Ablehnung des ursprünglichen Entwurfstexts in Absatz 49 über die Unterstützung für territoriale und regionale Autonomie abhängig gemacht. Ich sehe dies als eine deutliche Zurückweisung der Versuche von Provokateuren und Verschwörern an, über den Status quo zu spekulieren. Anders ausgedrückt: das Europäische Parlament nimmt keine Spielchen mit territorialer und regionaler Autonomie hin. Das ist eine sehr wertvolle Schlussfolgerung aus der heutigen Plenardebatte des Europäischen Parlaments, und ich meine, dazu können wir uns alle gratulieren.

 
  
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  Zuzana Roithová (PPE-DE). – (CS) Herr Präsident! Ich habe ebenfalls gegen die Annahme dieses Berichts eines kommunistischen Abgeordneten über die Lage der Grundrechte in der Europäischen Union gestimmt. Dennoch weiß ich zu schätzen, dass es Berichterstattern aus anderen Gruppen gelungen ist, den Text ein wenig zu bearbeiten, und dass er einige gute Abschnitte über die Lage von Minderheiten enthält. Einige Passagen sind jedoch nicht objektiv. Außerdem überschreitet der Bericht in einem noch nie dagewesenen Maß die Grenzen eines Dokuments, das einen zurückliegenden Zeitraum beschreibt. Der Bericht vertritt eine allzu einseitige politische Sicht der Menschenrechte in der Union. Der Bericht tritt die Subsidiarität mit Füßen, indem er Regeln zur Familienpolitik und anderen ethischen Fragen diktiert, was den Gründungsverträgen widerspricht.

 
  
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  Simon Busuttil (PPE-DE). - (MT) Auch ich habe gegen den Catania-Bericht gestimmt, weil er an mindestens drei Stellen Abtreibung als ein Menschenrecht bezeichnet. Das ist etwas, womit ich nicht einverstanden bin und was ich für inakzeptabel halte. Es ist bedauerlich, dass ein wichtiger Bericht wie dieser, der ein so breites Spektrum an Themen behandelt, Elemente aufnehmen musste, die ohne Frage außerhalb der Zuständigkeit der Europäischen Union liegen und in die sich die Europäische Union nicht einmischen kann und dies wegen des Subsidiaritätsprinzips auch nicht versuchen sollte. Darum habe ich gegen den Catania-Bericht gestimmt.

 
  
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  Péter Olajos (PPE-DE). (HU) Herr Präsident! Beim Catania-Bericht habe ich zustimmend votiert, da er frühere Mängel hinsichtlich der Minderheitenrechte beseitigt. Für Ungarn und die Minderheiten diesseits und jenseits seiner Grenzen ist diese Frage besonders wichtig. Der Bericht hebt den Schutz der Minderheitensprachen hervor und erklärt die Verwendung der Muttersprache zu einem der wichtigsten Grundrechte. Leider war das in mehreren der neuen EU-Mitgliedstaaten in jüngster Zeit nicht der Fall.

Der Bericht betont überdies die Notwendigkeit, den Status einer nationalen Minderheit zu definieren und festzulegen. Meiner Ansicht nach ist das für die 150 Minderheiten in Europa von höchster Bedeutung.

Schließlich betrachte ich Absatz 49 als besonders wichtig, denn er bestätigt, dass die Selbstverwaltung das wirksamste Mittel ist, mit den Problemen nationaler Minderheiten umzugehen. Dazu ist nach den vorbildlichsten Modellen in der Europäischen Union vorzugehen, was personelle, kulturelle, territoriale und regionale Autonomien betrifft.

 
  
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  Jim Allister (NI). - Herr Präsident! Eine von Rechtsansprüchen verzehrte Gesellschaft ist eine „Alles-mir“-Gesellschaft, die aus dem Lot geraten ist. Das ist es, was hinter der Forderung des Berichts nach Gleichheit zwischen regulär verheirateten Paaren und homosexuellen Partnerschaften steht. Die natürliche Ordnung ist Mann und Frau. Wir pervertieren das, wenn wir für die genaue Antithese Gleichheit verlangen.

So unmodern das sein mag – ich erkläre ganz offen, dass die widernatürliche Partnerschaft gleichgeschlechtlicher Paare nichts ist, dem ich als Gesetzgeber zustimmen möchte. Sind meine Rechte, für diese Position einzutreten, geringer als die der Leute, die das Gegenteil verlangen? Angesichts des intoleranten Klimas, in dem diese Debatte teilweise geführt wurde, scheint es so.

In diesem Punkt bin ich mit dem Bericht nicht einverstanden. Wenn ich mich damit lächerlich mache, dann ist es eben so. Ich stehe lieber für das ein, was ich für richtig halte, als dass ich das beklatschte, was falsch ist.

 
  
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  Frank Vanhecke (NI). - (NL) Herr Präsident! Während meiner Zeit in diesem Parlament habe ich selten einen solchen Katalog von politisch korrektem Unsinn und so genannten progressiven Plattitüden gesehen wie in dem Catania-Bericht. Das stärkste Stück ist jedoch die Tatsache, dass ein Bericht über angebliche Grundrechte de facto auf dem Vertrag von Lissabon fußt – einem Vertrag, der in Volksentscheiden abgelehnt wurde und der gegenwärtig keinerlei rechtliche Basis besitzt. Welche Arroganz! Ich frage mich, ob Grundrechte vielleicht nicht für die europäischen Bürger gelten, sondern nur für die Eurokratie.

Zudem fehlt in diesem Bericht ein Grundrecht, nämlich das Recht der Menschen, etwa der Menschen der eigenen Nation, sich in ihrem eigenen Land daheim und sicher zu fühlen, ihren hart erarbeiteten Wohlstand zu verteidigen, ihre Sprache, ihre Kultur, ihre Tradition und ihre Gesetze zu bewahren. Das wäre jetzt eine Neuheit in diesem Tempel der politischen Korrektheit. Das Parlament hat sich durch die Billigung des Catania-Berichts mit überwältigender Mehrheit einmal mehr komplett zum Narren gemacht.

 
  
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  Philip Claeys (NI). - (NL) Herr Präsident! Das Recht der freien Meinungsäußerung und die Art, in der dieses Recht ausgeübt werden kann, sind zweifellos Schlüsselindikatoren zur Bewertung der Lage unserer Grundrechte. Der Bericht warnt zu Recht vor inoffizieller Zensur und Selbstzensur, die aufkommt, wenn bestimmte Themen aus der öffentlichen Debatte verbannt werden. Genauso gerechtfertigt ist in dem Bericht der Abschnitt, der vor Einzelpersonen und Gruppen warnt, die andere durch die Behauptung mundtot machen wollen, sie würden ständig unverdientermaßen angegriffen.

Völlig rätselhaft ist aber die Forderung, „mit Entschiedenheit jede Art der Anstachelung zum Hass in rassistischen Sendungen in den Medien und Artikel, in denen Intoleranz gepredigt wird, [...] zu verfolgen“. Das ist genau die Art, die zu Zensur und Selbstzensur führt, was an anderer Stelle in dem Bericht beklagt wird. Rechtsvorschriften dieser Art haben in Belgien zur Verurteilung der größten flämischen Partei geführt, weil diese Partei die verabschiedete Immigrationspolitik kritisiert hat. Deshalb sollten die Menschen wissen, was sie wollen. Man kann nicht ein bisschen für die freie Meinungsäußerung sein. Entweder ist man für die freie Meinungsäußerung und akzeptiert alle Folgen, die damit verbunden sind, oder man ist dagegen.

 
  
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  Carlo Fatuzzo (PPE-DE). - (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zu den Grundrechten: obwohl ich bei der Schlussabstimmung dagegen votierte, habe ich für Absatz 81 gestimmt, den ich befürworte. In diesem Absatz stellt mein Freund Giusto Catania, der in diesem Augenblick von seinem Platz zu mir schaut, die Forderung an die Mitgliedstaaten auf, alles in ihren Kräften Stehende zu unternehmen, um für junge Menschen, die Älteren und Menschen mit Behinderung den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern und zu verbessern.

Giusto Catania – der absolut gerecht ist, wie sein Vorname schon sagt – muss daran gedacht haben, auch wenn er es nicht niedergeschrieben hat, dass nicht nur der Zugang zu Arbeit verbessert werden sollte, sondern auch der zu Sozialleistungen, da er die Älteren nannte. Darum sind Sozialleistungen für junge Menschen, Menschen mit Behinderung und die Älteren relevant. Ich bin sicher – und ich sehe, dass er mir zustimmt –, dass junge Menschen ebenfalls Sozialleistungen als junge Menschen erhalten und dann arbeiten, wenn sie alt sind. Ich sehe, dass er applaudiert. Ich meine, dass Sie auch einverstanden sind, aber da meine Bemerkungen ins Internet gehen, möchte ich klarstellen, dass ich das gesagt habe, um freundlich darauf hinzuweisen, dass die Älteren ebenfalls ein Recht auf Sozialleistungen haben.

 
  
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  Kathy Sinnott (IND/DEM). - Herr Präsident! Mit dem Catania-Bericht haben viele in diesem Haus wieder einmal versucht, die Menschenrechte als Vorwand für die Förderung der Abtreibung zu benutzen, obwohl Abtreibung jährlich Millionen von Babys das wichtigste Menschenrecht versagt – das Recht auf Leben und damit das Menschenrecht, von dem alle anderen Rechte abhängen.

Überdies ist für mich als irische Abgeordnete und Wählerin die Feststellung interessant, dass dieser Bericht und die Änderungen den Vertrag von Lissabon und die Charta der Grundrechte mit den Rechtsvorschriften zur Abtreibung in der EU verknüpfen.

 
  
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  Mairead McGuinness (PPE-DE). - Herr Präsident! Zunächst bitte ich die Dienste, zu notieren, dass beim Absatz 31 meine Stimme im ersten Teil für die Vorlage sein sollte.

Ich denke, dieser Bericht hätte mehr für Bereiche der Behinderung tun können, die mehr Arbeit benötigen. So gesehen freue ich mich jedoch über die Unterstützung des Parlaments für meinen Änderungsantrag 42, der die Kommission eindringlich bittet, dafür zu sorgen, dass nur solche Mitgliedstaaten Geld erhalten, die hinsichtlich Entinstitutionalisierung den Kriterien der UN-Konvention gerecht werden. Das ist für mich und für viele Leute in diesem Haus ein entscheidender Punkt. Dieser Bericht enthält – wie andere schon gesagt haben – viele Punkte, die unter die Subsidiarität fallen und die Europäische Union nichts angehen, weil diese keine Rechtsvorschriften zur Abtreibung erlässt, nicht erlassen sollte und nicht erlassen wird. Somit konnte ich nicht den gesamten Bericht befürworten. Stattdessen habe ich mich enthalten, weil ich glaube, dass der Änderungsantrag zur Behinderung für diejenigen unter uns wichtig ist, die sich um jene sorgen, die sich nicht äußern, die keine Stimme haben und denen nicht zugehört wird.

 
  
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  Miroslav Mikolášik (PPE-DE). – (SK) Der Catania-Bericht behandelt viele Menschenrechtsthemen. Ich stimme mit einigen der Vorredner überein und möchte wie sie meinen grundlegenden Widerspruch zum Ausdruck bringen, und zwar wegen eines Hauptproblems: es wurden wichtige Änderungsanträge nicht angenommen, die korrigiert hätten, was ursprünglich ein schlechter Bericht war.

Der Bericht enthält weiterhin Verweise auf „so genannte“ sexuelle Gesundheit und sexuelle Rechte, die nach der Definition beispielsweise der Weltgesundheitsorganisation ausdrücklich das Recht auf Abtreibung einschließen, und das ist etwas, das nicht im EU-Gemeinschaftsrecht gelten oder den Mitgliedstaaten aufgezwungen werden kann.

Als Mediziner verteidige ich das menschliche Leben und die Menschenwürde von der Empfängnis an, und deswegen stimmte ich nicht für diesen kontroversen Text, der zudem das Prinzip der Subsidiarität nicht beachtet.

 
  
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  Michl Ebner (PPE-DE).(IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich stimme mit dem von Herrn Pirker Gesagten überein, und darum brauche ich damit keine Zeit mehr zu verlieren. Ich meine, Herr Catania hat über das falsche Thema geschrieben. Dieser Bericht hätte gar nicht erst ins Parlament gelangen dürfen, weil die Dienste prüfen müssten, ob ein Bericht sich mit dem angegebenen Thema und Titel befasst oder etwas vollkommen anderes ist. Dieser Bericht ist etwas völlig anderes und entspricht wirklich nicht seinem Titel und Auftrag.

Hinsichtlich der speziellen Frage im Zusammenhang mit Absatz 49 wäre es mir lieber gewesen, wenn das Parlament den ursprünglichen Text angenommen hätte, ohne jede Änderung. Aus genau den genannten Gründen habe ich gegen den Bericht als Ganzes gestimmt.

 
  
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  Koenraad Dillen (NI). - (NL) Herr Präsident! Ich habe selten mit soviel Überzeugung gegen einen Bericht gestimmt wie heute. Wenn wir den in diesem Bericht dargelegten Empfehlungen folgen würden, würden wir morgen in der Europäischen Union eine Diktatur der politischen Korrektheit begründen, wodurch unter dem Deckmantel von so genanntem Antirassismus in hochtrabenden Grundsatzerklärungen die freie Meinungsäußerung zu Themen wie Asyl und Einwanderung noch weiter eingeschränkt würde. Dieser Bericht verfolgt die Absicht, der legalen und illegalen Einwanderung in die Europäische Union Tür und Tor noch weiter zu öffnen und stellt auch nicht das Recht der Bürger auf Sicherheit in den Mittelpunkt, sondern meint stattdessen, dass es die Rechte von Kriminellen sind, die als so genannte Grundrechte anerkannt werden müssen.

Das stellt die Dinge auf den Kopf. In einer normalen Gesellschaft gehen Rechte und Pflichten Hand in Hand. In diesem ganzen dicken Bericht kann ich jedoch keine Spur einer Verpflichtung für Fremde finden, sich in unsere europäische Gesellschaft zu integrieren. Ganz im Gegenteil: es werden nur wir Europäer bis zum Überdruss ins Visier genommen. Also, unsere Bürger haben das stigmatisierende Drohen der europäischen Mandarine mit dem erhobenen Zeigefinger, der nur auf sie zeigt, gründlich satt.

 
  
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  Martin Callanan (PPE-DE). - Herr Präsident! Der Catania-Bericht enthält vieles, dem ich widersprechen möchte.

Zunächst einmal akzeptiere ich nicht, dass es Sache der Europäischen Union ist, uns irgendwelche Rechte zu verleihen – in der Tat lehrt uns die Geschichte, dass die Europäische Union genau das Gegenteil getan hat.

Außerdem akzeptiere ich nicht, dass die Charta der Grundrechte – bei der es sich um ein als Bestandteil der gescheiterten europäischen Verfassung erdachtes grundlegendes politisches Dokument handelt – in das europäische Recht aufgenommen werden soll. Insbesondere sollte sie nicht in das britische Recht aufgenommen werden.

Ich bin absolut gegen die Charta der Grundrechte. Ich lehne den absolutistischen Ansatz zu Menschenrechten ab. Ich würde sagen, dass ich nicht grundsätzlich gegen die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften bin, aber auch hier gilt, dass dies keine Angelegenheit für die Europäische Union ist: es ist eine Sache, die die Parlamente der einzelnen Mitgliedstaaten für ihr Hoheitsgebiet zu entscheiden haben.

Angesichts dieser Liste grundsätzlicher Einwände habe ich gegen diesen Bericht gestimmt.

 
  
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  Daniel Hannan (NI). - Herr Präsident! Die Erfahrung vieler Epochen lehrt uns, dass Rechte auf Papier allein keine ausreichenden Garanten bürgerlicher Freiheiten sind. Die in der Charta der Grundrechte und Freiheiten der Europäischen Union beschriebenen Rechte unterscheiden sich nicht so sehr von denen, die in den Verfassungen von beispielsweise der DDR oder der UdSSR angelegt waren, aber wie die Bürger dieser bedauerlichen Staaten festgestellt haben, sind Rechte auf Papier allein wertlos, wenn es keine entsprechenden Mechanismen einer parlamentarischen Regierung gibt.

Es gibt in der Europäischen Union keine Krise der Menschenrechte, aber es gibt eine Krise der demokratischen Legitimität. Gestatten Sie mir den Hinweis, dass es ein möglicher Ausweg aus dieser Krise wäre, unseren Wählern gegenüber Wort zu halten und sie wie versprochen in einer Reihe von Referenden über den Vertrag von Lissabon entscheiden zu lassen. Pactio Olisipiensis censenda est!

 
  
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  Ewa Tomaszewska (UEN). - (PL) Herr Präsident! Alle Kinder haben ein Recht auf die Liebe beider Elternteile. Auch wenn die Ehe der Eltern scheitert, ist es das Wohl des Kindes und nicht das „Ermessen“ von Beamten, das über die Kontakte des Kindes zu seinen Eltern entscheiden sollte.

Kinder haben das Recht, mit ihren Eltern in deren Muttersprache zu sprechen. Wenn die Eltern unterschiedlicher Nationalität sind, sollten sie das Recht haben, in beiden Sprachen zu sprechen. Das Jugendamt handelt jedoch gegen die Interessen von Kindern aus gemischten Ehen, wenn es den Umgang mit dem nicht deutschen Elternteil sofort einschränkt. Der Petitionsausschuss hat in dieser Angelegenheit mehr als 200 Eingaben verzeichnet. Darum habe ich den Änderungsantrag 24 unterstützt. Aufgrund von dessen Ablehnung habe ich schließlich gegen einen Bericht gestimmt, der durch abtreibungsfreundliche Rechtsvorschriften das Recht auf Leben verneint und gegen das Prinzip der Subsidiarität verstößt.

 
  
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  Gerard Batten (IND/DEM). - Herr Präsident! Die UK Independence Party ist gegen Rassismus, Genitalverstümmelung von Frauen und Mädchen, Kriminalisierung von Homosexualität und Vorurteile gegen Ausländer, wo immer in der Welt diese Dinge vorkommen. Allerdings haben die Briten sehr gute Menschenrechte nach ihrem eigenen Recht, und wir brauchen den Schutz der Europäischen Union nicht. Die EU ist undemokratisch und antidemokratisch, und darum ist sie kein geeigneter Wahrer der Menschenrechte von irgendjemand.

Wir möchten das Parlament auch daran erinnern, dass das Familienrecht in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fällt und kein Bereich ist, für den die EU zuständig ist. Die Frage, ob gegen Personen, die Drogen missbrauchen, strafrechtlich vorzugehen ist, ist eine Angelegenheit des Rechts der Mitgliedstaaten, und die EU sollte nicht danach streben, das Rechtssystem der Mitgliedstaaten auszuhöhlen und zu ersetzen. Darum haben die Abgeordneten der UK Independence Party gegen diesen Bericht gestimmt.

 
  
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  Christopher Heaton-Harris (PPE-DE). - Herr Präsident! Im Zusammenhang mit Berichten wie diesem spreche ich oft mit verschiedenen gemeinnützigen und sozialen Gruppen aus meinem Wahlkreis, wo man viel aus den Erfahrungen und Kontakten anderer Leute lernen kann.

Außerdem versuche ich regelmäßig, die Meinung anderer Abgeordneter aus verschiedenen politischen Lagern und aus verschiedenen Ländern zu erfahren, um so die Einstellungen und Probleme anderer besser zu verstehen. Ich stimme den von meinen Kollegen Daniel Hannan und Martin Callanan geäußerten Ansichten voll zu.

Bei Fragen wie den in diesem Bericht enthaltenen spreche ich auch gern mit Abgeordneten wie Jim Allister, der zwar nicht aus meiner politischen Partei kommt, aber ein fleißiger und pragmatischer Kollege ist, dessen Rat oft klug ist und den ich als jemanden kenne, mit dem ich auf kultivierte Weise verschiedener Meinung sein kann – wie bei dem, was er gerade gesagt hat.

Bei Berichten wie diesen – bei denen man sich die vielen verschiedenen Fragen herauspicken kann, um zu entscheiden, wie man darüber abstimmen will – wird es unmöglich, eine Trennlinie dafür zu finden, ob man dafür oder dagegen stimmen soll, und deshalb bin ich ausgestiegen – ich habe mich enthalten. Es tut mir leid.

 
  
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  Kinga Gál (PPE-DE). (HU) Herr Präsident! Der Bericht „über die Lage der Grundrechte in der Europäischen Union“, den wir gerade angenommen haben, ist umfassend und stellt in verschiedener Hinsicht einen Durchbruch dar. Seine Darstellung der Rechte von Kindern sowie sozialer Grundrechte verdient besondere Beachtung. Ich halte es für außerordentlich positiv, dass er endlich eine richtige Haltung zu den Problemen und Rechten von traditionellen nationalen Minderheiten einnimmt und die Grundsätze der Selbstverwaltung und des Gebrauchs der Sprache festlegt, Bereiche, in denen die Union erst ziemlich spät Normen geschaffen hat.

Darum habe ich diesen Bericht unterstützt und mich für seine Annahme eingesetzt, und darum hat die ungarische Delegation der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und Europäischer Demokraten ebenfalls dafür gestimmt, trotz einer Reihe von umstrittenen angenommenen Absätzen, die wir nicht billigen können, weil wir es für nicht akzeptabel halten, bestimmte Fragen auf EU-Ebene zu regeln.

 
  
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  László Tőkés (Verts/ALE). (HU) Herr Präsident! Ich bitte um Entschuldigung, dass ich nicht unterschrieben habe, ich wusste es nicht. Als Geistlicher und Angehöriger einer unter Diskriminierung leidenden ungarischen Minderheit bin ich bereit, erforderlichenfalls Kompromisse einzugehen und habe guten Gewissens für den Catania-Bericht über Grundrechte gestimmt, denn ich halte ihn in vieler Hinsicht für einen bedeutenden Schritt nach vorn, beispielsweise bei den sozialen Rechten.

Meine besondere Anerkennung möchte ich für den Absatz über Minderheitenrechte ausdrücken, der Grundlage und Ausgangspunkt eines EU-Rechtsrahmens für den Schutz von Minderheiten sein könnte. Ich stimme dem zu, was Frau Kinga Gál gesagt hat.

Ich musste Kompromisse eingehen, weil ich bestimmte Punkte ablehnen muss, zum Beispiel den Absatz über Euthanasie oder die Fragen im Zusammenhang mit Homosexualität. Ich lehne die Vorstellung ab, dass religiöse Führer hinsichtlich Homosexualität in ihrer Gewissens- und Religionsfreiheit eingeschränkt sein sollen.

Ich bedauere, dass in Absatz 49 keine Aussagen zu den Rechten traditioneller Minderheiten und Gemeinschaften oder zu territorialer und regionaler Autonomie enthalten sind.

 
  
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  Georgs Andrejevs (ALDE). - (LV) Ich danke Ihnen, Herr Präsident. Ich habe bei der Schlussabstimmung gegen diesen Bericht gestimmt, der in vielerlei Hinsicht unterstützenswert war. Ich habe dagegen gestimmt, weil der Bericht traditionelle Minderheiten und ihre Rechte mit den Wirtschaftsmigranten und zwangsweise umgesiedelten Migranten vermischt, die infolge der Besetzung Lettlands nach dem zweiten Weltkrieg in mein Land strömten. Im Lauf der 50-jährigen Besetzung wurde die autochthone Nation bis auf 50 % verwässert und erreichte in den 13 größten Städten Lettlands, einschließlich der Hauptstadt Riga, sogar Minderheitenstatus. Ich danke Ihnen.

 
  
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  John Attard-Montalto (PSE). - Herr Präsident! Wir haben heute gerade über die Lage der Grundrechte in der Europäischen Union abgestimmt. Zu unserem großen Bedauern mussten wir uns bei der Abstimmung über den Bericht zusammen mit meinen beiden maltesischen Kollegen in der PSE-Fraktion der Stimme enthalten.

Der Bericht spricht zwar zahlreiche Fragen der grundlegenden Menschenrechte an, die lobenswert sind, er enthält aber andere Fragen, wie Abtreibung, die niemals in diesen Bericht hätten aufgenommen werden dürfen. Da die maltesischen sozialistischen Abgeordneten im Europäischen Parlament gegen Abtreibung sind, mussten wir gegen diese speziellen Teile des Berichts stimmen.

Es sind tatsächlich noch andere Fragen in diesem Bericht enthalten, beispielsweise Patientenverfügungen und das Recht, in Würde zu sterben, bei denen es sich um sensible Fragen handelt, bei denen wir uns enthalten mussten. Darum haben wir uns am Ende dieser Abstimmung enthalten. Ich möchte Ihnen für diese Gelegenheit danken.

 
  
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  Der Präsident. − Wir kommen jetzt zu den Stimmerklärungen zum Cappato-Bericht, wobei wir die von Herrn Gay Mitchell bereits gehört haben.

 
  
  

- Bericht: Marco Cappato (A6-0459/2008)

 
  
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  Zuzana Roithová (PPE-DE). – (CS) Herr Präsident! Ich habe diesen populistischen Text nicht unterstützt, der in der ursprünglichen Fassung eine Reihe von nützlichen Bestimmungen zu größerer Transparenz in Bezug auf politische Aktivitäten in der Europäischen Union enthielt. Leider wurde er geändert. Ich habe nicht die Absicht, solchen Unsinn zu unterstützen wie die Verbreitung der berufsbezogenen und privaten Dokumente, die Abgeordnetenkollegen untereinander austauschen bzw. die sie von Nichtregierungsorganisationen und Lobbygruppen erhalten. Ich halte derartige Dokumente zwar nicht für vertraulich, aber kein nationales Parlament in einer kultivierten Demokratie schreibt die Pflicht zur Verbreitung berufsbezogener – geschweige denn sämtlicher – Korrespondenz vor.

 
  
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  Der Präsident. − Gut. Last, but not least, Herr Syed Kamall.

 
  
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  Syed Kamall (PPE-DE). - Herr Präsident! Ich danke Ihnen für Ihre freundlichen Worte. Ich werde sie hoffentlich nie vergessen.

Wenn wir über Transparenz und Zugang zu EU-Dokumenten sprechen, so ist das etwas, auf das wir uns in diesem Parlament alle einigen können. Schließlich sind wir nur wegen der Steuerzahler hier, die uns ins Amt gewählt haben, und wegen der Steuerzahler, die diese Institutionen finanzieren und unsere Arbeit bezahlen. Aber eines sollte völlig klar sein. Wenn wir über Transparenz von Dokumenten und Zugang zu Dokumenten sprechen, sollten wir auch dafür sorgen, dass der Steuerzahler Zugang zu den Dokumenten erhält, zu denen er wirklich Zugang haben möchte.

Kürzlich haben Fraktionsführer des Parlaments dem Staatsoberhaupt eines demokratischen Landes, der Tschechischen Republik, einen Besuch abgestattet. Die Fraktionsführer, die, soviel wir wissen, als Vertreter des Parlaments dort waren, haben den Präsidenten dieses Landes beleidigt. Das einzige, um das eine Reihe von Bürgern gebeten hat, ist, dass das Protokoll dieses Treffens veröffentlicht wird. Seien wir also transparent, stellen wir die Dinge klar und respektieren wir diejenigen, die eine andere Meinung haben als die, die in diesem Parlament sitzen.

 
  
  

Schriftliche Stimmerklärungen

 
  
  

- Bericht: Carlos Coelho (A6-0500/2008)

 
  
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  John Attard-Montalto (PSE), schriftlich. − Eine der zentralen Sicherheitsmaßnahmen, die gebilligt worden sind, ist die Frage biometrischer Daten in Pässen und Reisedokumenten. Das ist natürlich mit bedeutenden Kosten verbunden, die in die Millionen Euro gehen können, aber bei Sicherheitsmaßnahmen kann man keine Kompromisse machen.

Andererseits muss man den Verdienst der Menschen berücksichtigen, der von Staat zu Staat unterschiedlich ist. Die Ausstellung eines normalen Passes in Malta verursacht Ausgaben. Wer bezahlt für die Umstellung auf biometrische Pässe: der Staat oder die Einzelperson oder beide gemeinsam?

Im Europäischen Parlament haben wir heute vereinbart, dass diejenigen Mitgliedstaaten, in denen die Aufnahme von Kindern in die Dokumente ihrer Eltern bisher zulässig war, verpflichtet sein werden, ohne zusätzliche Kosten mit Ausnahme von Materialkosten Einzeldokumente für die Kinder auszustellen. Es wäre zweckmäßig, wenn die Regierung dies zur Kenntnis nehmen würde, denn es ist Praxis geworden, dies zu ignorieren, wenn die Regierung unzulässige Gebühren und Steuern erhebt, wie in den Fällen im Zusammenhang mit der Mehrwertsteuer auf Anmeldung und Zahlungen bei Satellitenschüsseln.

 
  
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  Koenraad Dillen (NI) , schriftlich. (NL) Im Coelho-Bericht hat sich der gesunde Menschenverstand durchgesetzt, und darum habe ich aus voller Überzeugung dafür gestimmt. Es ist zu begrüßen, dass die Verwendung von biometrischen Daten in Pässen und Reisedokumenten strengeren Regeln unterworfen und harmonisiert wird, vor allem weil die Abschaffung der europäischen Binnengrenzen die Notwendigkeit verstärkter Sicherheitskontrollen an den Außengrenzen gezeigt hat. Ein einheitliches und harmonisiertes System von biometrischen Daten wird uns unter anderem in die Lage versetzen, die Kriminalität wirkungsvoller zu bekämpfen. Dieser Bericht macht einen zögernden Schritt in diese Richtung.

 
  
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  Pedro Guerreiro (GUE/NGL), schriftlich. − (PT) Mit dieser Verordnung sollen die Normen für Sicherheitsmerkmale und biometrische Daten in von den Mitgliedstaaten ausgestellten Pässen und Reisedokumenten geändert werden. Dabei handelt es sich um eine Verordnung, die wir schon seit ihrer Einführung im Jahr 2004 ablehnen, weil sie im Rahmen der auf EU-Ebene geförderten Sicherheitspolitik die Harmonisierung von Sicherheitsmechanismen und die Integration biometrischer Identifikatoren einführt.

Wesentliches Ziel dieser Änderung ist die Einführung von Ausnahmen für Kinder unter 12 Jahren – eine Ausnahmeregelung, die vier Jahre gelten soll, damit Länder, deren nationales Recht eine niedrigere Altersgrenze vorsieht, sie einhalten können, sofern sie die Mindestgrenze von sechs Jahren (im Fall von Portugal, Frankreich und Estland) beachten – abgesehen von anderen Aspekten im Zusammenhang mit dem Schutz und der Sicherheit biometrischer Daten.

Obwohl der Vorschlag Ausnahmeregelungen für Kinder unter 12 Jahren vorsieht (eine durch ausschließlich technische Fragen bedingte Entscheidung), geht es darin nach unserer Meinung nicht um die grundlegende Frage, also die Verwendung von biometrischen Daten, insbesondere von Kindern, und deren Harmonisierung auf EU-Ebene (vor allem, weil die Ausstellung von Pässen in die Zuständigkeit der einzelnen Mitgliedstaaten fällt) im Rahmen ihrer Sicherheitspolitik.

Aus diesen Gründen haben wir uns enthalten.

 
  
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  Jörg Leichtfried (PSE), schriftlich. − (DE) Ich stimme für den Bericht von Carlos Coelho über Sicherheitsmerkmale und biometrische Daten in Pässen und Reisedokumenten.

Allerdings ist es nicht sinnvoll, eine lückenhafte Verordnung unwidersprochen hinzunehmen, wenn es doch einige Verbesserungsmöglichkeiten gäbe.

Beispielsweise ist es nicht haltbar, dass die verschiedenen Mitgliedstaaten unterschiedliche Regelungen betreffend das Kindesalter bei der Abnahme von Fingerabdrücken anwenden. Deshalb wäre es wichtig, dass, wenn nicht immer gemeinsame, doch wenigstens umfassendere Maßnahmen, vor allem hinsichtlich des Kinderhandels, eingeführt werden.

Letzten Endes ist es mir ein großes Anliegen hervorzuheben, dass biometrische Daten keinesfalls für unlautere Zwecke genutzt werden dürfen. Eine strenge und immer wiederkehrende Überprüfung der Datensicherheit ist daher unumgänglich.

 
  
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  Bogusław Liberadzki (PSE), schriftlich. – (PL) Herr Präsident! Ich stimme für den Bericht über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2252/2004 des Rates über Normen für Sicherheitsmerkmale und biometrische Daten in von den Mitgliedstaaten ausgestellten Pässen und Reisedokumenten (A6-0500/2008).

Ich befürworte den Vorschlag des Berichterstatters, den Grundsatz „eine Person – ein Pass“ einzuführen, damit jede Person einen Reisepass mit ihren biometrischen Daten hat.

Die Praxis, dass für einen Passinhaber und dessen Kinder ein einziger Reisepass ausgestellt werden kann, in den die Vor- und Nachnamen der Kinder mit aufgenommen werden, der aber nur die biometrischen Daten des Elternteils und Passinhabers enthält, kann dem Kinderhandel Vorschub leisten.

Außerdem unterstütze ich die Initiative von Carlos Coelho, zwei Ausnahmen von der Pflicht zur Abnahme von Fingerabdrücken zuzulassen: bei Kindern unter sechs Jahren und bei allen Personen, bei denen eine Abnahme von Fingerabdrücken aus verschiedenen Gründen physisch unmöglich ist.

 
  
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  Marian-Jean Marinescu (PPE-DE), schriftlich. (RO) Ich habe für diesen Bericht gestimmt, weil er hinsichtlich der für die Ausstellung biometrischer Reisepässe notwendigen Normen wichtige Punkte klarstellt. Darüber hinaus hoffe ich, dass die Einführung biometrischer Reisepässe (die in Rumänien am 1. Januar 2009 erfolgt ist) dazu führt, dass Rumänien in das Programm für visumfreies Reisen der USA (Visa Waiver Program) aufgenommen wird und der Prozess seiner Integration in den Schengen-Raum beschleunigt wird.

Besondere Beachtung müssen wir allerdings der Zuverlässigkeit der biometrischen Technik schenken, da sie sich im Fall der Identifizierung von Kindern unter 6 Jahren als ineffektiv erwiesen hat. Die Mitgliedstaaten sollten bald ein neues Pilotprojekt zur Überprüfung der Zuverlässigkeit dieses Identifizierungssystems starten, das sicherlich dazu beitragen wird, in den Mitgliedstaaten aufgetretene Fehler deutlich zu machen.

 
  
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  Athanasios Pafilis (GUE/NGL), schriftlich.(EL) Sogar Kinder müssen erkennungsdienstlich behandelt werden, weil sie als möglicherweise gefährlich für die EU angesehen werden. Das ist der Vorschlag der Europäischen Kommission, des Rates der EU und des Europäischen Parlaments. Der einzige Unterschied zwischen dem Vorschlag für eine Richtlinie und dem Europäischen Parlament ist das Alter, in dem ein Kind als gefährlich angesehen wird. Nach Meinung der Kommission werden Kinder im Alter von sechs Jahren gefährlich und müssen daher Fingerabdrücke abliefern, die ab diesem Alter in persönliche Reisepässe aufgenommen werden, während das Europäische Parlament sein „demokratisches Feingefühl“ demonstriert und denkt, dass Kinder erst erkennungsdienstlich behandelt werden müssen, wenn sie etwas älter sind, nämlich 12 Jahre.

Diese inakzeptable Richtlinie, die im Europäischen Parlament von den Befürwortern der Einbahnstraße in Europa gebilligt wurde, ist das unvermeidliche Ergebnis der überzogenen „Terrorismusbekämpfungs“-Politik der EU, die in dem Bestreben, im Wesentlichen die Herrschaft des Kapitals über die Arbeiter- und Basisbewegung zu sichern, in bedenklicher Weise sogar Kinder als gefährlich bezeichnet. Die EU zieht anscheinend praktischen Nutzen aus der Erfahrung der israelischen Armee, die die „Sicherheit“ des Staates Israel gegen palästinensische „Terroristen“ übermäßig verteidigt, indem sie zahllose Kinder in Gaza umbringt, während wir hier reden. Wie alt sind die ermordeten palästinensischen Kinder? Sind sie sechs oder zwölf Jahre alt?

 
  
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  Tobias Pflüger (GUE/NGL), schriftlich. (DE) Bei der Abstimmung zum „Bericht über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2252/2004 des Rates über Normen für Sicherheitsmerkmale und biometrische Daten in von den Mitgliedstaaten ausgestellten Pässen und Reisedokumenten“ habe ich mich enthalten.

Der Bericht sieht eine Einschränkung der biometrischen Überwachung der Bürgerinnen und Bürger der EU-Staaten vor, indem Kinder unter 12 Jahren von der Pflicht, biometrische Daten abzuliefern, ausgenommen werden. Diese Ausnahme ist sehr zu begrüßen.

Gleichwohl lehne ich biometrische Authentifikationssysteme grundsätzlich ab. Sie führen zu einer zunehmenden polizeistaatlichen Überwachung der Bürgerinnen und Bürger. Sicherheit wird so nicht erzielt. Da der Bericht diese Überwachung grundsätzlich akzeptiert, konnte ich ihm nicht zustimmen. Eine Ablehnung hätte bedeutet, dass ich die erwähnte Verbesserung ablehne. Deshalb habe ich mich enthalten.

 
  
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  Luca Romagnoli (NI), schriftlich. (IT) Herr Präsident, verehrte Kollegen! Ich habe für den Coelho-Bericht über Sicherheitsmerkmale und biometrische Daten in Pässen und Reisedokumenten gestimmt.

Ich stimme dem Vorschlag zu, Pässe auch für Kinder zu verwenden, um Kindesentführungen und Kinderhandel zu bekämpfen. Ich befürworte die Mindestaltersgrenze von sechs Jahren, aus den oben genannten Gründen sollten jedoch die Namen der für das Kind sorgeberechtigten Personen in das Dokument mit aufgenommen werden.

Schließlich stimme ich Herrn Coelho zu, wenn er die Aufnahme einer Klausel zur Überprüfung nach Ablauf von drei Jahren vorschlägt, damit die Ergebnisse einer ausführlichen und umfassenden Studie abgewartet werden können, in der die Zuverlässigkeit und Nützlichkeit der Fingerabdrücke von Kindern und älteren Menschen untersucht wird: eine so heikle und wichtige Angelegenheit erfordert eine dauernde Überwachung, damit sie im Sinne des Gemeinschaftsrechts richtig bearbeitet werden kann.

 
  
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  Bart Staes (Verts/ALE), schriftlich. (NL) Diese Rechtsvorschriften erlauben die Speicherung von Fingerabdrücken in Reisepässen/Reisedokumenten, damit die Authentizität des Dokuments und die Identität des Inhabers geprüft werden können.

Ich habe für die vom Berichterstatter vorgeschlagenen Änderungen gestimmt. Positiv ist, dass die Fingerabdrücke von Kindern unter 12 Jahren nur abgenommen werden können, wenn die Mitgliedstaaten dies bereits gesetzlich regeln. Verglichen mit der Option der Kommission und des Rates, die Fingerabdrücke schon von sechsjährigen Kindern abzunehmen, ist dies ein Schritt nach vorn.

Abgesehen davon hat die Abnahme von Fingerabdrücken ihren Preis. Ein Visum kostet Sie bald 60 Euro. Durch die Pflicht zur Abnahme von Fingerabdrücken wird dieser Preis beträchtlich steigen, so dass eine vierköpfige Familie, die ins Ausland reisen möchte, vor ihrer Abreise ein schönes Sümmchen ausgeben muss.

Auf jeden Fall widerspreche ich der übermäßigen Verwendung von Fingerabdrücken bzw. Verwendung von biometrischen Daten. Ist es wirklich der Mühe wert? Die Effizienz ist nicht nachgewiesen, die Verwendung steht in keinem Verhältnis zum gewünschten Ergebnis und außerdem ist es sehr teuer. Darum habe ich den Änderungsanträgen zugestimmt, die den Text verbessert haben, habe aber schließlich meine Unzufriedenheit zum Ausdruck gebracht, indem ich gegen die legislative Entschließung gestimmt habe.

 
  
  

- Bericht: Alexander Graf Lambsdorff (A6-0415/2008)

 
  
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  Jan Andersson, Göran Färm, Anna Hedh, Inger Segelström und Åsa Westlund (PSE), schriftlich. (SV) Wir haben für den Bericht von Graf Lambsdorff über Vergabevorschriften in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit gestimmt.

Der Bericht stellt klar, dass die Mitgliedstaaten die alleinige Zuständigkeit für Verteidigung und nationale Sicherheit haben, was nach unserer Meinung unbedingt betont werden muss. Nach unserer Meinung sollten Ausrüstungen, öffentliche Arbeiten und Dienstleistungen in der Regel auch in diesem Bereich vergeben werden. Wir glauben allerdings, dass es eine logische Folge der Natur dieses Marktes ist, dass die Vergabe nicht vollständig entsprechend den Vorschriften der Richtlinie erfolgen kann. Die Ausnahmen sollten jedoch nur gelten, wenn sie wegen ihrer Bedeutung in Bezug auf die Sicherheitspolitik gerechtfertigt werden können. Nach unserer Meinung können wir das Problem der gewohnheitsmäßigen Nutzung von Befreiungen aus protektionistischen Gründen, die für die schwedische Industrie besonders nachteilig ist, auf diese Weise in den Griff bekommen.

 
  
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  Avril Doyle (PPE-DE), schriftlich. − Alexander Graf Lambsdorff hat einen Vorschlag zum „Verteidigungspaket“ der Kommission vorgelegt, in dem es um die Beschaffung für militärische wie auch für nicht militärische Sicherheitszwecke geht sowie um öffentliche Aufträge unter Wirtschaftsteilnehmern in der EU. Dieser Vorschlag stellt eine Verbesserung gegenüber der derzeit geltenden Richtlinie von 2004 (2004/18/EG) dar, indem er die Flexibilität, die Transparenz und, sehr wichtig, den lauteren Wettbewerb stärkt. Der Markt für die Beschaffung von Verteidigungsgütern ist ein sehr spezieller Markt, und Graf Lambsdorff hat eine Möglichkeit aufgezeigt, seiner komplexen Natur Rechnung zu tragen.

Es gibt ausdrückliche Ausnahmeregelungen für bestimmte Verpflichtungen zur Preisgabe, wenn diese den Sicherheitsinteressen des Mitgliedstaats widersprechen.

Die Beschaffung von Verteidigungsgütern bleibt zwar im Wesentlichen eine nationale Zuständigkeit, aber dieser Vorschlag trägt dazu bei, durch einen strukturierten Rechtsrahmen einen gemeinsamen europäischen Markt für Verteidigungs- und Sicherheitsgüter zu schaffen. Dieser Markt hat einen Umfang von 90 Milliarden Euro im Jahr. Alexander Graf Lambsdorff hat eine gemeinsame Position vorgeschlagen, die ich unterstützen kann.

 
  
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  Bruno Gollnisch (NI), schriftlich. – (FR) Die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Verteidigungsindustrie, die angeblich durch zu begrenzte und zu sehr in sich geschlossene europäische Märkte benachteiligt wird, war der Vorwand für diese Richtlinie über die Öffnung von öffentlichen Aufträgen in diesem Sektor für den Wettbewerb.

Es ist zwar richtig, dass der Text, der uns heute vorgelegt wird, eine Reihe von Fragen berücksichtigt, die der ursprüngliche Text der Kommission aufgeworfen hat, wie beispielsweise sein Anwendungsbereich, die Nichtanwendung des Abkommens der WTO betreffend öffentliche Aufträge, die finanziellen Schwellenwerte und die Vertraulichkeit.

Er folgt jedoch der Logik von Brüssel, nach der kein Sektor, nicht einmal strategische oder lebenswichtige Sektoren, von deren Aufsicht, von Liberalisierung oder von Privatisierung ausgenommen werden dürfen. Er gewährleistet nicht die Achtung der Souveränität der Mitgliedstaaten, obwohl diese rechtlich allein für ihre nationale Sicherheit zuständig sind. Er fördert nicht die Existenz von breit angelegten Märkten in Europa, wo die Verteidigungsbudgets der Staaten drastisch schrumpfen. Er führt keinerlei Gemeinschaftspräferenz ein, die allein das natürliche Entstehen eines wirklichen europäischen Marktes ermöglichen würde. Er verstärkt die zivile/militärische Zweiteilung, die so typisch für Europa ist und uns schon soviel Geld gekostet hat. Vor allem räumt er wirtschaftlichen und Markterwägungen Vorrang vor allem anderen ein. Diese schweren Mängel in zentralen Punkten sind der Grund für unseren Widerspruch.

 
  
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  Małgorzata Handzlik (PPE-DE), schriftlich. − (PL) Der europäische Markt für die Beschaffung von Verteidigungsgütern ist stark zersplittert, und dies hat negative wirtschaftliche Auswirkungen. Hauptziel der angenommenen Richtlinie ist es, diese Zersplitterung zu beseitigen und einen gemeinsamen Markt für Verteidigungsgüter auf dem Gebiet der Europäischen Union zu schaffen, dabei die spezifischen Aspekte des Markts für Verteidigungsgüter zu berücksichtigen und die Sicherheitsinteressen der Mitgliedstaaten zu schützen.

Die Mitgliedstaaten sind bei ihren Entscheidungen von der Voraussetzung ausgegangen, dass die derzeitige Richtlinie über die Vergabe öffentlicher Aufträge die Eigenheiten des öffentlichen Auftragswesens im Verteidigungsbereich unzureichend berücksichtigt. Dies hat zu verschiedenen in die Richtlinie aufgenommenen Instrumenten zur Vergabe von Aufträgen, Auswahl von Bietern oder von den Auftraggebern auferlegten Vertragsbedingungen geführt. Die in die Richtlinie eingebauten Kontrollen sollen außerdem einen ausreichenden Rechtsschutz für Bieter gewährleisten sowie Transparenz und Nichtdiskriminierung bei der Auftragsvergabe fördern.

Ich bin der Auffassung, dass die angenommenen Bestimmungen – bei gebührender Berücksichtigung der nationalen Sicherheit – einen wichtigen Beitrag zur Öffnung des Marktes leisten werden. Die Richtlinie sollte außerdem sowohl in den nationalen Haushalten als auch bei der Industrie zu einer Optimierung der Kosten führen und sicherstellen, dass die Streitkräfte mit dem besten auf dem Markt verfügbaren Material versorgt werden.

 
  
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  Malcolm Harbour und Geoffrey Van Orden (PPE-DE), schriftlich. − Die konservative Delegation hat Bestrebungen zur Öffnung von Märkten und zur Förderung des grenzüberschreitenden Handels zwischen Mitgliedstaaten der EU immer unterstützt. Wir begrüßen es, wenn die britische Industrie Chancen auf Zugang zu Märkten für Verteidigungsgüter erhält, die Wettbewerbern von außen bisher möglicherweise verschlossen waren. Wir bedauern aber, dass solche positiven, praktischen Aspekte zurücktreten gegenüber dem politischen Motiv der EU, eine integrierte europäische verteidigungsindustrielle Basis zu schaffen und die europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu stärken, wogegen wir immer Widerstand geleistet haben.

Besonders besorgt sind wir wegen der negativen Folgen, die es hat, wenn darauf bestanden wird, dass es ungeachtet der Investitionen nationaler Regierungen und Firmen in Verteidigungsforschung und -entwicklung dann einen offenen Wettbewerb für spätere Produktionsaufträge geben soll. Dies macht es unmöglich, Aufwendungen für Forschung und Entwicklung wieder hereinzuholen, und bietet keine Möglichkeit, geistiges Eigentum, Arbeitsplätze oder Exportchancen zu schützen. Wir sind außerdem besorgt, dass ein nach innen gerichteter europäischer Ansatz sich nachteilig auf unsere sehr notwendigen und fruchtbaren verteidigungsindustriellen Beziehungen zu anderen Ländern auswirkt – vor allem zu den USA, aber auch zu Japan, Israel und anderen Ländern.

Aus all diesen Gründen hat sich die konservative Delegation bei diesem Bericht der Stimme enthalten.

 
  
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  Luca Romagnoli (NI), schriftlich. (IT) Herr Präsident, verehrte Kollegen! Ich habe für den Bericht des Kollegen Graf Lambsdorff über öffentliche Aufträge in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit gestimmt. Die Schaffung einer europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik erfordert den Aufbau von notwendigen Kapazitäten, wofür eine leistungsfähige europäische Industrie notwendig ist. Dazu soll der Aufbau einer europäischen verteidigungstechnologischen und verteidigungsindustriellen Basis und eines europäischen Marktes für die Beschaffung von Verteidigungsgütern beitragen.

Diese beiden Maßnahmen können die erforderlichen Fähigkeiten liefern, um die globalen Verteidigungsaufgaben und die neuen Herausforderungen im Bereich der Sicherheit zu bewältigen. Ich stimme daher dem Berichterstatter zu, dass es Ziel des Richtlinienvorschlags sein sollte, einen einheitlichen europäischen Rechtsrahmen zu schaffen, der es den Mitgliedstaaten erlaubt, Gemeinschaftsrecht anzuwenden, ohne ihre Sicherheitsinteressen zu gefährden.

Schließlich stimme ich der Aufnahme eines Nachprüfungsverfahrens in das Gesetz zu. Dies dient dem Ziel, einen wirksamen Rechtsschutz für Bieter zu gewährleisten, fördert die Transparenz und Nichtdiskriminierung bei der Auftragsvergabe und trägt somit zu einer echten Marktöffnung bei.

 
  
  

- Bericht: Carl Schlyter (A6-0341/2008)

 
  
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  Edite Estrela (PSE), schriftlich. − (PT) Ich habe für den Schlyter-Bericht über Beschränkungen des Inverkehrbringens und der Verwendung gewisser gefährlicher Stoffe und Zubereitungen (Dichlormethan) gestimmt. Nach meiner Meinung wird dieser Vorschlag zur Änderung der Richtlinie 76/769/EWG zu einer wirkungsvollen Minderung des Risikos einer Belastung von Umwelt und Menschen durch Stoffe mit gefährlichen Eigenschaften beitragen, beispielsweise durch Dichlormethan (DCM), das ein charakteristisches Gefahrenprofil hinsichtlich der Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit aufweist. Der Schutz der menschlichen Gesundheit muss Vorrang vor den Interessen der Industrie haben.

 
  
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  Ilda Figueiredo (GUE/NGL), schriftlich. − (PT) Angesichts der Tatsache, dass diese Maßnahme sich auf Arbeitnehmer in verschiedenen Branchen, insbesondere im Automobil- und Schiffsbau, positiv auswirken kann, da sie deren Belastung durch sehr schädliche giftige Stoffe minimiert, haben wir für den Kompromisstext gestimmt. Darin geht es um Dichlormethan (DCM), bei dem es sich um eine farblose chemische Verbindung mit süßlichem, angenehmem und durchdringendem, ätherähnlichem Geruch handelt. DCM wird im Wesentlichen für die Herstellung von Arzneimitteln, Lösungsmitteln und Hilfsprodukten, Farbabbeizmitteln und Klebstoffen in Verkehr gebracht.

DCM weist ein charakteristisches Gefahrenprofil auf, was die Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit anbelangt, und steht auf der nach der Wasserrichtlinie erstellten Liste von 33 prioritären Stoffen. Der Stoff ist als krebserregender Stoff der Kategorie 3 eingestuft. Er hat eine narkotische Wirkung und führt bei hoher Exposition zur Depression des Zentralnervensystems, zu Bewusstlosigkeit und zum Auftreten kardiotoxischer Effekte, so dass bei unsachgemäßem Gebrauch unmittelbare Lebensgefahr besteht.

Nach Ansicht des Wissenschaftlichen Ausschusses „Gesundheits- und Umweltrisiken“ besteht eines der Hauptprobleme im Zusammenhang mit der Toxizität von DCM in der Gefährdung besonders anfälliger Gruppen.

Es sind bereits verschiedene Alternativen zu DCM-haltigen Farbabbeizern auf dem Markt erhältlich.

 
  
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  Duarte Freitas (PPE-DE), schriftlich. − (PT) Dem Ziel des Vorschlags, die Risiken bei der Verwendung von Dichlormethan (DCM) durch private Verbraucher und bei der gewerblichen Verwendung zu verringern, stimme ich grundsätzlich zu.

DCM besitzt ein charakteristisches Profil an negativen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit:es ist ein krebserregendes Mittel, hat narkotische Wirkung und führt bei hoher Exposition zu einer Depression des Zentralnervensystems, zu Bewusstlosigkeit und zu kardiotoxischen Effekten mit unmittelbarer Lebensgefahr als Folge von unsachgemäßer Verwendung.

Nach Angaben der Kommission wurden zwischen 1989 und 2007 in der EU 18 Todesfälle verzeichnet, die durch die Verwendung von DCM verursacht wurden. Ich halte es für unabdingbar, Maßnahmen im europäischen Rahmen zu verhängen, um diesen Stoff zu verbieten oder zu ersetzen.

Dem Votum im Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit folgend befürworte ich, die Verwendung von DCM durch die Allgemeinheit zu verbieten, den Einsatz durch gewerbliche Verwender unter sicheren Bedingungen aber zuzulassen.

 
  
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  Luca Romagnoli (NI), schriftlich. − (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich stimmte für den Schlyter-Bericht zur Änderung der Richtlinie des Rates in Bezug auf Beschränkungen des Inverkehrbringens und der Verwendung gewisser gefährlicher Stoffe und Zubereitungen.

Dichlormethan (DCM) hat in der Tat viele negative Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit: es hat eine narkotische und depressive Wirkung auf das Zentralnervensystem und verursacht bei hoher Exposition kardiotoxikologische Symptome. Darum ist es notwendig, die geltenden Arbeitsschutzvorschriften durchzusetzen, da die Durchsetzungsverfahren auf diesem Gebiet unzureichend sind, hauptsächlich wegen der hohen Zahl, geringen Größe und mobilen Arbeitsweise der belieferten Unternehmen. Schließlich stimme ich Herrn Schlyters Feststellung zu, dass wir die Gesundheit von Kindern besonders beachten müssen, deren Gesundheit wegen des erheblichen Potenzials für eine hohe Exposition stärker gefährdet ist.

 
  
  

- Bericht: Ilda Figueiredo (A6-0423/2008)

 
  
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  Ilda Figueiredo (GUE/NGL), schriftlich. − (PT) Die heutige Abstimmung über den von mir im Namen des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten vorgelegten Bericht über das Übereinkommen über die Arbeit im Fischereisektor der Internationalen Arbeitsorganisation aus dem Jahr 2007 ist ein wichtiger Beitrag zur Schaffung internationaler Mindeststandards auf globaler Ebene, die bessere Arbeitsbedingungen, mehr Sicherheit und weniger tödliche Unfälle in einem Sektor gewährleisten, der große Gefahren birgt, aber auch eine strategische Bedeutung hat. In den Mittelpunkt unserer Bemühungen werden in Anbetracht der Tatsache, dass der Bereich den prozentual höchsten Anteil an tödlichen Unfällen aufweist, die Verteidigung der Würde und das harte Arbeitsleben der Fischer gestellt. Es verdient festgehalten zu werden, dass 671 Stimmen für und nur 16 gegen diesen Bericht abgegeben wurden.

Das Übereinkommen Nr. 188 tritt in Kraft, nachdem es von 10 der 180 Mitgliedstaaten der IAO ratifiziert worden ist, von denen 8 Küstenstaaten sein müssen.

Ich möchte darauf hinweisen, dass dieses Übereinkommen die Übereinkommen über das Mindestalter von Fischern, über ärztliche Untersuchungen, über den Heuervertrag der Fischer und über die Quartierräume auf Fischereifahrzeugen ändert und auch solche Punkte abdeckt wie Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz, Anwerbung, Arbeitsvermittlung und soziale Sicherheit.

 
  
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  Nils Lundgren (IND/DEM), schriftlich. (SV) Das Europäische Parlament fordert die Mitgliedstaaten auf, das Übereinkommen über die Arbeit im Fischereisektor der IAO (Übereinkommen Nr. 188) zu ratifizieren. Dieses Übereinkommen stammt aus dem Jahr 2007 und behandelt so wichtige Themen wie die Arbeitsumgebung der Fischer, Ruhezeit und soziale Sicherheit. Es sollte den Mitgliedstaaten freigestellt sein, in einem demokratischen Verfahren zu entscheiden, ob sie das vorliegende Übereinkommen der IAO ratifizieren wollen. Deshalb habe ich gegen den vorliegenden Bericht gestimmt, denn das ist keine Angelegenheit, in die das Europäische Parlament sich einmischen sollte.

 
  
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  Luís Queiró (PPE-DE), schriftlich. − (PT) Die Union strebt durch die gemeinsame Fischereipolitik an, die Fischerei effektiver zu gestalten, so dass der Sektor einschließlich der Aquakultur rentabel und wettbewerbsfähig ist, den von der Fischerei abhängigen Menschen einen angemessenen Lebensstandard sichert und den Interessen der Verbraucher gerecht wird.

Bei dem im Juni 2007 angenommenen Übereinkommen Nr. 188 der IAO handelt es sich um ein Dokument, das einen fairen Wettbewerb zwischen den Eignern von Fischereifahrzeugen ermöglichen und den Beschäftigten in dem Sektor zu menschenwürdigen Arbeitsbedingungen verhelfen will. Das Übereinkommen verfolgt diese Ziele durch die Festlegung einer Reihe von internationalen Mindeststandards für den Fischereisektor, für die in gewissen Bereichen ausschließlich die Gemeinschaft zuständig ist. Deshalb erscheint der Vorschlag an die Mitgliedstaaten notwendig, dieses Übereinkommen im Interesse der Gemeinschaft und der Stetigkeit der gemeinsamen Fischereipolitik zu ratifizieren.

 
  
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  Luca Romagnoli (NI), schriftlich. − (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich unterstütze den Bericht von Frau Figueiredo über die Ermächtigung, das Übereinkommen über die Arbeit im Fischereisektor der Internationalen Arbeitsorganisation (2007) (Übereinkommen Nr. 188) zu ratifizieren.

Eines der Ziele des Dokuments aus dem Jahr 2007 besteht darin, durch die Förderung menschenwürdiger Lebens- und Arbeitsbedingungen für Fischer und weltweit gerechterer Wettbewerbsbedingungen im Fischereisektor gleiche Ausgangsbedingungen herzustellen und zu erhalten. Dadurch soll auch die geringe Zahl der Ratifizierungen vieler Seearbeitsübereinkommen aufgewogen werden. Dafür stellt die Annahme des Übereinkommens einen Fortschritt dar auf dem Weg zu menschenwürdigen Arbeitsbedingungen in diesem wichtigen strategischen Sektor durch die Berücksichtigung verschiedener Aspekte der beruflichen Tätigkeit, insbesondere: bessere Einrichtungen und Bedingungen für die Sicherheit am Arbeitsplatz, Heuer, medizinische Versorgung auf See und an Land, Ruhezeiten, Heuerverträge und soziale Sicherheit.

Abschließend begrüße ich die Initiative von Frau Figueiredo, weil sie sicherstellen will, dass weltweit Mindestnormen für alle Betroffenen angewandt werden, unbeschadet der bereits in einzelnen Mitgliedstaaten bestehenden günstigeren Normen für Arbeitnehmer.

 
  
  

- Bericht: Giusto Catania (A6-0479/2008)

 
  
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  Alessandro Battilocchio (PSE), schriftlich. (IT) Ich habe für den Bericht gestimmt. Wenn wir heute das Thema der Grundrechte in der EU angehen, dürfen wir aber nicht versäumen, auf die schrecklichen Ereignisse in Gaza hinzuweisen. Das Geschehen im Nahen Osten verlangt von der EU, der Achtung der grundlegenden Menschenrechte, die leider gerade in Gefahr sind, stete Aufmerksamkeit zu schenken. Bei den schwierigen Verhandlungen, bei denen hoffentlich Fortschritte erzielt werden können, würde ich sogar behaupten, dass die Autorität und Festigkeit der Gemeinschaftsinstitutionen zum Teil von der Güte der Demokratie abhängen, die wir innerhalb der EU erreichen können.

Unglücklicherweise besteht eine echte Gefahr, dass der Kampf gegen den Terrorismus selbst in Europa zu einer Missachtung der Grundrechte und -freiheiten führen kann. Hoffnung geben mir die Äußerungen des designierten Präsidenten der USA, Barack Obama, in Bezug auf den Beginn der Zusammenarbeit zwischen Europa und den Vereinigten Staaten in dieser Frage. Wenn ich alle Aspekte bedenke, die den Rahmen der unantastbaren Menschenrechte bilden, sollte besondere Aufmerksamkeit schließlich den schutzlosesten Personen gewidmet werden, also den Kindern, den Älteren, Migranten und jungen Menschen, die Arbeit suchen.

 
  
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  Philip Bradbourn (PPE-DE), schriftlich. − Die Konservativen erinnern an ihre schon lange vertretene Ansicht, dass die Charta der Grundrechte nicht justiziabel sein sollte. In diesem Zusammenhang meinen wir, dass viele der in diesem Bericht behandelten Themen eigentlich in den Aufgabenbereich der Mitgliedstaaten fallen und keine Angelegenheiten sind, die die EU zu regeln versuchen sollte. Außerdem enthält der Bericht etliche Punkte, bei denen es um individuelle Gewissensfragen geht, zum Beispiel die indirekte Empfehlung zur Euthanasie und die Entkriminalisierung von harten Drogen. Aus diesen Gründen können wir dem Bericht nicht zustimmen.

 
  
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  Carlo Casini (PPE-DE) , schriftlich. − (IT) Mein Votum in der Schlussabstimmung gegen den fraglichen Bericht gilt weniger dem, was er enthält, als dem, was er nicht enthält.

Eine Diskussion über Menschenrechte kann nicht geführt werden, ohne über das erste und wesentlichste zu sprechen: das Recht auf Leben. Jedes Jahr werden in den 27 Mitgliedstaaten etwa 1 200 000 Menschenleben durch Abtreibung zerstört. Das ist eine tragische Zahl, und über diese Zahl hinaus gibt es die illegalen Abtreibungen und die unabsehbare Zahl menschlicher Embryos, die durch die Anwendung der In-vitro-Fertilisation zerstört werden. Wir sind verpflichtet, die Vielfalt der Meinungen in dieser Frage zu beachten, aber mit Sicherheit handelt es sich hier um einen Angriff auf die eigentliche Grundlage der Kultur der Menschenrechte. Die Entschließung ignoriert aber nicht nur das Problem, sondern will es vergessen machen und richtet ihre Aufmerksamkeit lediglich auf die „reproduktive und sexuelle Gesundheit“ der Frauen.

Niemand kann gegen die Gesundheit der Frauen sein, insbesondere wenn sie jung, schwanger und Mütter sind, aber das kann keine Rechtfertigung dafür sein, die Rechte der Kinder völlig wegzulassen. Auf der anderen Seite ist bekannt, dass die Formel „reproduktive und sexuelle Gesundheit“ benutzt wird, um den Schwangerschaftsabbruch heimlich einzubeziehen, verstanden als ein Recht und als eine soziale Dienstleistung.

 
  
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  Călin Cătălin Chiriţă (PPE-DE), schriftlich. (RO) Ich habe gegen den von Herrn Catania vorgelegten Bericht gestimmt, weil ich mit Absatz 49 nicht einverstanden bin. Der strittige Passus ermutigt dazu, die Probleme „traditioneller nationaler Minderheiten“ durch „Selbstverwaltung (personelle-kulturelle, territoriale, regionale Autonomien)“ zu lösen.

Ich unterstütze die Rechte von Personen, die Minderheiten angehören, aber ich lehne die Idee einer territorialen Autonomie auf der Grundlage ethnischer Kriterien und kollektiver Rechte von Minderheiten kategorisch ab – eine Idee, die in der Praxis ethnischen Separatismus und interethnische Konflikte entfacht hat. Zudem steckt auch in vagen, umstrittenen Konzepten wie „Selbstverwaltung“ und „kulturelle Autonomie“ Konfliktpotenzial. Diese Konzepte gehen über die gegenwärtigen europäischen Völkerrechtsnormen in Bezug auf Personen, die nationalen Minderheiten angehören, hinaus und führen uns auf ein Feld der Kontroversen.

Ich meine, dass die EU-Mitgliedstaaten das hoheitliche Recht besitzen, selbst darüber zu entscheiden, inwieweit sie solche Konzepte annehmen oder ablehnen. Tatsächlich muss die EU die Souveränität ihrer Mitgliedstaaten achten und garantieren.

 
  
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  Sylwester Chruszcz (UEN), schriftlich. – (PL) Auch wenn der Wunsch nach Achtung der Menschenrechte eine der Stützen aller Staaten und Organisationen auf internationaler Ebene ist, stellt dieser Bericht über die Lage der Grundrechte in der Europäischen Union 2004-2007 einen skandalösen Bruch eben dieser Rechte in Europa dar. Aus diesem Grund konnte ich ihn in der heutigen Abstimmung nicht unterstützen. Noch einmal: den Mitgliedstaaten soll eine bestimmte Sicht der Welt, formuliert vom Verfasser des Berichts, auferlegt werden. Dem kann ich nicht zustimmen.

 
  
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  Derek Roland Clark, Trevor Colman, Nigel Farage und Michael Henry Nattrass (IND/DEM), schriftlich. − UKIP ist gegen weibliche Genitalverstümmelung, Homophobie, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Aber wir sind auch gegen eine EU-Kontrolle der Grundrechte. Großbritannien hat bereits sehr gute Gesetze und Schutzmechanismen zu den Grundrechten. Die EU ist nicht demokratisch und deshalb kein geeigneter Hüter der Menschenrechte. Außerdem fällt das Familienrecht in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten und nicht der EU. Ob Drogenmissbrauch strafrechtlich verfolgt werden soll, ist eine Frage des Rechts der Mitgliedstaaten, und die EU sollte nicht das Recht beugen wollen.

 
  
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  Carlos Coelho (PPE-DE), schriftlich. − (PT) Seit einigen Jahren legt der Rat dem Europäischen Parlament einen Jahresbericht über die Lage der Grundrechte in der Union vor, auf den das Parlament mit dem Entwurf eines Initiativberichts geantwortet hat.

Erstmals wurden beim Verfassen dieses Berichts die von der Agentur für Grundrechte erzielten Ergebnisse berücksichtigt. Er hat angesichts der Tatsache, dass seit 2003 kein Bericht zu dieser Thematik angenommen worden ist, eine besondere Bedeutung.

Meines Erachtens hat der Berichterstatter gewisse Themen zu stark ausgeführt, zumal sie bereits in eigenen Berichten erörtert worden sind, und es gibt verschiedene ziemlich umstrittene Punkte, von denen ich bei der Abstimmung manche abgelehnt habe, da sie eindeutig meinen Grundsätzen zuwiderlaufen.

Es gibt jedoch viele andere Punkte, mit denen ich vollkommen einverstanden bin, und darum habe ich mich enthalten – nicht nur, weil meiner Meinung nach der Text durch die ausgezeichnete Arbeit von Frau Gál wesentlich verbessert worden ist, sondern auch, weil ich unmöglich und unter keinen Umständen gegen einen Bericht zur Verteidigung der Grundrechte stimmen könnte.

 
  
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  Dragoş Florin David (PPE-DE), schriftlich. (RO) Ich habe gegen diesen Bericht gestimmt, weil er Einstellungen nahe legt, die zu Mehrfachabtreibungen, gleichgeschlechtlichen Ehen oder Autonomie nach ethnischen Aspekten ermutigen.

 
  
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  Proinsias De Rossa (PSE), schriftlich. − Ich unterstütze diesen Bericht, der zu einem breiten Themenspektrum, darunter Diskriminierung, Immigration, soziale Rechte und Geschlechtergleichberechtigung, Empfehlungen gibt.

Er stellt fest, dass die Empfehlungen dieses Parlaments in seinem Bericht zu den CIA-Gefangenentransporten in der EU (Februar 2007) von Mitgliedstaaten und EU-Institutionen noch nicht umgesetzt worden sind. Die Terrorismusbekämpfung darf niemals dazu dienen, den Schutz der Menschenrechte und der grundlegenden Freiheiten einzuschränken. Tatsächlich wird gerade durch die Verteidigung der Menschenrechte der Terrorismus bekämpft, und zwar sowohl seine Ursachen als auch die Wirkungen. In dieser Hinsicht begrüße ich die Aussage des designierten US-Präsidenten Barack Obama zur Schließung des Internierungslagers in Guantanamo Bay und seine Erklärung, dass solche Gefangenentransporte niemals wieder durchgeführt werden.

Der Bericht legt außerdem nahe, der Öffentlichkeit das Recht der Frauen stärker bewusst zu machen, ihre sexuellen und reproduktiven Rechte in vollem Umfang wahrzunehmen, einschließlich der Erleichterung des Zugangs zu Empfängnisverhütung, um ungewollte Schwangerschaften und illegale Hochrisikoabtreibungen zu verhindern, und die Praxis der weiblichen Genitalverstümmelung zu bekämpfen.

Darüber hinaus drängt der Bericht die Mitgliedstaaten zu gesetzgeberischen Maßnahmen, um die von gleichgeschlechtlichen Paaren erfahrene Diskriminierung durch Anerkennung solcher Beziehungen zu überwinden. Mitgliedstaaten mit gesetzlichen Regelungen zu gleichgeschlechtlichen Partnerschaften sollten Vorschriften mit ähnlicher Wirkung anerkennen, die von anderen Staaten verabschiedet wurden.

 
  
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  Glyn Ford (PSE), schriftlich. − Ich habe den Catania-Bericht über die Lage der Grundrechte in der Europäischen Union (2004-2008) unterstützt. Vor allem habe ich Absatz 32 befürwortet, in dem gefordert wird, die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zur PMOI (Volksmudschaheddin von Iran) zu achten. Diese Entscheidung verlangte, die PMOI von der EU-Liste terroristischer Organisationen zu streichen.

Ich will kein besonderes Plädoyer für diese Organisation halten. Schon lange unterzeichne ich ihre Erklärungen zur Lage im Iran nicht mehr, die für glaubhaft zu halten mir immer schwerer fiel, zumal nach einer Teheran-Reise mit einer Delegation des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten, bei der ich die aufstrebende reformistische Opposition gegen das kompromisslose fundamentalistische Regime im Iran selbst sehen konnte.

Ich muss jedoch nicht die Organisation unterstützen, um die Nichtumsetzung der Meinung des Gerichts zu missbilligen, dass das Handeln der PMOI keinen Anlass gibt, sie auf die Terrorliste zu setzen oder weiterhin dort zu führen und sie damit allen sich ergebenden repressiven Konsequenzen auszusetzen.

 
  
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  Lidia Joanna Geringer de Oedenberg (PSE), schriftlich. − (PL) Der Bericht über die Lage der Grundrechte in der Europäischen Union 2004-2008 bestätigt, dass der wirksame Schutz und die Förderung der Grundrechte die Basis der Demokratie in Europa bilden. Die parlamentarische Kommission stellt jedoch fest, dass Mitgliedstaaten wiederholt eine EU-Untersuchung ihrer Menschenrechtspolitik verweigert und den Schutz der Menschenrechte auf eine rein nationale Basis gestellt haben, wodurch sie die Glaubwürdigkeit der Gemeinschaft in Sachen Schutz der Grundrechte im internationalen Rahmen untergraben.

Deshalb sollte die Europäische Kommission darauf abzielen, Mitgliedstaaten zu einer engeren Zusammenarbeit mit ihr zu ermutigen, indem sie ihnen für künftige Berichte über die Menschenrechte nicht nur Analysen der Lage in der Welt im Großen, sondern auch in einzelnen Mitgliedstaaten vorzulegen anbietet. Aufmerksamkeit verdienen auch verschiedene Vorschläge, die auf eine wirksame Bekämpfung diskriminierender Praktiken in der EU gerichtet sind und unterstreichen, dass Chancengleichheit ein Grundrecht eines jeden Bürgers ist und kein Privileg. Es ist sehr beunruhigend, dass nahezu 20 % der Kinder in der Europäischen Union unterhalb der Armutsgrenze leben und viele von ihnen aus Familien mit nur einem Elternteil stammen oder aus Familien, in denen die Eltern von außerhalb der EU kommen. In dieser Hinsicht ist es notwendig, dass geeignete Maßnahmen für den Zugang zu Rechten ergriffen werden, bei denen insbesondere die Bedürfnisse der Kinder im Mittelpunkt stehen, und dass die Mitgliedstaaten wirkungsvolle Maßnahmen zur Verringerung der Armut ergreifen.

 
  
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  Bruno Gollnisch (NI), schriftlich. – (FR) Der Bericht von Herrn Catania ist einfach erschreckend. Er ist ein Katalog all der Rechte, Sonderrechte und vom allgemeinen Recht abweichenden Rechte, die den Minderheiten nach seiner Meinung unbedingt gewährt werden müssen, vor allem, wenn sie außereuropäisch sind. Er ist eine Gebrauchsanweisung für die Zerstörung der nationalen und regionalen Identitäten, für die Zerstörung der Werte, Traditionen und Kulturen unserer Länder und für die systematische und institutionelle Diskriminierung von Europäern in ihren eigenen Ländern. Er ist ein Angriff auf unser unveräußerliches Recht auf Selbstbestimmung – das allen Völkern eingeräumt wird, nur nicht unseren.

Er ist auch der Gipfel der Heuchelei für eine Institution, in der täglich wegen politischer Ideen diskriminiert und einigen Mitgliedern ohne richtige Einschätzung oder Überlegung das Etikett „mutmaßlich schuldig“ angeheftet wird, beispielsweise Herrn Vanhecke und mir, die wir in unseren jeweiligen Ländern Opfer eines Hexenprozesses sind.

Wir sind nicht hier, um hauptsächlich diese sichtbaren und lautstarken Minderheiten zu verteidigen, die immer mehr Vorrechte fordern und jene Länder und Bevölkerungen anprangern, die gutmütig genug oder dumm genug sind, sie aufzunehmen. Wir sind hier, um die Unsrigen zu verteidigen, die Bürger unserer Nationen, diese große Mehrheit – im Moment noch – der Europäer, die in Ihren Augen unsichtbar, unhörbar und verachtenswert sind.

 
  
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  Mieczysław Edmund Janowski (UEN), schriftlich. − (PL) Ich habe gegen den vom italienischen Abgeordneten Giusto Catania verfassten Bericht über die Lage der Grundrechte in der Europäischen Union 2004–2008 gestimmt, weil der Verfasser weniger eine Beschreibung der Lage in den vergangenen vier Jahren vorgelegt als seine eigenen Ansichten zum Ausdruck gebracht hat und den Mitgliedstaaten Rechtsvorschriften vorschlägt und sogar aufzuerlegen versucht, die ausschließlich in deren Zuständigkeit fallen. Ich glaube nicht, dass die Länder der Europäischen Union gezwungen werden können, Gesetze zu erlassen, die ihre Öffentlichkeit für inakzeptabel hält.

Die genaue Definition von „Ehe“ sollte der Verbindung zwischen Frau und Mann vorbehalten sein. Der Vorschlag von Herrn Catania wird weniger zu Toleranz gegenüber homosexuellem Verhalten (die ich unterstütze) als zu Diskriminierung von im Grunde biologischen, also heterosexuellen Beziehungen führen. Im Prinzip müssen wir fragen, ob es tatsächlich das Ziel ist, die Rechte der Familie im traditionellen Sinn, also Mutter, Vater und Kinder, zu beschneiden. Die sehr privaten Fragen des Geschlechtslebens einer Person werden dadurch zu politisierten Handlungen, auch wenn es durch die öffentliche Demonstration ihrer Homosexualität ist, beispielsweise durch so genannte „Love Parades“.

Nach meiner Ansicht öffnet dieser Bericht durch die Verwendung von Formulierungen wie „Reproduktionsrechte“, die im gegenwärtigen Sinn des Völkerrechts Abtreibung auf Verlangen einschließen, derartigen Praktiken Tür und Tor.

 
  
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  Lívia Járóka (PPE-DE), schriftlich. – (HU) Ich halte den Bericht meines Abgeordnetenkollegen für besonders wichtig, weil Menschenrechte eine der Säulen der in den Verträgen über die Europäische Union niedergelegten Werte darstellen. Neben Demokratie und Rechtsstaatlichkeit ist Achtung der Menschenrechte etwas, was wir von Kandidatenländern verlangen, und wir betonen auch in unseren internationalen Beziehungen die Zusicherung universeller, unveräußerlicher Rechte. Die Europäische Union wird jedoch nur dann ein glaubwürdiger globaler Verfechter der Menschenrechte sein, wenn sie auf ihrem eigenen Gebiet stets jedes verfügbare Instrument nutzt, um die in der Charta der Grundrechte ausgedrückten Werte zu verteidigen.

Einen eigenen Abschnitt widmet der Bericht den Roma, die die größte Minderheit in der Europäischen Union darstellen und die am stärksten durch soziale Ausgrenzung belastet sind. Es ist die gemeinsame Verantwortung der europäischen Staaten, eine umfassende und einheitliche Strategie zu entwickeln, um die Probleme der Roma anzugehen, die zum größten Teil unter beklagenswerten Umständen und in bitterer Not leben. Erforderlich ist ein Rahmenprogramm mit konkreten und eindeutigen Zielen und Fristen, das wirkungsvolle Überwachungs- und Bewertungsmechanismen nutzt.

Es muss ein Programm entwickelt werden, das sich unabhängig von Parteien und Regierungsperioden gleichzeitig mit Bildung, Wohnraum, Gesundheit und Diskriminierung befasst und gegen schlechte Praktiken in den Mitgliedstaaten vorgeht; ein solches Programm sollte als Grundlage für sofortiges Handeln in Krisenregionen dienen können. Wenn wir den Millionen Roma dabei helfen können, vollwertige europäische Bürger und im geistigen Sinn Mitglieder der europäischen Gemeinschaft zu werden, wird dies ein Riesenschritt auf dem Weg zum sozialen Zusammenhalt des Kontinents sein.

 
  
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  Ona Juknevičienė (ALDE), schriftlich. (LT) Eine der Grundfreiheiten von Bürgern in der Gemeinschaft ist die Freizügigkeit. Nach meiner Meinung haben alle EU-Bürger das gleiche Recht, am politischen Leben der Europäischen Union (EU) teilzunehmen und ihre politischen Meinungen und Einstellungen frei auszudrücken. Diesen Freiheiten kam nach der Ausdehnung der EU auf die Länder Osteuropas noch größere Bedeutung zu, denn sobald die osteuropäischen Länder der EU beigetreten waren, nahm die Wirtschaftsmigration von den neuen Mitgliedstaaten nach Westeuropa stark zu. Bei der Zahl der Menschen, die seit dem Beitritt zur Gemeinschaft emigriert sind, nimmt Litauen wiederum eine Spitzenstellung ein. Bei einem Treffen mit litauischen Emigranten in London habe ich erfahren, dass viele dieser Menschen auf lange Sicht in Großbritannien bleiben wollen, insbesondere diejenigen, die dort eine Familie gegründet haben und ihre Kinder in Schulen anmelden. Eine solche Tendenz ist meines Wissens auch statistisch belegt. Auch in den anderen EU-Ländern, in die Litauer emigriert sind, ist die Lage ähnlich. Ich halte es für besonders wichtig, das Recht dieser Bürger auf Teilnahme an den Wahlen zum Europäischen Parlament in dem Land zu gewährleisten, in dem sie derzeit wohnhaft sind.

Ich möchte auch darauf hinweisen, dass die Teilnahme von Bürgern an EU-Angelegenheiten und Wahlen zum Europäischen Parlament nicht zunimmt, sondern ganz im Gegenteil die Distanz der EU von ihren Menschen zunimmt. Vor diesem Hintergrund glaube ich, dass es das Vertrauen der Menschen in die EU-Institutionen nur stärkt, wenn die EU-Bürger das Recht bekommen, bei Wahlen zum Europäischen Parlament in ihrem Wohnsitzland abzustimmen. Aus diesen Gründen habe ich für den Änderungsantrag 45 gestimmt.

 
  
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  Filip Kaczmarek (PPE-DE), schriftlich. − (PL) Ich habe gegen den Bericht von Giusto Catania über die Lage der Grundrechte in der Europäischen Union (2004-2008) gestimmt. Ich habe nicht gegen den Bericht gestimmt, weil ich gegen Grundrechte bin. Im Gegenteil, sie sind nach meiner Auffassung außerordentlich wichtig für die Europäische Union und die ganze Welt. Das Problem ist, dass der Catania-Bericht die Umsetzung von Grundrechten gefährdet. Warum das so ist? Der Grund ist, dass es bei der Forderung nach europäischen Rechtsvorschriften zur Bekämpfung von Homophobie oder zur Anerkennung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften nicht um Grundrechte geht. Wenn dazu Rechtsvorschriften erlassen werden sollen, müssten sie Teil eines völlig getrennten Berichts sein. Das Europäische Parlament kann die Definition von Grundrechten nicht rechtswirksam erweitern, weil es nicht die Befugnis hat, Völkerrecht zu begründen. Außerdem wird eine derartig erweiterte Auslegung von einigen Mitgliedstaaten abgelehnt. Es ist also nichts weiter als eine politische Geste und Wunschdenken.

Die Gefahr liegt darin, dass dies ein Bereich ist, in dem die Mitgliedstaaten ihre eigenen Entscheidungen treffen und auch treffen sollten. Das Aufzwingen solcher Ansichten ist ein Schlag ins Gesicht für den Zusammenhalt in der Europäischen Union. Ich finde Homophobie nicht gut, aber es ist absurd, dagegen Rechtsvorschriften im Gemeinschaftsrecht zu erlassen. Wenn die EU gegen Homophobie angehen soll, könnte man genauso einfach sagen, dass sie gegen Polenfeindlichkeit, Russenfeindlichkeit, Deutschenfeindlichkeit, Franzosenfeindlichkeit, Islamfeindlichkeit, Antipapismus, Antiklerikalismus, Antikatholizismus und eine Vielzahl anderer Einstellungen und Verhaltensweisen angehen sollte. Und noch gefährlicher könnte es sein, Mitgliedstaaten zur Annahme der Legalität von gleichgeschlechtlichen Ehen zu zwingen.

 
  
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  Tunne Kelam (PPE-DE), schriftlich. − Ich habe gegen den Änderungsantrag 103 im Catania-Bericht gestimmt, in dem die Auffassung vertreten wird, dass langfristig ansässige Nichtbürger zur Förderung der sozialen und politischen Integration an Wahlen zum Europäischen Parlament wie auch an Kommunalwahlen teilnehmen sollten.

Tatsächlich haben Wahlen zum Europäischen Parlament die gleiche Bedeutung wie Wahlen zum nationalen Parlament. Die Teilnahme daran ist das Recht von Bürgern. Andernfalls verliert die Staatsbürgerschaft ihre Bedeutung, und zudem würden Anreize verlorengehen, dass ansässige Nichtbürger die Staatsbürgerschaft beantragen. Nur so können wir das unerlässliche Gleichgewicht zwischen Rechten und Pflichten aufrechterhalten, die nur Bürger haben können.

 
  
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  Eija-Riitta Korhola (PPE-DE), schriftlich. − (FI) Die unterschiedlichen politischen Grundsätze, die die Mitgliedstaaten bei ethischen Fragen haben, gaben in den Fraktionen, und insbesondere in unserer eigenen Fraktion, Anlass zu genau der Art von weit reichender Debatte, die zu erwarten gewesen war. Ich kann nur sagen, dass wir akzeptieren, dass wir unterschiedlicher Meinung sind, und das muss als Zeichen dafür gesehen werden, wie verschieden Europa ist: wir müssen in der Lage sein, der Meinungsvielfalt Raum zu geben. Die Grundpositionen meiner eigenen Fraktion finde ich in vieler Hinsicht bewundernswert.

In Bezug auf Punkt 61 möchte ich allerdings Folgendes sagen: Ich würde es für problematisch halten, wenn jemand gegen Verständnis für das Recht auf reproduktive und sexuelle Gesundheit (allgemein gesagt ein Euphemismus für das Recht auf Abtreibung) wäre und gleichzeitig gegen die Erwähnung einer Vereinfachung von Möglichkeiten der Verhütung, um unerwünschte Schwangerschaften und Abtreibungen zu verhindern. Gleichzeitig gegen beides zu sein wäre für mich eine Realitätslücke, die nur zu unerfreulichen Konsequenzen führen könnte. Ich sage dies mit allem gebührenden Respekt, und ich möchte allen Parteien noch einmal für diesen lohnenden Meinungsaustausch danken.

 
  
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  Stavros Lambrinidis (PSE), schriftlich.(EL) Die PASOK-Fraktion im Europäischen Parlament hat für den Catania-Bericht über die Lage der Grundrechte in der Europäischen Union gestimmt, möchte aber mit dieser schriftlichen Erklärung darauf hinweisen, dass sie die Formulierung von Absatz 49 und den damit zusammenhängenden Änderungsantrag 35 ablehnt.

 
  
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  Carl Lang (NI), schriftlich. – (FR) Einen kommunistischen Abgeordneten mit einem solchen Bericht zu betrauen stellt eine Provokation für die hunderte Millionen Opfer des Kommunismus dar. In diesem Bericht ist Herr Catania von einer Ideologie beseelt, die zwar nicht so brutal wie der Kommunismus, aber genauso totalitär ist: Euro-Internationalismus. Sein Text bestreitet in Wirklichkeit die grundlegendsten Menschenrechte:

– das Recht auf Leben, indem er Abtreibung und Euthanasie unterstützt;

– das Recht eines jeden Kindes auf einen Vater und eine Mutter, indem er die Staaten auffordert, den „Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung für homosexuelle Paare anzuwenden, unabhängig davon, ob sie verheiratet sind oder in einer standesamtlich eingetragenen Partnerschaft leben“;

– das Recht der europäischen Völker, über sich selbst zu bestimmen und sie selbst zu bleiben, das durch Vorschläge missachtet wird, die darauf abzielen, Europa noch weiter für die globale Immigration zu öffnen – eine Entwicklung, an die die Staatsangehörigen unserer Länder sich anpassen sollen;

– und die Demokratie, denn der Bericht beruft sich auf den Vertrag von Lissabon, der von den irischen Wählern abgelehnt wurde.

Die Wahrung unserer Freiheiten und der Identität unserer Völker verlangt mehr denn je den Bau eines neuen Europas, das Europa der freien und souveränen Nationen.

 
  
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  Nils Lundgren (IND/DEM), schriftlich. (SV) Die Juni-Liste ist der Meinung, dass der Schutz der Grundfreiheiten und Grundrechte sowohl innerhalb als auch außerhalb der EU von größter Bedeutung ist. Es ist außerordentlich wichtig, dass die Mitgliedstaaten der EU die Grundfreiheiten und Grundrechte beachten, und es ist klar, dass wir es nicht den Mitgliedstaaten überlassen können, sich selbst zu überwachen. Allerdings kritisiert die Juni-Liste die Errichtung einer neuen europäischen Agentur auf diesem Gebiet sowie den Wunsch nach Betreiben einer „Außenpolitik“. Nach unserer Meinung bietet die UNO – nicht die EU – mit ihrer globalen Ausdehnung und ihrer umfassenden Erfahrung und Kompetenz die besten Voraussetzungen für die Überwachung und Umsetzung der notwendigen Maßnahmen.

Ich habe mich daher entschieden, gegen den Bericht als Ganzes zu stimmen, stehe aber einigen der Texte in dem Vorschlag sehr positiv gegenüber und habe für sie gestimmt. Ich begrüße es, dass der Bericht sich mit der ungerechten Behandlung von Gefangenen im amerikanischen Internierungslager in Guantánamo befasst. Es gibt nur einen Weg: sie müssen entweder vor Gericht gestellt oder freigelassen werden.

Ich bin sehr besorgt über die besonders schwierige Lage von Angehörigen verschiedener Minderheitengruppen und glaube, dass sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene Maßnahmen ergriffen werden müssen. Ich habe für diesen Punkt im Bericht gestimmt, bin aber skeptisch, ob ein Rechtsrahmen auf europäischer Ebene eine gute Lösung des Problems darstellt.

 
  
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  Marian-Jean Marinescu (PPE-DE), schriftlich. (RO) Der Bericht über die Lage der Grundrechte in der Europäischen Union enthält Änderungsanträge, die ich eingereicht habe und von denen ich glaube, dass sie für rumänische Bürger wichtig sind (beispielsweise der Änderungsantrag, die Arbeitsmarktbeschränkungen für Bürger aus den neuen Mitgliedstaaten zu beseitigen).

Darüber hinaus stimme ich vielen der in dem Bericht angesprochenen Punkte zu, wie zum Beispiel der Strategie zur Integration der Roma, dem Schutz von Minderheiten, den Rechten von Wanderarbeitnehmern oder dem Schutz von Kindern.

Allerdings enthält der Bericht auch Punkte, die einige der Grundprinzipien der rumänischen Gesellschaft in Zweifel ziehen (beispielsweise die Betrachtung der Familie als ein Kernelement der Gesellschaft) oder die gegen rumänisches Recht verstoßen (beispielsweise der Konsum von Drogen).

Aus diesen Gründen habe ich in der Schlussabstimmung gegen den Bericht gestimmt.

 
  
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  David Martin (PSE), schriftlich. − Ich begrüße diese Entschließung, die die wichtigsten Anliegen zur Lage der Grundrechte innerhalb der Union darstellt und zusammenfasst, sowie die darin enthaltenen Empfehlungen zur Verbesserung der Menschenrechte in den Mitgliedstaaten.

 
  
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  Mary Lou McDonald (GUE/NGL), schriftlich. − Der Catania-Bericht über die Lage der Grundrechte in der Europäischen Union in den Jahren 2004 bis 2008 betont die Notwendigkeit, die Rechte von Minderheiten zu schützen und jegliche Diskriminierung aller gefährdeten Gruppen zu bekämpfen.

Ich begrüße diesen Bericht, in dem wichtige Elemente aus der Schriftlichen Erklärung 111 zur Beendigung der Obdachlosigkeit enthalten sind, die im April 2008 vom Europäischen Parlament angenommen wurde.

Insbesondere begrüße ich die Forderung des Berichts nach Einführung von Winternotfallplänen für die Obdachlosen, nach einer Rahmendefinition von Obdachlosigkeit und nach der Erhebung von zuverlässigen statistischen Daten zur Obdachlosigkeit in der gesamten EU.

Die Beendigung der Obdachlosigkeit ist eine grundlegende Frage in der Europäischen Union. Dieser Bericht ist ein zusätzlicher Schritt, um den Europäischen Rat, die Kommission und die Mitgliedstaaten zu Maßnahmen gegen Obdachlosigkeit zu drängen.

Zum Schluss: der Vertrag von Lissabon wird die Lage bei den Grundrechten in der EU nicht voranbringen. Unterstützung für diesen Bericht bedeutet nicht Unterstützung für den Vertrag. Die Weigerung des Europäischen Parlaments, das Nein der Iren zu respektieren, steht sogar im Gegensatz zum Geist der Charta.

 
  
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  Andreas Mölzer (NI), schriftlich. − (DE) Wenn sich die Bevölkerung einzelner EU-Mitgliedstaaten dazu entschließt, homosexuellen Paaren die Heirat, eingetragene Lebenspartnerschaften oder Adoption von Kindern zu ermöglichen, dürfen andere EU-Staaten nicht zu selbigem gezwungen werden. Wenn nun religiöse Würdenträger oder Politiker aufgrund ihrer Überzeugung nicht homo-euphorisch sind – wie vom politisch korrekten Mainstream vorgeschrieben – dürfen sie nicht für diese Überzeugung verurteilt oder verfolgt werden. Gleiches gilt für die Rassismus-Keule, die bequemerweise gegen jeden geschwungen wird, der Fehlentwicklungen im Bereich Asyl und Ausländer aufzeigt.

Stattdessen wird undemokratisch über die Hintertür versucht, den Mitgliedstaaten homosexuelle Partnerschaften aufzudrängen – wohl ein Vorgeschmack dessen, was bei Umsetzung des Lissabonner Vertrages blüht. Und jeder, der es wagt, Kritik an Homosexualität oder Umtriebe im Asylwesen und Zusammenleben mit Ausländern aufzuzeigen, soll – im Widerspruch zum Menschenrecht auf Meinungsfreiheit – strafrechtlich kaltgestellt werden. Deshalb ist der Bericht Catania aufs Schärfste abzulehnen.

 
  
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  Alexandru Nazare (PPE-DE), schriftlich. (RO) Der von Giusto Catania vorgelegte Bericht steckt voller Interpretationen und Empfehlungen allgemeiner Art in Bezug auf die Lage der Grundrechte in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Doch die Regulierungsgrundlage, die wir benötigen, besteht bereits: die Charta der Grundrechte der Europäischen Union und die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten. Nicht das Hinzufügen neuer Verordnungen hat für uns im Augenblick Vorrang, sondern das Bemühen, die bestehenden Verordnungen anwendbar und effektiv zu gestalten.

Eines der in diesem Bericht behandelten Anliegen ist die Freizügigkeit der Arbeitnehmer, in deren Genuss derzeit leider nicht alle europäischen Bürger in gleicher Weise kommen. Die zweijährige Frist für Arbeitsmarktbeschränkungen, die den neuen Mitgliedstaaten auferlegt wurde, ist zwar Ende 2008 abgelaufen, aber sechs Mitgliedstaaten haben die Beschränkungen für Rumänien und Bulgarien um weitere drei Jahre verlängert, wobei sie die Entscheidung für die Verlängerung der Beschränkungen mit der gegenwärtigen Finanzkrise rechtfertigten. Der Bericht erörtert dieses Problem nicht ausdrücklich, obgleich es um eine unterschiedliche Behandlung von EU-Bürgern geht, die in diesem Fall nicht gerechtfertigt ist.

 
  
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  Rareş-Lucian Niculescu (PPE-DE), schriftlich. (RO) Ich habe gegen diesen Bericht gestimmt, der neben mindestens zehn kritikwürdigen Punkten (um es freundlich auszudrücken) einen unannehmbaren Verweis auf die Empfehlung Nr. 1201 des Europarats enthält. Auf diese Empfehlung sollte nicht Bezug genommen werden, ohne sehr genau zu erläutern, wie man sie auslegt, da sie so verstanden werden kann, dass Minderheiten Kollektivrechte gewährt werden oder territoriale Autonomie auf der Grundlage von ethnischen Kriterien eingeräumt wird. Ich begrüße die Billigung von Änderungsantrag 35, der sehr vernünftig ist, aber eine Reihe von Punkten des Berichts kann aus meiner Sicht nicht akzeptiert werden.

 
  
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  Athanasios Pafilis (GUE/NGL), schriftlich.(EL) Der Bericht bemüht sich dazu beizutragen, das so genannte „demokratische und soziale Defizit“ der – in ihrem wahren Wesen – zutiefst reaktionären EU zu kaschieren, um sie damit attraktiver zu machen und die durch ihre volksfeindliche Politik hervorgerufene Unzufriedenheit zu dämpfen. Er akzeptiert und begrüßt all die reaktionären Prinzipien und Institutionen, die von der EU angenommen worden sind, wie die vier Freiheiten im Maastricht-Vertrag, indem er versucht, ihrer Anwendung eine wirksame Dimension zuzuschreiben.

Er beruht hauptsächlich auf der den volksfeindlichen Vertrag von Lissabon begleitenden Charta der Grundrechte der EU, die das in vielen Mitgliedstaaten geschützte Maß an Rechten unterschreitet. Er stellt weitgehend einen Bericht von Ideen und einer unbestimmten Wunschliste dar; er behandelt Grundrechte, wie das Recht auf Arbeit, Bildung und Gesundheit, einfach als „Möglichkeiten“, die jedem „gleich“ gegeben werden müssen, was in der Praxis schlichtweg unmöglich ist, und sobald er spezifischer wird, schlägt er vor, nur bestimmte extreme Fälle von Armut, Diskriminierung und so weiter mit Maßnahmen anzugehen, wie der Annahme eines Mindestlohns und so weiter. Das Fehlen jeglichen Hinweises auf antidemokratische Entscheidungen und die Verfolgung von Bürgern, wie das Verbot von kommunistischen Parteien und anderen Organisationen und die Inhaftierung von Kommunisten und anderen Kämpfern in Mitgliedstaaten der EU in Mitteleuropa und dem Baltikum, offenbart schließlich das Wesen des Berichts.

 
  
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  Dimitrios Papadimoulis (GUE/NGL), schriftlich.(EL) Ich habe für den Bericht über die Lage der Grundrechte in Europa gestimmt, weil er meiner Ansicht nach durch die Beteiligung an konstruktiver Kritik eines der grundsätzlichsten Probleme unserer verbindenden Struktur berührt. Diskriminierung bei der Wahrnehmung der Grundrechte leitet sich hauptsächlich von Geschlecht, Alter, Herkunft oder sexueller Ausrichtung der Diskriminierten her, wie der Bericht zutreffend darlegt. Das Problem wird verschlimmert, wenn die Opfer solcher Verstöße nicht reagieren können, hauptsächlich weil sie in Nervenheilanstalten, Betreuungseinrichtungen und ähnlichem eingesperrt sind. Angesichts dieser Situation kann Europa nicht gleichgültig bleiben, vor allem insofern als die Durchsetzung der Menschenrechte zur Konsolidierung des europäischen Raums der Freiheit und Sicherheit beiträgt. Folglich und in Anbetracht der Tatsache, dass die Charta der Grundrechte nicht bindend ist, und der sehr begrenzten Möglichkeiten für Privatpersonen, sich an Gerichte der Gemeinschaft zu wenden, kann ich die von Herrn Catania vorgelegten Vorschläge zur Festlegung einer allgemeinen Verpflichtung seitens der Gemeinschaftsinstitutionen, die Menschenrechte bei ihren Tätigkeiten zu berücksichtigen, und zur Errichtung einer Agentur mit Fachleuten für diesen Zweck nur begrüßen.

 
  
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  Zita Pleštinská (PPE-DE), schriftlich. – (SK) Bei dem Bericht ist problematisch, dass er viele sensible Themen behandelt. Der Bericht gibt zwar etliche Empfehlungen in verschiedenen Bereichen, darunter Minderheitenrechte, der Berichterstatter hat aber wieder das Thema der reproduktiven Gesundheit in den Bericht aufgenommen.

Die vorgeschlagenen Änderungen und Ergänzungen in Zusammenhang mit der reproduktiven Gesundheit, denen das Europäische Parlament zugestimmt hat, verweigern das Recht auf Leben und verletzen das Subsidiaritätsprinzip. Die Achtung vor jedem ungeborenen Kind und die Notwendigkeit, das menschliche Leben von der Empfängnis an zu schützen, haben für mich prinzipielle Bedeutung. Ich bin nicht damit einverstanden, dass wir auf europäischer Ebene Fragen entscheiden, bei denen die Mitgliedstaaten aus ihren christlichen Traditionen erwachsene unterschiedliche Haltungen einnehmen. Ich bin nicht damit einverstanden, dass die EU die Slowakei, Polen, Irland und andere Mitgliedstaaten zwingt, Abtreibungen und Euthanasie zuzustimmen, die nach ihren jeweiligen nationalen Gesetzen nicht erlaubt sind. Auf europäischer Ebene ist es immer so, dass wir nur über das Recht der Mutter sprechen, über Leben oder Tod ihres Kindes zu entscheiden, und wir vergessen das Recht des ungeborenen Kindes auf Leben.

Aus diesen Gründen habe ich gegen den Bericht über die Lage der Grundrechte in der Europäischen Union 2004–2008 gestimmt.

 
  
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  Nicolae Vlad Popa (PPE-DE), schriftlich.(RO) Es steht außer Frage, dass die Europäische Volkspartei und die rumänische Liberaldemokratische Partei (PD-L) die grundlegenden Menschenrechte schätzen und respektieren und klar Stellung beziehen, wenn sie verletzt werden.

Ich habe gegen den Catania-Bericht über die Lage der Grundrechte in der Europäischen Union 2004–2008 gestimmt, weil der Bericht über seinen Auftrag hinausgeht, indem er Empfehlungen und Bemerkungen aufführt, die über den Zeitraum von 2004 bis 2008 hinausreichen, über den berichtet werden sollte. Statt sich mit spezifischen Fällen von Menschenrechtsverletzungen zu befassen, liefert der Catania-Bericht Kommentare und empfiehlt Mitgliedstaaten, Regelungen anzuwenden, die im Widerspruch zu nationalen Vorschriften stehen. So wird beispielsweise in den Absätzen 38 und 76 der Begriff der gleichgeschlechtlichen Ehe verwendet – eine Sache, die nicht nur unsere religiösen Ansichten, sondern auch Rechtsstandpunkt und Vernunft verletzt.

In Absatz 149 wird die Legalisierung des Drogenkonsums angesprochen – eine Sache, die gegen das rumänische Strafrecht verstößt.

Zwar ist die Initiative lobenswert, einen Bericht über die Lage der Menschenrechte in der Europäischen Union zu verfassen, und einige der in dem Bericht genannten Punkte sind sogar in Ordnung, aber nach dem, was ich gerade ausgeführt habe, stimmte ich dagegen.

 
  
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  Luís Queiró (PPE-DE), schriftlich. − (PT) Es wäre eine fehlerhafte Analyse und dem politischen Handeln abträglich, zu meinen, die Grundrechte wären in der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten vollständig garantiert und geschützt. Grundrechte müssen auch in freien und demokratischen Gesellschaften geschützt und gefördert werden. In Bezug auf diesen Bericht und diese Debatte ergeben sich jedoch andere Fragen.

Zuerst geht es um die Überwachung des Schutzes dieser Rechte auf nationaler Ebene. In Gesellschaften wie den unseren wird diese Funktion in erster Linie im nationalen Rahmen wahrgenommen, aber natürlich unbeschadet der Berufungsmöglichkeit auf europäischer Ebene, die uns zur Verfügung steht. Zwischen der Pflicht der Institutionen, die Verträge zu gewährleisten, und der nationalen Souveränität gibt es Raum für jede Seite, ihre Funktion unbeschadet des institutionellen Wesens der EU wahrzunehmen.

Auf der anderen Seite besteht insbesondere in diesem Bericht ein unerwünschtes Durcheinander zwischen Grundrechten und ideologischen Optionen zur Organisation der Gesellschaft. Eine Debatte über sie ist interessant. Doch der Versuch, den Mitgliedstaaten diese Positionen gegen ihren demokratisch ausgedrückten Wunsch und gegen das Prinzip der Subsidiarität aufzuzwingen, belegt genau die Gefahren, nationale Angelegenheiten zur Sache der Gemeinschaft zu machen. Aus diesem Grund und weil ich mit einem großen Teil des Inhalts nicht einverstanden bin, habe ich gegen diesen Bericht gestimmt.

 
  
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  José Ribeiro e Castro (PPE-DE), schriftlich. − (PT) Wäre ich ein Unterstützer der „Nein“-Kampagne beim irischen Referendum gewesen, hätte ich dem Catania-Bericht und seinen Befürwortern begeistert applaudiert. Er stellt eine so grobe Missachtung des Subsidiaritätsprinzips dar und tritt die institutionellen Regeln der Europäischen Union und die Befugnisse der Mitgliedstaaten in einem solchen Maß mit Füßen, dass er all jene glaubwürdig erscheinen lässt, die Misstrauen gegenüber der politischen Gier von Brüssel schüren. Die Schutzklauseln, die einen unmittelbaren Ausdruck der Verträge und eine fundamentale Garantie der Demokratie der Mitgliedstaaten darstellen, als der „Kodifizierung ... diskriminierender Praktiken“ dienend anzugreifen, ist erbärmlich und höhlt die Grundrechte der Staatsbürgerschaft massiv aus.

Die Behauptung, die Unterzeichnung internationaler Übereinkommen durch eine Mehrheit der Mitgliedstaaten verpflichte die gesamte EU, sich an sie zu halten, ist eine völlige rechtliche Absurdität, eine Verdunkelung, die den extremsten Föderalismus in den Schatten stellt. Ich weise auch die absolut abwegige Behauptung zurück, Europa mangele es an Glaubwürdigkeit, was bestimmt zu unserer „taktischen Unterlegenheit“ führt: welche spezifischen Probleme Europa auch immer haben mag, es ist weder Sudan noch die Volksrepublik China, auch nicht Kuba, Somalia oder Nordkorea. Kurzum: der Bericht verirrt sich in Bereiche der politischen Auseinandersetzung, die mit den Grundrechten nichts zu tun haben, und dies nimmt ihm Glaubwürdigkeit, Logik und Wirksamkeit. Ich habe gegen ihn gestimmt.

 
  
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  Luca Romagnoli (NI), schriftlich. − (IT) Herr Präsident, verehrte Kollegen! Ich habe gegen den Bericht von Herrn Catania über die Lage der Grundrechte in der Europäischen Union (2004-2008) gestimmt.

Die Mitgliedstaaten schädigen meiner Meinung nach nicht die aktive Rolle, die die Europäische Union bei der Verteidigung der Menschenrechte überall auf der Welt spielt. Außerdem bin ich nicht der Ansicht, dass der Krieg gegen den Terrorismus als ein Vorwand für eine Verschlechterung des Schutzes der Menschenrechte, insbesondere des Rechts auf Privatsphäre, angesehen werden kann.

Deshalb bin ich gegen die Punkte in Zusammenhang mit den Roma, die keines besonderen Schutzes bedürfen; ansonsten würde eine erheblich diskriminierende Situation in Bezug auf die Roma geschaffen, die diese Entschließung als eine ethnische Gruppe erachtet, die sich von anderen unterscheidet. Schließlich stimme ich dem Absatz über die Rückführung nicht zu: die bei der Rückführung einer Person anzuwendenden Verfahren können nicht allein nach diesen Parametern bewertet werden.

 
  
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  Martine Roure (PSE), schriftlich. – (FR) Ohne den Schutz der Grundrechte kann es keinen europäischen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts geben. Europa hat die Pflicht, ein Beispiel zu geben und in dieser Angelegenheit untadelig zu sein.

Verletzungen sind erkannt und aufgedeckt worden, beispielsweise auch in geschlossenen Einrichtungen für Kinder und ältere Menschen. Zudem gibt es das ewige Problem der verheerenden Zustände mancher Gefängnisse, wie der heute von uns verabschiedete Bericht darlegt. Wir müssen auch dafür kämpfen, dass die sozialen Rechte anerkannt werden.

Armut und Arbeitsplatzunsicherheit sind Angriffe auf die Menschenrechte. Wie können wir uns mit einer Situation abfinden, in der Menschen Arbeit haben und sich doch keine Wohnung leisten können – in Europa und im 21. Jahrhundert?

Wir müssen die Grundrechte eines jeden Menschen proklamieren. Die Europäische Union ist mit einer Charta der Grundrechte ausgestattet.

Lassen Sie uns dafür sorgen, dass sie geachtet wird!

 
  
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  Toomas Savi (ALDE), schriftlich. − Herr Präsident! Ich habe für den Bericht gestimmt, und ich begrüße vor allem die Einbeziehung von Absatz 31 in den Bericht, nach dem das Europäische Parlament bedauert, dass die EU die Urteile des Gerichtshofs erster Instanz vom 12. Dezember 2006 und vom 4. und 17. Dezember 2008 sowie die Entscheidung des Berufungsgerichts des VK vom 7. Mai 2008 zugunsten der PMOI (Volksmudschaheddin von Iran) nicht umgesetzt hat.

Die Europäische Union steht für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Umso entsetzlicher ist die Vorstellung, eine ihrer Institutionen handelte gegen die Grundsätze der Union. Ich hoffe, dass der Rat die Haltung des Parlaments wirklich berücksichtigt, wenn die neue „schwarze Liste“ der EU erstellt wird. Der Vorwurf terroristischer Aktivitäten muss tatsächlich begründet sein, und die Entscheidungen über die Aufnahme von Organisationen in die „schwarze Liste“ müssen transparenter sein.

Solche Angelegenheiten dürfen nicht willkürlich behandelt werden, sondern entsprechend den Grundsätzen von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Die EU darf nicht zulassen, dass der weltweite Kampf gegen den Terrorismus zu einem Schauplatz des politischen Kuhhandels gemacht wird, und muss deshalb die erwähnten Gerichtsurteile respektieren.

 
  
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  Olle Schmidt (ALDE), schriftlich. (SV) Ich interpretiere Absatz 149 des Catania-Berichts über die Lage der Grundrechte in der Europäischen Union so, dass die Mitgliedstaaten eindringlich gebeten werden sicherzustellen, dass die Gleichbehandlung von Patienten im Gesundheitssystem auch Drogenabhängige einschließt. Darum habe ich für diesen Absatz votiert.

 
  
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  Csaba Sógor (PPE-DE), schriftlich. – (HU) Die beiden letzten Erweiterungsrunden der Europäischen Union, bei denen die einst sozialistischen Staaten Mittel- und Osteuropas aufgenommen wurden, schlugen auch bei der Herangehensweise der Gemeinschaft an die Fragen der Menschenrechte ein neues Kapitel auf.

Seither ist deutlich geworden, dass der Schutz der Grundrechte – und in diesem Rahmen der Rechte der nationalen Minderheiten – in den neuen Mitgliedstaaten eine der größten Herausforderungen für die Europäische Gemeinschaft darstellt.

Giusto Catanias Initiativbericht betont, dass bei der Beschäftigung mit den Problemen der traditionellen nationalen Minderheiten die Prinzipien der Subsidiarität und der Selbstverwaltung als Wegweiser dienen müssen, die es ermöglichen könnten, eine auf die Lösung der Situation der fraglichen Gemeinschaften gerichtete Politik mit Zuversicht zu formulieren.

Der Bericht ermutigt zur Anwendung von kulturellen, territorialen und regionalen Formen der Autonomie.

Ich begrüße es auch, dass der Bericht meines Kollegen Giusto Catania fordert, eine Definition der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit zu erarbeiten, und vorschlägt, einen Mindestbestand an Gemeinschaftsgrundsätzen für den Schutz der Rechte solcher Minderheiten zu entwerfen.

 
  
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  Bart Staes (Verts/ALE), schriftlich. (NL) Der Schutz und die Förderung der Grundrechte bilden die Grundlage für unsere europäische Demokratie und sind wesentliche Voraussetzungen, um unseren europäischen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu stärken. Diese Rechte sind daher selbstverständlich in der Praxis in die Zielsetzungen der verschiedenen Politikbereiche der EU aufgenommen worden.

Darüber hinaus möchten wir den Rat bitten, in den jährlichen Menschenrechtsberichten die Lage in der Welt und in jedem EU-Mitgliedstaaten zu untersuchen, und zwar im Interesse der Glaubwürdigkeit Europas, dass es intern und in den Außenbeziehungen nicht mit zweierlei Maß misst. Die von der Fraktion der Grünen/Europäische Freie Allianz eingereichten Änderungsanträge zu Antidiskriminierung, Minderheitsrechten und sozialen Rechten sind ganz oder teilweise angenommen worden.

Außerdem haben wir erreicht, dass ein Hinweis auf die Notwendigkeit aufgenommen wurde, bei Rechtsvorschriften zu Strafrechtsverfahren die Grundrechte zu berücksichtigen. Der Catania-Bericht legt die mit den Grundrechten zusammenhängenden Probleme dar und gibt Empfehlungen zu ihrer Lösung. Er hat daher meine uneingeschränkte Unterstützung, denn bei den Grünen steht die Achtung aller Menschen und ihrer Grundrechte im Mittelpunkt der Politik, unabhängig von Geschlecht, Alter, Nationalität oder sozioökonomischem Hintergrund.

 
  
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  Catherine Stihler (PSE), schriftlich. − Ich habe erfreut festgestellt, dass das Europäische Parlament die Streichung der PMOI von der Liste der terroristischen Organisationen unterstützt. Im Iran wurden zwanzigtausend Menschen getötet, die gegen das Regime sind. Solange die PMOI auf der Terrorliste bleibt, werden weitere Menschen im Iran nur deswegen getötet, weil sie ihre Opposition zum Regime zum Ausdruck bringen. Die EU muss dem Beispiel Großbritanniens folgen und die PMOI von der Terrorliste streichen.

 
  
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  Andrzej Jan Szejna (PSE), schriftlich. − (PL) Ich habe mich in der heutigen Abstimmung für die Annahme des Berichts von Giusto Catania über die Lage der Grundrechte in der Europäischen Union ausgesprochen.

Bedauerlicherweise wird in der Europäischen Union oft gegen Grundrechte verstoßen, wobei Diskriminierung von Minderheiten und Verletzung der Privatsphäre am häufigsten anzutreffen sind. Ein weiteres Problem ist die Chancengleichheit und hier insbesondere die Gleichstellung von Frauen. Der Berichterstatter hat die Mitgliedstaaten aufgefordert, Argumente zurückzuweisen, die Gewalt und Diskriminierung gegenüber Frauen mit Tradition und Religion rechtfertigen.

In vielen EU-Ländern sind Bürger – vor allem die schwächsten, die Kinder – von Diskriminierung und Armut betroffen. Der Bericht verurteilt zu Recht jede Form von Gewalt gegen Kinder, wie Gewalt in der Familie, sexuellen Missbrauch und körperliche Züchtigung in Schulen.

Die Mitgliedstaaten kontrollieren die Praktiken im Bereich der Menschenrechte nicht und beeinträchtigen dadurch die Glaubwürdigkeit der Außenpolitik der EU in der Welt. Meiner Ansicht nach darf die Gemeinschaft in ihrer Innen- und ihrer Außenpolitik nicht mit zweierlei Maß messen.

 
  
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  Konrad Szymański (UEN), schriftlich. − Für mich liegt der größte Wert des Catania-Berichts darin, uns daran zu erinnern, dass wir innerhalb der EU unsere eigenen Probleme haben, denen wir uns stellen müssen. Darum sollten wir sehr vorsichtig sein und uns nicht für heiliger als andere halten, wenn wir uns zu Menschenrechten außerhalb der EU äußern.

Ich habe dem Nichtständigen Ausschuss zur behaupteten Nutzung europäischer Länder für die Beförderung und die unrechtmäßige Inhaftierung von Gefangenen durch die CIA angehört. Er war in erster Linie eine Bühne für die Linken, um ihren Lieblingsbösewicht, die Vereinigten Staaten, anzugreifen.

Ich finde, wir sollten der CIA und den Vereinigten Staaten dankbar sein, dass sie dazu beitragen, die Europäer gegen Terroristen zu schützen, die nur darauf aus sind, unschuldige Bürger zu töten. Es ist ein Armutszeugnis für unsere eigenen Gesellschaften, dass wir auf Amerika angewiesen waren, das für uns zu erledigen.

Absolutismus über Menschenrechte spielt denen in die Hände, die uns zerstören möchten, und gefährdet die Menschenrechte unserer eigenen Bürger.

Aus diesem Grund habe ich gegen den Bericht gestimmt.

 
  
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  Konrad Szymański (UEN), schriftlich. − (PL) Der heute im Europäischen Parlament angenommene Bericht über Grundrechte in der EU im Zeitraum 2004-2008 enthält Forderungen nach gegenseitiger Anerkennung für homosexuelle Paare in allen EU-Ländern und nach Verankerung derartiger Beziehungen in den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten. Ein anderer Punkt des Berichts tritt für so genannte „Reproduktionsrechte“ ein, was in der Sprache des Völkerrechts auch Abtreibung auf Verlangen einschließt. Das Parlament hat die Kritik der so genannten diskriminierenden Bemerkungen ausgeweitet und zählt dabei auch religiöse Würdenträger zu den Urhebern solcher Bemerkungen.

Die europäische Linke hat sich des Berichts über Grundrechte in der EU bemächtigt, um sich für Forderungen zur Unterstützung von Abtreibung und Homosexualität einzusetzen, die nichts mit Grundrechten zu tun haben. Es gibt im internationalen oder europäischen Recht keine Dokumente, die die Existenz solcher „Rechte“ belegen.

Auch wenn der Bericht nicht verbindlich ist, so ist er doch das schädlichste Dokument, das in der Wahlperiode des derzeitigen Parlaments gebilligt wurde. Es handelt sich um den jüngsten Versuch, Grundrechte neu zu definieren und sie in ihrer Bedeutung zu verändern, ohne dass dafür Verträge auf UN- oder EU-Ebene geändert werden müssen.

Ein weiterer Punkt des Berichts ist, dass die EU eine spezielle Richtlinie zur Bestrafung von homophoben Handlungen einführen soll. Aufgrund der weitgefassten und unbestimmten Art der Formulierung stellt dies einen Versuch dar, homosexuelle Kreise vom demokratischen Recht auf freie Kritik auszunehmen. Würde dies umgesetzt, könnte es Folgen in Form von Zensur haben.

Das Ergebnis der Schlussabstimmung (401 Stimmen dafür, 220 Stimmen dagegen, 67 Enthaltungen) zeigt, wie tief gespalten die Abgeordneten in dieser Frage sind. Das ist eine Niederlage für den Berichterstatter, denn Grundrechte sind etwas, das das Parlament nicht spalten, sondern zusammenführen sollte.

 
  
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  Charles Tannock (PPE-DE), schriftlich. − Ich hätte es begrüßt, wenn dieser Bericht sich intensiver mit der Lage von Waisen und behinderten Kindern in Heimen in Rumänien und Bulgarien, den jüngsten EU-Mitgliedstaaten, beschäftigt hätte.

Vor dem Beitritt dieser Länder zur EU gab es große Besorgnis hinsichtlich der Qualität der Betreuung von in Heimen untergebrachten Waisen und behinderten Kindern. Vielleicht könnte der nächste Bericht dieser Art sich eingehender mit dieser Angelegenheit befassen.

Ganz allgemein habe ich meine Ansichten zu diesem Bericht in der Aussprache im letzten Monat geäußert. Ich fürchte, unsere Kultur der Menschenrechte ist von Absolutismus infiziert und wir schwächen, indem wir uns um die Rechte von Kriminellen und Terroristen sorgen, tatsächlich die Rechte aller anderen.

Insbesondere glaube ich, dass alles, was mit Abtreibung und Empfängnisverhütung zu tun hat, nicht Sache der Europäischen Union ist, sondern der entsprechenden Gesetzgebung auf der Ebene der Mitgliedstaaten unterliegen sollte. Genauso lehne ich die Forderung ab, dass die Charta der Grundrechte Vorrang vor dem Recht des Vereinigten Königreichs haben soll, das eine Freistellung von deren Bestimmungen ausgehandelt hat.

Daher habe ich mich bei der Abstimmung über diesen Bericht enthalten.

 
  
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  Thomas Ulmer (PPE-DE), schriftlich. − (DE) Ich habe gegen den Catania-Bericht gestimmt. Ich bin erstaunt, dass die Dienste des Hauses den Bericht in seiner jetzigen Form überhaupt zugelassen haben. Er verstößt nachhaltig gegen das Gebot der Subsidiarität. Inhaltlich ist nahezu alles zu bemängeln. Die Nationalstaaten dürfen sich nicht entmündigen und entmachten lassen, wenn es um elementare Rechte geht. Hier wurde versucht, zu Lasten der Mehrheiten Minderheitsrechte, die auf nationaler Ebene nicht umsetzbar sind, durch zu drücken. Eine positive Einstellung zur Abtreibung ist für mich undenkbar. Das eigentliche Thema, die Menschenrechte und ihre Umsetzung der letzten 4 Jahre, kommt nicht vor.

 
  
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  Thomas Wise (NI), schriftlich. − Bei der namentlichen Abstimmung über Absatz 62 habe ich mich enthalten, weil nach meiner Auffassung jedes Land – was die EU nicht ist – dafür sorgen sollte, dass Rechtsvorschriften zu Genitalverstümmelung von Frauen und Mädchen lokal geschaffen und angewendet werden. Ein internationales Übereinkommen wäre hier angemessener und weitsichtiger. Die EU hat bisher keine Zuständigkeit in Gesundheitsfragen und sollte diese auch nicht anstreben.

Bei der Abstimmung über Absatz 72 habe ich mich ebenfalls enthalten, weil ich Bedenken wegen der Auswirkungen auf die Redefreiheit habe. Diskriminierende Bemerkungen sind zwar zu missbilligen, sie schüren aber nicht notwendigerweise „den Hass und die Gewalt“. Dass wir aufgefordert werden, dem zuzustimmen, bedeutet, dass jeder, der es möchte, dies als Beweis dafür verwenden kann.

Meine Entscheidung, mich bei Änderungsantrag 54 der Stimme zu enthalten, beruht auf der Ablehnung der Freizügigkeit von Personen in der EU und des Grundsatzes gegenseitiger Anerkennung und spiegelt keinesfalls meine Ansichten über gleichgeschlechtliche Partnerschaften wider, die auch nach meiner Meinung die gleichen Rechte genießen sollten wie andere.

 
  
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  Anna Záborská (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Das Europäische Parlament hat gerade für den Catania-Bericht über die Lage der Grundrechte gestimmt. Während wir gerade den 60. Jahrestag der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte begangen haben, fragt uns dieser Bericht danach, was wir unter Grundrechten verstehen.

Sicher, die Charta der Grundrechte der Europäischen Union war das Ergebnis eines Konsenses, der nach über einjährigen Verhandlungen zwischen verschiedenen Interessenvereinigungen und Lobbys, Vertretern der Zivilgesellschaft und der nationalen Regierungen usw. erreicht wurde. Dieser Prozess, zu dem wir als Vertreter der Länder des Ostens nicht eingeladen waren, ist in mehr als einer Hinsicht interessant. Wie der Catania-Bericht unterstreicht, ist die Charta ein nicht rechtsverbindlicher Text, solange der Vertrag von Lissabon nicht von sämtlichen Mitgliedstaaten ratifiziert worden ist.

Die in Wien (Österreich) ansässige Agentur für Grundrechte stützt sich jedoch vollständig auf diesen politischen Text, um ihre Stellungnahmen zu begründen. Es ist daher interessant, sich einen Eindruck davon zu verschaffen, wie die Grundrechte der Charta betrachtet werden, indem man sich die Themen ansieht, mit denen die Agentur für Grundrechte sich beschäftigt. Noch interessanter ist dies hinsichtlich des FRALEX-Netzes von Sachverständigen, die im Sommer 2008 rekrutiert wurden und hauptsächlich zum Netz von Human European Consultancy mit Sitz in den Niederlanden gehören.

 
  
  

Entschließungsantrag (B6-0624/2008)

 
  
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  Dragoş Florin David (PPE-DE), schriftlich. (RO) Ich habe für diese Entschließung gestimmt, weil die Ratifizierung des Übereinkommens einen bedeutenden Beitrag zur Förderung angemessener Arbeitsnormen weltweit leisten wird. Unterstützt wird außerdem die von den Sozialpartnern geschlossene Vereinbarung über bestimmte Aspekte der Arbeitsbedingungen von Arbeitnehmern im Seeschifffahrtssektor, weil darin die notwendige Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der notwendige Schutz von Gesundheit und Sicherheit von Seeleuten in einem ausgewogenen Verhältnis stehen, und auch weil es diese Berufsgruppe in Rumänien gibt.

 
  
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  Constantin Dumitriu (PPE-DE), schriftlich. (RO) Die von Mary Lou McDonald vorgelegte Entschließung fasst die wichtigsten Punkte zusammen, die der Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über das Seearbeitsübereinkommen 2006 und zur Änderung der Richtlinie 1999/63/EG (KOM(2008)0422) in Betracht ziehen muss.

Seeleute gehören zu einer Kategorie von Arbeitnehmern, die ihre Tätigkeit unter extrem schwierigen und häufig sogar gefährlichen Bedingungen ausführen. Darum brauchen wir Normen für Arbeitsbedingungen, so dass wir Rücksicht auf Gesundheit und Sicherheit dieser Arbeitnehmer nehmen können, wie auch eindeutige Regeln für ihre Beschäftigung. Der erste Schritt bei der Festlegung dieser Normen muss sein, die von den Arbeitnehmern und Arbeitgebern im Seeschifffahrtssektor festgestellten Bedürfnisse und Probleme darzustellen und gleichzeitig bei ihrer Durchsetzung durch die Mitgliedstaaten eine gewisse Flexibilität zu gewährleisten.

An die Dokumente, die wir auf europäischer Ebene annehmen, müssen sich Maßnahmen seitens der Mitgliedstaaten sowie eine Überwachung seitens der Kommission anschließen, damit wir sicher sein können, dass die Bestimmungen auch angewandt werden. Davon abgesehen hat die Europäische Union bei den Seearbeitsnormen die Chance auf eine Führungsrolle bei der Umsetzung dieser Normen in Grundsätze, die überall auf der Welt anwendbar sind.

 
  
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  Ilda Figueiredo (GUE/NGL), schriftlich. (IT) Wir haben für diesen Bericht über den Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Durchführung der Vereinbarung zwischen den Verbänden der Reeder in der Europäischen Gemeinschaft und der Europäischen Transportarbeiter-Föderation über das Seearbeitsübereinkommen 2006 und zur Änderung der Richtlinie 1999/63/EG gestimmt, weil er internationale Mindestrechte für Arbeitnehmer festigt. Das ist wichtig, um bessere Arbeitsbedingungen und größere Sicherheit zu gewährleisten und gleichzeitig die Würde dieser Arbeitnehmer zu achten.

Wir bedauern allerdings, dass die von unserer Fraktion vorgelegten Vorschläge nicht angenommen wurden, vor allem jene, mit denen rechtliche Ungewissheiten oder Vorbehalte hinsichtlich der von den Sozialpartnern geleisteten Arbeit zur Erzielung einer Vereinbarung beseitigt werden sollten. Das Übereinkommen selbst akzeptiert, dass Länder keine Flexibilität nutzen, und genau das sah der Richtlinienvorschlag vor, mit der Zustimmung der Sozialpartner. Hinsichtlich der Aufnahme der Frage der Flexibilität in Absatz 6 stimmen wir daher nicht mit der Mehrheit des Europäischen Parlaments überein.

 
  
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  Luca Romagnoli (NI), schriftlich. (IT) Herr Präsident, verehrte Kollegen! Ich möchte meine Stimmabgabe für die Entschließung zum Seearbeitsübereinkommen 2006 (mit dem sozialen Dialog zusammenhängende Verfahren) bestätigen.

Ich unterstütze uneingeschränkt die von Arbeitgebern und Arbeitnehmern geschlossene Vereinbarung über bestimmte Aspekte der Arbeitsbedingungen von Arbeitnehmern im Seeschifffahrtssektor, weil darin die notwendige Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der notwendige Schutz von Gesundheit und Sicherheit von Seeleuten in einem ausgewogenen Verhältnis stehen. Außerdem bin ich überzeugt, dass es unbedingt erforderlich ist, hinsichtlich Beschäftigung, Gesundheit und Sicherheit allgemeingültige Mindestnormen für Seeleute festzulegen und durchzusetzen, die auf See arbeiten bzw. auf Seeschiffen beschäftigt sind. Schließlich bin ich mit der Rolle zufrieden, die Arbeitgeber und Arbeitnehmer bei der Verbesserung der Gesundheits- und Sicherheitsbedingungen für Arbeitnehmer gespielt haben.

 
  
  

- Bericht: Laima Liucija Andrikienė (A6-0498/2008)

 
  
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  Alessandro Battilocchio (PSE), schriftlich. (IT) Ich habe für den Bericht gestimmt. Wir erkennen heute mehr denn je, welch wichtige Rolle ein Gremium wie der Menschenrechtsrat spielen kann. Die bisher unternommenen Schritte sollten unterstützt werden, und wir sollten auch die aktive Rolle würdigen, die die EU im Menschenrechtsrat spielt, ungeachtet der unbestreitbaren Restriktionen, die sich aus der Abwesenheit der Vereinigten Staaten ergeben, eine Abwesenheit, durch die sich die EU in der Tat häufig in einer isolierten Position befindet. Das darf jedoch keine Ausrede für die EU sein, die in der Lage sein sollte, durch politische Anstrengungen eine einheitliche, geschlossene Führung zu erreichen und die widerstreitenden geographischen Blöcke, die innerhalb der EU häufig zu beobachten sind, zu überwinden.

Es bleibt also noch eine Menge zu tun, um dem Menschenrechtsrat zu größerer Glaubwürdigkeit und Autorität zu verhelfen und um zu verhindern, dass einige Regierungen ihre Pflichten im internationalen Bereich weiterhin umgehen können. Ich unterstütze daher ausdrücklich eine neue Analyse im Hinblick auf die Überprüfung, und ich möchte bestätigen, dass die Stärkung des Menschenrechtsrates ein wichtiger Schritt auf dem Weg der Zivilisation ist, den die EU immer unterstützt hat.

 
  
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  Călin Cătălin Chiriţă (PPE-DE), schriftlich. (RO) Ich habe für den Andrikienė-Bericht über die Zukunft des UN-Menschenrechtsrates gestimmt, denn nach meiner Meinung braucht die EU eine langfristige Strategie zur Tätigkeit dieser Institution, die das wichtigste globale Forum für Menschenrechte werden muss. Ich meine, die EU-Mitgliedstaaten müssen bei der Vertretung bestimmter gemeinsamer EU-Standpunkte zu Menschenrechten mit größerer Einigkeit und Effizienz auftreten.

Die EU muss eine weltweit führende Kraft werden und Strategien zum Schutz der Menschenrechte in der ganzen Welt entwickeln. Größere Aufmerksamkeit müssen wir der Förderung wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Menschenrechte widmen, denn Armut, Rückständigkeit und ein niedriges Bildungs- und Kulturniveau in der Bevölkerung haben negative Multiplikatoreffekte.

Um viel breitere Unterstützung für ihre Standpunkte zu finden, muss die EU Mechanismen der Koalitionsbildung schaffen und muss damit beginnen, zu bestimmten Themen regelmäßige Treffen mit all den demokratischen Staaten auf anderen Kontinenten zu organisieren. Außerdem ist es unbedingt erforderlich, dass Staaten zu internationalen Foren Spezialisten mit fundiertem Wissen auf dem jeweiligen Gebiet entsenden – eine Maßnahme, die im Bericht von Frau Andrikienė nachdrücklich und völlig zu Recht empfohlen wird.

 
  
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  Philip Claeys (NI), Koenrad Dillen (NI), schriftlich. (NL) Ich habe gegen diesen Bericht gestimmt, weil dieser UN-Menschenrechtsrat beim besten Willen nicht als eine legitime Institution angesehen werden kann. Es ist für mich unannehmbar, dass Länder wie Kuba, Saudi-Arabien, Ägypten, Pakistan und Jordanien sowie verschiedene afrikanische Regime Resolutionen verfassen dürfen, die die Menschenrechtslage in anderen Ländern verurteilen. Die Lage der Andersdenkenden und Andersgläubigen in diesen Ländern macht diese Institution völlig unglaubwürdig.

 
  
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  Dragoş Florin David (PPE-DE), schriftlich. (RO) Ich habe für diesen Entwurf einer Entschließung des Europäischen Parlaments gestimmt, weil die Achtung, die Förderung und die Wahrung der Universalität der Menschenrechte ein integraler Bestandteil des rechtlichen Besitzstands der Europäischen Union und eines der Grundprinzipien der EU sind. Außerdem habe ich dafür gestimmt, weil die Vereinten Nationen und der UN-Menschenrechtsrat zu den Organisationen gehören, die am besten in der Lage sind, sich umfassend mit Menschrechtsfragen und den humanitären Herausforderungen zu befassen. Ich glaube, dass Menschenrechte und Demokratie zentrale Elemente in den Außenbeziehungen und der Außenpolitik der EU sind.

 
  
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  Neena Gill (PSE), schriftlich. − Herr Präsident! Ich habe sehr gern für den Andrikienė-Bericht über den UN-Menschenrechtsrat gestimmt, weil ich die Tatsache begrüße, dass dieses Gremium eine weit größere Glaubwürdigkeit hat als sein Vorgänger, die UN-Menschenrechtskommission. Die Kommission war stark in Misskredit geraten, weil mehrere ihrer Mitgliedsländer eine sehr fragwürdige Menschenrechtsbilanz hatten.

Für das größere Ansehen des Rates spielt die regelmäßige Überprüfung der Menschenrechtsbilanz der Mitgliedstaaten eine wichtige Rolle. Dies wird in der nächsten Runde von Überprüfungen besonders wichtig sein, in der es um Russland, Kuba, Saudi-Arabien und China geht.

Begrüßenswert sind auch die Klauseln in dem Bericht, in denen es um eine Einschätzung der Koordinierung in diesen Fragen zwischen den EU-Mitgliedstaaten geht. Es ist unbedingt notwendig, dass die EU als eine Organisation, die die Menschenrechte in den Mittelpunkt ihrer Mission stellt, mit multinationalen Partnern mit ähnlichen Idealen, wie der UNO, zusammenarbeitet, um gemeinsam mehr zu erreichen. Die Zusammenarbeit ist unerlässlich um zu gewährleisten, dass die Menschenrechte als außenpolitisches Ziel nicht länger aus kommerziellen oder strategischen Gründen hintangestellt werden.

 
  
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  Pedro Guerreiro (GUE/NGL), schriftlich. − (PT) Dieser Bericht offenbart eine gewisse Unzufriedenheit des Europäischen Parlaments mit dem UN-Menschenrechtsrat, weil die Mitgliedstaaten der EU „numerisch in der Minderheit“ sind, was nach seinem Verständnis „die Möglichkeit der EU zur Beeinflussung der Agenda des Menschenrechtsrates ernsthaft einschränkt“, ebenso die Sicherstellung der erwünschten Rolle der EU als „führende Kraft“.

Dieser hochfliegenden Vision liegt der Versuch zugrunde, die EU in puncto Menschenrechte als Modell vorzuschreiben, was unannehmbar ist, insbesondere, wenn die Tatsachen ihre heuchlerische Menschenrechtspolitik zeigen, wie sie in der Komplizenschaft der EU in Bezug auf Israel zum Ausdruck kommt – siehe ihre Enthaltung bei der Resolution des UN-Menschenrechtsrates zu Palästina.

Der Bericht ist reich an Widersprüchen, wenn er nämlich „die Aufspaltung des Menschenrechtsrates in regionale Blöcke bedauert“ und gleichzeitig erklärt, dass er die Existenz „eines koordinierten gemeinsamen Standpunkts im Menschenrechtsrat“ auf Seiten der EU unterstützt. Ist das nicht ebenfalls eine Politik von Blöcken, oder ist eine Politik von Blöcken nur dann schlecht, wenn sie nicht zum Vorteil der EU ist?

Im Gegensatz zum Europäischen Parlament halten wir es nicht für „bedauerlich“, dass die Vereinigten Staaten nicht im Menschenrechtsrat vertreten sind, einerseits wegen ihrer ständigen Verletzungen der Menschenrechte und des Völkerrechts und andererseits, weil sie sich aus Angst vor der Schmach, nicht gewählt zu werden, nicht beworben haben. Es ist verständlich, warum ...

 
  
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  Nils Lundgren (IND/DEM), schriftlich. (SV) Dafür, dass er aus dem Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten kommt, enthält dieser Bericht erstaunlich viele kluge Ansichten. So wird zum Beispiel die Ansicht vertreten, dass es positiv ist, dass bei den Mitgliedstaaten der EU die Tendenz zunimmt, ihre Meinung zu vertreten, statt es der EU-Präsidentschaft zu überlassen, für alle Länder zu sprechen. Aussagen dieser Art sind sehr selten, und ich begrüße sie.

Leider sind die positiven Elemente zu dünn gesät. Eine der am meisten zu beanstandenden Formulierungen findet sich in Erwägung H, wo der „fortdauernde Wunsch der Mitgliedstaaten, bei den Vereinten Nationen unabhängig zu handeln“ beklagt wird. Immerhin ist „Ein Staat, eine Stimme“ einer der Grundsteine der Vereinten Nationen. Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten bedauert außerdem die zunehmende Aufspaltung des Menschenrechtsrates in regionale Blöcke. Paradoxerweise scheinen bestimmte regionale Blöcke – zum Beispiel die EU – erwünscht zu sein.

Das Europäische Parlament ist weder ein Garant, noch kann und sollte es einer sein, dass auf der Welt keine Menschenrechte verletzt werden. Das zeigen insbesondere die Erklärungen von Mitgliedern dieses Hauses beispielsweise zu Homosexuellen. Auch wenn der Kern des Berichts wahrscheinlich gut ist, habe ich bei der heutigen Abstimmung dagegen gestimmt.

 
  
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  Andreas Mölzer (NI), schriftlich. − (DE) Die EU sagt von sich, dass sie Menschenrechte und Demokratie in den Mittelpunkt ihrer Außenbeziehungen stellt. Hier im Hause fordert man die EU auf, bei der Ratifizierung von Verträgen auf die Glaubwürdigkeit auf dem Gebiet der Menschenrechte zu achten. Aber die Glaubwürdigkeit der EU ist doch bereits zum Teufel – dafür haben CIA-Überflüge, mangelnder Einsatz gegen US-Foltergefängnisse und ein völkerrechtlicher Zickzack-Kurs, etwa bei der Kosovo-Krise, schon gesorgt.

Wie kann eine Gemeinschaft, die angeblich Demokratie so hoch hält, Referendumsergebnisse negieren, Abstimmungen wiederholen, bis das gewünschte Ergebnis vorliegt und Mitgliedstaaten für Wahlergebnisse mit Sanktionen belegen? Wenn der EU die Achtung ihrer viel zitierten Wertegemeinschaft wirklich so am Herzen läge, hätte sie schon längst, spätestens aber seit deren Kriegsgebärden, die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei abbrechen müssen. Statt sich wirklich für Völker- und Menschenrechte und gemeinsame Werte einzusetzen, werden derzeit jährlich anscheinend etwa 15 Millionen Euro für eine überflüssige Europäische Grundrechteagentur (GRA) hinausgeschmissen.

 
  
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  Nicolae Vlad Popa (PPE-DE), schriftlich. Ich habe für den Bericht über die Entwicklung des UN-Menschenrechtsrates gestimmt, weil ich bei aller Anerkennung der unbestrittenen Errungenschaften und der unternommenen Bemühungen zur Stärkung der Glaubwürdigkeit und des Umfangs des Schutzes der Menschenrechte fest davon überzeugt bin, dass die Arbeit dieses Gremiums auch in Zukunft noch verbessert werden kann.

Gleichzeitig bin ich der Ansicht, dass die Europäische Union bei der Schaffung und dem Tätigwerden des UN-Rates weiterhin eine aktive, sichtbare Rolle spielen muss.

Außerdem begrüße ich die Tatsache, dass der Bericht die Europäische Union dazu auffordert, die Grundsätze der Universalität, Unteilbarkeit und Interdependenz der Menschenrechte zu bekräftigen und vehement zu verteidigen.

 
  
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  Luís Queiró (PPE-DE), schriftlich. − (PT) Wenn die Vereinten Nationen und die verschiedenen mit ihnen verbundenen Agenturen und Organisationen ihrer Natur nach ein Spiegel der Welt sein sollen, dann ist es natürlich, dass das darin gespiegelte Bild nicht so ist, wie wir es uns wünschen würden oder gern aufbauen möchten. Diese Erwägungen sind hinsichtlich der Diskussion über den UN-Menschenrechtsrat notwendig.

Wenn in einer Welt mit Ländern, in denen Menschenrechte keinerlei Respekt genießen, über diese Rechte diskutiert und durch Abstimmung entschieden wird, ist ein bizarres Resultat zu erwarten. Das ist nicht nur eine Frage der Legitimität. Es ist vor allem eine Frage der Sprache. Welchen Bewertungsmaßstab bei Menschenrechten werden die Regierungen von Libyen oder Simbabwe wohl mit demokratischen Staaten gemeinsam haben, die ihren Bevölkerungen gegenüber verantwortlich sind? Natürlich keinen. Aber gerade die Erleichterung des Dialogs zwischen denen, die verschiedene Sprachen sprechen, ist die Aufgabe der Diplomatie. Zwischen Gleichen ist eine Vermittlung nicht nötig.

Aus diesem Grund muss die Existenz von Orten des Dialogs ein Grundsatz sein, der angeregt und gefördert wird. Andernfalls kann ich mir nicht vorstellen, dass wir als Maßstab für unsere Werte und unser Handeln etwas akzeptieren können oder sollten, das in einem solchen Kontext entschieden wird.

 
  
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  Luca Romagnoli (NI), schriftlich. (IT) Herr Präsident, verehrte Kollegen! Ich habe für den Andrikienė-Bericht über die Entwicklung des UN-Menschenrechtsrates, einschließlich der Rolle der EU, gestimmt. Innerhalb dieses Rates ist der europäische Standpunkt entscheidend.

In der Tat hat die EU, die vor allem durch ihre Tätigkeit im Rahmen internationaler Menschenrechtsgremien Menschenrechte und Demokratie in den Mittelpunkt ihrer eigenen Außenbeziehungen stellt, sich von Anfang an darum bemüht, eine aktive und sichtbare Rolle bei der Schaffung und dem Tätigwerden des Menschenrechtsrates zu übernehmen, um auf diese Weise höchste Menschenrechtsstandards zu wahren, indem sie normgebende Texte einbrachte bzw. unterstützte.

Daher begrüße ich den Vorschlag der Kollegin, die Maßnahmen zu überprüfen, die die EU ergreifen kann, um ihren Einfluss im Menschenrechtsrat zu verbessern und diesem dadurch neue Impulse zu verleihen, damit er zu einem effizienter funktionierenden Gremium wird.

 
  
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  Andrzej Jan Szejna (PSE), schriftlich. − (PL) Am 15. März 2006 nahm die UN-Generalversammlung eine Resolution an, mit der die UN-Menschenrechtskommission durch den Menschenrechtsrat als ein internationales Gremium zur Förderung und Wahrung der Menschenrechte ersetzt wurde.

Gleichzeitig mit der Namensänderung wurden neue Mechanismen und Verfahren eingeführt, durch die das Potenzial des Menschenrechtsrates gestärkt wird.

Der Bericht hat die Aufgabe, die Leistungen des Rates zu bewerten und die Erwartungen mit den Ergebnissen zu vergleichen. Vor allem sollen Verbesserungsmöglichkeiten bei seiner Arbeitsweise aufgezeigt werden.

Wir dürfen nicht vergessen, dass Demokratie und Menschenrechte das Fundament bilden, auf dem die Europäische Union auf der internationalen Bühne agiert. Die Europäische Union reklamiert für sich eine sehr herausragende Rolle und engagiert sich in internationalen Menschenrechtsorganisationen und war auch bei der Einsetzung des Menschenrechtsrates beteiligt. Sie hat Texte, beispielsweise Übereinkommen oder Resolutionen, mitverfasst, in denen die Normen für den Schutz der Menschenrechte dargelegt werden.

Leider ist die Europäische Union häufig nicht in der Lage, Themen zu antizipieren (vor allem wegen der zeitaufwändigen Verfahren, die manchmal für die Ausarbeitung gemeinsamer Standpunkte notwendig sind) und bei Menschenrechtsinitiativen eine Führungsrolle zu übernehmen.

 
  
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  Charles Tannock (PPE-DE), schriftlich. − Zusammen mit meinen Kollegen von den britischen Konservativen unterstütze ich die Arbeit der UN und des UN-Menschenrechtsrates. Wir erkennen an, dass weitere Reformen des Rates notwendig sind um sicherzustellen, dass die Menschenrechte überall in der Welt verbessert werden.

Wir sind dafür, dass die EU-Mitgliedstaaten sich um die Abstimmung von Standpunkten im Rat bemühen, unterstreichen aber, dass es wichtig ist, dass jeder Staat seine eigenen nationalen Interessen und Standpunkte sichert.

Unsere Unterstützung für diesen Bericht schließt keine Unterstützung für den Absatz des Berichts (Ziffer 56) ein, der fordert, dass die UN-Resolution über ein Moratorium für die Todesstrafe umgesetzt wird. Die Todesstrafe ist für jeden Abgeordneten der Konservativen eine Gewissensfrage.

 
  
  

- Bericht: Marco Cappato (A6-0459/2008)

 
  
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  Alessandro Battilocchio (PSE), schriftlich. (IT) Ich stimme dafür. Das Näherrücken des nächsten Wahltermins erfordert, dass wir den stimmberechtigten Bürgern alle Instrumente zur Verfügung stellen, die sie für den Zugang zu den Dokumenten des Europäischen Parlaments brauchen. Zu einem Zeitpunkt, wenn die Wähler gebeten werden, Vertrauen in diese Organe zu setzen, müssen wir uns unsererseits darum bemühen, alle Hindernisse zu beseitigen, die der Transparenz und Zugänglichkeit noch im Wege stehen.

Dazu sollte es den stimmberechtigten Bürgern meiner Ansicht nach auch ermöglicht werden, die Tätigkeit der Abgeordneten und ihre Beteiligung und Anwesenheit bei der parlamentarischen Arbeit in absoluten, relativen und Prozentzahlen zu kontrollieren; überdies sollten Maßnahmen ergriffen werden, um den Zugang zu Daten über die Vergütungen und Ausgaben der Abgeordneten zu erleichtern. Schließlich hoffe ich, dass dies alles bis zum Ende dieser Wahlperiode erreicht werden kann.

 
  
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  Nicodim Bulzesc (PPE-DE), schriftlich. (RO) Das Recht auf Zugang zu den Dokumenten des Parlaments, des Rates und der Kommission ist ein Grundrecht, das (gemäß Artikel 254 und Artikel 255 EG-Vertrag) allen Unionsbürgerinnen und -bürgern und den Gebietsansässigen in der Europäischen Union zusteht.

Einen Aspekt möchte ich aber besonders hervorheben. Nach meiner Ansicht ist die Veröffentlichung der Arbeitsdokumente der europäischen Organe nur ein erster Schritt, denn die meisten Unionsbürger verstehen die von uns verwendeten Verfahren nicht und wissen nicht, wie sie die benötigten Informationen finden können. In dieser Hinsicht stimme ich meinem Abgeordnetenkollegen zu, der die Schaffung eines einzigen EU-Portals für den Zugang zu allen Dokumenten vorschlägt, das so aufgebaut ist, dass es für jedermann leicht verständlich ist. Dieses Portal muss Informationen auf eine leicht zugängliche, vereinfachte Weise bereitstellen, so dass die Unionsbürger es problemlos nutzen können. Derartige technische Lösungen gibt es definitiv, und ich hoffe, dass sich die finanziellen Mittel für die Realisierung dieses Portals finden lassen.

Ich habe allerdings gegen den Bericht gestimmt, weil der allgemeine Rahmen zwar in Ordnung ist, einige der von meinem Abgeordnetenkollegen vorgeschlagenen Details aber nicht annehmbar sind.

 
  
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  Philip Claeys (NI) , schriftlich. (NL) Da ich für möglichst große Offenheit bei allen EU-Organen bin, habe ich mit voller Überzeugung für diesen Bericht gestimmt. Es ist gut, dass verschiedenen europäischen Institutionen ernsthaft auf die Finger geklopft wird. Der Europäische Rat trifft große politische Entscheidungen und erörtert sehr wichtige und kontroverse Fragen. Es ist auch unbefriedigend und nicht hinnehmbar, dass der Rat nicht zulässt, dass die genauen Standpunkte der verschiedenen nationalen Delegationen zum Zeitpunkt der Beschlussfassung bekannt sind. Das Parlament muss aber auch das eigene Haus in Ordnung bringen und in allen Aspekten für größtmögliche Offenheit sorgen.

 
  
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  Esther De Lange (PPE-DE), schriftlich. (NL) Stimmerklärung im Namen der CDA-Delegation im Europäischen Parlament zum Cappato-Bericht über den Zugang zu Dokumenten.

Die CDA-Delegation im Europäischen Parlament hat sich heute bei der Abstimmung über den Cappato-Bericht über den Zugang zu Dokumenten der Stimme enthalten. Das heißt nicht, dass wir gegen Transparenz sind. Wir sind für Transparenz und demokratische Kontrolle. Nicht umsonst hat die ehemalige Europaparlaments-Abgeordnete Hanja Maij-Weggen an der Wiege der gemeinschaftlichen Gesetzgebung in diesem Bereich gestanden.

Wir haben uns enthalten, weil der Cappato-Bericht zu viele Ungenauigkeiten, unkorrekte Formulierungen und grob vereinfachte Darstellungen enthält. Zum Beispiel muss nach unserer Meinung die Offenheit der Ratsdokumente in der Tat gewährleistet sein, aber es gibt einen deutlichen Unterschied zwischen Dokumenten für legislative und andere Verfahren. Der Berichterstatter unterscheidet jedoch nicht zwischen diesen Verfahren. Wir sind außerdem besorgt über die großen administrativen Belastungen, die die Empfehlungen im Cappato-Bericht mit sich bringen würden.

Wegen der Ungenauigkeiten und Unschärfen konnten wir dem Bericht nicht zustimmen. Da wir den Grundsatz der Transparenz und demokratischen Kontrolle unterstützen wollen, haben wir uns letztendlich der Stimme enthalten.

 
  
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  Koenraad Dillen (NI) , schriftlich.(NL) Ich habe mit voller Überzeugung für diesen Bericht gestimmt. Einmal ist keinmal. Es ist zwar zu begrüßen, dass einige europäische Institutionen stark kritisiert werden, ich möchte aber doch eine Bemerkung machen. Angesichts der Tatsache, dass der Europäische Rat das Heft in der Hand hat und letztendlich über sehr wichtige und kontroverse Fragen beschließt, ist es nicht hinnehmbar, dass der Rat nicht zulässt, dass die Standpunkte der verschiedenen nationalen Delegationen zum Zeitpunkt der Beschlussfassung öffentlich gemacht werden. Allerdings stimmt es auch, dass das Parlament erst das eigene Haus in Ordnung bringen und für größtmögliche Offenheit in allen Einzelheiten sorgen muss, bevor es anderen die Leviten liest.

 
  
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  Avril Doyle (PPE-DE), schriftlich. − Der vorliegende Initiativvorschlag von Marco Cappato fordert das Parlament auf, den Bericht über die Durchführung der Verordnung Nr. 1049/2001 zu billigen, worin es um den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Parlaments, der Kommission und des Rates bei einem Einsatz in ihrer gesetzgeberischen Eigenschaft geht.

Während das Ziel, die Transparenz bei den EU-Organen zu verbessern, meine volle Unterstützung hat, gibt es in dieser Verordnung drei wesentliche Punkte, die meiner Ansicht nach eine weitere Prüfung rechtfertigen.

(1) Der unabdingbare Schutz der Vertraulichkeit zwischen Mandant und Anwalt ist nicht ausreichend gewährleistet, wie es im Turco-Urteil steht, auf das in den einleitenden Absätzen verwiesen wird, und die Forderung nach seiner Anwendung kann nicht unterstützt werden.

(2) Die verschiedenen Verfahren, durch die die einzelstaatlichen Regierungen zu Entscheidungen gelangen, können durch Aufhebung der erforderlichen Einwilligung zur Freigabe der an EU-Organe übermittelten Dokumente ebenfalls unterminiert werden.

(3) Diese Empfehlungen für die gesamte EU berücksichtigen nicht die unterschiedlichen Ansätze in Zusammenhang mit der Informationsfreiheit in den Mitgliedstaaten.

Ein gewisses Maß an Vertraulichkeit ist nötig, um unter politischen Gruppierungen vollkommen freimütige politische Diskussionen sicherzustellen, und die Verbreitung dieser Meinungen könnte mehr Schaden als Nutzen anrichten. Die Aussicht auf zurückhaltenden Meinungsaustausch anstelle leidenschaftlicher Debatten ist kein gutes Zeichen für unsere demokratischen Institutionen.

(Stimmerklärung abgekürzt nach Artikel 163(1))

 
  
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  Carl Lang und Fernand Le Rachinel (NI), schriftlich. – (FR) Für jeden, dem die obskuren Geheimnisse der Europäischen Kommission, des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rates bekannt sind, steht außer Frage, dass Bemühungen um Zugang zu Informationen bei den Organen der Europäischen Union für den Durchschnittsbürger Unternehmungen voller Fallstricke bleiben. Dafür gibt es viele Gründe.

In der Tat ist es genauso sehr eine Frage der riesigen Anzahl von herausgegebenen Dokumenten und der unzähligen Formen, in denen sie veröffentlicht werden (Berichte, Stellungnahmen, Entschließungen, Richtlinien, Verordnungen usw.), wie des Mangels an Vereinfachung und Klarheit der Register der Organe und der Webseiten sowie des Mangels an Transparenz und Kommunikation.

Dieser Bericht schlägt zur Lösung solcher Probleme richtigerweise vor, für größere Transparenz der europäischen Organe zu sorgen.

Das stellt wirklich einen Teil des umfassenderen Anliegens dar, den Part der Bürger der Union dabei zu stärken, wie diese funktioniert und die Dinge versteht. Die Völker Europas wollen nicht systematisch von den Entscheidungen ausgeschlossen werden, die sich direkt auf ihren Alltag auswirken und bei denen sie kein Recht zu einer Prüfung oder einem Einspruch haben. Bei den seltenen Gelegenheiten, bei denen sie per Referendum ihren Stimmen Gehör verschafft haben, haben sie sich von ihren Führern und der Brüsseler Bürokratie abgewandt, die blind, taub und unempfänglich für ihre Nöte und Wünsche ist.

Die europäischen Organe transparenter zu machen, ist ein erster Schritt hin zu einem neuen Europa, einem Europa der Völker und einem Europa der souveränen Nationen.

 
  
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  Jörg Leichtfried (PSE), schriftlich. − (DE) Ich stimme dem Jahresbericht über den vereinfachten Zugang zu Dokumenten der EU-Institutionen zu.

Es ist keine Frage, dass der Zugang zu den verschiedenen Dokumenten des EP, des Rates und der Kommission erleichtert werden sollte. Die BürgerInnen der Europäischen Union dürfen nicht das Gefühl haben, sie seien von den Vorgängen und Abstimmungen der EU-Institutionen ausgeschlossen. Außerdem ist es ihr gutes Recht, über möglichst alles informiert zu sein.

Zu überprüfen wäre allerdings, ob diese Veröffentlichung nicht insofern eingeschränkt werden sollte, als man schließlich den Blick fürs Wesentliche nicht verlieren darf. Erstens will niemand eine Datenüberschwemmung und zweitens sollte die Privatsphäre der MitarbeiterInnen ebenfalls gewahrt bleiben. Denn üblicherweise sind so manche Details aufgrund des Datenschutzes auch an anderen, z. T. nationalen, Institutionen nicht für jedermann zugänglich.

 
  
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  Luca Romagnoli (NI), schriftlich. − (IT) Herr Präsident, verehrte Kollegen! Ich habe für den vom Kollegen Marco Cappato vorgelegten Vorschlag über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission gestimmt.

Es hat grundlegende Bedeutung für die Europäische Union, dass die Bürger das Gefühl haben, dass die Organe der Gemeinschaft ihnen nahe sind. Das kann nur durch den Zugang der Öffentlichkeit zu den Dokumenten der drei Organe erreicht werden. Ich bin deshalb vollkommen einer Meinung mit dem Berichterstatter, wenn er feststellt, dass wir die EU-Organe und die Mitgliedstaaten auffordern müssen, eine gemeinsame Kultur der Transparenz in der Verwaltung zu fördern, die den Grundsätzen folgt, die in Artikel 41 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, den Empfehlungen des Europäischen Bürgerbeauftragten und den bewährten Verfahrensweisen der Mitgliedstaaten vorgegeben sind.

Schließlich begrüße ich die Initiative des Kollegen Cappato, weil ich glaube, dass angesichts der Probleme mit der häufigen Abwesenheit italienischer Abgeordneter in diesem Parlament die Bereitstellung von Informationen für die Öffentlichkeit einen sehr hohen Stellenwert haben muss, um die Integrationsprozesse zu verbessern und zu beschleunigen.

 
  
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  Andrzej Jan Szejna (PSE), schriftlich. (PL) Der Vertrag über die Europäische Union legt fest, dass Transparenz und immer engeren Bindungen zwischen den Völkern Europas Vorrang einzuräumen ist und dass Beschlüsse so offen wie möglich und so nah an den Bürgern wie möglich gefasst werden müssen. Transparenz erlaubt den Bürgern eine nähere Beteiligung am Entscheidungsprozess und gewährleistet, dass die Verwaltung größere Glaubwürdigkeit genießt, effektiver ist und verantwortlicher gegenüber ihren Bürgern in einem demokratischen System handelt.

Das EuGH-Urteil in der Rechtssache „Turco” wird gewaltige Folgen für die Transparenz und den Zugang zu Dokumenten der mit legislativen Angelegenheiten befassten EU-Organe haben.

Das Urteil bestätigt, dass dem fraglichen Grundsatz Vorrang einzuräumen ist und dass es bei allen Organen der Gemeinschaft gelten soll, und (was sehr wichtig ist) die Möglichkeit von Ausnahmen ist eng auszulegen und von Fall zu Fall unter dem Blickwinkel des überwiegenden öffentlichen Interesses zu bewerten, und das ist Offenheit. Offenheit stärkt das Vertrauen in die Organe, da sie eine offene Debatte erlaubt.

Der EuGH stellte fest, dass die Verweigerung des Zugangs zu Dokumenten in diesem Fall keine Grundlage für eine allgemeine Forderung sein kann, Rechtsgutachten zu legislativen Angelegenheiten der Vertraulichkeit zu unterwerfen.

 
  
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  Thomas Ulmer (PPE-DE), schriftlich. − (DE) Ich lehnte den Bericht ab. Die Forderungen, die darin gestellt werden, gehen weit über das Maß dessen hinaus, was ich unter Transparenz verstehe. Auch die Veröffentlichung von Anwesenheits- und Abstimmungslisten von Kolleginnen und Kollegen halte ich ohne umfangreiche zusätzliche Erklärungsmöglichkeiten für gefährlich. Ich habe eine hohe Präsenz und bin deshalb unverdächtig. Es geht darum, einen Persönlichkeitsschutz auch für Abgeordnete zu erhalten. In Europa wären zunächst öffentliche Sitzungen des Rates und der Kommission ein Weg zu mehr Transparenz, bevor man Abgeordnete zwingt, sich bis auf das letzte Hemd auszuziehen. Außerdem muss es in schwierigen Verhandlungsphasen auch zwischen den Institutionen Vertraulichkeit geben.

 
  
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  Anna Záborská (PPE-DE), schriftlich. – (SK) Nach den Erfahrungen in den Mitgliedstaaten hat die EU begonnen, ein wirkliches „Recht auf Zugang zu Dokumenten“ und ein „Recht auf Information“ anzuerkennen, das sich aus den Grundsätzen von Demokratie, Transparenz, öffentlichem Interesse und Offenheit ergibt.

Das Europäische Parlament ist überzeugt, dass der Zugang zu Informationen über die EU-Organe für den Normalbürger Probleme aufwirft, weil eine effiziente, interinstitutionelle Politik zur Transparenz und der auf die Bürger zugeschnittenen Kommunikation fehlt.

Im Interesse größerer Transparenz sollten die EU-Organe den Grundsatz der Mehrsprachigkeit respektieren. Im Jahr 2008 habe ich zu dieser Frage eine Schriftliche Erklärung des Europäischen Parlaments vorgelegt. Die EU arbeitet in allen Nationalsprachen und nicht nur in einer oder einer Auswahl von Sprachen, die sie vielleicht einmal zusammengestellt hat und die vielleicht von einem wesentlichen Teil ihrer Bürger nicht verstanden werden.

Die Übersetzung legislativer, politischer und administrativer Dokumente erlaubt der EU die Erfüllung ihrer rechtlichen Verpflichtungen, und gleichzeitig hilft das System der Mehrsprachigkeit, die Transparenz, Legitimität und Effektivität der Union zu verbessern. Das unterstützt die ordentliche Vorbereitung der Wahl zum Europäischen Parlament, die im Juni 2009 stattfindet.

Ich fordere hiermit die Organe der EU auf, dafür zu sorgen, dass im EU-Haushalt 2009 die erforderlichen Mittel für die fehlenden Stellen für Übersetzer bei den EU-Organen bereitgestellt werden; das Europäische Parlament fordert die EU-Organe auf, alle legislativen, politischen und administrativen Dokumente für diese Wahlperiode unverzüglich in sämtliche offiziellen Sprachen der EU zu übersetzen, damit die Bürger die politische Arbeit aller Institutionen verfolgen können.

Damit können wir wirklich zu größerer Transparenz für unsere Bürger beitragen.

 

6. Berichtigungen des Stimmverhaltens und beabsichtigtes Stimmverhalten: siehe Protokoll
 

(Die Sitzung wird um 13.55 Uhr unterbrochen und um 15.00 Uhr wieder aufgenommen.)

 
  
  

VORSITZ: HANS-GERT PÖTTERING
Präsident

 

7. Genehmigung des Protokolls der vorangegangenen Sitzung: siehe Protokoll
Video der Beiträge

8. Lage im Nahen Osten / Gaza (Aussprache)
Video der Beiträge
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  Der Präsident. – Als nächster Punkt folgen die Erklärungen des Rates und der Kommission zur Lage im Nahen Osten/Gaza.

Es ist eine besondere Freude, den Präsidenten des Rates, Herrn Außenminister Schwarzenberg, zu begrüßen, der heute noch nach Südafrika reisen muss. Frühere Präsidentschaften haben es dann so gemacht, dass die Außenminister sich haben vertreten lassen. Insofern wissen wir es besonders zu schätzen, Herr Außenminister Schwarzenberg, dass Sie heute hier sind. Herzlich willkommen!

Wir freuen uns natürlich auch darüber, dass – wie fast immer – auch die zuständige Kommissarin, Frau Benita Ferrero-Waldner, hier ist, die sich ja in der Problematik des Nahost-Konfliktes auch sehr gut auskennt und wie Herr Außenminister Schwarzenberg auch in der Region gewesen ist. Frau Kommissarin, auch Sie heiße ich herzlich willkommen!

 
  
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  Karel Schwarzenberg, amtierender Präsident des Rates. − Herr Präsident! Vielen Dank, dass Sie mir in dieser zur rechten Zeit stattfindenden Aussprache über die dramatische Lage im Nahen Osten das Wort erteilen.

Seit dem Beginn der israelischen Militäroperation im Gaza-Streifen am 27. Dezember haben wir eine gravierende Verschlechterung der Situation auf allen Ebenen erlebt. Die humanitären Folgen dieser Operation für die Bevölkerung in Gaza sind dramatisch. Über 900 Palästinenser sind seit Beginn der Operation ums Leben gekommen, rund 30 % von ihnen waren Frauen und Kinder. Wir sind zutiefst beunruhigt über die Verluste unter der Zivilbevölkerung, und wir haben das wiederholt in den Erklärungen der Präsidentschaft zum Ausdruck gebracht. Die Europäische Union missbilligt die anhaltenden Feindseligkeiten, die zu einer so hohen Zahl von zivilen Opfern geführt haben, und wir möchten den Familien der Opfer unsere aufrichtige Anteilnahme übermitteln.

Besonders betroffen machen uns solche Vorfälle wie der Angriff auf die Schule der Vereinten Nationen in Jebaliya und der Beschuss humanitärer Hilfskonvois, die den Tod von humanitären Helfern zur Folge hatten. Über 4 200 Palästinenser sind nach Angaben des Büros des Koordinators der Vereinten Nationen für humanitäre Angelegenheiten (UNOCHA) verletzt worden. Wie die Einrichtung der Vereinten Nationen erklärt, sind seit Beginn der Feindseligkeiten schätzungsweise 28 000 Menschen vertrieben worden. Eine große Zahl der Menschen sucht Zuflucht in den Notunterkünften, der Rest der Binnenvertriebenen kommt bei Verwandten unter.

Die größten humanitären Nöte bestehen durch die große Zahl der Verwundeten und die Überlastung der Gesundheitsdienste, während Vertriebene und Gastfamilien spezifische Unterstützung benötigen, wie Lebensmittel, Unterkunft, Wasser und andere Dinge des täglichen Lebens. Da das Wasserversorgungssystem schwer beschädigt wurde und dringend repariert werden muss, hat die Bevölkerung in Gaza kaum Zugang zu sauberem Wasser. Darum muss zuallererst die Trinkwasserversorgung hergestellt werden.

In allen Gruppen der Bevölkerung herrscht große Lebensmittelknappheit. Seit dem 4. November vergangenen Jahres dürfen keine Mitarbeiter ausländischer Nichtregierungsorganisationen nach Gaza einreisen, um humanitäre Hilfe ordnungsgemäß zu leisten und zu überwachen. Seit dem Beginn der Militäroperation hat zwar die Zahl der Lkws nach Gaza zugenommen, aber der derzeitige tägliche Durchschnitt von 55 Lkws bleibt erbärmlich unzureichend angesichts von mindestens 300 Lkws, die täglich nötig wären, um den Bedarf von 80 % der Bevölkerung zu decken, die von Hilfe abhängig geworden sind.

Die Europäische Union hat die tragischen Ereignisse von Anfang an genau verfolgt. Drei Tage nach Beginn der Operation trafen sich die Außenminister zu einer Sondersitzung in Paris, um die Lage zu erörtern. Es bestand Einvernehmen über die Notwendigkeit einer sofortigen und dauerhaften Waffenruhe sowie unverzüglicher humanitärer Maßnahmen zur Stärkung des Friedensprozesses. Ziel des Gipfels war vor allem die Unterstützung bei der Beendigung der Gewalt und Linderung der humanitären Krise. Die Präsidentschaft leitete eine diplomatische Mission in den Nahen Osten. Die EU-Ministertroika hielt sich vom 4. bis 6. Januar in der Region zu Gesprächen in Ägypten, in Israel, mit der Palästinensischen Autonomiebehörde und in Jordanien auf. Der Hohe Vertreter besuchte außerdem Syrien, den Libanon und die Türkei.

Die Umrisse einer Lösung für die Krise beginnen sich abzuzeichnen. Zunächst müssen die Raketenangriffe der Hamas auf Israel ohne Vorbehalt eingestellt und die israelische Militäraktion beendet werden, damit anhaltend humanitäre Hilfe geleistet und die öffentlichen Dienste sowie die dringend benötigte medizinische Versorgung wiederhergestellt werden können. Die sechsmonatige Waffenruhe, die am 19. Dezember auslief, war alles andere als perfekt. Israel litt unter regelmäßigem Raketenbeschuss und dem Wissen, dass der Gegner größere Feuerkraft aufbaute. Gaza war einer wirklich harten Wirtschaftsblockade ausgesetzt, die seine wirtschaftliche Entwicklung vollständig unterminierte.

Um eine nachhaltige Waffenruhe zu erreichen, müssen wir nach einem vernünftigen Kompromiss suchen, der ein Ende der Raketenabschüsse und die Wiederöffnung der Grenzübergänge mit sich bringt. Eine realisierbare Lösung muss die Frage der Tunnel unter den Grenzen angehen, vor allem auf der Philadelphia-Route, um den Waffenschmuggel zu verhindern. Sie muss außerdem zur systematischen und kontrollierten Öffnung aller Grenzübergänge führen, um die wirtschaftliche Entwicklung in Gaza zu ermöglichen.

Wir glauben, dass der Einsatz internationaler Missionen zur Überwachung der Umsetzung der Waffenruhe und als Verbindung zwischen den beiden Seiten hilfreich sein könnte. Diesbezüglich ist die Europäische Union bereit, ihre Beobachter wieder zum Übergang Rafah zu schicken und das Mandat der EU-Grenzschutzmission in Umfang und Inhalt zu erweitern. Israels Einwilligung zu einer täglichen Unterbrechung, damit die dringend benötigten Lebensmittel sowie Kraftstoff und Medikamente nach Gaza gebracht werden können, findet unsere Anerkennung. Doch nur eine vollständige und sofortige Waffenruhe würde die Lieferung und Verteilung der großen Mengen an humanitären Hilfsgütern erlauben, die Gaza so dringend braucht, sowie die Wiederaufnahme der grundlegenden Dienste. Israel muss den ungehinderten und sicheren Zugang für humanitäre Hilfe und andere wichtige Versorgungsgüter, darunter Lebensmittel, Medikamente und Kraftstoff, für die palästinensische Zivilbevölkerung des Gaza-Streifens sowie den sicheren Transit von Zivilpersonen und humanitären Helfern in den und aus dem Gaza-Streifen gewährleisten.

Aber selbst eine dauerhafte und umfassende Lösung in Gaza wird nicht ausreichen, um Frieden in der Region zu schaffen. Wir müssen breiter angelegte und kompliziertere Herausforderungen angehen. Wir brauchen eine neue und alles einschließende Strategie, die sich der internen politischen Situation der Palästinenser ebenso widmet wie der Wiederaufnahme der Friedensgespräche, die wegen der Gaza-Krise ausgesetzt worden sind. Aussöhnung der Palästinenser und eine Regierung, die die Hoffnungen des palästinensischen Volkes verkörpert, sind notwendiger denn je zuvor. Wir unterstützen deshalb die Vermittlungsbemühungen, die Ägypten gemäß den Entschließungen der Arabischen Liga vom 26. November 2008 unternimmt.

Wie in den Schlussfolgerungen des Rates für Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen im Dezember 2008 betont wurde, ist die Europäische Union bereit, jede stabile palästinensische Regierung zu unterstützen, deren politische Ansätze und Maßnahmen den Prinzipien des Nahost-Quartetts entsprechen. Die Europäische Union betont die Notwendigkeit, einen gerechten, dauerhaften und umfassenden Frieden im Nahen Osten zu erreichen, und fordert die Wiederaufnahme der palästinensisch-israelischen Verhandlungen und die Lösung aller offenen Fragen im israelisch-palästinensischen Konflikt, einschließlich aller Kernfragen.

Voraussetzung für eine dauerhafte und umfassende Lösung ist letztlich, dass im Nahost-Friedensprozess echte Fortschritte erzielt werden. Um einen umfassenden Frieden zu erreichen, bedarf es dringender und großer Anstrengungen seitens der Parteien, die von der Vision einer Region ausgehen, in der zwei demokratische Staaten, Israel und Palästina, in sicheren und anerkannten Grenzen friedlich nebeneinander leben.

Durch den jüngsten Ausbruch von Gewalt im Nahen Osten könnten nicht nur die Aussichten auf eine friedliche Beilegung des Konflikts zwischen Israel und Palästina einen Rückschlag erleiden. Nicht zu unterschätzen ist auch der politische Schaden, den die Kämpfe verursachen, sowohl was die Polarisierung und Radikalisierung in der Region betrifft als auch hinsichtlich der weiteren Diskreditierung gemäßigter Kräfte. Nur mit einem lebensfähigen palästinensischen Staat kommt Sicherheit in eine Region, die schon zu lange gelitten hat. Das liegt insbesondere im Interesse von Israel und seinen Nachbarn. Daher müssen unverzüglich dringende Maßnahmen getroffen werden, um den durch die militärischen Aktionen verursachten Schaden zu beheben, damit wieder eine Chance auf ein faires Verhandlungsergebnis besteht.

(Beifall)

 
  
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  Benita Ferrero-Waldner, Mitglied der Kommission. − Herr Präsident! Ich glaube, wir alle hätten uns einen besseren Beginn des Jahres 2009 gewünscht. Leider sind wir jetzt schon in der dritten Woche mit einem schrecklichen und entsetzlichen Konflikt in Gaza konfrontiert.

Er gibt Anlass zu sehr großer Sorge. Wir haben dies gestern bei einem Treffen mit dem Ausschuss für außenpolitische Angelegenheiten, dem Entwicklungsausschuss und den Mitgliedern des Europäischen Parlaments, die am Wochenende in Gaza waren, diskutiert.

Der amtierende Ratspräsident hat bereits die furchtbaren Zahlen von Toten und Verletzten erwähnt, die täglich weiter steigen. Es gibt zunehmend Hinweise auf Opfer, die schwerste Verbrennungen erlitten haben, und Hilfsorganisationen berichten, dass die Bevölkerung unter einem akuten Mangel an Nahrungsmitteln, Brennstoff und Medikamenten leidet, von der Zerstörung von Wohnraum und Infrastruktur ganz zu schweigen.

Allerdings hat auch Israel Verluste erlitten, weil die Hamas sein Staatsgebiet mit Hunderten von Raketen beschossen hat, deren Ziel die israelische Zivilbevölkerung war. Krieg bringt leider immer ungeheures menschliches Leid mit sich, und dieser Krieg macht da keine Ausnahme. Über seine unmittelbare zerstörerische Wirkung hinaus rückt er die Aussicht auf Frieden in weite Ferne, untergräbt die arabische Friedensinitiative und wirkt sich möglicherweise sehr negativ auf die Stabilität der gesamten Region aus.

Lassen Sie mich kurz die diplomatischen Aktivitäten erläutern, die wir zusammen zur Beendigung dieses Konflikts unternommen haben, und dann auf die mittel- und langfristigen Herausforderungen eingehen. Wir waren vom ersten Tag an aktiv, und das war nach meiner Auffassung wichtig. Uns ist klar, dass wir im Nahen Osten nicht der Hauptakteur sind, aber wir waren und sind ein wichtiger Akteur. Als Reaktion auf den Ausbruch der Krise war daher das Krisentreffen der EU-Außenminister am 30. Dezember 2008 in Paris sehr wichtig, um von Anfang an Vorschläge – die Pariser Erklärung – für eine Beendigung dieses Konflikts zu erarbeiten, und diese Erklärung wurde dann in unserer Delegation und bei unserer Nahostreise verwendet.

Darin sind drei Elemente enthalten. Als erstes forderte die Pariser Erklärung eine unverzügliche humanitäre Waffenruhe, die sowohl eine bedingungslose Einstellung der Raketenangriffe der Hamas auf Israel als auch ein Ende der israelischen Militäraktion umfasst. Dabei haben wir eine Waffenruhe verlangt, die mit einer dauerhaften und normalen Öffnung aller Grenzübergänge gemäß den Bestimmungen des Abkommens über den Grenzverkehr von 2005 einhergeht. Wir haben die Bereitschaft erklärt, die Mission der EU zur Unterstützung des Grenzschutzes erneut nach Rafah zu entsenden, damit dieser Übergang wieder geöffnet werden kann, und haben auch darauf hingewiesen, dass wir bereit sind, die Möglichkeit einer Ausweitung der Unterstützung auf andere Grenzübergänge zu prüfen, sofern unseren Sicherheitsanliegen Rechnung getragen würde.

Als zweites wurden die dringenden humanitären Forderungen betont, deren Erfüllung wir verlangten. Hier bestanden wir mit Nachdruck auf der unverzüglichen Öffnung der Grenzübergänge, damit dringend benötigte medizinische Unterstützung, Brennstoff und Nahrungsmittel in den Gaza-Streifen geliefert werden können, humanitäre Helfer Zutritt bekommen und die Verletzten evakuiert werden können.

Als drittes haben wir unseren Standpunkt bekräftigt, dass dieser israelisch-palästinensische Konflikt nicht militärisch gelöst werden kann, dass der Friedensprozess der einzige Weg nach vorn ist und dass die Bemühungen verstärkt werden müssen, sobald eine dauerhafte Waffenruhe erreicht ist.

Wie Sie gehört haben, fand unsere Mission zusammen mit einem Besuch von Präsident Sarkozy statt, der eine Reise nach Syrien und in den Libanon geplant hatte und sich dann entschied, Ägypten und Israel zu besuchen, um diese Bemühungen zu unterstützen, auch auf der Basis unserer Erklärung vom 30. Dezember 2008. Weil Frankreich zurzeit den Vorsitz im Sicherheitsrat hat, war dies eine bedeutende Initiative.

Es fand eine enge Abstimmung statt, einschließlich eines gemeinsamen Treffens in Ramallah, wo Präsident Sarkozy seinen Plan für eine Waffenruhe vorstellte, für den wir – die Troika – durch unsere Gespräche mit wichtigen Beteiligten, vor allem Ägypten und Jerusalem, in gewissem Umfang die Vorarbeit geleistet hatten.

Von diesen sich gegenseitig verstärkenden Bemühungen ging eine starke, geschlossene Botschaft der Europäischen Union aus, und die Troika vermittelte nicht nur diesen Standpunkt der EU-Organe, sondern zeigte auch, dass wir vor Ort aktiv sind. Ich glaube, es war wichtig, dass Präsident Sarkozy auch nach Syrien reiste und dass Javier Solana ihn nach Syrien und in den Libanon begleitete und auch die Türkei konsultierte. Ich glaube, dies alles war notwendig.

Ich habe insbesondere die humanitäre Lage hervorgehoben, wie bereits gesagt wurde, und habe vor allem die Öffnung der Grenzübergänge gefordert und auch die Möglichkeit einer Waffenruhe von wenigstens einigen Stunden, damit die internationalen Organisationen arbeiten können. Einige dieser Punkte wurden von Israel akzeptiert, und in den Verhandlungen mit der israelischen Regierung habe ich auch die Unterbringung eines ECHO-Beamten in den Einrichtungen der israelischen Streitkräfte erreicht, um die Verteilung der humanitären Hilfe mit den israelischen Streitkräften zu koordinieren, wie es auch im Libanon-Krieg geschehen ist, und das war für eine bessere Koordinierung sehr hilfreich.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich all den couragierten Kollegen meinen Dank aussprechen, die weiterhin in Gaza arbeiten, den Mitarbeitern des UNWRA und des IKRK, mit denen wir zusammenarbeiten und die einen großen Teil unserer finanziellen Mittel erhalten, aber auch vielen anderen.

(Beifall)

Den Familien der Helfer, die bisher Opfer dieses tragischen Geschehens geworden sind, möchte ich meine aufrichtige Anteilnahme aussprechen.

Beträchtliche Mittel hat die Kommission auch für humanitäre Soforthilfe aufgewendet, und wir sind bereit, dies in Zukunft fortzusetzen.

Was haben diese Verhandlungen erreicht? Wie der amtierende Ratspräsident gesagt hat, ging es dabei um die wesentlichen Elemente für die jüngste Resolution des Sicherheitsrates, die dann wenige Tage nach den Verhandlungen bei Enthaltung der Amerikaner angenommen wurde. Sofortige Waffenruhe, ägyptische Garantien für eine Beendigung des Schmuggels durch die Tunnel, Öffnung der Grenzübergänge für humanitäre Hilfe, einschließlich Einsatz einer Truppe – eventuell mit internationaler Beteiligung und/oder den Sicherheitskräften der Palästinensischen Autonomiebehörde – zur Kontrolle des 15 Kilometer langen Philadelphia-Korridors zwischen Gaza und Ägypten.

Soviel wir wissen, hat die Palästinensische Autonomiebehörde diesen Vorschlag angenommen, der jetzt von Israel und der Hamas geprüft wird. Nach unserer Auffassung ist ganz wichtig, dass sehr bald etwas funktioniert. Nach meinen letzten Informationen arbeiten alle sehr intensiv daran, und vielleicht haben wir in einigen Tagen ja wirklich eine solche Waffenruhe. Ich hoffe, dass dies der Fall sein wird.

Was die mittelfristigen Perspektiven betrifft, so haben leider sowohl Israel als auch die Hamas die Resolution des UN-Sicherheitsrates zunächst abgelehnt, aber aufgrund dieser täglichen Kontakte hoffe ich, dass ziemlich bald eine Vereinbarung erreicht werden kann. Es muss unbedingt darauf hingewiesen und anerkannt werden, dass Ägypten bei direkten Kontakten mit der Hamas eine führende Rolle spielt, und dass in dieser Hinsicht die Reise von Präsident Sarkozy nach Syrien wie auch die türkischen Bemühungen sehr wichtig waren.

Außerdem könnte, wie ich höre, Ende dieser Woche in Katar der Gipfel der arabischen Länder stattfinden. Wie diese intensiven diplomatischen Aktivitäten zeigen, wollen wir alle relevanten Akteure unterstützen, die Einfluss auf die Hamas ausüben und dazu beitragen können, eine nachhaltige Lösung zu erreichen, wie sie in der Resolution 1860 des UN-Sicherheitsrates beschrieben ist.

Sobald diese Waffenruhe vereinbart ist, müssen wir – wahrscheinlich im Rahmen einer Konferenz – überlegen, wie konkretere Maßnahmen formuliert werden können, um die humanitäre Not der palästinensischen Bevölkerung in Gaza zu lindern. Dabei müssen wir jedoch eines deutlich machen: Ganz gleich was wir tun, es darf keinen Beitrag zu einer endlosen Abfolge von Zerstörung und Wiederaufbau ohne Frieden leisten.

Wenn die Voraussetzungen gegeben sind, komme ich vielleicht noch einmal zu Ihnen und bitte – wie schon in der Vergangenheit – um Ihre Hilfe, um in einer sinnvollen Weise an konstruktiven Bemühungen mitzuwirken. Wie Sie wissen, besucht Generalsekretär Ban Ki Moon gerade die Region, und er kann hoffentlich ebenfalls zu diesem erfolgreichen Abschluss beitragen, der für das Erreichen dieser dauerhaften Waffenruhe unbedingt erforderlich ist.

Zur langfristigen Perspektive ist zu sagen, dass die derzeitige Offensive eindeutig dazu beiträgt, das Vertrauen zwischen Palästinensern und Israelis zu stören. Militärische Operationen können nie einen dauerhaften Frieden herbeiführen; dies ist nur auf dem Weg einer ausgehandelten politischen Vereinbarung möglich. Daher muss sowohl zwischen Israelis und Palästinensern als auch unter den Palästinensern der Dialog wieder aufgenommen werden.

Nach der Einstellung der Feindseligkeiten halte ich es für wichtig, die Gespräche für einen umfassenden Frieden sobald wie möglich wieder aufzunehmen. Hier müssen wir mit der neuen US-Regierung zusammenarbeiten und dafür sorgen, dass sie bilaterale Verhandlungen von Anfang an unterstützen kann. In dieser Hinsicht begrüße ich die Versicherungen der designierten Außenministerin Hillary Clinton bei ihrer gestrigen Anhörung im Senat. Wir werden darauf drängen, dass die Parteien über Inhalte verhandeln und nicht nur über Verfahren und dass der Annapolis-Prozess erfolgreich abgeschlossen wird. Wie diese Krise zeigt, ist ein erfolgreicher Abschluss dringender denn je.

Eine weitere zentrale Frage wird die palästinensische Aussöhnung sein. Es ist unwahrscheinlich, dass die Hamas durch diese Operation vernichtet wird. Möglicherweise geht sie militärisch geschwächt, aber politisch gestärkt daraus hervor. Der Standpunkt der Hamas, dass die Amtszeit von Präsident Abbas am 9. Januar endet, ist eine weitere Frage, die eng mit der Reform der PLO und der Fatah verknüpft ist. Wenn dauerhafter Friede erreicht werden soll, ist es klar, dass eine starke Palästinensische Autonomiebehörde für alle Palästinenser sprechen muss und sich für eine mit friedlichen Mitteln erreichte Zwei-Staaten-Lösung einsetzen muss.

Überdies hat der Konflikt in Gaza leider mögliche negative Auswirkungen was die regionale Unterstützung für den Friedensprozess betrifft. Durch das übermäßige Leiden der Zivilbevölkerung in Gaza hat das Ansehen Israels bei verschiedenen arabischen Regierungen, die für Frieden eintreten, gelitten. Die politische Führung Israels und die israelische Bevölkerung müssen verstehen, wie negativ dies für ihre Hoffnungen ist, als Volk in Frieden zu leben. Wir sind ihre Freunde und müssen ihnen sagen, dass wir dies tun. Israel kann es sich also nicht leisten, auf dem Weg zum Frieden Zeit zu vergeuden.

Soweit meine erste kurze – oder nicht ganz so kurze – Analyse. Wir müssen alles daran setzen, diese dauerhafte Waffenruhe zu erreichen, damit wir dann in einem weiteren Schritt Friedensverhandlungen mit einer neuen amerikanischen Regierung auf den Weg bringen können.

 
  
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  José Ignacio Salafranca Sánchez-Neyra, im Namen der PPE-DE-Fraktion.(ES) Herr Präsident! Nach 17 Tagen andauernden Kämpfen in Gaza ist die Lage wirklich desolat. Am schlimmsten, weil unersetzlich, ist der Verlust an Menschenleben, darunter unschuldige Zivilpersonen und Kinder. Darüber hinaus sehen wir Zerstörung, Chaos, Hass und Rache, eine Spaltung der palästinensischen Sache, eine Stärkung der Radikalen zu Lasten der Gemäßigten sowie einen völlig aus der Bahn geratenen Friedensprozess.

Der Grund ist, wie der amtierende Ratspräsident gesagt hat, dass alle Schlachten in einem Krieg gewonnen werden können und dennoch der wichtigste Kampf verloren gehen kann, nämlich der Kampf um Frieden.

Herr Präsident, statt zu versuchen, einer oder beiden Seiten jeweils die Verantwortung oder die Schuld zuzuschreiben, ist das wichtigste Anliegen – wie die Frau Kommissarin gerade gesagt hat – das Erreichen einer sofortigen Waffenruhe gemäß der Resolution 1860 der Vereinten Nationen. Der UN-Generalsekretär hat uns gerade daran erinnert, dass beide Seiten sich an diese Resolution halten müssen.

Daneben ist es unbedingt notwendig, die furchtbare humanitäre und wirtschaftliche Situation zu lindern, die im Gaza-Streifen besteht, der mit der Hamas von einer Organisation – in Anführungszeichen – regiert wird, die auf der EU-Liste der terroristischen Organisationen steht. Wir dürfen allerdings nicht vergessen, dass die Hamas nicht nur eine der Ursachen des Konflikts ist, sondern auch eine Folge schrecklicher Umstände.

Herr Präsident, die Bemühungen aller Fraktionen in diesem Haus zur Unterstützung des Entschließungsantrags, der morgen angenommen werden soll, werden von meiner politischen Gruppe mitgetragen und anerkannt. Wir möchten auch denjenigen Abgeordneten Anerkennung zollen, die an den Verhandlungen beteiligt waren, insbesondere dem Vertreter meiner Fraktion, Herrn Brok, der eine sehr schwierige Aufgabe hatte.

Herr Präsident, meine Fraktion unterstützt die Bemühungen der Kommission und des Rates, durch die in Zusammenarbeit mit den arabischen Ländern – vor allem Ägypten – und den anderen Mitgliedern des Nahost-Quartetts möglichst bald eine Waffenruhe erreicht werden soll.

Die Aussage hinsichtlich des Angebots einer pragmatischen, dialogbereiten und effektiven Diplomatie, die die designierte Außenministerin Hillary Clinton gestern vor dem Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten des US-Senats gemacht hat, stimmt uns sehr hoffnungsvoll.

Abschließend komme ich zum wichtigsten Punkt, Herr Präsident: die Europäische Union ist eine Union der Werte, wobei der Wert des Friedens an erster Stelle steht. Ich glaube, dass die Europäische Union im Interesse dieser Sache alle Kräfte mobilisieren und ihr ganzes politisches Gewicht in die Waagschale werfen muss, ohne dass sich unsere Gedanken verwirren lassen oder unsere Herzen gegenüber einem solchen Konflikt verhärten dürfen.

(Beifall)

 
  
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  Martin Schulz, im Namen der PSE-Fraktion. – (DE) Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Debatten der Art, wie wir sie heute führen, sind für uns alle ganz schwierig. Sie sind deshalb schwierig, weil Israel ein befreundetes Land ist, weil viele von uns – ich kann das für mich persönlich in besonderer Weise sagen – sich mit diesem Land in einer tiefen Freundschaft verbunden fühlen. Umso wichtiger ist es, dass man mit Freunden über Kontroversen offen redet.

Dieser Konflikt hat bisher in 17 Tagen 1 000 Tote gefordert. Das ist ein blutiger Konflikt, unter dem vor allem Frauen und Kinder leiden. Wir haben eine Resolution der Vereinten Nationen, die eine Grundlage wäre, jetzt den Waffenstillstand zu verkünden und zu verhandeln. Es ist völlig klar, dass der Konflikt nur auf der Grundlage des internationalen Rechts gelöst werden kann, und dass das internationale Recht und humanitäre Völkerrecht eingehalten werden muss, muss für einen demokratischen Rechtsstaat eine Selbstverständlichkeit sein. Es ist eigentlich schade, dass wir darüber diskutieren müssen. Deshalb ist der Appell, dass die Waffen jetzt schweigen müssen, alles, was wir tun können, um die humanitäre Krise zu bewältigen. Das ist nicht irgendetwas, was wir hier in unserer Entschließung sagen, das ist vital, um das Sterben, das Hungern und das Elend unmittelbar und sofort zu beenden.

Es gibt ganz klar das Selbstverteidigungsrecht des Staates Israel. Es gibt das Recht dieses Staates, sich gegen Leute zu verteidigen, deren Ziel die Vernichtung dieses Staates ist. Ein demokratischer Rechtsstaat muss sich aber immer fragen, ob die Mittel, die er zu seiner Verteidigung einsetzt, verhältnismäßig sind. Nach meiner Einschätzung – ich glaube, das ist die Einschätzung der meisten Kollegen dieses Hauses – sind die Mittel nicht verhältnismäßig.

(Beifall von links)

Wir müssen den Freunden in Israel, egal, welcher politischen Orientierung sie angehören, sagen, dass wir wissen, dass die Hamas keine Friedensbewegung ist. Wir wissen, dass in der Hamas Leute das Sagen haben, die nicht unsere Grundwerte teilen, und natürlich ist jede Rakete, die auf Israel abgefeuert wird, ein Angriff, gegen den sich dieser Staat wehren darf. Aber es ist trotz allem ein Irrtum, den Dialog zu verweigern. Wenn der Dialog die Grundvoraussetzung für eine friedliche Entwicklung ist, dann ist die Verweigerung des Dialogs die Perpetuierung des bewaffneten Kampfes, der bewaffneten Auseinandersetzung. Es bedarf also einer grundsätzlichen Korrektur.

Man wird mit der Hamas reden müssen. Wenn Israel das nicht direkt kann – ich habe Verständnis dafür, dass israelische Politikerinnen und Politiker sagen, wir können nicht mit denen reden, wiewohl es im Lande eine Menge von Bürgerinnen und Bürgern gibt, die glauben, man sollte es tun –, wenn Abgeordnete und Mitglieder der Regierung sagen, dass sie das nicht wollen, dann gibt es genügend internationale Vermittlungsmöglichkeiten. Eine ist zum Beispiel das Nahost-Quartett, und innerhalb des Quartetts ist es eine der möglichen Aufgaben der Europäischen Union, eine solche Vermittlung zum Dialog zu ermöglichen.

Es ist ein fundamentaler Irrtum zu glauben, es gäbe am Ende für diesen Konflikt im Nahen Osten eine militärische Lösung. Ich halte das für einen fundamentalen Irrtum der einen wie der anderen Seite. Es wird keine Lösung über terroristische Aktionen geben und es wird keine Lösung über konventionelle militärische Schläge geben. Die einzige Lösung, die es gibt, ist der Dialog zwischen den Konfliktparteien unter Einbeziehung internationaler Vermittlung.

Wir brauchen jetzt einen Waffenstillstand. Der muss durch den Mechanismus, den die internationale Gemeinschaft zur Verfügung stellt, gewährleistet werden, gegebenenfalls mit einer multinationalen Streitmacht unter Beteiligung der arabischen und insbesondere muslimischen Staaten. Das wäre eine Möglichkeit, jetzt zu einem Waffenstillstand und zu einer Verbesserung zu kommen.

Als ich ein junger Bursche war und in die Politik ging, hat man mir gesagt, dass man nicht mit Terroristen redet. Der Hauptterrorist damals hieß Yassir Arafat. Ein paar Jahre später habe ich im Fernsehen Bilder gesehen, dass dieser Terroristenführer den Friedensnobelpreis gemeinsam mit israelischen Politikern bekam. Was damals möglich war, kann in der Zukunft auch möglich sein. Deshalb ist eine Frage, ob wir so weit kommen, dass die Mechanismen, die zur Verfügung stehen, zu dem notwendigen Dialog führen. Ich will mich für meine Fraktion bei allen, die an dieser Entschließung mitgearbeitet haben, auch bei denen aus den anderen Fraktion, bedanken. Wenn unsere Entschließung von allen Gruppen dieses Hauses gemeinschaftlich getragen wird – ich finde, das ist ein gutes Zeichen –, ein Beitrag zur Verbesserung der Atmosphäre sein kann, dann haben wir einen wenn auch kleinen Beitrag zur Beendigung eines Sterbens geleistet, das für alle unerträglich ist.

(Beifall von links)

 
  
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  Annemie Neyts-Uyttebroeck, im Namen der ALDE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, Frau Kommissarin! Der Tag wird gewiss kommen, an dem wir die Guten von den Bösen trennen müssen, aber heute, so meine ich, ist es dringender, dass wir unsere Forderungen aufstellen, die da sind: sofortige Waffenruhe, also Ende des Abfeuerns von Raketen auf Israel und Ende der israelischen Operation in Gaza; humanitäre Hilfslieferungen; dauerhafte Einstellung der Kampfhandlungen mit einem Ende des Handels mit Waffen und Munition, mit wirksamer Überwachung der Grenze zwischen Ägypten und Gaza, mit dem Abzug der israelischen Truppen und mit der Wiederöffnung der Grenzübergänge; und schließlich die Aufhebung des Embargos – und das alles gleichzeitig.

Das wird eine hochkomplizierte Phase, in der zweifellos oder sehr wahrscheinlich die Präsenz einer internationalen Truppe erforderlich sein wird, und ich meine, dass die Union sich auf eine Beteiligung daran vorbereiten sollte. Ich möchte noch zwei Punkte erwähnen.

Die Europäische Union muss, um erfolgreich zu sein, eindeutig und nicht durcheinander reden und handeln. Gute Absichten zu haben, ist sehr nützlich, aber wichtiger ist es, effektiv zu sein. Die Vereinigten Staaten werden sich ebenfalls engagieren müssen, so wie die Arabische Liga und ihre Mitgliedstaaten.

Schließlich möchte ich hinzufügen, dass Israel, um eine echte Alternative zur Lage in Gaza anzubieten, die Lage im Westjordanland wird erheblich verbessern müssen: 634 Kontrollpunkte, die Zweiteilung des Straßennetzes, 8 Meter hohe Mauern und die zahllosen Demütigungen, die den Palästinensern zugefügt wurden, stellen für die Einwohner von Gaza kein Alternativangebot dar, das attraktiv genug wäre, sie dazu zu bringen, der Hamas den Rücken zu kehren.

Abschließend würde ich sagen, dass unausweichlich der Tag kommen wird, an dem jeder mit jedem reden muss.

(Beifall)

 
  
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  Cristiana Muscardini, im Namen der UEN-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, verehrte Kollegen! Natürlich geht uns alle hier, wie jedermann, diese Situation etwas an, und wir sind bestürzt darüber. Aber ich meine, es besteht eine Pflicht, zumindest für mich, jeder Art von Scheinheiligkeit eine Absage zu erteilen.

Das Problem hat sehr weit reichende Wurzeln: das legitime und unantastbare Recht der Palästinenser auf einen freien Staat ist mit dem gleichermaßen unantastbaren Recht Israels auf Anerkennung gekoppelt, und wir wissen, dass Israel in vielen Staaten von der Landkarte entfernt worden ist. Frankreich, Italien, Spanien und Deutschland hätten es sich gewiss nicht gefallen lassen, von der Landkarte entfernt zu werden. Sie wären nicht damit einverstanden, als nicht existent betrachtet zu werden. Wir wissen, dass nicht Israel diesen x-ten Krieg angefangen hat und dass der Terrorismus immer noch eines der Hauptprobleme darstellt.

Darum, Herr Präsident, glaube ich, dass wir, wenn wir die Scheinheiligkeit beiseite lassen, jetzt anfangen müssen, gedanklich neue Wege zu beschreiten. Wir dürfen nicht glauben, dass ein Dialog mit Terroristen durch die Tatsache gerechtfertigt wäre, dass so viele Zivilisten ums Leben gekommen sind, weil das jedem Terroristen in der Zukunft eine Entschuldigung für den Einsatz von Brutalität, Gewalt und Tod lieferte, um politische Legitimität zu erhalten.

Ich meine, dass wir als Europäische Union endlich anfangen müssen, uns konsequenter zu verhalten, und uns als fähig erweisen müssen, das Problem der wirtschaftlichen Beziehungen zu Ländern anzugehen, die Israel nicht anerkennen, und humanitäre Korridore zu schaffen, die Zivilisten, sowohl palästinensischen als auch israelischen, das Erreichen eines sicheren Ortes ermöglichen. In diesem Fall sind es die Palästinenser, die mehr erleiden, dennoch, Herr Präsident, glaube ich, dass es auch richtig wäre, die Einstellung zur Hilfe zu überprüfen, die gewährt worden ist und die jetzt gewährt wird, über deren Verwendung wir aber keine Kontrolle haben.

 
  
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  Daniel Cohn-Bendit, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident, liebe Kollegen! Die Situation ist sicherlich zum Weinen. Die Hoffnung auf Frieden und Sicherheit für die Betroffenen hat sich im Rauch von Gaza aufgelöst und wurde unter den Toten, den getöteten Kindern, den getöteten Frauen, den getöteten Männern und den Verwundeten begraben. Wir sind heute weiter von der erhofften Sicherheit entfernt als je zuvor. All jene, die meinen, dass dieser Krieg entsprechend der Logik der israelischen Argumentation durch die Tatsache gerechtfertigt ist, dass ein Raketenangriff auf Israel stattgefunden hat, und dass den Palästinensern eine Lektion erteilt werden muss, haben nichts verstanden. Sie haben nichts verstanden, denn jemandem eine Lektion erteilen ist eine klägliche Art der Erziehung, und zwar eine, die noch nie erfolgreich war. Seit Clausewitz' Zeiten ist bekannt, dass derjenige, der einen Krieg anfängt, wissen muss, wie er ihn beendet, und wissen muss, welches Ziel er hat. Nun, das Ziel dieses Krieges ist mehr Sicherheit für Israel. Wir können heute feststellen, dass durch diesen Krieg und die Art, wie er geführt wird, das Ziel dieses Krieges niemals erreicht wird. Je mehr zivile Todesopfer, je mehr palästinensische Tote, umso weniger Sicherheit in der Region! Das ist das Drama, das ist die Tragödie, die sich gegenwärtig in der Region abspielt. Und darum müssen wir das hier ganz klar sagen. Martin Schulz hat recht: Israel muss vor sich selbst geschützt werden! Israel muss vor der Versuchung einer Lösung mittels Krieg und Waffengewalt bewahrt werden. Die Palästinenser müssen vor der Hamas geschützt werden. Die palästinensische Zivilbevölkerung muss vor der Hamas geschützt werden. Das ist unsere Aufgabe. Es ist nicht einfach, aber wir müssen es klar benennen. Ich fordere den Rat auf, nicht weiter über die Aufwertung, die Ausweitung, die Verbesserung der Beziehungen zu Israel nachzudenken, solange die Situation bleibt, wie sie ist. Das ist eine schlechte Lösung, das ist nicht die richtige Lösung!

(Beifall)

Ich fordere all jene auf, die richtigerweise für einen Dialog, für eine Diskussion mit der Hamas eintreten, nicht naiv zu sein und im Auge zu behalten, dass mit der Hamas Gespräche geführt werden müssen, um die Situation in Gaza zu verbessern, weil sie die Macht hat, aber gleichzeitig zu sehen, dass die Strategie der Hamas Opfer erfordert. Israel ist der Hamas in die Falle gegangen: je mehr Tote es in Gaza gibt, desto besser ist es für die Hamas. Das ist eine der Wahrheiten, die der Hamas auch gesagt werden müssen. Wir lehnen diese selbstmörderische Strategie der Hamas ab, die Opfer und Märtyrer hervorzubringen versucht, um Aggressionen gegen Israel in Gang zu setzen. Auch das muss der Hamas gesagt werden.

Abschließend will ich Ihnen etwas sagen: die einzigen, die das Hamas-Problem lösen können, sind die Palästinenser. Solange Israel das Westjordanland besetzt hält, solange Israel den Palästinensern im Westjordanland keine positive Lösung anbietet, werden sich immer mehr Palästinenser der Hamas zuwenden. Wenn wir den Palästinensern im Westjordanland eine Lebenshoffnung geben, werden sie gegen die Hamas aufstehen und uns von der Hamas befreien. Befreit die Palästinenser von der israelischen Besetzung des Westjordanlandes, und die Palästinenser werden sich selbst von der Hamas befreien.

(Beifall)

 
  
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  Luisa Morgantini, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, verehrte Kollegen! Rahed ist 50 Jahre alt; er hat sein Haus, seine drei Kinder, seine Frau und zwei Schwägerinnen verloren. Rahed ist verzweifelt und befindet sich in dem Zentrum, das wir besuchten. Er sagte in tiefer Verzweiflung: „Die Hamas wird sagen, sie habe gewonnen, wenn dieser Angriff vorbei ist, und Israel wird sagen, sie hätten gewonnen, aber in Wirklichkeit sind es wir Zivilisten, die tot sind.“ Ich möchte noch etwas anderes sagen: Angesichts der Leichen von Frauen und Kindern, die wir gesehen haben, und bei über 4 000 Verwundeten in den Krankenhäusern ohne jede Behandlung stirbt dort in Wirklichkeit die Gerechtigkeit, stirbt dort der Traum von einem Europa, das die universelle Geltung der Menschenrechte will, und das ist eine Tragödie!

Wir sind ineffektiv. Frau Kommissarin Ferrero-Waldner, Sie wissen, dass ich große Achtung vor Ihnen habe, und ich weiß, dass Sie aktiv sind und mit anderen zusammen daran arbeiten, viel zu erreichen. Ich meine, dass wir begreifen müssen, klar und eindeutig, dass diese militärische Auseinandersetzung, dieser Militarismus auf Seiten von Israel, nicht zu Israels Heil führt, sondern zu seinem auch moralischen Ende. Das sagt zudem David Grossmann, wenn er Yitzhak Rabins gedenkt, der von einem fundamentalistischen Juden, nicht von einem fundamentalistischen Islamisten ermordet wurde, weil er Frieden erreichen wollte. Schafft eine Waffenruhe! Schafft eine Waffenruhe! Das sagte ein norwegischer Arzt zu mir, der jeden Tag operiert und rund um die Uhr arbeitet (wir schicken Ärzte nach Gaza). Eine Waffenruhe ist, was wir wollen!

Der Sicherheitsrat muss anfangen, seine Worte in konkretes Handeln umzusetzen. Wir sind einverstanden mit Diplomatie, aber wir dürfen uns nicht nur auf Diplomatie verlassen, sondern müssen auch die Instrumente einsetzen, über die wir verfügen. Ein Instrument, das uns in Bezug auf Israel zur Verfügung steht, ist tatsächlich die Ausweitung der Beziehungen, und ich freue mich zu hören, dass heute beispielsweise der Vertreter der Europäischen Kommission in Tel Aviv gesagt hat, jetzt sei nicht die Zeit, an eine solche Ausweitung zu denken. Wir sollten da eine Pause einlegen, denn was wir schaffen müssen, ist das Herbeiführen einer Waffenruhe. Das ist extrem wichtig. Ich halte es für wichtig und für eine starke Botschaft.

Sie haben von Schutz und internationalem Schutz gesprochen. Ich halte es für einen Fehler, nur an Gaza und Rafah zu denken. Schutz für die Zivilbevölkerung muss auch von Norden kommen, von den israelischen Angriffen, die von Herez ausgehen. Grenzkontrolle ist die Kontrolle der Hauptgrenzen, Rafah und Herez, denn seit langer Zeit, seit 1992, seit dem Abkommen von Oslo, wie Sie sehr wohl wissen, können Palästinenser nicht mehr über Herez ausreisen, und nicht einmal Kranke kommen dort hinaus.

Deshalb dürfen wir nicht allein an Tunnel denken und an die Waffen, mit denen die Hamas sich ausrüsten kann, sondern müssen an absolut alle Verbote denken, die für die Palästinenser gelten. Wir brauchen eine Einstellung der Kampfhandlungen und eine Öffnung nicht nur humanitärer Korridore, sondern eine Öffnung aller Grenzübergänge, denn welche Möglichkeiten gibt es, wenn die Menschen nichts zu essen haben, wenn die Menschen keinen Handel treiben können? Davon wird dann wirklich starker Druck auf die Hamas und ihre Existenz und die Beendigung von Aktionen zum Schaden der israelischen Bevölkerung ausgehen. Israel muss allerdings wissen, dass das Westjordanland militärisch besetzt ist, und sollte wirklich Frieden schließen und nicht Siedlungen bauen.

(Beifall)

 
  
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  Der Präsident. − Vielen Dank, Luisa Morgantini. Ich möchte Ihnen meinen Respekt ausdrücken, dass Sie zusammen mit anderen Kolleginnen und Kollegen auf eigene Initiative in diesen Tagen im Gaza-Streifen waren!

 
  
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  Bastiaan Belder, im Namen der IND/DEM-Fraktion. (NL) Herr Präsident! Palästina ist islamisches Gebiet, und zwar unveräußerlich. Seit ihrer Gründung im Jahr 1987 hat die islamische Bewegung Hamas an diesem Grundprinzip festgehalten. Sie erhält dabei volle Rückendeckung von der Islamischen Republik Iran. Dieser ideologische Standpunkt lässt im Nahen Osten absolut keinen Raum für den jüdischen Staat Israel, und die verhängnisvollen Auswirkungen dieses muslimischen Totalitarismus zeigen sich auf grausame Weise im Gaza-Streifen.

Typisch für die Philosophie der Hamas ist die militärische Nutzung von Moscheen in Gaza, mit all den tragischen Auswirkungen, die das mit sich bringt. Ich möchte Sie dazu auf den anschaulichen Bericht in der Frankfurter Allgemeinen vom vergangenen Montag hinweisen. Wenn Europa auf das Fortbestehen des jüdischen Staates Israel wirklich Wert legt, dann ist eine Konfrontation zwischen der Hamas und ihrer Verbündeten, der Hisbollah im Iran, unausweichlich. Sind wir bereit, uns auf diese düstere und doch realistische Aussicht einzustellen? Schließlich ist eine Waffenruhe oder ein vorübergehender Waffenstillstand für die Hamas und ihre Verbündeten bloß eine Atempause im Dschihad gegen Israel.

 
  
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  Luca Romagnoli (NI).(IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich muss sagen, dass ich glaube, dass die große Mehrheit dieses Hauses den Wunsch nach Frieden und die Bedenken teilt, die viele von uns bisher hier geäußert haben. Ich glaube auch, dass das vom Rat Gesagte unterstützt werden kann, und ich würde behaupten, dass die Kommission bisher einen für den Dialog förderlichen Kurs verfolgt hat: Das Öffnen der humanitären Korridore und der bilaterale Waffenstillstand könnten die Vorboten einer späteren Verpflichtung zur Einrichtung einer internationalen Sicherheitszone sein.

Vielleicht fordert Frau Morgantini hier zu Recht, dass diese Zone sich nicht nur auf Gaza beziehen, sondern auf alle palästinensischen Gebiete ausgedehnt werden sollte. Ich habe grundsätzlich den Eindruck, dass die Wünsche und diplomatische Aktivität von Frau Ferrero-Waldner – zumindest zu einem gewissen Grad – als eine Übernahme des vom Papst bezüglich dieses Themas angestrebten Ansatzes angesehen werden können. Ich möchte mich genau diesem Ansatz bescheiden anschließen: Auch nach all den Jahren müssen wir uns weiterhin um eine Lösung für zwei Völker und zwei Staaten bemühen. Dies ist etwas, was wir nicht vergessen dürfen, und wir müssen versuchen, das Völkerrecht endlich durchzusetzen. Es gibt keine militärische Lösung, und es wird auch nie eine geben – auch Herr Schulz hat dies gesagt, und ab und an muss ich sogar auf ihn Bezug nehmen –, und ich muss sagen, dass es zweifellos nie eine militärische Lösung geben wird, die das Problem im Heiligen Land löst. Bezüglich dieses Punktes glaube ich, dass die Europäische Union über die Instrumente verfügt, um jegliche diplomatische Anstrengungen zu unterstützen, die in diesem Zusammenhang möglicherweise von Nutzen sind.

 
  
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  Der Präsident. − Der Kollege Schulz wird sich sicher darüber gefreut haben, dass Sie ihn im Zusammenhang mit dem Heiligen Vater genannt haben.

 
  
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  Elmar Brok (PPE-DE).(DE) Herr Präsident, Frau Kommissarin, Herr Ratspräsident! Ich möchte meinen Ausgangspunkt beschreiben. Wir haben eine Hamas, die gegen eine Zweistaatenlösung ist, die das Existenzrecht des Staates Israel ablehnt, die sich brutal gegen die eigenen Leute an die Macht geputscht hat, die mit Raketen auf Zivilisten schießt und Zivilisten wie auch Schulen und Moscheen als Schutzschild benutzt. Wie soll man, um die eigenen Zivilisten zu schützen, darauf verhältnismäßig reagieren, wenn die eigenen Zivilisten als Schutzschilde benutzt werden? Deswegen ist der Begriff des Zahlenvergleichs und der Verhältnismäßigkeit in einer solchen Situation nicht anzuwenden. In einem Krieg gibt es keine Verhältnismäßigkeit, sondern jeder Krieg und jeder Tote ist zu viel, und man kann nicht eine solche Aufrechnung machen. Das scheint mir der vernünftige Ansatzpunkt zu sein. Deswegen sollten wir nicht solche einseitigen Schuldzuweisungen vornehmen, sondern versuchen, einen Waffenstillstand herbeizuführen und unsere Hilfe dabei zu leisten.

Ich meine, dass sowohl Ratspräsident Schwarzenberg mit seiner Delegation als auch Frau Kommissarin Ferrero-Waldner mit Hilfe anderer nationaler Delegationen hier mehr getan haben als jeder andere – ich habe die Amerikaner nicht gesehen, ich habe die UNO fast gar nicht gesehen, ich habe andere Mitglieder des Quartetts nicht gesehen –, und dafür möchte ich Dankeschön sagen. Wir müssen zusehen, dass dieser Waffenstillstand zwei Dinge beinhaltet: Der israelische Angriff muss ein Ende haben und gleichzeitig muss verhindert werden, dass neue, bis Tel Aviv reichende Raketen, die aus Korea und Iran kommen, in die Hände der Hamas gelangen. Aus diesem Grund muss dafür gesorgt werden, dass nicht nur das Schießen aufhört, sondern durch internationale Vereinbarungen unter Einschluss des Quartetts und der arabischen Liga mit dem Kernland Ägypten sichergestellt ist, dass diese 15 km lange Grenze so kontrolliert wird, dass keine Geschosse mehr hineingebracht werden können. Gleichzeitig damit muss ein Ende des israelischen Angriffs erreicht werden.

Lassen Sie mich noch eine letzte Bemerkung machen: Dies ist nur der erste kleine Schritt. Wenn Israel es in Zukunft mit gemäßigten Palästinensern zu tun haben will – und dies bedeutet eine Zweistaatenlösung –, dann muss, nachdem dies vorbei ist, endlich dafür Sorge getragen werden, dass die gemäßigten Palästinenser um Präsident Abbas Erfolge haben und der eigenen Bevölkerung Erfolge vorstellen können. Dies bedeutet ein Ende der Resettlement-Politik und von manch anderem, denn wenn die Moderaten ihren Leuten keine Erfolge vorweisen können, werden die Radikalen gewinnen. Hier muss der Ansatzpunkt einer neuen israelischen Politik liegen.

 
  
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  Pasqualina Napoletano (PSE).(IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Angesichts dieser großen Tragödie laufen unsere Worte Gefahr, dem Anlass nicht gerecht zu werden. Eine Armee, die Hunderte von Zivilisten, Frauen und Kinder tötet, begibt sich auf dasselbe Niveau wie der Terrorismus, den sie zu bekämpfen behauptet. Dennoch weiß jeder, der Gaza kennt – auch dann, wenn nur von der Karte her –, dass keine Militäroperation denkbar ist, ohne dabei die Wahrscheinlichkeit eines Massakers an Zivilisten in Kauf zu nehmen.

Kann Israel heute sagen, dass es, nachdem es zu so viel Hass und Verzweiflung Anlass gegeben hat, sicherer ist? Wenn nicht direkt oder indirekt mit der Hamas, mit wem sonst muss dann ein Weg aus der blinden Gewalt gesucht werden? Unsere Entschließung bekräftigt den bereits vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen geforderten Waffenstillstand. Wir rufen die Parteien nachdrücklich dazu auf, sich daran zu halten, und wir rufen Europa dazu auf, Maßnahmen zu ergreifen, um dies zu ermöglichen.

Das Risiko besteht darin, Herr Brok, dass dieses Massaker keineswegs die Hamas besiegt, sondern sowohl die Palästinensische Behörde selbst als auch diejenigen in der palästinensischen Welt weiter schwächt, die alles auf Verhandlungen mit Israel gesetzt haben. Wir sollten uns selbst ehrlich fragen, was sie bisher eigentlich erreicht haben. Nichts. Dies ist die Antwort, die wir geben müssen, wenn wir wirklich damit anfangen möchten, den Hass und die Gewalt an der Wurzel zu packen.

 
  
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  Marielle De Sarnez (ALDE). – (FR) Herr Präsident! Wir alle sind für das, was sich heute im Nahen Osten zuträgt, teilweise verantwortlich. Wir in Europa und in der internationalen Gemeinschaft haben zugelassen, dass die Lage sich verschlechtert. Wir unternahmen nichts, als Israels Sicherheit gefährdet war, und wir unternahmen nichts, als die Blockade das Leben in Gaza völlig unmöglich machte.

Heute ist der 19. Tag des Krieges. 995 Menschen sind getötet worden, einschließlich 292 Kinder, und es gibt Tausende Verwundete, von denen einige immer noch auf eine Evakuierung warten. Es gibt Zehntausende Flüchtlinge, die kein Zuhause mehr haben und nicht wissen, wohin sie gehen sollen. Die humanitäre Lage verschlechtert sich zunehmend: 700 000 Gaza-Bewohner haben keinen elektrischen Strom mehr, ein Drittel von ihnen hat kein Wasser oder Gas mehr, und seit dem Beginn dieser Umstände sind bald drei Wochen vergangen – drei Wochen, in denen diese Menschen gelebt bzw. vielmehr ihr Bestes gegeben haben, um zu überleben. Es gibt zu viel Leid, zu viel Elend, und dies muss ein Ende haben, dies muss jetzt aufhören!

Unsere Verantwortung uns selbst gegenüber, als Europäer, besteht nicht darin, jemandem gegenüber gefällig zu sein. Unsere Verantwortung uns selbst gegenüber, als Europäer, besteht darin, Druck auf die beiden Parteien auszuüben, damit sie endlich Verhandlungen zustimmen. Es ist eine Frage von Tagen, vielleicht sogar von Stunden, bis mit einer Landoffensive, vor allem in Gaza-Stadt, der Punkt erreicht ist, an dem es kein Zurück mehr gibt. Die Sicherheit Israels muss gewährleistet sein, und die Menschen in Gaza müssen die Garantie haben, dass sie in Zukunft in Frieden leben können. Die Grenzen müssen kontrolliert werden, und die Blockade muss aufgehoben werden. Wir alle hier wissen, dass es zum Erlangen dieser Vereinbarung erforderlich sein kann, dass Europa, die Vereinigten Staaten und die arabischen Staaten – die übermorgen zusammentreffen – alle mit ein und derselben Stimme sprechen.

Ich möchte abschließend meine feste Überzeugung zum Ausdruck bringen: Es ist nicht der Krieg, den es zu gewinnen gilt, sondern Frieden.

(Beifall)

 
  
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  Roberta Angelilli (UEN).(IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich begrüße sehr die von der Kommissarin und von Herrn Pöttering gemachten Anmerkungen, weil sie klipp und klar die Hamas für die schwere Verantwortung anprangern, die sie für die Beendigung des Waffenstillstandes trägt, aber ebenso eindeutig die israelische Reaktion als völlig unverhältnismäßig beurteilen. Über die Worte hinaus bleibt die Krise jedoch bestehen, und es gibt immer noch Tausende von Menschen, nämlich die Zivilbevölkerung und Kinder, die dringend humanitäre Hilfe benötigen.

Vielleicht sollten wir uns selbst nach bestem Wissen und Gewissen und ohne Heuchelei einige Fragen stellen. Wie viele Kinder starben in Gaza, während unsere Kinder Weihnachten feierten? Zwei- oder dreihundert, und wie viele israelische Zivilsten? Hätte die internationale Gemeinschaft mehr tun können? Meiner Meinung nach lautet die Antwort Ja. Sie hätte mehr tun sollen. Wir sollten uns der vollen Tragweite unserer Verantwortung bewusst sein. Es genügt nicht, Ansichten über die Hamas, über Israel, über die ursprüngliche Verantwortung oder darüber zu äußern, wem die größere Schuld zuzuschreiben ist. Europa bleibt über diese Notlage hinaus leider unzulänglich. Meiner Ansicht nach handelt es sich hierbei um eine schwerwiegende Unzulänglichkeit: die Unfähigkeit, eine echte, strategische und dauerhafte Friedenspolitik zu entwickeln.

Natürlich müssen wir heute nachdrücklich einen Waffenstillstand fordern; aber dies genügt nicht. Wir müssen strenge Bedingungen festlegen, um den Friedens- und Entwicklungsprozess im Nahen Osten zu begleiten. Ich möchte mich abschließend auch auf die Worte des Papstes beziehen, der gesagt hat, dass wir auf die allgemeinen Hoffnungen vieler in dieser Region, nämlich in Frieden, Sicherheit und Würde leben zu können, spezifische Antworten geben müssen, wie auch Frau Morgantini dargelegt hat.

Herr Präsident, ich komme jetzt wirklich zum Ende. Gewalt, Hass und Misstrauen sind Formen von Armut – vielleicht die schlimmste zu bekämpfende Form.

 
  
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  Hélène Flautre (Verts/ALE). – (FR) Herr Präsident! Wir haben in Gaza Krieg und Tod gesehen, aber wir haben auch Menschen gesehen, lebende Menschen, Menschen, die das Recht auf Leben haben und denen gegenüber wir die Pflicht haben, sie zu schützen. Die wahre Not liegt im Schutz der Zivilbevölkerung. Die Tatsache, dass nicht alles Erdenkliche zum Schutz dieser Bevölkerung unternommen worden ist, kann durch nichts entschuldigt werden, und ich möchte Sie, Herr Ratspräsident, Folgendes fragen: Sind Sie heute der Meinung, alles in Ihrer Macht Stehende getan zu haben, um dafür zu sorgen, dass die israelischen Behörden diese willkürliche und unverhältnismäßige Militäroperation unverzüglich einstellen? Die Antwort lautet mit großer Sicherheit Nein.

Als in den Botschaften Gerüchte bezüglich der Operation die Runde machten, bekräftigte der Rat – entgegen dem Wunsch des Parlamentes – seine Entschlossenheit dazu, seine Beziehungen zu intensivieren. Dies war ein tragischer Fehler! Wenn Nichtregierungsorganisationen den Sicherheitsrat dazu aufrufen, die mutmaßlichen Kriegsverbrechen vom Internationalen Strafgerichtshof untersuchen zu lassen, kann der Rat sich nicht auf die „Menschenrechtsklausel“ seines Abkommens mit Israel berufen. Ich habe es satt, zu hören, dass wir nicht mehr erreichen können und dass wir alles in unserer Macht Stehende getan haben. Der größte Fehler besteht eigentlich in der Verfahrenheit Ihrer humanitären Politik, den durch die militärische Besetzung und den Krieg verursachten Schaden zu mindern. Inwieweit muss erst gegen das Völkerrecht verstoßen werden, bevor wir die „Menschenrechtsklausel“ anwenden? Wenn wir heute nicht dazu in der Lage sind, uns über den Umfang der wirksamen Mechanismen zur Anwendung und Umsetzung von Druck klar zu werden, dann weiß ich wirklich nicht, welche Situation überhaupt ein Handeln unsererseits rechtfertigt. Ich sage es ganz offen: Wenn die gewohnte Vorgehensweise fortgeführt wird und weiterhin einen Teil unserer Beziehungen zu Israel bildet, mit den 1 000 Toten in Gaza, dann werden Sie Artikel 11 des Vertrages begraben, Sie werden die „Menschenrechtspolitik“ der Union begraben, und Sie werden das europäische Projekt begraben!

(Beifall)

 
  
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  Kyriacos Triantaphyllides (GUE/NGL). - Herr Präsident! Nach meiner Rückkehr vom Gaza-Streifen und nachdem ich dort das Massaker – hauptsächlich an Zivilisten – gesehen habe, ist es mir ein Bedürfnis, meine uneingeschränkte Solidarität mit dem palästinensischen Volk auszudrücken. Seit 17 Tagen ist es mit der gewaltigen israelischen Kriegsmaschinerie konfrontiert, die schamlos gegen das Völkerrecht verstößt. Ich möchte auch meine Unterstützung für die Friedenskräfte in Israel zum Ausdruck bringen, die ein Ende dieses Krieges fordern.

Nach der langen Schließung und Belagerung, die Gaza in das größte offene Gefängnis der Welt verwandelt haben, der Errichtung der schändlichen Mauer um das Westjordanland herum, der fortdauernden Ausdehnung der Siedlungen und der faktischen Teilung des palästinensischen Landes, sind die Besatzungstruppen zur äußersten Militäroperation übergegangen. Die Raketenangriffe gegen den Süden Israels – und ich möchte betonen, dass ich gegen jegliche Angriffe auf Zivilisten bin, egal von welcher Seite – dienten als Vorwand hierfür. Die Beendigung der Waffenruhe vor dem Hintergrund von Machtspielen angesichts der Wahlen in Israel ist eine Beleidigung einer ganzen Nation.

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat eine Resolution angenommen. Israel ist ein Staat, keine Organisation; es ist ein Mitglied der Vereinten Nationen. Es hat eine Verantwortung gegenüber der internationalen Gemeinschaft und muss sich an diese und alle anderen von den Vereinten Nationen angenommenen Resolutionen halten. Das Völkerrecht sollte geachtet werden. Straflosigkeit sollte nicht länger erlaubt sein. Es sollte eine umfassende internationale Untersuchung geben.

Die internationale Gemeinschaft fordert eine unverzügliche Waffenruhe, den unverzüglichen Rückzug der militärischen Kräfte, Zugang zu humanitärer Hilfe und Freizügigkeit für die Bevölkerung. Die UNWRA muss ihre Mission durchführen können.

Die EU hat Schritte unternommen, jedoch nur auf humanitärer Ebene. Sie muss auf politischer Ebene Entschlossenheit zeigen. Von den Klauseln in den Assoziierungsabkommen muss Gebrauch gemacht werden. Der Ausbau der Beziehungen zu Israel muss beendet werden. Die Rüstungsexporte nach Israel müssen beendet werden.

Für diesen Konflikt kann es nur eine politische Lösung geben. Es sollte eine vollständige Rückkehr zum Völkerrecht geben, das heißt, dass die 42 Jahre andauernde Besetzung Palästinas beendet, ein souveräner und lebensfähiger palästinensischer Staat errichtet und somit eine friedliche Zukunft sowohl für palästinensische als auch israelische Kinder geschaffen werden muss. Um zukünftige Generationen zu retten, müssen wir den Krieg jetzt beenden.

 
  
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  Patrick Louis (IND/DEM). – (FR) Herr Präsident! Vor mehreren Tausend Jahren trat David Goliath gegenüber, um herauszufinden, ob das Land für die Moabiter, die Philister oder die Hebräer bestimmt war.

Dasselbe Drama setzt sich derzeit auf diesem Land fort, der Quelle einer der drei Säulen unserer Zivilisation. Heute ist es dringend, richtig, legitim und erforderlich, die Sicherheit und Anerkennung des Staates Israel zu gewährleisten. Hierzu bedarf es einer einzigen Lösung, nämlich der Gewährleistung der Schaffung eines wirklich souveränen palästinensischen Staates. Wie anderswo auch, hat der Multikulturalismus auch hier seine Grenzen. Da, wo es zwei Völker gibt, muss es auch zwei Staaten geben.

Wenn die Hilfe der Europäischen Union wirklich effektiv ist, dann muss sie sich auf ein Ziel konzentrieren: auf die Sicherstellung der Entwicklung dieses palästinensischen Rechtsstaates, in welchem die Rechtsstaatlichkeit die Schwachen schützt und die Starken unterstützt. Es besteht eine gewisse Dringlichkeit, da auf diesem Land die Extremisten auf allen Seiten mächtig und im Unrecht sind, während die Kinder moderat und Opfer sind.

Die Lösung zur Überwindung des Auge-um-Auge-Prinzips ist weder moralisch noch militärisch, sondern politisch. Deshalb ist es an der Zeit, an die Arbeit zu gehen!

 
  
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  Jim Allister (NI). - Herr Präsident! Ich verabscheue Terrorismus. Ich lehne die Propagierung von Terrorismus ab. Vielleicht erhöht meine Herkunft, Nordirland, meine Achtsamkeit, sodass ich unbeeindruckt bin, wenn ich die Klagen der Hamas bezüglich der gegen die Jahre ihres willkürlichen Raketenhagels auf unschuldige Bürger in Israel ergriffenen notwendigen Vergeltungsmaßnahmen höre, weil ich weiß, dass die Hamas, wie die IRA in meinem Land, Meisterin der doppelten Kunst ist, der des Terrorismus und der Propaganda.

Die Lage ist nachweislich klar. Israel akzeptiert eine Zweistaatenlösung. Die Hamas erkennt nicht einmal das Existenzrecht Israels an und verübt daher endlose, unbarmherzige Terroranschläge auf sein Hoheitsgebiet. Wenn Israel dann, nachdem viel Nachsicht geübt wurde, zurückschlägt, beansprucht sie die Opferrolle. Es tut mir leid: Sie ist die Täterin, und wenn sie Frieden möchte, liegt die Antwort in ihrer eigenen Hand. Der Beschuss Israels muss aufhören.

 
  
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  Rodi Kratsa-Tsagaropoulou (PPE-DE). - (EL) Herr Präsident! Wir sind uns alle dessen bewusst, dass die Lage in Gaza tragisch ist. Sie grenzt an eine humanitäre Katastrophe und erfordert sofortige Maßnahmen. Ich möchte der Europäischen Kommission zur vorgenommenen Intensivierung ihrer Anstrengungen, der Präsidentschaft zu ihren Initiativen und zur Koordinierung der in diesem Bereich ergriffenen nationalen Maßnahmen sowie Ägypten zur eingenommenen wichtigen und heiklen Rolle gratulieren.

Es besteht jetzt die dringende Notwendigkeit für eine Waffenruhe, für die Beendigung der Auseinandersetzungen auf beiden Seiten, für Korridore vom israelischen Hoheitsgebiet und von Ägypten aus, um auf die humanitären Bedürfnisse einzugehen, sowie für Grenzkontrollen, um den illegalen Verkehr von Waffen und Menschen zu beenden. Wie die Kommissarin gesagt hat, sind die Anzeichen für einen Waffenstillstandsplan ermutigend, und ich hoffe, dass er unverzüglich akzeptiert und in der Praxis befolgt wird.

Wie sehen also unsere nächsten Schritte aus? Sowohl die Kommissarin als auch der amtierende Präsident des Rates haben bereits gesagt, dass wir unsere Ziele für einen lebensfähigen Frieden und die Schaffung eines palästinensischen Staates, der in Frieden und Respekt neben Israel existiert, unterstützen müssen. Diese Ziele sind nicht neu. Wir haben sie verkündet, und wir haben sie ergebnislos unterstützt. Der Teufelskreis der Gewalt setzt sich mit negativen Folgen fort, und zwar nicht nur für die Menschen in Israel und für die Palästinenser, sondern für alle Völker in dem Gebiet und für die Sicherheit der internationalen Gemeinschaft.

Wir müssen uns jetzt über unsere Maßnahmen, unsere politischen Entscheidungen und unsere Praktiken klar werden und mutigere sowie andere Schritte unternehmen. Es ist dringend erforderlich, dass wir mit Israel auf bilateraler Ebene im Rahmen unserer freundschaftlichen Beziehungen und Partnerschaft ehrlich und tiefgreifend in Dialog treten sowie Selbstkritik üben und die bei der Förderung des gegenseitigen Vertrauens zwischen diesen zwei Völkern gemachten Fehler genau bestimmen. Wir müssen diese Art von Dialog auch mit allen Palästinensern stärken, um ihnen die Wichtigkeit von Frieden, Zusammenhalt, Menschenleben und Einheit untereinander verständlich zu machen.

 
  
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  Hannes Swoboda (PSE).(DE) Herr Präsident! Nachdem Ministerpräsident Topolánek heute einige spaßhafte Bemerkungen gemacht hat, kann ich sagen, dass ich mich als österreichischer Abgeordneter freue, dass sowohl die Kommission durch eine Österreicherin als auch die tschechische Ratspräsidentschaft durch einen Österreicher vertreten ist. Herzlich willkommen! Aber ich weiß, Ihre Loyalität gilt natürlich der Tschechischen Republik.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als ich in einer Delegation mit Martin Schulz, als Vorsitzender dieser Delegation, kurz vor dem einseitigen Abzug aus Gaza in Israel war, hat der damalige stellvertretende Ministerpräsident gemeint: „Mischt euch nicht ein, das wird alles gut funktionieren!“ Andere – wie der frühere Außenminister Josip Elin – haben gesagt: „Das wird ins Chaos führen.“ Und so war und ist es auch. Ein einseitiger Abzug ohne Verhandlungen, ohne einen Verhandlungspartner zu haben, macht keinen Sinn!

Auch wir waren allerdings nicht wirklich gut beraten, selbst mit den moderaten Vertretern von Hamas – die womöglich gar nicht Hamas angehörten, aber von Hamas in der gemeinsamen Regierung nominiert worden sind – nicht das Gespräch aufzunehmen. Wir haben durch diese Haltung mitgeholfen, dass diese gemeinsame Regierung zerstört worden ist! Ich weiß, dass einige reden wollten, aber nicht reden durften. Auch das war ein Fehler. Wir müssen reden!

Ich mag die Hamas nicht, einerseits weil sie eine terroristische Organisation ist und andererseits weil sie fundamentalistische Ansichten vertritt. Aber es geht nicht um Sympathie oder Nicht-Sympathie. Es geht um Lösungen! Wir müssen daher wieder zum Dialog und zum Gespräch zurückkehren, wie das viele Kolleginnen und Kollegen heute schon gesagt haben. Und es muss eine Möglichkeit geben, dass die Menschen in Gaza ein halbwegs anständiges Leben führen können! Warum wählen sie denn Hamas? Weil sie darin die einzige und letzte Chance überhaupt zum Überleben sehen! Und das müssen wir ändern. Wir müssen diesen Menschen auch eine wirtschaftliche Lebensgrundlage geben, wir müssen den Boykott und die Isolation aufheben. Das ist die einzige wirkliche Voraussetzung.

Der von mir sehr geschätzte, liebe Kollege Elmar Brok hat gemeint, das Prinzip der Verhältnismäßigkeit gelte nicht. Doch, es gilt! Im Privaten wie im Völkerrecht gilt das Prinzip der Verhältnismäßigkeit. Wer das verletzt, verletzt auch das Völkerrecht. Und das können wir in diesem Haus wirklich nicht akzeptieren!

(Beifall)

 
  
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  Chris Davies (ALDE). - Herr Präsident! Eine Freundin, die weiß, dass ich gerade vor drei Tagen in Gaza war, fordert mich heraus. „Hast Du niemals die Bilder von fünfjährigen jüdischen Kindern gesehen, die mit über den Kopf erhobenen Armen Nazi-Gewehren gegenüberstehen?“, schreibt sie. „Sie brechen Dir das Herz.“ Und ihre Worte heben hervor, weshalb wir Israel gegenüber Zugeständnisse machen, die wir keinem anderen Land gegenüber machen würden.

Sie erklären jedoch nicht, weshalb ein Volk, das im 20. Jahrhundert so sehr gelitten hat, jetzt in diesem Jahrhundert einem anderen Volk so viel Leid zufügen sollte. Israel hat Gaza in eine Hölle verwandelt: Der Boden wird von Explosionen erschüttert, sogar während einer Waffenruhe. Auf der Straße gibt es Eselskarren und am Himmel F-16-Kampfflugzeuge, tötende Maschinen des 21. Jahrhunderts, die einfach Bomben fallen lassen. 300 Kinder sind bereits tot, Hunderte mehr in Stücke gerissen.

Dies ist keine verhältnismäßige Reaktion einer zivilisierten Macht. Dies ist bösartig. Dies ist bösartig. Ja, die Raketen der Hamas müssen gestoppt werden. Ich selbst habe dies den Hamas-Vertretern in Gaza bereits gesagt. Aber genug des scheinheiligen Geredes israelischer Amtspersonen über die Notwendigkeit der Terrorismusbekämpfung, da bombardierte Palästinenser die Namen von Terroristen nennen könnten, und sie würden Olmert, Livni und Barak nennen.

Wir haben eine gewisse Verantwortung für die Handlungen Israels. Bei keiner Gelegenheit in der Vergangenheit, bei keiner Gelegenheit, die mir einfällt, hat die Europäische Union ihre Kritik bezüglich der Behandlung von Palästinensern durch die Israelis jemals durch irgendeine Maßnahme bekräftigt. Wir geben Israel grünes Licht, um nach eigenem Ermessen vorzugehen, und wir haben diesen Fehler durch das Ignorieren der Lehren aus der Vergangenheit verschlimmert. Sie können keinen Frieden herbeiführen, ohne mit Ihren Feinden zu reden; dennoch weigern wir uns, mit den gewählten Vertretern des palästinensischen Volkes Gespräche zu führen.

Wir sind jetzt dabei, die Verhandlungen mit Israel über ein Abkommen zur verstärkten Zusammenarbeit abzuschließen. Wir beabsichtigen nicht, Israel zu verurteilen: Wir möchten Israel belohnen. Diejenigen, die Frieden und Gerechtigkeit im Nahen Osten für beide Seiten sehen möchten, müssen erkennen, dass es an der Zeit ist, neu nachzudenken.

 
  
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  Seán Ó Neachtain (UEN). – (GA) Herr Präsident! Der Krieg in Gaza ist beängstigend und skandalös. Jeder weiß, dass eine militärische Lösung im Nahen Osten nicht funktionieren wird. Eine politische Lösung ist die einzige Möglichkeit, um Frieden und Aussöhnung in dem Gebiet neu zu etablieren. Hierzu muss die Gewalt sofort beendet werden.

Ich unterstütze die Schaffung eines unabhängigen, zukunftsfähigen palästinensischen Staates; allerdings sind eine einigermaßen gute Wirtschaft und ein geeigneter politischer Plan erforderlich. Unser Ziel sollte darin liegen, die Existenz dieser zwei Staaten in der Region und ihren gegenseitigen Respekt füreinander sicherzustellen.

Israel hat das Recht, sich zu schützen, ist mit diesen Angriffen jedoch zu weit gegangen. Die Angriffe sind unmoralisch, und die internationale Gemeinschaft kann sie nicht hinnehmen.

Der Friedensprozess im Nahen Osten muss sofort durchgesetzt werden. Ich hoffe, dass der neu gewählte Präsident Amerikas, Barack Obama, sich hiermit beschäftigen wird. Wir wünschen ihm für diese wichtige Arbeit und die vor ihm liegenden Herausforderungen viel Erfolg.

 
  
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  David Hammerstein (Verts/ALE).(ES) Herr Präsident! Auch ich war vor einigen Tagen in Gaza, und es war eine sehr heftige Erfahrung. Wir haben auch Ägypten besucht. Ich glaube, dass wir uns am Ende einer Ära befinden, der Bush-Ära, und dass die letzten Züge von Präsident Bush besonders blutig und schmerzhaft sind.

Wir befinden uns an einem Wendepunkt, an dem wir eine andere Politik dem Nahen Osten gegenüber einschlagen können, und ich möchte, dass die Europäische Union dabei die Führung übernimmt. Auch Herr Obama ist dieser Auffassung, da er sagt, dass er Gespräche mit dem Iran führen wird. Ja, Herr Obama wird mit dem Iran Gespräche führen, und wir müssen mit jedem, einschließlich der Hamas, im Nahen Osten Gespräche führen.

Die neue Politik im Nahen Osten muss eine Politik der Zusammenarbeit sein und zumindest unsere Werte und das Völkerrecht einhalten. Die Hunderte von Kindern, die wir in Gaza gesehen haben, die sich an unsere Arme klammerten und uns mit hoffnungsvollen Augen ansahen, verdienen eine Antwort – genauso wie die Kinder Israels.

Dies erfordert konkrete Maßnahmen. Dies erfordert Maßnahmen vor Ort, um den Moderaten Hoffnung zu geben. Der bedauernswerteste Aspekt ist, dass Ministerpräsident Fayyad, Präsident Abbas, Präsident Mubarak und König Abdullah derzeit auf den Straßen der arabischen Welt des Verrates beschuldigt werden. Als ich in der Wüste Sinai das Taxi anhalten ließ, um einen Kaffee zu trinken, sahen wir auf den riesigen Bildschirmen nur Khaled Meschal.

Dies ist das Ergebnis, der Kollateralschaden dieses Angriffes auf Gaza. Er wird weder Frieden für Israel noch die von uns gewünschte Sicherheit bringen, und er wird noch viel weniger etwas Gutes für uns bringen. Wenn wir diesen Konflikt nicht aufhalten, dann wird er Hass auf Europas eigene Straßen bringen.

 
  
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  Miguel Portas (GUE/NGL).(PT) Eintausend ist die Zahl des Tages, eintausend Tote, um eine schwarze Lehre zu erteilen. Entschuldigen Sie meine Offenheit: Wie viele weitere Leben wird die Wahl von Tzipi Livni und Ehud Barak in den Februar-Wahlen kosten?

Wir sind heute hier, um einen Waffenstillstand und ein Ende des an Zivilisten verübten Gemetzels zu fordern. Die Entschließung wirft jedoch auch Fragen bezüglich unserer eigenen Verantwortlichkeit auf. Sie erinnert uns daran, dass der Rat sich entgegen der Meinung des Parlaments für den Ausbau der diplomatischen Beziehungen zu Israel entschied. Dies war Mittäterschaft im Voraus. Heute höre ich: „Es ist erforderlich, Gespräche mit der Hamas zu führen.“ Wir hätten Jahre gespart, wenn wir die Wahlen in Palästina respektiert hätten.

Die Rolle Europas besteht nicht darin, die von der stärkeren Seite angeordnete Politik und Zerstörung zu unterstützen. Sie liegt darin, den lautstarken Forderungen Gehör zu schenken, die die Straßen und Plätze unserer Städte füllen.

Wir fordern eine sofortige Waffenruhe; aber wir müssen einsehen, dass der Frieden von einem Ende der Besetzung abhängig ist. Dieses Wort wird nicht mehr gebraucht; aber es muss aus der Liste der verbotenen Wörter entfernt werden, in die die Machtpolitik es geschoben hat.

 
  
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  Kathy Sinnott (IND/DEM). - Herr Präsident! Das, was in Gaza geschieht, ist herzzerreißend. Die Tatsache, dass die Zerstörung von einer angeblich westlichen Nation weitergeführt wird, ist unfassbar. Ich stimme zu 100 % zu, dass die Israelis ein Recht darauf haben, ohne Bedrohung durch Raketenangriffe zu leben. Aber das, was in Gaza getan wird, ist kein Recht: Es ist ein Gemetzel. Es gibt keine Entschuldigung. Es gibt keine mögliche Rechtfertigung.

Am schändlichsten für uns in der EU ist die Tatsache, dass dies von einem unserer bevorzugten Handelspartner getan wird. 2007 lag der Wert des Handelsaufkommens zwischen der EU und Israel bei 25,7 Milliarden Euro. Aufgrund des Geldbetrages, den wir zur Wirtschaft Israels beitragen, tragen wir eine schwere Verantwortung dafür, wenn dieses Geld zum Tod von Zivilisten und Kindern beiträgt. Wenn wir nicht handeln, wird das Blut der Menschen in Gaza unsere Hände ebenfalls beflecken.

Ich rufe dieses Parlament und alle EU-Körperschaften dazu auf, sofort Handelssanktionen gegen Israel zu verhängen und diese aufrechtzuerhalten, bis ein sinnvoller Waffenstillstand vereinbart wird. Wenn wir nicht unser Möglichstes tun, um dieses Töten zu beenden, werden wir zu Mittätern des Gemetzels.

 
  
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  Tokia Saïfi (PPE-DE). – (FR) Herr Präsident! Wieder einmal übernehmen im Nahen Osten Waffen das Reden. Wieder einmal sind die Hauptopfer Frauen und Kinder, von denen Tausende verletzt und Hunderte getötet worden sind. Wieder einmal wiederholt sich die Geschichte – mit all ihrem Horror – an der Türschwelle Europas. Wir stellen jedoch fest, dass Europa trotz seiner Initiativen keinen wirksamen Beitrag in diesem bedeutenden Konflikt leistet, obwohl dieser sich in seinem unmittelbaren Einflussbereich abspielt. Einer überwältigenden Mehrheit der Öffentlichkeit fällt es schwer, dies nachzuvollziehen, und sie weigert sich zunehmend, eine solche Machtlosigkeit hinzunehmen.

Frau Kommissarin, wir müssen die Führung energisch und mit Autorität übernehmen, um Frieden herbeizuführen. Die Union für den Mittelmeerraum muss, genauso wie die Parlamentarische Versammlung Europa-Mittelmeer, eine bedeutende Rolle spielen. In Einklang hiermit muss das Europäische Parlament den französisch-ägyptischen Friedensplan zugunsten einer sofortigen Waffenruhe, der Sicherung der Grenzen zwischen Israel und dem Gaza-Streifen, der Wiedereröffnung der Grenzübergänge und vor allem der Aufhebung der Gaza-Blockade unterstützen.

Wir müssen außerdem die sofortige Anwendung der UN-Resolution fordern. Sobald diese erste Phase vorbei ist, müssen wir einen Schritt weiter gehen, indem wir die Umsetzung einer militärischen Streitkraft vorschlagen, und zwar keiner multinationalen, sondern einer euromediterranen. Diese Geste wäre die Gründungsakte eines bestätigten politischen Willens zum Erreichen eines „europäischen Friedens“, etwas, auf das alle Völker des Mittelmeerraumes schon so lang warten.

Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit heute außerdem auf eine neue Lage lenken. Mit dem Nahostkonflikt betreten wir Stück für Stück sehr gefährliches Terrain, das des Kampfes der Kulturen. In der Tat ist die Stimme der arabischen Öffentlichkeit seit dem Beginn des israelisch-palästinensischen Konfliktes immer lauter geworden. Heute ist es die Stimme der muslimischen Öffentlichkeit, die weit über das Gebiet der arabischen Staaten hinausreicht. Dies deutet auf eine radikale Veränderung der Natur des Konfliktes hin. Europa hat eine historische Verantwortung, nämlich die der dringenden Stärkung des Dialoges zwischen den Kulturen.

 
  
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  Véronique De Keyser (PSE). – (FR) Herr Präsident! Ich habe in diesem Haus schon so oft das Wort ergriffen, um zu sagen, dass wir jede Chance auf Frieden – ganz egal wie gering – nutzen sollten und dass wir trotz allem Gespräche mit der Hamas führen sollten, weil sie die Wahlen gewonnen hat, dass ich nicht mehr zu diesen Themen zurückkehren möchte.

Trauer und Wut überkommen mich, und während ich mich heute angesichts dieses Massakers, angesichts der Kriegspropaganda, die ich um mich herum höre, angesichts der Verwirrtheit und auch angesichts der sich allmählich durch unsere Straßen ziehenden Welle des Hasses und des Antisemitismus nicht von Gefühlen überwältigen lassen möchte, habe ich dennoch einige Worte zu sagen: Europa muss zu den Grundlagen zurückkehren, und für mich sind dies klare Fakten; aber manchmal ist es gut, auf sie hinzuweisen.

Erstens: Das Leben eines Palästinensers ist mit dem Leben eines Israelis gleichwertig, aber nicht nur sein Leben, auch seine Zukunft und seine Freiheit. Zweitens: Das Völkerrecht muss geachtet werden, und Völkerrecht bedeutet natürlich eine sofortige Waffenruhe. Es gibt da allerdings auch noch all die UN-Resolutionen und die Genfer Konventionen. Fakt ist, dass diese Region heute eine gesetzlose Region geworden ist, in der scheinbar alles erlaubt ist und in der eine Bevölkerung als Geisel gehalten wird. Drittens: Der Gerechtigkeit muss Genüge getan werden, und zwar für alle diese Verbrechen, ganz egal, um was es sich dabei handelt oder wo sie begangen werden. Es wird niemals Sicherheit ohne Frieden oder Frieden ohne Gerechtigkeit geben. Übergangsjustiz existiert, sie ist dafür gemacht, und wenn sie nicht angewendet wird, wird der Hass sich weiter ausbreiten. Wir haben in den letzten Tagen eine Fähigkeit zum Hass entwickelt, die sich als gefährlicher als die Bomben herausstellen wird. Europa muss die Anwendung der Bedingungen seiner Partnerschaftsabkommen durchsetzen, einschließlich des Absatzes 2 seiner Assoziierungsabkommen über die Achtung von Menschenrechten. Dies ist eine in diesen Verträgen verankerte Verpflichtung, von der es keine Ausnahme geben kann. Und zu guter Letzt: Israel ist kein Spezialfall. Als Staat hat Israel Pflichten und kann nicht mit der Hamas gleichgestellt werden. Wenn es um das Völkerrecht geht, gibt es so etwas wie eine „Sie-kommen-aus-dem-Gefängnis-frei-Karte“ nicht.

Am Sonntag haben wir in Gaza eine in der Falle sitzende Bevölkerung – gefangen in einem Ghetto unter den Bomben – und Hunderttausende von Kindern, deren Zukunft heute in unserer Hand liegt, zurückgelassen, und wir konnten Gaza aus dem einfachen Grund verlassen, weil wir Europäer sind. Die einzigen Palästinenser, die Rafah verlassen, sind jene, die mit den Füßen voran in Krankenwagen kommen, weil sie tot oder verwundet sind.

Europa wird nicht länger Europa sein, und kein Bürger wird sich selbst als Europäer verstehen, wenn wir diese Grundlagen vergessen.

(Beifall)

 
  
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  Frédérique Ries (ALDE). – (FR) Herr Präsident, Frau Kommissarin! Ich möchte zunächst die Worte von Herrn Cohn-Bendit wiederholen. Es ist Verzweiflung, die uns heute packt: Dieser Krieg ist eine Tragödie. Die nunmehr seit drei Wochen ununterbrochen über unsere Bildschirme laufenden Bilder von Leid und Tod sind unerträglich, genauso wie alle Bilder von Krieg, wie alle Konflikte, einschließlich jener, von denen – wenn überhaupt – viel weniger gesprochen wird, beispielsweise Kongo, Darfur, Simbabwe und davor Tschetschenien, deren Schrecken sich inmitten ohrenbetäubender Medien und – ich möchte betonen – politischer Stille zutrugen.

Ich habe bereits bei vielen Gelegenheiten in diesem Haus die Tatsache betont, dass die Empörung einiger meiner Kollegen je nach den Umständen unterschiedlich ist. Wie Frau Morgantini jedoch ebenfalls häufig dargelegt hat, darf es keine Buchführung geben, wenn es um den Tod von Menschen geht. Es gibt keine Hierarchie bezüglich des Leides. Jedes Todesopfer, ob Mann, Frau oder Kind, egal welcher Seite angehörend, ist ein Opfer zu viel.

Was also sollten wir jetzt tun, um dafür zu sorgen, dass unsere Aussprache heute keine unnütze, sinnlose Konfrontation wie sonst häufig ist? Uns gegenseitig weiterhin bezüglich der historischen Verantwortung der verschiedenen Parteien anzupöbeln, ist für mich ein perfektes Beispiel für eine genau solche Sinnlosigkeit.

Ich habe in dieser Aussprache das Wort spät ergriffen, sodass die Argumente gehört worden sind. Sicherlich können das Ausmaß der israelischen Krise und des israelischen Gegenangriffes hinterfragt werden, jedoch unter keinen Umständen Israels Recht auf Sicherheit. Welche unserer westlichen Regierungen würde zusehen, wie Tausende von Raketen auf ihre Bürger fallen, ohne zu reagieren? Die Frage beantwortet sich von selbst.

Vor allem über die Forderung nach einer notwendigen ausgehandelten Waffenruhe, nach einer Garantie der Bereitstellung humanitärer Hilfe und nach einem Ende der Waffenlieferungen über die Tunnel hinaus ist das eigentliche Thema heute zwangsläufig zukunftsgerichtet. Die Friedensgrundsätze sind altbekannt: Sie sind bereits in Taba, Camp David und Annapolis bestimmt worden. Frau Ferrero-Waldner hat dies erwähnt. Die meisten – obwohl natürlich nicht alle – Elemente sind auf der Tagesordnung. Dies beinhaltet, dass beide Seiten Verzicht üben. Und wenn ich von Verzicht spreche, dann stimme ich Herrn Schulz zu, der gerade nicht anwesend ist. Es geht nicht darum, zu wissen, ob ein Dialog mit der Hamas geführt wird, sondern darum, wie und unter welchen Bedingungen er geführt wird.

Die meisten meiner Kollegen haben ihre Redezeit um 50 Sekunden überschritten. Erlauben Sie mir daher, zu Ende zu reden, Herr Präsident.

Die Antwort ist die, die Yasser Arafat im Mai 1989 gegeben hat, als er seine freiheitsvernichtende und tödliche Charta für null und nichtig erklärte. Diese Worte sind außerdem Teil des palästinensischen Vokabulars geworden. Die interpalästinensische Aussöhnung hat vor allem diesen Preis, und unsere Rolle als Europäische Union besteht darin, die Protagonisten in Palästina und Israel, aber auch ihre arabischen Nachbarn, Ägypten und Jordanien, dazu zu bekommen, Partner eines dauerhaften Friedensabkommens zu werden.

(Beifall)

 
  
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  Feleknas Uca (GUE/NGL).(DE) Herr Präsident! Am Sonntag, den 11. Januar, besuchten wir die Grenzstadt Rafah im Gaza-Streifen, die komplett abgeriegelt ist. Das heißt, die Zivilbevölkerung hat keine Chance, den täglichen Bomben der israelischen Armee zu entkommen. Wenn man es nicht mit eigenen Augen gesehen hat, kann man sich nicht vorstellen, wie sehr die Menschen in Gaza leiden und wie dringend eine schnelle, friedliche und endgültige Lösung des Konflikts erzielt werden muss. Wir alle waren menschlich tief betroffen von dem ungeheuren Ausmaß des Leids der palästinensischen Bevölkerung und der Zerstörung.

Deshalb fordere ich erneut und mit Nachdruck: Die israelischen Bombenangriffe müssen sofort gestoppt werden. Der Raketenbeschuss Israels durch die Hamas muss ebenfalls sofort eingestellt und der Waffenschmuggel aus Ägypten nach Gaza unterbunden werden. Die Grenzen müssen zudem umgehend geöffnet werden, damit die bereitstehenden Hilfslieferungen in das Gebiet gelangen, um die Zivilbevölkerung zu versorgen. An der Grenze haben wir auch gesehen, dass Ärzte bereitstanden, um nach Gaza einzureisen, um dort Hilfe zu leisten, aber da die Grenzen geschlossen waren, war dies nicht möglich. Deshalb bitte ich nochmals: Öffnen wir die Grenzen, damit die Hilfe geleistet werden kann!

 
  
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  Vladimír Železný (IND/DEM). – (CS) Herr Präsident! Wer würde keinen seelischen Schmerz empfinden, wenn er sieht, wie Kinder durch eine Rakete getötet werden? Dies ist ein schreckliches Gefühl, das jedoch keine Heuchelei rechtfertigen sollte. Welche europäischen Länder würden so viel Zurückhaltung zeigen wie Israel und jahrelang Angriffe mit mehr als 7 000 Raketen ertragen, die jederzeit das Leben von mehr als einer Million Zivilisten bedrohen?

Die Bewohner von Gaza sind nicht nur unschuldige Opfer. Sie haben die Hamas und ihre Charta begeistert, bewusst, freiwillig und demokratisch gewählt. Als sie von Befreiung sprachen, meinten sie nicht die Befreiung von Gaza, weil Gaza bereits frei ist, sondern die Befreiung von Tel Aviv und Haifa von den Juden sowie die Zerstörung des israelischen Staates. Jeder, der Kriminelle wählt, muss logischerweise ihr Schicksal teilen. Vor allem dann, wenn diese Kriminellen sich hinter den Röcken von Frauen und hinter Kindern verstecken, wie sie es hinter Geiseln tun würden, wenn sie Raketen aus Schulen abfeuern und Moscheen in riesige Waffenlager verwandeln. Ich denke hierbei an die Bombardierung Dresdens im Jahr 1944, als die Stadt durch britische Luftangriffe dem Erdboden gleich gemacht wurde und 92 000 Zivilisten getötet wurden, hauptsächlich Frauen und Kinder. Es gab keinen Hauch von Heuchelei. Die Deutschen hatten Hitler freiwillig gewählt und teilten sein Schicksal. Auch die Menschen in Gaza wussten, wen sie wählten und warum.

Aus dem gleichen Grund ist ein beträchtlicher Teil der finanziellen Mittel, die von der EU nach Gaza geflossen sind, in den Händen der Hamas gelandet. Vielleicht war es so, dass die Bewohner von Gaza, mit vollen Bäuchen und von der EU gut versorgt, all ihre Aufmerksamkeit dem Graben von Tunneln widmen konnten, um immer tödlichere, gegen israelische Zivilisten einzusetzende Waffen einzuschmuggeln. Wirklich verhältnismäßig!

 
  
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  Gunnar Hökmark (PPE-DE). - (SV) Herr Präsident! Es gibt zwei wichtige Punkte, die die heutige Aussprache hier charakterisieren. Der erste Punkt ist, dass eine überwältigende Mehrheit dieses Parlaments eine schnelle Waffenruhe herbeiführen möchte. Der zweite Punkt ist, dass es eine überwältigende Unterstützung für die Notwendigkeit gibt, dass alle involvierten Parteien Israels Existenzrecht innerhalb von Friedensgrenzen anerkennen. Dies ist der Ausgangspunkt, der für die Europäische Union wichtig ist. Dies ist wichtig, weil das, was wir in Gaza erleben, eine Tragödie ist. Jedes verlorene Leben ist eine Tragödie, ganz egal auf welcher Seite der Grenze. Lassen Sie uns nicht denken, dass diese Tragödie ein geringeres Ausmaß hätte, wenn diejenigen, die bewusst Zivilisten töten, es durch Raketenbeschuss schaffen, noch weitere Zivilisten zu erreichen.

Dies ist auch deshalb eine Tragödie, weil die Realisierung eines palästinensischen Staates und somit eine friedliche Lösung behindert werden. Dies ist eine Tragödie, die auch die internationale Gemeinschaft betrifft, weil das, was gerade geschieht, nicht über Nacht erfolgt ist, sondern sich durch Aufrüstung, durch Waffenschmuggel und durch Raketenbeschuss über einen langen Zeitraum entwickelt hat.

Wir müssen unbedingt begreifen, dass dies keine Tragödie ist, die auf einem Konflikt zwischen Juden und Palästinensern basiert. Ich widerspreche vehement jedem, der versucht, eine Nation zu dämonisieren. Als ich hörte, wie Herr Davies versuchte, einer Nation die Schuld zu geben, hörte ich etwas, was meiner Meinung nach in diesem Parlament nicht zu hören sein sollte. Dies ist kein Konflikt zwischen Palästinensern und Juden. Dies ist kein Konflikt zwischen Israel und der Palästinensischen Behörde. Dies ist ein Konflikt zwischen Extremisten und moderaten Kräften in der Region. Lassen Sie uns die moderaten Kräfte unterstützen, indem wir all denjenigen, die Hass verfolgen und den Staat Israel eliminieren möchten, klar machen, dass sie keinen Erfolg haben werden. Wenn Europa diese Botschaft aussendet, werden wir außerdem die moderaten Kräfte unterstützen und eine bessere Grundlage für Frieden schaffen.

 
  
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  Marek Siwiec (PSE). - (PL) Herr Präsident! Ich möchte diejenigen ansprechen, die ihre Sprengladungen der Irreführung und Demagogie in diesem Haus haben hochgehen lassen. Dies ist ein Krieg in einer Serie von Kriegen, die Ähnlichkeiten aufweisen, aber auch Unterschiede. Der Konflikt, den wir heute diskutieren, ist ein asymmetrischer Konflikt.

Israel wurde drei Jahre lang mit selbstgemachten Raketen beschossen, und in diesem Haus ist kein einziges Wort des Tadels gegen jene gefallen, die sie abgeschossen haben. Heute verurteilen wir Israel. Es ist leicht, Israel zu verurteilen, weil es ein Mitglied der Vereinten Nationen ist. Es hat etwas, das verurteilt werden kann, es hat Behörden. Es gibt eine Regierung, die verurteilt und getadelt werden kann. Demgegenüber steht eine terroristische Organisation, deren wahre Identität nicht bekannt ist. Eine Organisation, die mit dem Leben unschuldiger Menschen spielt, indem sie hinter ihrem Rücken handelt. Ein weiteres asymmetrisches Element ist, dass wir die als menschliche Schutzschilde benutzten und dadurch auf dramatische Art und Weise getöteten Palästinenser zählen, ohne dem die getöteten und die Tausende unter Bedrohung lebenden Israelis gegenüberzustellen, weil Blutvergießen nicht mit noch mehr Blutvergießen kompensiert werden kann. Das Schlimmste in diesem Haus ist jedoch die Asymmetrie zwischen Worten und Taten. Es ist leicht für uns, zu reden, aber sehr schwer, wirksame Maßnahmen zu ergreifen. Ohne internationale Präsenz wird dieser Konflikt nie gelöst werden.

Ich möchte abschließend diejenigen ansprechen, die gegen das unverhältnismäßige Vorgehen Israels protestieren. Meine Damen und Herren, würden Sie wollen, dass eine terroristische Organisation 7 000 Raketen von Israel aus auf Gaza abfeuert? Wäre dies Verhältnismäßigkeit? Da dies ein unverhältnismäßiger Konflikt ist, in dem das Gesetz unwirksam ist, müssen wir uns einfach daran gewöhnen; andernfalls werden wir uns nur im Kreis drehen und Worte verwenden, die sich nicht auf Realität stützen. Vor dem Fernseher am warmen Kamin geäußerte Meinungen sind für die Wahrheit über diesen Konflikt nicht geeignet.

 
  
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  Der Präsident. − Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss jetzt wirklich darauf dringen, dass wir die Redezeit einhalten. Ich habe noch nie den Redner unterbrochen, auch wenn die Redezeit erschöpft war, aber Herr Außenminister Schwarzenberg stellt uns schon mehr von seiner Zeit zur Verfügung, als wir erwarten konnten. Er hat noch bis maximal 17.20 Uhr Zeit, so hat man mir gesagt. Bitte konzentrieren Sie sich auf die Zeit, die Sie angemeldet haben. Philippe Morillon geht als General mit gutem Beispiel voran.

 
  
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  Philippe Morillon (ALDE). – (FR) Herr Präsident! In Gaza langfristig Ruhe zu erzielen, wird nur durch den Einsatz einer von den Vereinten Nationen kontrollierten multinationalen Interventionseinheit möglich sein. Zum ersten Mal scheint Israel sich mit dieser Lösung, die von den Palästinensern immer wieder gefordert wurde, abgefunden zu haben. Ich weiß nicht, wann diese Einheit intervenieren können wird. Eine Intervention ist erst dann möglich, wenn zwischen den Konfliktparteien eine Vereinbarung erzielt worden ist; aber wir alle hoffen, dass dies so bald wie möglich sein wird. Ich weiß allerdings, dass diejenigen, die diese Mission leiten, vollkommen unparteiisch sein müssen. Ich denke daher, dass die Europäische Union bestens dafür geeignet ist, Maßnahmen zu ergreifen – warum nicht, Herr Pöttering? – und dies im Rahmen der Union für den Mittelmeerraum zu tun.

Sie wird am besten dafür geeignet sein, Maßnahmen zu ergreifen, da – ob nun richtig oder falsch – die Amerikaner sich auf die Seite der Israelis und die Araber sich auf die Seite der Palästinenser gestellt haben sollen. Denken Sie nicht, Herr Ratspräsident, dass wir uns hierauf vorbereiten sollten?

 
  
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  Zbigniew Zaleski (PPE-DE). - Herr Präsident! Dauerhafter Konflikt und dauerhafte Besetzung führen zu Zorn, Wut und Enttäuschung über die Wirksamkeit von Justizbehörden und verursachen etwas, was wir als „Hamas-Effekt“ bezeichnen, als einen ernst zu nehmenden Faktor. Die Ablehnung Israels seitens der Araber, der Islamisten und der Hamas ist inakzeptabel, genauso wie Kinder als menschliche Schutzschilde zu benutzen. Auch die ständige Bedrohung, unter der israelische Kinder leben, sollte nicht erlaubt sein.

Die Frage ist, ob die israelischen Behörden in diesem Teufelskreis der Aggression die Lehre aus der sechs Jahre langen Geschichte in dem Gebiet ziehen und die skalpellähnliche Strategie für zwei Staaten anwenden können. Ich weiß, dass sie Angst vor der Bedrohung durch einen aggressiven und unberechenbaren Nachbarn haben, der sie mit Raketen beschießt; aber in dieser Angelegenheit könnte die internationale Gemeinschaft, einschließlich der EU, helfen.

Ist diese riskante Lösung heute für Israel akzeptabel? Gibt es denn eine andere Lösung? Sagen Sie es mir, wenn dies der Fall ist. Auf den „natürlichen Tod“ der Hamas zu warten oder sie auszubomben, wirkt wie eine naive Erwartung; also braucht Israel mehr Mut. Die westlichen Mächte haben 1948 nicht zwei Staaten errichtet; aber sie sollten dies jetzt tun. Die zentrale Verantwortung verblasst nicht. Lassen Sie uns bei dieser Strategie mutiger sein.

 
  
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  Jelko Kacin (ALDE). - (SL) Der israelische Staat hat die israelische Armee angewiesen, die Hamas in Gaza zu vernichten. Die israelische Armee merzt die Hamas jedoch aus, indem sie Palästinenser in Gaza tötet. Ein Drittel aller Toten sind Kinder, und die Hälfte aller Toten sind Frauen und Kinder: Sie sind keine Mitglieder der Hamas.

Das Ausmaß der militärischen Gewalt ist enorm und unverhältnismäßig. Und wie kann ein Waffenstillstand erzielt werden, wenn keine Partei die Legitimität der jeweils anderen anerkennt? Der Feind muss wahrgenommen werden, nicht als ein anzugreifendes und zu vernichtendes Objekt, sondern als ein Subjekt, als ein Partner, mit dem ein Waffenstillstand möglich ist und der für die Wahrung des Friedens in der Zukunft verantwortlich sein wird. Israel muss die Hamas anerkennen sowie mit ihr in Dialog treten und andersrum: Die Hamas muss Israel anerkennen. Es gibt keinen anderen Weg. Jede Art von Frieden ist besser als ein blutiger Konflikt.

Militärische Gewalt muss sofort einer politischen Lösung weichen und ihr Vorrang geben. Herr Ehud Olmert, der israelische Premierminister, versucht jedoch immer noch, seinen ramponierten Ruf zu verbessern, indem er keinen Waffenstillstand zulässt.

 
  
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  Jana Hybášková (PPE-DE). – (CS) Herr Präsident, Frau Kommissarin! Lassen Sie mich Ihnen zu den Ergebnissen Ihrer gemeinsamen Verhandlungen gratulieren, den Troikaverhandlungen in Israel. Im Gegensatz zur Presse wissen wir, dass es Ihre Mission war, die die israelische Seite dazu bewogen hat, die Öffnung humanitärer Korridore und eine tägliche Waffenruhe in Betracht zu ziehen. Ich denke, dass die Israelis zum ersten Mal Europa als einen wichtigen Partner und die tschechische Präsidentschaft als eine wichtige Vertreterin akzeptiert haben.

Trotz des enormen Drucks von links hat das Europäische Parlament gestern einer ziemlich außergewöhnlichen Entschließung zugestimmt. Dies ist sogar unter solchen extremen Umständen eine ausgewogene Entschließung, eine Entschließung, die von der Rechten unterstützt werden kann, eine Entschließung, die nicht nur ein Pamphlet oder ein politischer Sieg für die Linke ist. Wir haben es vermieden, ein Gleichheitszeichen zwischen einem existierenden Staat und einer terroristischen Bewegung zu setzen – nicht einmal ein fiktives. Die Anerkennung der Existenz des Staates Israel, der Verzicht auf Gewalt und das Eingehen der Hamas auf PLO-Abkommen bleiben die Hauptziele, genauso wie die Notwendigkeit, so schnell wie möglich einen dauerhafte Waffenstillstand zu erzielen.

Dennoch haben wir keinen Mehrwert geliefert. Die drei führenden israelischen Vertreter, Barak, Livni und Olmert, sind sich derzeit über die Bedingungen und Gewährleistungen, unter denen sie zur Durchsetzung eines Waffenstillstands bereit wären, uneins. Der Schlüssel ist eindeutig Ägypten und liegt in der Gewährleistung von Tunnel- und Schmuggelkontrollen, die für die ägyptische Seite akzeptabel wären. Was unternimmt der Rat derzeit? Wie kommt er bei den Verhandlungen mit der ägyptischen Seite über die technische Mission, internationale Beobachtung, technische Überwachung und Umsetzung der EU-Mission zur Unterstützung des Grenzschutzes in Rafah (EU BAM Rafah) voran? Was können die Mitglieder des Europäischen Parlaments, die sich heute mit dem ägyptischen Botschafter treffen, von der ägyptischen Seite fordern oder umgekehrt, wie können wir zu den Verhandlungen mit Ägypten beitragen?

 
  
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  Libor Rouček (PSE). – (CS) Meine Damen und Herren! Ich möchte den Rat und die Kommission dazu aufrufen, ihren Druck auf beide Konfliktparteien zu erhöhen, um die fortwährende Gewalt zu beenden. Es geht hier um die Resolution 1860 des Sicherheitsrates, und wir müssen uns an ihre Bestimmungen halten. Es ist erforderlich, Schutzmaßnahmen zur Gewährleistung des langfristigen Waffenstillstands zu beschließen und die Öffnung eines humanitären Korridors zu ermöglichen. Es ist hier wiederholt gesagt worden, dass es für den israelisch-palästinensischen Konflikt keine militärische Lösung gibt. Der Weg zum dauerhaften Frieden führt nur über politische Verhandlungen. In diesem Zusammenhang muss die Europäische Union zusammen mit der neuen Regierung der Vereinigten Staaten und der Liga der Arabischen Staaten eine viel bedeutendere politische Rolle spielen als bisher. Dieser lang andauernde Konflikt muss über ein politisches Abkommen beendet werden, das auf einer Zweistaatenlösung basiert und das friedliche Zusammenleben von Israelis und Palästinensern innerhalb sicherer, international anerkannter Grenzen ermöglicht sowie die Schaffung eines friedlichen Systems der regionalen Sicherheit im gesamten Nahen Osten anstrebt.

 
  
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  Ioannis Kasoulides (PPE-DE). - Herr Präsident! Wir debattieren über eine weitere humanitäre Tragödie in unserer Nachbarschaft – direkt neben meinem Land –, die zwei unserer Partner im Mittelmeerraum betrifft. Leider haben die Palästinenser noch nicht akzeptiert, dass Selbstmordattentate oder Kassam-Raketen niemals ihr Land von der Besetzung befreien werden. Israel versteht nicht, dass eine solche extensive militärische Reaktion neue potenzielle Selbstmordattentäter nährt und bei der erstbesten Gelegenheit zu neuen Kassam-Raketen einlädt.

Was ist mit den unschuldigen Zivilsten, den nicht am Kampf Beteiligten, den Frauen und Kindern? Niemand interessiert sich für sie. Niemand interessiert sich für die zu Hunderten getöteten, verstümmelten, verbrannten und traumatisierten Kinder – Kinder Israels und Palästinas. Uns, die wir gemütlich vor unseren Fernsehapparaten sitzen, wird von diesem Anblick schlecht. Was ist mit den Menschen vor Ort?

Was können wir tun? Einfach nur in das klassische Spiel der Schuldzuweisungen einzusteigen, hilft den Zivilisten nicht. Forderungen und Entschließungen helfen den Zivilsten nicht. Wie können wir von Worten zu Taten übergehen? Dies ist der richtige Zeitpunkt, um – wie von anderen Kollegen vorgeschlagen – mit den interessierten Parteien zu verhandeln, und zwar über die Bildung sowohl einer internationalen Streitkraft, die mit einer von arabischen Ländern gebildeten großen Polizeieinheit in Gaza stationiert wird, um eine Polizeitruppe der Palästinensischen Behörde im Rahmen eines großen UN-Mandats zur Einführung von Recht und Ordnung zu schulen und zu unterstützen, als auch einer europäischen Streitkraft, um sicherzustellen, dass der Raketenbeschuss und Waffenschmuggel beendet und die Grenzübergänge vollständig geöffnet werden. Wir können das Schicksal der Zivilisten nicht länger den gegnerischen Seiten überlassen.

 
  
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  Giulietto Chiesa (PSE). - (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ein großer italienischer Antifaschist, Piero Gobetti, hat gesagt, dass es vollkommen parteiisch ist, einen Salomo-Standpunkt einzunehmen, wenn die gesamte Wahrheit auf einer Seite liegt. Dies ist derzeit für Gaza der Fall. Ich hoffe, dass das Parlament die richtigen Worte findet, um Israel zu stoppen. Wenn nicht, wird dies von der Geschichte, von den Palästinensern, von der europäischen Öffentlichkeit und von der arabischen Öffentlichkeit als schändlich angesehen werden.

Israel beschießt und dezimiert ein Ghetto. Die Söhne derer, die vernichtet wurden, vernichten jetzt selbst. Es gibt keine Entschuldigung hierfür, und auch das Argument, dass Israel ein Recht auf seine eigene Sicherheit habe, genügt nicht. Jeder, der möchte, kann erkennen, dass heute niemand dazu in der Lage ist, Israels Sicherheit oder Existenz zu bedrohen. Dies zeigt sich am Ungleichgewicht der Kräfte vor Ort. Dies zeigt sich an der Zahl der Toten und Verwundeten. Dies zeigt sich an der Unterstützung, mit der der Westen Israel weiterhin überschüttet. Der einzige Zweck dieses Massakers liegt darin, die Schaffung eines palästinensischen Staates zu verhindern. So wird der Frieden vernichtet, und aus diesem Grund müssen wir Israel stoppen.

 
  
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  Stefano Zappalà (PPE-DE).(IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte dem amtierenden Präsidenten des Rates und dem tschechischen Außenminister danken, weil sie immer noch bei uns sind. Wir in diesem Haus sind an eine solche starke Präsenz, wie die heute von der tschechischen Präsidentschaft bewiesenen, nicht unbedingt gewöhnt.

Ich glaube, dass Frau Muscardini Recht hat. Ich empfehle denjenigen, die sich mit der Lage in dem Gebiet nicht auskennen und dazu fähig sein müssen, konkret Stellung zu nehmen, sich die Dinge vor Ort anzusehen, indem sie als Tourist oder für andere Zwecke dorthin fahren. Einige von uns sind unter verschiedenen Umständen in Palästina gewesen, als Beobachter bei der Wahl von Abu Mazen oder bei anderen Wahlen, und ich bin der Auffassung, dass man nur dann eine genaue Vorstellung vom Stand der Dinge bekommt, wenn man sie in eigener Person sieht.

Ich glaube, dass während all dieser Ereignisse, die Jahrzehnte zurückreichen und nicht neu sind, wir in der westlichen Welt die einzigen Verlierer gewesen sind, weil wir dieses Problem niemals ernsthaft angegangen sind und niemals versucht haben, es zu lösen. Wir betrachten dieses Problem weiterhin als ein Problem zwischen zwei gegnerischen Parteien.

Ich bin mehrere Male in Palästina gewesen, und ich bin mehrere Male in Israel gewesen, sodass ich die Lage kenne, zwar nicht perfekt, aber gut genug, und ich glaube, dass in Wirklichkeit nicht zwei Parteien involviert sind, sondern drei. In diesem spezifischen Fall ist das Problem zwischen den Terroristen und dem Staat Israel, und das palästinensische Volk ist das Opfer, das in der Mitte gefangen ist. Die Hamas repräsentiert nicht das palästinensische Volk. Vielleicht repräsentiert sie einen Teil davon, aber sie repräsentiert definitiv nicht das gesamte palästinensische Volk.

Ich habe einen Film, den wahrscheinlich viele Mitglieder kennen. Der Film zeigt alle israelischen Opfer, darunter Kinder und Menschen jedes Alters, Opfer aller Raketen, die von der Hamas gefeuert worden sind und immer noch gefeuert werden. Es ist kein Zufall, dass es einen großen Unterschied zwischen dem Gaza-Streifen und dem Westjordanland gibt.

Ich richte diese Anmerkung an den amtierenden Präsidenten des Rates und an unsere ausgezeichnete Kommissarin, die Europa repräsentiert. Ich bin der Meinung, dass wir die Lage richtig angehen müssen. Das Wichtigste ist meiner Meinung nach, dass heute die Position von Abu Mazen gestärkt werden sollte. Er hat in dieser Situation die schwächste Position, zusammen mit den Palästinensern, die in dieser Angelegenheit nichts gelten. Ich glaube, dass die wahren Verlierer wir alle sind.

 
  
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  Maria-Eleni Koppa (PSE). - (EL) Herr Präsident! Die öffentliche Meinung in ganz Europa fordert von der Union eine Sache: die Beendigung des am palästinensischen Volk verübten Gemetzels. Wir müssen blinde Gewalt, egal welcher Herkunft, verurteilen; aber wir müssen widerspruchsfrei erkennen, dass Israel in hohem Maße mit Staatsterrorismus reagiert. Die asymmetrische Vergeltung und die offenkundige Missachtung jeglichen Konzepts von Völkerrecht und humanitärem Recht seitens Israels können nicht toleriert werden.

Der Einsatz von Bomben mit weißem Phosphor und von experimentellen Waffen gegen Zivilisten ist inakzeptabel, und es ist unmenschlich, auf unschuldige Frauen und Kinder zu zielen. Wenn dies in Afrika oder in einem anderen Teil der Welt passieren würde, würden wir sofort handeln, und die Resolution des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen wäre verbindlich. Im Falle Israels beschränken wir uns jedoch auf Stellungnahmen und erfolglose Diskussionen.

Ich bin der Meinung, dass wir jedes politische Instrument einsetzen sollten, einschließlich des Assoziierungsabkommens, um Israel davon zu überzeugen, die illegale Gewalt gegen das palästinensische Volk und das Verbot des Zugangs zu humanitärer Hilfe zu beenden.

Wir können nicht die Zuschauerrolle übernehmen, weil dies uns zu Mittätern des Gemetzels macht. Die einzige Lösung liegt in einer sofortigen Waffenruhe und der Öffnung humanitärer Korridore nach Gaza sowie in der Aufnahme des Dialoges mit allen Seiten.

 
  
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  Struan Stevenson (PPE-DE). - Herr Präsident! Die furchtbaren Ereignisse in Gaza während der vergangenen zwei Wochen haben zur internationalen Verurteilung Israels geführt. Wir haben während der heutigen Aussprache Kollegen erlebt, die herausfinden wollten, wer wohl die stärkste Empörung über den israelischen Staat zum Ausdruck bringen kann.

Für ein Land im Nahen Osten war dies jedoch genau das Ergebnis, das es angestrebt hatte: Der Iran beliefert die Hamas seit Jahren mit Raketen, Munition und anderen hochentwickelten Waffen. Er stellt Geld und Ausbildungsmöglichkeiten für Hamas-Kämpfer zur Verfügung. Sein Ziel bestand darin, Israel zu einem Bodenkrieg zu provozieren, und das blutige Ergebnis – mit grausamen Bildern von toten Kindern auf den Fernsehbildschirmen und in den Zeitungen überall auf der Welt – ist der bestmögliche Rekrutierungsoffizier für einen fundamentalistischen Islam und die Vision iranischer Mullahs von einer globalen, gegen den Westen vereinten islamistischen Bewegung.

Das faschistische Regime in Teheran ist der Hauptsponsor von Krieg und Terror im Nahen Osten, und das tragische Ergebnis ist genau das, was Teheran wollte. Es lenkt die Aufmerksamkeit innerhalb des Irans von der durch den Zusammenbruch des Ölpreises verursachten Wirtschaftskrise ab, und es lenkt die internationale Aufmerksamkeit von der Eile der Mullahs in Bezug auf den Atomwaffenbau ab. Das außenpolitische Ziel des Irans besteht darin, die dominante regionale Macht im Nahen Osten zu werden. Er möchte die islamische Welt durch die Verbreitung seiner eigenen strengen und beunruhigenden Vision einer totalitären islamischen Bruderschaft vereinen, bei der die Menschenrechte, Frauenrechte und Redefreiheit sich in Nichts auflösen, und schändlicherweise hat der Westen nichts unternommen, um der iranischen Aggression entgegenzutreten oder diese zu entlarven. Angesichts der zunehmenden Beweise für die Förderung des Terrors durch die Mullahs hat der Westen keine Mühe gescheut, Teheran zu beschwichtigen, und ist sogar Teherans Hauptforderung nachgekommen, die wichtigste iranische Oppositionsbewegung, die iranischen Volksmudschaheddin, auf die EU-Terrorliste zu setzen und dadurch auszuschalten. Dies muss aufhören.

 
  
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  Richard Howitt (PSE). - Herr Präsident! Es muss zunächst klar sein, dass dieses Parlament heute die Resolution 1860 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen unterstützen wird. Sie muss ohne Verzögerung umgesetzt werden. Als ein Mitglied des Europäischen Parlaments, das während der Blockade in Gaza war, denke ich, dass ein Waffenstillstand und ein Rückzug nicht genug sind. Natürlich möchten wir, dass die Raketen gestoppt werden und die Terroristen ihre Aktivitäten einstellen; aber wir müssen einen Waffenstillstand und ein Ende der Blockade sehen, sodass die Menschen in Gaza anfangen können, ihr Leben zu leben.

Es geht hierbei um die Achtung des humanitären Völkerrechts. Human Rights Watch und Islamic Relief haben mir gesagt, dass die tägliche Pause von drei Stunden bedauerlicherweise einfach unzulänglich ist, um sich Zugang zu verschaffen und zu helfen. Es geht hierbei um Verhältnismäßigkeit. Retten Sie die Kinder. Sagen Sie, dass das Töten von 139 Kindern seit dem Beginn des Konflikts – mit 1 271 Verletzten – nicht als Selbstverteidigung gerechtfertigt werden kann.

Ich begrüße die aktuelle Stellungnahme des EU-Beauftragten in Israel, Ramiro Cibrián Uzal, der gesagt hat, dass die EU und Israel die Verhandlungen über den Ausbau der Beziehungen derzeit aus diesen Gründen auf Eis gelegt haben. Das sollten sie auch.

 
  
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  Michael Gahler (PPE-DE).(DE) Herr Präsident! Als Erstes brauchen wir einen sofortigen und dauerhaften Waffenstillstand auf beiden Seiten. Darüber besteht hier im Haus breiter Konsens. Aber auch danach dürfen wir als EU und als internationale Gemeinschaft das Schicksal der Menschen in Gaza nicht allein Hamas und Israel überlassen.

Hamas agiert nicht im Interesse der Bewohner von Gaza, denn Hamas wusste genau, dass Israel auf dauernde Raketenangriffe reagieren würde. Und das nicht nur in Wahlkampfzeiten! Im Verlauf des letzten Jahres ergaben Umfragen in Gaza einen Rückgang der politischen Unterstützung für Hamas zugunsten von Fatah. Offenbar ist es Teil des Hamas-Kalküls, dass durch die große Zahl palästinensischer Opfer die politische Unterstützung für Hamas auf zynische Art und Weise wieder zunehmen wird, aus Solidarität unter den Opfern.

Israel auf der anderen Seite hat nahezu ausschließlich die Interessen seiner eigenen Bürger im Blick. Internationale Kritik zielt deshalb vor allem auf den Umfang der israelischen Militäroperation und auf die Inkaufnahme der großen Zahl ziviler Opfer.

Lassen wir es als Europäer daher nicht dabei, nur einen weiteren Waffenstillstand auszuhandeln und die Reparatur der Infrastruktur zu finanzieren. Ich sehe schon das Berichtigungsschreiben der verehrten Frau Kommissarin: Es ist bestimmt schon im Entwurf fertig und wird dann dem Haushaltsausschuss übermittelt.

Es ist auch nicht ausreichend, auf die Ägypter aufzupassen, ob sie an der Grenze zum Gaza-Streifen das Tunnelsystem für den Waffenschmuggel blockieren. Ich fordere, dass sich das gesamte Nahost-Quartett inklusive starker arabischer Präsenz gemeinsam in und um Gaza mit Truppen unter einem robusten Mandat zur Friedenssicherung engagiert – im Interesse der Menschen in Gaza, in Israel und in Ägypten. Parallel dazu muss der eigentliche Friedensprozess zügig vorangetrieben werden. Sonst, so fürchte ich, werden wir Zwischenfälle wie in Gaza in immer kürzeren Abständen erleben. Das haben weder die Palästinenser noch die Israelis verdient!

 
  
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  Miguel Angel Martínez Martínez (PSE).(ES) Herr Präsident! Die spanischen Mitglieder der Sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament betrachten die Lage in Gaza mit Grauen, Schmerz und Schamgefühl, aber auch mit der Verpflichtung zur Verteidigung von Frieden, zum Schutz der am meisten Leidenden sowie zur Aufrechterhaltung von Würde und Hoffnung.

Unser Grauen bezieht sich auf die wiederholten Szenen von ermordeten Kindern sowie untröstlichen, endlos leidenden Frauen nach dem Beschuss des Ghettos, das aus Gaza geworden ist. Picasso stellt genau dasselbe Grauen in seinem Gemälde Guernica dar, das unsere vor sieben Jahrzehnten von den Junkers der Legion Condor dem Erdboden gleich gemachte Stadt Guernica zeigt.

Unser Schmerz bezieht sich auf das ungeheure Leid so vieler Opfer. Unser Schamgefühl bezieht sich auf die Unfähigkeit jedermanns – unserer Länder, der Europäischen Union und der internationalen Gemeinschaft –, die von uns verurteilte kriminelle Aggression erstens zu verhindern und zweitens zu beenden.

Unser Schamgefühl und unsere Entrüstung beziehen sich auf so viele Lügen, so viel Mehrdeutigkeit und so viel heiße Luft. Unser Schamgefühl kommt daher, weil wir genau wissen, was geschieht; dennoch handeln wir nicht mit der notwendigen Eindringlichkeit und Kohärenz. Die Geschichte wird daher von vielen eine Erklärung für die Mittäterschaft an dem Verbrechen verlangen, zumindest jedoch für ihr Versagen.

Da es immer „besser spät als nie“ ist, und da es äußerst wichtig ist, eine Tür zur Hoffnung offen zu halten, muss die Europäische Union die verspätete Resolution des Sicherheitsrates unterstützen. Sie muss jedoch deren strikte Einhaltung gewährleisten, genauso wie unser Assoziierungsabkommen mit Israel strikt eingehalten werden muss, das im Fall eines Verhaltens wie das derzeitige ausgesetzt werden kann.

Ist die Hamas zufällig auch für die Mediensperre verantwortlich, die hier noch niemand verurteilt hat?

 
  
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  Geoffrey Van Orden (PPE-DE). - Herr Präsident! Ich möchte zunächst mein tiefstes Mitgefühl für all die unschuldigen Menschen, sowohl in Israel als auch in Gaza, zum Ausdruck bringen, die in den letzten Wochen und Monaten aufgrund des Konfliktes gelitten haben. Aber wir müssen aufpassen, dass unsere von Natur aus gegebene Humanität und unsere sehr gerechtfertigten Bedenken nicht unsere Sichtweise der wahren Natur der Lage verzerren, mit der wir es tun haben.

Die Hamas hat in Gaza einen terroristischen Machtbereich geschaffen: Sie toleriert keinen Widerspruch gegen ihre Ansichten. Sie hat die Palästinenser ermordet, die sich ihr widersetzt haben. Sie hat die Palästinensische Autonomiebehörde gespalten. Sie hat sich geweigert, Terroranschläge gegen israelische Zivilisten einzustellen. Sie hat sich geweigert, das Existenzrecht Israels anzuerkennen. Sie hat sich geweigert, die zuvor ausgehandelten Friedensabkommen anzuerkennen. Ich erinnere mich an die Worte von Hanan Aschrawi vor drei Jahren, als ich die palästinensischen Wahlen beobachtete. Sie hatte die Auferlegung von Herrschaft durch die Mächte der Dunkelheit vorausgesagt – wie Recht sie hatte!

Wir sollten nicht überrascht sein, wenn ein Hamas-Mitglied stolz darauf ist, zu sagen, dass der Tod für das palästinensische Volk ein „Gewerbe“ sei. Er bezog sich auf den Einsatz von Selbstmordattentätern und den bewussten Einsatz von Zivilisten als menschliche Schutzschilde, um potenzielle militärische Ziele zu schützen. Natürlich ist es ein direkter Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht, Zivilisten auf diese Weise zu benutzen.

Was erwarten wir, was Israel angesichts eines solchen hartnäckigen, gefühllosen und hasserfüllten Feindes tun sollte, wenn seine Bürger ständig Terroranschlägen ausgesetzt sind? Die internationale Gemeinschaft hat dem kaum Beachtung geschenkt. Als Israel gewaltlose Maßnahmen wie das Verhängen von Blockaden und Unterbrechen der Stromversorgung unternahm, wurde es bestraft. Jetzt, wo Israel als Reaktion auf die Provokation durch die Hamas militärische Maßnahmen unternommen hat, bekommt es internationale Missbilligung zu spüren.

Die traurige Realität ist, dass dem palästinensischen Volk über viele Jahre schlecht gedient worden ist, und zwar von denen, die die Kontrolle über die Gebiete der Palästinensischen Autonomiebehörde haben, von der internationalen Gemeinschaft, die Extremismus und Korruption toleriert hat, und von der arabischen Welt, die über viele Jahrzehnte hinweg nichts Praktisches unternommen hat, um ihr Leben oder ihre Aussichten zu verbessern.

Wir brauchen einen Marshall-Plan für den Nahen Osten. Was die Palästinenser brauchen, sind nicht bloß Friedenstruppen, sondern eine anständige Zivilverwaltung, die frei von Korruption ist. Die Zivilverwaltung muss der internationalen Kontrolle unterliegen; aber zuallererst muss die terroristische Rettungsleine – Waffen, Gelder und politische Nachsicht – durchtrennt werden.

 
  
  

VORSITZ: ALEJO VIDAL-QUADRAS
Vizepräsident

 
  
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  Proinsias De Rossa (PSE). - Herr Präsident! Ich könnte dem von Herrn Van Orden über die Hamas Gesagten zustimmen; aber Fakt ist, dass nichts von dem, was er sagt, die Bombardierung von Zivilisten durch Israel rechtfertigt. Der wesentliche Punkt ist, dass wir den Beschuss beenden müssen, ob nun seitens der Hamas oder seitens Israels.

Ich hoffe, dass die diese Aussprache begleitende Entschließung morgen in diesem Haus von einer starken Mehrheit unterstützt wird, und ich hoffe, dass sie die Kommission und den Rat darin stärken wird, Israel und die Hamas unter Druck zu setzen, um das Töten zu beenden. Israel hat Gaza seit seinem Rückzug von dort in das größte Gefängnis der Welt und in den letzten drei Wochen in ein Schlachthaus verwandelt, wobei Terror illegal gegen Terror eingesetzt wird, Zivilisten wie Männer, Frauen und Kinder getötet werden und die Möglichkeit einer existenzfähigen Zweistaatenlösung in dem Prozess zerstört wird.

Es kann keinen Ausbau der Beziehungen Europas zu Israel geben, solange Israel sich nicht auf konstruktive und substanzielle Verhandlungen mit seinen Nachbarn und allen gewählten palästinensischen Mitgliedern, einschließlich der Hamas, einlässt. Europa sollte deutlich machen, dass auf jede Steigerung des Krieges gegen Gaza eine Steigerung der Reaktion unsererseits auf den Krieg folgen wird.

 
  
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  Kinga Gál (PPE-DE). (HU) Herr Präsident, Frau Kommissarin, sehr geehrte Mitglieder des Rates, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich finde das Verhalten der Parteien im Gaza-Konflikt zynisch. Ich halte es für zynisch und inakzeptabel, dass die Hamas die Zivilbevölkerung – sogar Kinder – als menschliche Schutzschilde benutzt. Ich halte den israelischen Standpunkt für zynisch und unmenschlich, da unter dem Vorwand der Selbstverteidigung von unverhältnismäßigen Mitteln Gebrauch gemacht wird, wobei massenhaft Bewohner von Gaza erschossen werden und vor allem die Zivilbevölkerung betroffen ist, einschließlich Kinder.

Für zynisch und verlogen halte ich eine außenpolitische Diplomatie, die versucht – mit bemerkenswerten Ausnahmen –, den Schein zu wahren und sogar nach so vielen Tagen nicht dazu in der Lage ist, den Schutz für die Zivilbevölkerung oder die Hilfsorganisationen zu sichern, und die leider auch nicht den Schutz von Kindern gewährleisten kann.

Ich trete für die Kinder ein, da kein Ziel das unnötige Beenden unschuldiger Leben rechtfertigen kann. Wir müssen dass Leben aller Kinder als gleichwertig betrachten, egal auf welcher Seite der Grenze. Dies ist der Grundsatz, der für jede Konfliktpartei gleichermaßen wichtig sein muss, wenn es in der Region jemals wirklichen Frieden geben soll.

Die Akzeptanz der Werte wie die Achtung von Menschenleben, der Schutz von Zivilisten und die Förderung humanitärer Hilfe können die Grundlage bilden, um einen dauerhaften Waffenstillstand – mit Frieden innerhalb Palästinas sowie zwischen Palästina und Israel – zu erzielen.

 
  
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  Gay Mitchell (PPE-DE). - Herr Präsident! Die Hamas hat Terror gegen die Bürger Israels verübt und Vergeltung provoziert. Es erscheint aus dieser Entfernung so, als ob einige von ihnen von den neuen zivilen Märtyrern – einschließlich Kindern – und der öffentlichen Aufmerksamkeit, die dies ihrer Sache einbringt, begeistert wären, und zwar ganz gleich, wie furchtbar dies auf vernünftige Menschen wirkt.

Ich habe weder den Terrorismus jemals unterstützt noch bin ich ein Kritiker Israels, das ein Recht auf friedliche Koexistenz in der Region hat; aber wir wären dumm, wenn wir angesichts dessen, was derzeit in Gaza geschieht, nicht emotional bestürzt und moralisch beschämt wären. Die israelische Reaktion ist gänzlich unverhältnismäßig, und der Tod von Kindern ist besonders beschämend.

Ich habe mich bisher nicht gegen das neue Abkommen zwischen der EU und Israel ausgesprochen. Ich glaube an das vom Dalai Lama im letzten Monat hier in diesem Parlament Gesagte, nämlich dass die beste Möglichkeit, China in Bezug auf Tibet zu beeinflussen, darin besteht, gute Beziehungen zu ihnen aufrechtzuerhalten. Ich denke, dass dies auch für die Beziehungen zwischen der EU und Israel gilt. Aber wie können wir uns ihre Aufmerksamkeit sichern, um den Grad des hier empfundenen Abscheus bezüglich des Ausmaßes der Geschehnisse zum Ausdruck zu bringen?

Ich möchte hinzufügen, dass gestern an diejenigen von uns, die am gemeinsamen Treffen des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten und des Entwicklungsausschusses teilgenommen haben, eine Mitteilung über die humanitären Bedürfnisse der Region verteilt wurde. Ich rufe die Kommission und den Rat dringend dazu auf, dafür zu sorgen, dass ein allumfassendes Paket humanitärer Hilfe bereit liegt, sodass wir dort anrücken und diesen leidenden Menschen bei erster Gelegenheit helfen können.

 
  
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  Karel Schwarzenberg, amtierender Präsident des Rates. − Herr Präsident! Einer der zu Beginn erwähnten Punkte war, ob wir Kontakt zur Hamas aufnehmen sollten. Ich denke nicht, dass es jetzt schon an der Zeit dafür ist. In den letzten Monaten hat sich die Hamas definitiv noch wie eine terroristische Organisation verhalten. Solange sie sich wie eine solche verhält, können die Vertreter der Europäischen Union nicht offiziell Kontakt zu ihr aufnehmen.

Ich gestehe als alter Mann, dass ich über die Jahre viele terroristische Organisationen seit ihren Anfängen gesehen habe, die mehr oder weniger akzeptabel geworden sind und von der internationalen Gemeinschaft in Kauf genommen werden. Ich habe dies in Afrika gesehen. Ich habe dies in Irland gesehen. Ich habe dies vielerorts gesehen. Dies kommt vor. Zuallererst muss sie jedoch damit aufhören, als terroristische Organisation zu agieren. Dann werde ich dazu bereit sein, Gespräche mit der Hamas oder sonst jemandem aufzunehmen, aber nicht bevor sie damit aufhört, als terroristische Organisation zu handeln.

Ich denke, dass es wichtig ist, dies zu bekunden, weil die Europäische Union ihre Grundsätze nicht aufgeben kann. Es gibt Möglichkeiten, zu erfahren, wie ihre Vorstellungen aussehen. Es gibt indirekte Kontakte zu Politikern in der Region, die mit ihr in Kontakt stehen; aber es ist für die Europäische Union noch nicht an der Zeit, direkte Kontakte zur Hamas aufzunehmen. Ich denke, dass wir diesbezüglich unnachgiebig sein sollten.

Ansonsten sollten wir Ägypten für seine wichtige Rolle in den letzten Wochen und Tagen loben, und zwar für seine Anstrengungen sowie harte Arbeit zum Erzielen einer Waffenruhe und möglicherweise – ganz am Ende des Prozesses – sogar eines Waffenstillstandes mit Frieden in der Region. Ich weiß, wie schwierig die Frage ist. Wir stehen die ganze Zeit mit den Ägyptern in Kontakt. Wir wissen, welche wichtige Arbeit sie leisten, und ich möchte ihnen dazu gratulieren.

Es gab eine Frage bezüglich dessen, wie wir in der Region helfen können. Zunächst einmal werden diejenigen, die vor Ort sind, uns genau sagen, was sie benötigen. Nicht wir müssen entscheiden, was wir ihnen geben sollten. Sie müssen uns und die Europäische Union fragen. Viele Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben ihre Bereitschaft dazu erklärt, in jeder möglichen Weise – in technischer Hinsicht, durch die Entsendung von Beratern und durch die Vorbereitung jeglicher erforderlicher Mittel – zu helfen; aber dies muss vor allem mit der Zustimmung der betroffenen Staaten dort erfolgen. Dies ist die erste Aufgabe, die durchgeführt werden muss.

Ich habe einen wichtigen Vorschlag gehört, der darin bestand, einen Marshall-Plan für den Nahen Osten vorzubereiten. Ich denke, dass dies eine sehr gute Idee ist, und wir sollten sie befolgen. Diese Region benötigt in der Tat ein wirkliches Zusammentragen der Ideen, die Europa nach dem Krieg so sehr geholfen haben.

Frau Ferrero-Waldner und andere haben erwähnt, was die Mission erreicht hat. Ich denke, dass wir eine Menge erreicht haben, und ich möchte erneut Frau Ferrero-Waldner loben, die in unserer Delegation die Hauptarbeit im humanitären Bereich geleistet hat, einem Bereich, in dem das von uns Erreichte auch heute noch funktioniert. Eines ist jedoch klar: Sogar diese schwierigen Verhandlungen im Nahen Osten basieren auf dem bereits während des Besuches unserer Delegation im Nahen Osten strukturierten Entwurfs. Es geht hierbei im Grunde darum, wie der Frieden organisiert werden soll und was erforderlich ist. Unser Plan basiert auf dem, was wir damals herausgefunden und mit unseren Partnern diskutiert haben.

Es gab eine Diskussion über den Ausbau unserer Beziehungen zu Israel. Wie Sie wissen, wurde dieser Beschluss im Juni 2008 vom Ministerrat der Europäischen Union gefasst. Dies kann nur dann geändert werden, wenn die Minister der Europäischen Union sich zur Änderung des Beschlusses entschließen. Dies kann nicht geändert werden, selbst durch die Worte eines sehr respektablen Vertreters der Europäischen Union in Jerusalem. Ich gebe zu, dass es in der aktuellen Lage verfrüht wäre, zu diskutieren, wie unsere Beziehungen zu Israel ausgebaut werden sollen und ob es in absehbarer Zeit ein Gipfeltreffen geben sollte. Für den Moment haben wir wirklich dringendere und wichtigere Fragen zu lösen. Ich möchte nochmals feststellen, dass der Beschluss vom Ministerrat gefasst wurde, und das ist der Stand der Dinge.

Was kann unternommen werden, um Israel zu stoppen? Lassen Sie uns offen sein: sehr wenig. Israel handelt, wie es handelt, und als lebenslanger Freund Israels – und ich sage das heute, und ich sage das ganz offen – bin ich über das, was Israel derzeit tut, nicht besonders erfreut. Ich denke, dass Israel mit seiner Politik auch sich selbst schadet. Das ist eine Sache; aber die Europäische Union hat kaum andere Möglichkeiten, als sich sehr deutlich und ehrlich zu äußern und unsere Partner darum zu bitten, es zu stoppen. Die Lösung muss von unseren Partnern im Nahen Osten gefunden werden, von Israel, Ägypten und den anderen Beteiligten. Die Europäische Union kann helfen. Die Europäische Union kann helfen, indem sie jede Art von Hilfe anbietet, wenn eine Waffenruhe vereinbart wird, um die genannten Ziele zu erreichen: Schließung der Schmuggelpässe, Schließung der Tunnel, Seeüberwachung usw. Sie kann in Gaza in verschiedener Weise helfen, beispielsweise durch den Wiederaufbau oder durch die Unterstützung mit humanitärer Hilfe. Die Europäische Union kann all dies tun; aber um ehrlich zu sein, verfügen wir nicht über die Macht und die Mittel, um „Stopp!“ zu sagen. Denkt das Parlament, dass wir eine riesige Streitmacht in den Nahen Osten entsenden können, um die kämpfenden Parteien zu stoppen? Nein. Wir verfügen nicht über die Möglichkeiten, und sowohl Israel als auch die Hamas sind von anderen als von europäischen Mächten abhängig. Israel hat auch außerhalb Europas mächtige Verbündete. Unserer Macht, etwas zu erreichen, sind Grenzen gesetzt. Wir können helfen, wir können unterstützen, wir können unsere Dienste anbieten, und wir können uns sehr engagieren. In dieser Hinsicht haben wir ziemlich viel erreicht. Aber überschätzen Sie unsere Möglichkeiten nicht.

 
  
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  Sajjad Karim (PPE-DE). - Herr Präsident! Israel behauptet, das eigene Recht auf Selbstverteidigung auszuüben. In diesem Fall müssen die Grundlagen eines gerechten Krieges, einschließlich der Verhältnismäßigkeit, eingehalten werden.

Es ist eindeutig klar, dass Israel dies ignoriert, und es ist eindeutig falsch, dass wir diese Tatsache ignorieren. Der Einsatz von Phosphor gegen Zivilisten ist mit dem Zivilisationsanspruch nicht vereinbar.

Die EU kann dieses Problem offensichtlich nicht allein lösen. Aber es gibt einen weißen Elefanten im Raum, also einen wertvollen Gegenstand ohne Nutzen. Wir brauchen die Entschlossenheit der USA. Ihre enttäuschende Antwort ist unausgewogen und ungerecht. Der Zeitpunkt dieser Maßnahmen Israels ist strategisch kalkuliert; aber der 20. Januar kommt immer näher, Herr Obama. Die Welt wartet, und die EU ist ein bereitwilliger Partner!

Werden Sie die Werte, die wir mit Ihnen teilen, wiederherstellen, oder werden Sie zulassen, dass eine solche Ungerechtigkeit sich durchsetzt – wieder einmal? Werden Sie mit uns arbeiten, um allen Betroffenen Schutz zu bieten? Die Palästinenser fragen Sie, wie es richtig sein kann, dass Ihr Land humanitäre Hilfe vor Ort fordert, aber schweigt, während nur Bomben vom Himmel fallen?

Die Kollegen, die die Hamas ausschließlich mit militärischen Mitteln ausschalten möchten: Gehen Sie, und sehen Sie sich Gaza und das Westjordanland an! Erwecken Sie Ihre grundlegende Menschlichkeit wieder, und Sie werden sehen, weshalb die Hamas stärker wird.

Dies ist nicht der Weg, um Israel oder den Palästinensern zu helfen. Eine sofortige Waffenruhe ist nur ein notwendiger Beginn.

 
  
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  Colm Burke (PPE-DE). - Herr Präsident! Es ist sehr klar, dass die Konfliktparteien das humanitäre Völkerrecht nicht achten und dass die Zivilbevölkerung von Gaza folglich einen sehr hohen Preis zahlt. Es muss im Völkerrecht eine Rechenschaftspflicht geben, wenn solche Kriegführungsgrundsätze wie Verhältnismäßigkeit und Nichtdiskriminierung nicht geachtet werden. Einer der Grundsätze eines gerechten Krieges sieht vor, dass das Verhalten vom Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geleitet sein sollte. Die angewendete Gewalt muss im Verhältnis zum ertragenen Unrecht stehen. Leider haben wir einen hohen Grad an Achtlosigkeit seitens der Israelis gesehen. Während ich die Tatsache anerkenne, dass die Hamas mit den Raketenangriffen gegen Israel angefangen hat, ist die israelische Reaktion meiner Meinung nach unverhältnismäßig. Die Zahlen sprechen für sich selbst: Über 900 Palästinenser sind getötet worden – im Gegensatz zu einer viel geringeren Zahl von Israelis. Israel muss seine Verantwortung wahrnehmen, den eigenen Einsatz von Gewalt direkt mit dem Völkerrecht in Einklang zu bringen.

Andererseits kann nicht übersehen werden, dass die Hamas von der EU immer noch als terroristische Organisation angesehen wird und sich weiterhin weigert, auf ihren bewaffneten Kampf zu verzichten. Nicht nur dies: Die Hamas hat es durchweg abgelehnt, das Existenzrecht Israels anzuerkennen. Die Hamas und andere bewaffnete palästinensische Gruppen müssen begreifen, dass die Menschen im südlichen Israel ein Recht auf ein Leben haben, ohne beschossen zu werden.

 
  
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  Nickolay Mladenov (PPE-DE). - Herr Präsident! Für alle diejenigen, die den israelisch-palästinensischen Konflikt verfolgen, könnte dies eine Zeit sein, in der wir versucht sind, die Hände über dem Kopf zusammenzuschlagen und verzweifelt zu schreien. Ich denke aber nicht, dass wir dies tun sollten, weil meiner Meinung nach die größte Prüfung für unsere Menschlichkeit heute darin besteht, die vorliegenden Sachverhalte wirklich zu verstehen.

Der erste Sachverhalt ist, dass es für diesen Konflikt keine dauerhafte Lösung geben kann, ohne den Beschuss Israels zu beenden. Der zweite Sachverhalt ist, dass es für diesen Konflikt keine dauerhafte Lösung geben kann, ohne Gaza für humanitäre Hilfe zu öffnen. In der Tat hat Präsident Peres absolut Recht gehabt, als er sagte, dass Gaza für Hilfe offen und für Raketen geschlossen sein sollte.

Ich denke, dass dies wesentlich ist, und jeder stimmt dem zu. Es kann keine Rückkehr zum Status quo ante geben, und ich denke, dass wir hier einiges tun könnten. Erstens kann das Parlament beide Seiten für Gespräche zusammenbringen. Zweitens sollten wir hinter der Kommission und dem Rat stehen und ihre Anstrengungen unterstützen. Und schließlich sollten wir den ägyptischen Weg der Verhandlungen nachdrücklich unterstützen, weil dieser Weg der einzige Weg ist, der zu einer Lösung und der Waffenruhe führen kann, auf die wir alle derzeit hoffen.

 
  
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  Neena Gill (PSE). - Herr Präsident! Nicht nur die Mitglieder dieses Hauses sind über die Entwicklungen in Gaza empört. Viel zu lange schon ist auch die europäische Öffentlichkeit über das Leid der Menschen in Gaza und die israelische Blockade empört. Hinzu kommen die ständigen Übergriffe und die entsetzlichen militärischen Angriffe der Israelis gegen unschuldige Zivilisten, vor allem Frauen und Kinder. Die Forderungen der Weltgemeinschaft nach einer sofortigen Waffenrufe stoßen auf taube Ohren.

Die Palästinenser brauchen dringend Zugang zu Lebensmitteln, ärztlicher Hilfe und Sicherheit. Israel muss zumindest die Grundsätze des Völkerrechts achten. Andernfalls sollte Israel jegliche ihm verbleibende Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft verlieren.

Es ist beklagenswert, dass die Resolution der Vereinten Nationen beiseite geschoben worden ist. Es ist außerdem bedauerlich, dass die EU ihre Rolle erst noch finden muss. Vielleicht gelingt ihr dies, wenn sie stärkere Maßnahmen als bisher ergreift. Es genügt nicht, lediglich den Ausbau der Beziehungen auf Eis zu legen. Wir haben Einfluss. Wir sind ein wichtiger Handelspartner. Wir sind ein wichtiger Geldgeber in der Region. Also können wir diese Rolle ausüben.

 
  
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  Marios Matsakis (ALDE). - Herr Präsident! Ist es ethisch akzeptabel und im Völkerrecht entschuldbar, dass der Staat Israel bei seiner Bestrebung, Hamas-Terroristen auszuschalten, eine große militärische Kampagne des Terrors und der groben Verletzung von UN-Konventionen und Menschenrechten gegen 1,5 Millionen in der Falle sitzende, unschuldige Zivilisten einleiten kann? Ist ein solches Handeln mit unseren EU-Werten von Gerechtigkeit und Demokratie vereinbar? Ist die israelische Lobby so stark, dass sie bewirken kann, dass die USA und die EU faktisch untätig dastehen und bei den im Namen des Kampfes gegen den Terror begangenen entsetzlichen Gräueltaten einfach zusehen?

Wenn die Antwort auf diese Fragen Ja lautet, sollten wir alle die israelische Regierung für ihren Mut bei ihrem Vorgehen in Gaza loben. Wenn die Antwort Nein lautet, sollten wir Israel stark und deutlich verurteilen sowie schnelle und wirksame Schritte gegen Israel unternehmen, einschließlich Handelssanktionen, um das heutige und zukünftige Blutbad in Gaza zu beenden. Ich widerspreche vehement dem hier nicht mehr anwesenden Minister, der gesagt hat, dass wir in Wirklichkeit nur sehr wenig tun könnten. Wir können viel tun, und wir müssen.

 
  
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  Christopher Beazley (PPE-DE). - Herr Präsident! Ich wurde vor 25 Jahren in dieses Haus gewählt. Dies ist möglicherweise die wichtigste Aussprache, an der ich teilgenommen habe. Frau Kommissarin, ich hoffe, dass Sie vergangene Nacht dem Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten und heute diesem Parlament aufmerksam zugehört haben. Ich hoffe, dass Sie im Gegensatz zum amtierenden Präsidenten Schwarzenberg in der Aussprache antworten, dass es eine moralische Macht gibt, die die Europäische Union auf den Aggressor in diesem besonderen Fall ausüben kann.

Das israelische Volk ist ein gerechtes und ehrenhaftes Volk, das auf diesem Kontinent jahrhundertelang furchtbar gelitten hat. Es wird Ihre Empfehlung an den Ministerrat verstehen, nämlich dass die EU von jeglichen Kontakten zu den israelischen Behörden zurücktreten sollte, bis sie die Bombardierung einstellen.

 
  
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  Antonio Masip Hidalgo (PSE).(ES) Herr Präsident! Wir müssen Israel entschlossen dazu auffordern, das Töten zu beenden und die Behandlung der Verwundeten sowie die Versorgung der Opfer zuzulassen. Es muss Israel gesagt werden, dass seine Einstellung gegenüber dem Völkerrecht Folgen für seine Beziehungen zu Europa haben wird.

Ich möchte die wenigen jungen europäischen freiwilligen Helfer loben, die zusammen mit den Menschen in Gaza leiden, im Besonderen Alberto Arce. Sie repräsentieren im besten Sinne Werte wie Solidarität und Freiheit, die unserem Europa, das in einem solchen furchtbaren Konflikt entsprechend handeln muss, zu Grunde liegen.

 
  
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  Margrete Auken (Verts/ALE). - (DA) Herr Präsident! Ich möchte nur zwei Dinge sagen. Erstens möchte ich jeden daran erinnern, dass unser Beschluss ausdrücklich bekundet und bekräftigt, dass wir unsere Unterstützung für den Ausbau der Beziehungen auf Eis gelegt haben, und ich hoffe sehr, dass wir nicht einfach so weitermachen, als sei nichts geschehen, nur weil die Präsidentschaft dies sagt. Zweitens hat Israel sich nie an das gehalten, was es in Zusammenhang mit den Verhandlungen versprochen hat. Es gab keinen Waffenstillstand, weil Israel während dieser Zeit seine Blockade nicht wirklich aufgehoben hat, und ich denke, dass ich auch Annapolis erwähnen muss, wo Israel versprochen hat, die Siedlungstätigkeit einzufrieren. Was ist tatsächlich passiert? Israel hat das Tempo des Siedlungsbaus einfach erhöht. Nie wurde der Siedlungsbau schneller vorangetrieben, als es seit Annapolis der Fall ist, und ich glaube, dass solange vor Ort kein Fortschritt erzielt wird, wir die Hamas niemals dazu bekommen werden, in Einklang mit den von uns gewünschten Regeln zu handeln, und dass wir aus diesem Grund sicherstellen müssen, dass Israel seinen Teil der Abmachung einhält.

 
  
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  Peter Šťastný (PPE-DE). - Herr Präsident! Wir hatten gestern ein gemeinsames Treffen der Delegation für die Beziehungen zu Israel und der Delegation für die Beziehungen zum Palästinensischen Legislativrat, und nach 18 Tagen des Krieges in Gaza und etwa 1 000 Toten man kann sich die Intensität, die Emotionen und die Anschuldigungen vorstellen – auch die vorgeschlagenen Lösungen.

Fakt ist, dass Israel nach acht Jahren des Wartens und des Beschusses durch etwa 8 000 Raketen, die eine Million Bürger entlang der Gaza-Grenzen terrorisiert haben, schließlich die Geduld ausgegangen ist. Sie haben begonnen, die Sicherheit ihrer Bürger zu gewährleisten, so wie es ihr volles Recht und ihre Pflicht ist. Die Hamas ist eine terroristische Organisation, die klare Schuldige und eine Last für das palästinensische Volk in Gaza. Die Lösung liegt in einem gestärkten Nahost-Quartett und vor allem in der Verdopplung der gemeinsamen Anstrengungen zwischen der neuen US-Regierung und einer stärkeren sowie stärker integrierten EU.

Ich begrüße die tschechische Präsidentschaft, ihre Prioritäten und ihr unmittelbares und aktives Engagement in der Region.

 
  
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  Marian-Jean Marinescu (PPE-DE) . – (RO) Dieser seit sehr langer Zeit anhaltende Konflikt basiert auf gebietsbezogenen Problemen sowie auf kulturellen Differenzen, die manchmal übertrieben behandelt werden. Die langfristige Lösung ist ein geschützter, sicherer israelischer Staat neben einem zukunftsfähigen palästinensischen Staat. Diese Lösung kann jedoch nicht durch Terroranschläge oder bewaffnete Maßnahmen erzielt werden.

Zur Ermöglichung eines normalen Lebens muss das palästinensische Volk einen Staat für sich selbst errichten, der auf demokratischen Institutionen und Rechtsstaatlichkeit basiert, wodurch eine wirtschaftliche Entwicklung gewährleistet sein würde. Es muss sich von terroristischen Handlungen abwenden und sich darauf konzentrieren, ein normales politisches Klima zu schaffen, das die Wahl von Politikern ermöglicht, die den Staat führen und die diesen Konflikt wirklich über Verhandlungen lösen möchten.

 
  
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  Bairbre de Brún (GUE/NGL). (GA) Herr Präsident! Ich möchte diejenigen unterstützen, die diese Angriffe verurteilen, und meine Solidarität mit den Menschen in Gaza ausdrücken.

Herr Minister Schwarzenberg sagt, dass die Europäische Union nicht viel tun könne. Die Europäische Union sollte den Ausbau der Beziehungen zu Israel einstellen, und die derzeit geltenden Abkommen sollten außer Kraft gesetzt werden, bis Israel seinen Pflichten im Rahmen des Völkerrechts nachkommt.

Auch vor den jüngsten unmoralischen Angriffen haben wir Jahre der Kollektivstrafe des palästinensischen Volkes erlebt. Das Ausmaß und die Art der Angriffe gegen Gaza, die eine moderne Armee gegen ein belagertes Volk verübt, das als Folge von Isolation und Belagerung bereits schwach ist, sind absolut grauenhaft. Genau diesem Volk die Schuld zu geben, war Unrecht. Wir müssen klar und deutlich sagen, dass die größten Opfer hierbei Menschen sind, das unschuldige Volk von Gaza.

 
  
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  Czesław Adam Siekierski (PPE-DE). - (PL) Wir verfolgen die Geschehnisse im Gaza-Streifen mit größtem Schmerz. Wir unterstützen die Kampf- und Provokationsmethoden der Hamas nicht; aber Israel hat sich für ein unverhältnismäßiges Mittel entschieden, um den Konflikt mit dem palästinensischen Volk zu lösen. Es hat einen eindeutigen Verstoß gegen die Grundsätze des Völkerrechts gegeben. Keine der Konfliktparteien ist an einem Frieden für die andere Partei interessiert. Beide Parteien sehen nur ihr eigenes Interesse: Dies ist nationaler Egoismus.

Die internationale Meinung ist gegen die Fortführung des Kriegs. Die Europäische Union und die Vereinten Nationen, unterstützt durch viele Länder, sollten entschieden eingreifen. Es ist an der Zeit, diesen bedauernswerten Krieg zu beenden. Die israelischen Truppen sollten in ihre Kasernen zurückkehren. Die Hamas muss damit aufhören, Raketen auf Israel abzufeuern. Wir müssen noch dringender humanitäre Hilfe für die Zivilbevölkerung gewährleisten und uns um die Opfer kümmern, deren Zahl sich auf etwa 3 000 belaufen soll. Wir müssen das Land aufbauen und es dabei unterstützen, zum normalen Leben zurückzukehren. Dies ist das Szenario, das ich von der Führung der Europäischen Union und der Europäischen Kommission fordere.

 
  
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  Hannes Swoboda (PSE). - Herr Präsident! Ich möchte nur fragen, ob wir heute noch eine Aussprache über Gas führen werden oder ob das Thema von der Tagesordnung gestrichen worden ist. Wir warten hier. Es steht nicht nur eine Aussprache über den Nahen Osten auf der Tagesordnung, sondern auch eine über Gas. Wurde sie von der Tagesordnung gestrichen?

 
  
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  Der Präsident. – Sie ist der nächste Punkt auf der Tagesordnung.

 
  
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  Aurelio Juri (PSE). - (SL) Ich war enttäuscht über die letzte Mitteilung des Außenministers der Tschechischen Republik, dem aktuellen Vorsitz des Rates. Natürlich können wir all unsere Hoffnungen in unsere Kommissarin setzen. Aber die Zahl der Todesopfer nimmt zu. Wenn wir weiterhin in dieser Weise reden, werden in einer Woche möglicherweise 1 500 Menschen tot sein.

Mit der Hamas zu sprechen, ist schwierig. Sie steht auf der Liste terroristischer Organisationen, und es schwierig, Maßnahmen gegen sie zu ergreifen. Israel hingegen ist unser Freund; Israel ist unser Partner und ein wichtiges Mitglied der internationalen Gemeinschaft. Israel muss sich an internationale Beschlüsse, an die Resolutionen der Vereinten Nationen und auch an die Empfehlungen seiner Freunde und Partner halten. Andernfalls müssen Israels Freunde und Partner seine Handlungen verurteilen und ihm auch mit Sanktionen drohen können.

 
  
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  Benita Ferrero-Waldner, Mitglied der Kommission. − Herr Präsident! Ich werde mich kurz fassen, weil diese Aussprache sehr lang war. Lassen Sie mich als jemand, der seit nunmehr vier Jahren Mitglied des Nahost-Quartetts ist, als Erstes sagen, dass die Europäische Union eine Rolle zu spielen hat; aber natürlich haben wir nicht die stärkste Rolle zu spielen. Dies ist manchmal für uns alle frustrierend, vor allem in einem so schwierigen Moment, wenn man einen wie den von uns vorgeschlagenen dauerhaften und nachhaltigen Waffenstillstand sofort erreichen möchte, dieser jedoch leider nicht so schnell erreicht werden kann.

Ich möchte Ihnen – zumindest vorläufig – die neuesten Informationen geben, die ich gerade erhalten habe und die in den Nachrichten sind. Diesen zufolge berichten eng mit den Verhandlungen in Verbindung stehende Quellen in Ägypten, dass die Hamas auf die neuesten ägyptischen Vorschläge positiv reagiert. In jedem Fall gibt es Bewegung. Ich bin mir noch nicht sicher, ob dies wirklich bestätigt ist; aber es wird am Abend um 20.00 Uhr auch eine Hamas-Pressekonferenz geben. Hoffentlich kommen die Dinge voran. Zumindest möchten wir dies alle.

Zweitens haben wir trotz all der Frustration keine andere Möglichkeit, als weiterhin am Frieden zu arbeiten. Genau dies werden wir tun. Solange ich Mitglied dieses Nahost-Quartetts bin, setze ich mich hierfür ein. Wir können dies nur zusammen erreichen, und wir müssen auch die palästinensischen Bemühungen um eine Aussöhnung unterstützen und fördern, weil es nur dann möglich sein wird, die Anomalie von Gaza gänzlich zu vermeiden.

Drittens werden wir versuchen, sobald es einen Waffenstillstand gibt, alles Erdenkliche zu unternehmen, um die stark beeinträchtigte Grundversorgung für die Bevölkerung wieder vollkommen herzustellen. Ich denke, dass es jetzt vor allem erforderlich ist, dieser Zerstörung ein Ende zu setzen und den Wiederaufbau anzustreben sowie zu versuchen, Frieden herbeizuführen.

Wir haben dies ausführlich besprochen, sodass ich nicht ausschweifen möchte; aber dies ist meine Vorstellung, und ich hoffe, dass es einen günstigen Moment gibt.

 
  
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  Der Präsident. − Zum Abschluss der Aussprache habe ich gemäß Artikel 103 Absatz 2 der Geschäftsordnung einen Entschließungsantrag(1) erhalten. Die Aussprache ist geschlossen.

Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)

 
  
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  Pedro Guerreiro (GUE/NGL), schriftlich. – (PT) Angesichts der Barbarei gegen das palästinensische Volk im Gaza-Streifen, die von der jüngsten Resolution des UN-Menschenrechtsrates angeprangert und verurteilt wird, ist Folgendes erforderlich und wird Folgendes gefordert:

- eine deutliche Anprangerung der von der israelischen Armee begangenen Menschenrechtsverletzungen und Verbrechen, des Staatsterrorismus Israels;

- eine eindeutige Verurteilung der durch nichts zu rechtfertigenden grausamen Aggression Israels gegen das palästinensische Volk;

- ein Ende der Aggression und der der Bevölkerung des Gaza-Streifens auferlegten unmenschlichen Blockade;

- dringende humanitäre Hilfe für die palästinensische Bevölkerung;

- der Rückzug israelischer Truppen aus allen besetzten palästinensischen Gebieten;

- die Achtung des Völkerrechts und der UN-Resolutionen durch Israel sowie das Ende der Besetzung, der Siedlungen, der Trennmauer, der Morde, der Festnahmen, der Ausbeutung und der unzähligen Erniedrigungen des palästinensischen Volkes;

- ein gerechter Frieden, der nur durch die Achtung des unveräußerlichen Rechts des palästinensischen Volkes auf einen unabhängigen und souveränen Staat möglich ist, mit den Grenzen von 1967 und Ostjerusalem als Hauptstadt!

In Palästina gibt es einen Besiedler und einen Besiedelten, einen Aggressor und ein Opfer, einen Unterdrücker und einen Unterdrückten sowie einen Ausbeuter und einen Ausgebeuteten. Israel darf nicht ungestraft weitermachen!

 
  
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  Tunne Kelam (PPE-DE), schriftlich. Die Reaktion auf den Konflikt in Gaza muss ausgewogener sein, als es derzeit der Fall ist. Keine übermäßige Gewalt kann entschuldigt werden; dennoch müssen wir den Ursprüngen des Konfliktes tiefer auf den Grund gehen.

Verhandlungen mit der Hamas, so wie sie jetzt ist, sind nicht möglich. Eine terroristische Gruppierung, die das eigene Volk zynisch als Schutzschild gegen Angriffe benutzt, ist nicht an der Aushandlung eines echten Friedens interessiert.

Wir müssen außerdem berücksichtigen, dass die Hamas eine wichtige Rolle in der Kette terroristischer Bewegungen eingenommen hat, die zur Hisbollah und zu dem terroristischen Regime in Teheran führen. Die Hamas muss somit als Teil weitreichender Bestrebungen betrachtet werden, die fragile Stabilität im Nahen Osten zu zerstören und sie durch fundamentalistische, extremistische Regime zu ersetzen, die Israel grundsätzlich kein Existenzrecht zuerkennen.

Wir müssen wirklich begreifen, dass die Frage der Sicherheit Israels auch mit der Sicherheit der EU verknüpft ist.

Die EU muss ihre Autorität geltend machen, um vor allem die Wurzeln des Konflikts anzugehen. Um die weitere Tötung von Arabern und Israelis zu vermeiden, müssen die arabischen Partner Israels Existenzrecht uneingeschränkt anerkennen und dazu beitragen, das Eindringen extremistischer Bewegungen und noch weiterer tödlicher Waffen in die Region aufzuhalten.

 
  
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  Eija-Riitta Korhola (PPE-DE), schriftlich. (FI) Herr Präsident! Es ist eine unbestreitbare Tatsache, dass die Zivilbevölkerung in Gaza und im südlichen Israel des Rechts auf eine menschenwürdige Existenz beraubt worden ist. Eine Nachrichtenagentur erzählte die Geschichte von zwei Kindern, die in Gaza die Straße überqueren wollten. Sie schauten nicht nach links oder rechts, um zu sehen, ob etwas kommt: Sie schauten nach oben, weil sie Angst davor hatten, was vom Himmel herunterkommen könnte.

Was die massive humanitäre Krise in Gaza angeht, so gibt es eindeutig zwei schuldige Parteien. Das verantwortungslose Handeln der Hamas in den palästinensischen Gebieten, die feige Art und Weise, wie sie sich in der Zivilbevölkerung versteckt, und die mit ihren Raketenangriffen hervorgerufene Provokation deuten auf die mangelnde Tragfähigkeit der palästinensischen Regierung hin. Israels unverhältnismäßiger Angriff gegen die bereits schwache und verzweifelte palästinensische Enklave ist ein weiteres Zeichen für seine Gleichgültigkeit gegenüber internationalen humanitären Verpflichtungen.

Wir müssen ein Ende dieses Wahnsinns fordern, und zwar in Form eines sofortigen und dauerhaften Waffenstillstands. Als ersten Schritt sollte Israel humanitäre Hilfe nach Gaza zulassen, wo eine Verbesserung der Lebensbedingungen auf lange Sicht auch einen der Wege zum Frieden darstellen würde.

Das Nahost-Quartett muss einen Schritt in die richtige Richtung tun, wobei die neue US-Regierung den Weg weist. Ägypten hat aufgrund von Grenzangelegenheiten eine besondere Verantwortung, und seine Rolle als Vermittler zusammen mit der Union hat uns Hoffnung gegeben.

Die Weltgeschichte zeigt, dass das Streben nach Frieden sich am Ende auszahlt. Wir können uns nicht an den Gedanken eines ungelösten Konflikts gewöhnen, uns daran anpassen oder diesem nachgeben, weil es so etwas nicht gibt. Dem Friedensnobelpreisträger Martti Ahtisaari zufolge ist Frieden eine Frage des Willens. Die internationale Gemeinschaft kann versuchen, diesen Willen zu stärken und zu fördern; aber nur die betroffenen Parteien können ihn entwickeln und dauerhaften Frieden herstellen.

Frau Kommissarin, ich bitte Sie, die folgende Botschaft Europas entgegenzunehmen: „Menschen im Heiligen Land, zeigt, dass ihr Frieden möchtet!“

 
  
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  Mairead McGuinness (PPE-DE), schriftlich. Irgendetwas stört an einer Welt, die scheinbar hilflos ist, wenn sie Kinder davor retten soll, im Krieg in Stücke gerissen zu werden.

Trotz all der Worte hat die Bombardierung von Gaza, die bisher zum Tod von 139 Kindern und zu 1 271 Verletzten geführt hat, nicht nachgelassen. Diese schockierenden Zahlen werden traurigerweise zunehmen.

Die Raketenangriffe der Hamas gegen Israel haben zur gewünschten Reaktion geführt: Gegenangriffe, Verluste unter der Zivilbevölkerung und stärker festgefahrene Positionen.

Ich verurteile es, dass unschuldige Zivilisten als menschliche Schutzschilde benutzt werden. Dies muss aufhören!

Ich mache keine Schuldzuweisungen. Es gibt auf beiden Seiten Unrecht; aber ich unterstreiche die Notwendigkeit eines sofortigen und wirksamen Waffenstillstands.

Es ist unbedingt notwendig, den ungehinderten Zugang für humanitäre Hilfe nach Gaza unverzüglich zu ermöglichen.

Würde die Menschheit doch bloß die Sinnlosigkeit solcher Kriege erkennen!

Jedes Bild von den Toten in Gaza erzürnt die Menschen in der arabischen Welt, und ich mache mir Sorgen, dass der wesentliche Grundsatz des Friedensprozesses im Nahen Osten schwindet: die so genannte Zweistaatenlösung, ein unabhängiger palästinensischer Staat, der in Frieden neben Israel besteht. Es obliegt der internationalen Gemeinschaft, ihre Anstrengungen zu verdoppeln, um eine Lösung zu finden.

 
  
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  Esko Seppänen (GUE/NGL), schriftlich. (FI) Wir alle werden jetzt Zeugen des von israelischen Soldaten in Gaza an Zivilisten verübten massiven Gemetzels. Wir – oder genauer gesagt, viele Mitglieder auf der rechten Seite – verschließen unsere Augen vor dem, was gerade passiert. Wenn die rechtsstehende Elite in den Vereinigten Staaten von Amerika und in der EU ihre Augen nicht verschließen würde, könnte dies nicht passieren. Die, die ihre Augen verschließen, sind auch die, die die Mörder von Zivilisten aufrüsten.

Es ist an der Zeit, dass wir es in Betracht ziehen, die diplomatischen Beziehungen zu den für Völkermord und ethnische Säuberung Verantwortlichen einzustellen.

 
  
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  Csaba Sógor (PPE-DE), schriftlich. – (HU) Die Lage im Nahen Osten erfüllt mich mit Sorge. Was muss erst passieren, damit es Frieden gibt? Wie viele zivile Opfer werden nötig sein, bevor es einen echten Waffenstillstand gibt? In Bosnien und Herzegowina waren mindestens 10 000 nötig, damit die Friedensverhandlungen beginnen, Friedenstruppen vor Ort eintreffen und die Abrüstung beginnen konnte.

Vor einigen Tagen haben wir der Zerstörung von Nagyenyed (Aiud) gedacht. Vor 160 Jahren wurden mehrere Tausende unschuldige Zivilisten, einschließlich Frauen und Kinder, in dieser transsilvanischen Stadt und ihrer Umgebung massakriert. Seither ist es nicht möglich gewesen, diesen Opfern zusammen mit der Mehrheit der Bevölkerung zu gedenken.

Es kommt möglicherweise eine Zeit, wenn Israelis und Palästinenser nicht nur der gegenseitigen Opfer gedenken, sondern sich zusammentun, um einen dauerhaften Frieden und eine Zukunft zu schaffen.

Bis dahin besteht die Aufgabe der Europäischen Union darin, als verantwortungsvolles Beispiel zu dienen. Es gibt für uns eine Menge zu tun, um auch innerhalb Europas Frieden zu schaffen. Wir brauchen eine Zusammenarbeit zwischen gleichberechtigten Mehrheiten und Minderheiten. Zumindest müssen wir uns vereinen, um der Opfer zu gedenken. Es gibt in der EU im Bereich der Achtung der Rechte von Einzelnen und Minderheiten noch viel zu tun.

 
  
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  Andrzej Jan Szejna (PSE), schriftlich. (PL) Das Europäische Parlament hat während der Plenartagung im Januar eine Entschließung zum Konflikt im Gaza-Streifen angenommen. Beide Konfliktparteien wurden zur Umsetzung eines sofortigen und dauerhaften Waffenstillstands sowie der Einstellung der militärischen Aktivitäten (der Militäraktion Israels und der Raketen der Hamas) aufgefordert, die eine Zeit lang die Unterstützung und humanitäre Hilfe für die Bürger des vom Konflikt betroffenen Gebietes verhindert hatten.

Es hat bereits Tausende von Opfern gegeben, mit Zivilisten, einschließlich Frauen und Kinder, die seit fast drei Wochen leiden. Es mangelt an grundlegenden Dingen wie Trinkwasser und Lebensmitteln. UN-Einrichtungen sind angegriffen worden.

Die Entschließung fordert die Einhaltung des Völkerrechts, wodurch der bestehende Konflikt gelöst würde. Israel ist unser Freund und hat das Recht, sich als Staat zu verteidigen; aber es muss nachdrücklich gesagt und unterstrichen werden, dass die von ihm in diesem Fall eingesetzten Mittel äußerst unverhältnismäßig sind. Israel muss mit der Hamas Gespräche führen, verhandeln, weil die bisherigen Methoden nicht funktioniert haben.

Die Europäische Union steht ebenfalls vor einer schwierigen Aufgabe: Sie muss Mechanismen finden, die zu Dialog und Verständnis zwischen den Parteien führen, wodurch es möglich sein wird, den Konflikt so schnell wie möglich dauerhaft zu beenden.

 
  

(1)Siehe Protokoll.


9. Gaslieferung Russlands an die Ukraine und in die EU (Aussprache)
Video der Beiträge
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  Der Präsident. – Als nächster Punkt folgen die Erklärungen des Rates und der Kommission zu den Gaslieferungen Russlands an die Ukraine und in die EU.

 
  
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  Alexandr Vondra, amtierender Präsident des Rates. − Herr Präsident! Der Rat möchte dem Europäischen Parlament dafür danken, dass es diesen Punkt auf die Tagesordnung seiner ersten Tagung dieses Jahres gesetzt hat. Wahrscheinlich stimmen Sie mir darin zu, dass die tschechische Präsidentschaft bemerkenswerte Weitsicht bewiesen hat, als sie die Energieversorgungssicherheit als einen der Eckpfeiler bzw. eine der Prioritäten unserer Präsidentschaft für dieses Jahr festlegte.

Die Europäische Union steht als Folge des Streits zwischen den Russen und den Ukrainern sowie zwischen den Unternehmen Gazprom und Naftogaz zweifellos vor einer größeren Unterbrechung der Gasversorgung. Das Ausmaß dieser Lieferkürzung beläuft sich derzeit auf etwa 30 % der gesamten Gasimporte der Gemeinschaft. Daher ist dies eine Situation, der wir nicht einmal in den Jahren des Kalten Krieges ausgesetzt waren: Wir stehen heute vor der vollständigen Sperre.

Der Rat und die Kommission waren sich dieses potenziellen Problems bewusst. Wie Sie wissen, standen wir vor drei Jahren, 2006, vor einer ähnlichen Situation. Dies ist ein mehr oder weniger Jahr für Jahr wiederkehrendes Problem, weil Russland jedes Jahr die Preise des von ihm in seine Nachbarländer exportierten Gases in Richtung des Marktniveaus erhöht. Daher waren wir angesichts der starken Abhängigkeit der Gemeinschaft von russischem Gas sehr wachsam. In der Tat sind einige Mitgliedstaaten zu ungefähr 100 % von dem von Russland gelieferten Gas abhängig.

Ich möchte vor allem die schwierige Situation hervorheben, in der sich Länder wie Bulgarien oder die Slowakei befinden. Darin finden wir auch eine Erklärung dafür, weshalb dies beispielsweise in den mittel- und osteuropäischen Ländern das Problem Nummer eins ist: Die Menschen frieren, und dies ist auf den Titelseiten der Zeitungen zu finden. Ich weiß, dass in einigen anderen Ländern, die diesem Problem nicht zu einem solchen Grad gegenüberstehen, die Situation wahrscheinlich anders ist, zumindest in Bezug auf PR.

Diesmal haben wir bereits am 18. Dezember 2008 über den EU-Russland-Frühwarnmechanismus eine offizielle Warnung von Russland erhalten, dass es zu einem Problem kommen könnte, wenn die laufenden Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland zu keiner Einigung über Preise, Transitgebühren und die Zahlung der Schulden führen. Aus diesem Grund haben uns die Geschehnisse nicht überrascht. Überrascht haben uns jedoch das Ausmaß und die Intensität der Kürzung.

Aus diesem Grund fanden vor dem 1. Januar 2009 Kontakte auf höchster Ebene statt, um die Unterbrechung der Versorgung zu verhindern. Die tschechische Präsidentschaft hatte die Lage vor Beginn des Jahres gut überwacht. Ich persönlich hatte mich bereits zwei Tage vor Heiligabend mit offiziellen Vertretern Russlands getroffen.

Die Kommission ergriff entsprechende Vorsichtsmaßnahmen, um die Entwicklung während der Feiertage zu verfolgen, und teilte ihre Informationen Anfang Januar mit der Koordinierungsgruppe „Erdgas“. Sowohl vor als auch nach dem 1. Januar 2009 wurde der Präsidentschaft als auch der Kommission – in enger Zusammenarbeit mit Andris Piebalgs – von beiden Akteuren zugesichert, dass die Gaslieferungen in die EU nicht betroffen sein würden.

Wie Sie wissen, steht die tschechische Präsidentschaft zusammen mit der Kommission und mit der Unterstützung einiger Mitgliedstaaten sowohl mit den Ukrainern als auch mit den russischen Gasunternehmen in Kontakt und ist mehrmals dorthin gereist, um sich mit beiden Seiten zu treffen.

Wir haben bei diesen Kontakten nicht versucht, einer Seite die Schuld zu geben, Partei zu ergreifen oder gar zu vermitteln, da dies ein Handelsstreit ist. Wir haben stattdessen beiden Parteien gegenüber den Ernst der Lage betont und die Tatsache hervorgehoben, dass die Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit Russlands als Lieferland sowie der Ukraine als Transitland eindeutig Schaden genommen haben. Als die Lage noch ernster wurde, haben wir, was die Gaslieferungen in die Gemeinschaft angeht, auch als „Moderator“ fungiert – eine von beiden Parteien sehr gewürdigte Rolle, weil sie überhaupt nicht mehr miteinander sprachen.

Lassen Sie mich kurz zusammenfassen, was seit dem frühen Morgen des 1. Januar 2009 – Neujahr – passiert ist. Am 1. Januar 2009 verkündete Russland, dass es die Gaslieferungen an die Ukraine eingestellt habe, während die Lieferungen in die EU in vollem Umfang beibehalten würden. Am gleichen Tag gaben die tschechische Präsidentschaft und die Kommission eine Stellungnahme ab und forderten von beiden Seiten, nach einer schnellen Lösung zu suchen und ihre vertraglichen Verpflichtungen gegenüber den Verbrauchern in der EU zu erfüllen.

Am 2. Januar 2009, als klar wurde, dass allmählich die Lieferungen in die EU beeinträchtigt werden, gab die tschechische Präsidentschaft im Namen der EU eine offizielle Erklärung ab, und früh am Morgen desselben Tages empfingen wir in Prag eine von Energieminister Juri Prodan geleitete ukrainische Delegation. Diese setzte sich aus allen Teilen des ukrainischen politischen Spektrums zusammen, darunter der Berater von Präsident Juschtschenko, Vertreter von Naftogaz und Vertreter des Außenministeriums.

Am 3. Januar 2009 hatten wir in Prag ein Mittagessen mit Alexander Medwedew, dem Generaldirektor von Gazexport, und ich nahm an beiden Treffen persönlich teil. Beide Treffen enthüllten einen erheblichen Mangel an Transparenz in Bezug auf die Verträge zwischen Gazprom und Naftogaz und vor allem einen Mangel an Vertrauen, wodurch ein Fortschritt beim Erzielen einer Einigung verhindert wird. Beide Seiten erzählten bezüglich bestimmter Themen eine vollkommen andere Geschichte, sodass dies für uns der Moment war, das Überwachungsthema voranzubringen.

Im Bestreben, dieses Problem der unterschiedlichen Sichtweisen zu lösen, kam die Idee einer gemeinsamen Erkundungsmission der Präsidentschaft und der Kommission, geleitet vom tschechischen Minister für Industrie und Handel, Martin Říman, und von Matthias Ruete, dem Generaldirektor der GD Energie und Verkehr, auf, und sie erhielt das Mandat, dies über eine außerordentliche AStV I-Tagung zu tun, die wir am 5. Januar 2009 einberiefen, dem ersten Arbeitstag nach den Feiertagen.

Die Mission brach nach Kiew auf. Sie besuchten auch die Verteilzentrale und reisten dann am nächsten Tag nach Berlin, um sich am 6. Januar 2009 mit dem Vertreter von Gazprom zu treffen. Außerdem wurde am 6. Januar 2009, als die Gaslieferungen in mehrere EU-Mitgliedstaaten stark gekürzt wurden und dies zu einer größeren Unterbrechung der Versorgung führte, eine sehr klare Erklärung seitens der Präsidentschaft und der Kommission abgegeben, die beide Seiten zur unverzüglichen und uneingeschränkten Wiederaufnahme der Gaslieferungen in die EU aufrief. Die Präsidentschaft und die Kommission bemühten sich dann um eine schnelle politische Einigung zwischen der Russischen Föderation und der Ukraine, um die unverzügliche Wiederaufnahme der Gaslieferungen zu ermöglichen. Die Gaslieferungen waren auch das Thema Nummer eins beim Treffen der Europäischen Kommission mit der tschechischen Regierung, traditionell die strategische Tagung, am 7. Januar 2009 in Prag, und dominierten auch die erste von uns in der Tschechischen Republik organisierte informelle Ratstagung: die informelle Tagung des Rates für allgemeine Angelegenheiten vergangenen Donnerstag in Prag. Wieder hatten wir uns vorgenommen, die Energieversorgungssicherheit im Voraus zu diskutieren; aber wir mussten natürlich schnell reagieren und nahmen daher eine klare Erklärung seitens der Präsidentschaft im Namen der EU an, die von allen befürwortet wurde.

Nach dem vollständigen Stillstand der Lieferung des durch die Ukraine geleiteten Gases am 7. Januar 2009, mit schweren Folgen für die Mitgliedstaaten mit wenig Möglichkeiten zum Ausgleich der Kürzung, erhöhten wir den Druck und brachten beide Seiten nach langwierigen und schwierigen Verhandlungen dazu, der Entsendung eines aus unabhängigen EU-Experten bestehenden und von Beobachtern beider Seiten begleiteten Überwachungsteams zuzustimmen. Dieses Team wurde mit einer unabhängigen Überwachung des durch die Ukraine in die EU geleiteten Gases beauftragt und wird in beiden Ländern eingesetzt. Russland hatte die Überwachung als Bedingung für die Wiederaufnahme der Gaslieferungen festgelegt.

Die Entsendung dieser Mission war, wie Sie wahrscheinlich beobachtet haben, nicht leicht zu erreichen. Zunächst musste der Widerstand der Ukrainer, einen russischen Experten in die Überwachungsmission einzubeziehen, gebrochen werden. Dann wurde ein von der Ukraine einstimmig zu dem von unserer Präsidentschaft mühsam ausgehandelten Abkommen hinzugefügter Anhang von Russland abgelehnt.

Nach etlichen Reisen von Ministerpräsident Topolánek nach Kiew und Moskau und nach schwierigen Verhandlungen mit Präsident Juschtschenko, Ministerpräsidentin Timoschenko sowie Ministerpräsident Putin in Moskau wurde das Abkommen schließlich am 12. Januar unterzeichnet. Es schuf eine Rechtsgrundlage für die Entsendung der Beobachter und forderte die Wiederaufnahme der russischen Gaslieferungen in die EU. Russland kündigte dann an, dass die Lieferung am 13. Januar, um 08.00 Uhr morgens, wiederaufgenommen werden würde. Dann aber – ich weiß nicht, ob es der 13. Januar war – verlief der Fortschritt nicht wie erwartet.

Am Montag, dem 12. Januar, beriefen wir, die tschechische Präsidentschaft, eine Sondertagung des Rates der Energieminister ein, um nachdrücklich mehr Transparenz bezüglich transitbezogener Themen zu fordern, um bis zur vollständigen Wiederaufnahme der Lieferungen zu ergreifende kurzfristige Ausgleichsmaßnahmen festzulegen sowie um mittel- bis langfristige Maßnahmen festzulegen, die benötigt werden, um die Folgen einer solchen größeren Unterbrechung in Zukunft zu verhindern.

Der Rat nahm außerdem die im Dokument 5165 reflektierten Schlussfolgerungen an, worin von beiden Seiten gefordert wurde, die Gaslieferungen in die EU unverzüglich wiederaufzunehmen und Lösungen auszuarbeiten, die eine Wiederholung verhindern. Außerdem hat der Rat in diesen Schlussfolgerungen vereinbart, dringend verstärkte mittel- und langfristige Maßnahmen unter anderem in Bezug auf die Transparenz der physischen Gasversorgungsströme, der Nachfrage und der Speichermengen sowie in Bezug auf regionale oder bilaterale Solidaritätsvereinbarungen zu erarbeiten, das Thema der fehlenden Vernetzungen der Energieinfrastrukturen (ein großes Problem) anzugehen, den Transportweg und die Bezugsquellen weiter zu diversifizieren, sich mit den diesbezüglichen Finanzierungsaspekten zu befassen und außerdem die Überprüfung der Richtlinie zur Sicherung der Erdgasversorgung zu beschleunigen.

Ein weiteres Treffen der Koordinierungsgruppe „Erdgas“ am Montag, dem 19. Januar, ist jetzt wahrscheinlich.

Der Energierat, der Rat „Verkehr, Telekommunikation und Energie“, wird das Thema bei seiner geplanten Tagung am 19. Februar über die Schlussfolgerungen, die er zur Mitteilung der Kommission über die Zweite Überprüfung der Energiestrategie annehmen wird, wieder aufgreifen.

Diese Schlussfolgerungen und die Mitteilung der Kommission werden bei der Tagung des Europäischen Rates im März diskutiert werden, die ihre Aufmerksamkeit zweifellos den Ereignissen der vergangenen Wochen widmen wird.

Erlauben Sie mir auch, in dieser einleitenden Erklärung einige abschließende Bemerkungen zu machen. Erstens: Das Hauptziel der Präsidentschaft im jüngsten Streit ist die unverzügliche Wiederaufnahme der Gaslieferungen im vereinbarten Umfang. Wie wir alle wissen, ist der Streit noch nicht vorbei. Daher ist es äußerst wichtig, dass die EU nicht in die bilateralen Streitigkeiten zwischen Gazprom und Naftogaz verwickelt wird.

Zweitens: Sowohl die Präsidentschaft als auch die Kommission fordern weiterhin beide Parteien zu einem Dialog auf, um einen Kompromiss zu erreichen, innerhalb dessen die Gaslieferungen in die EU wiederaufgenommen werden könnten. Die Nichteinhaltung des Abkommens vom 12. Januar seitens Russlands oder der Ukraine wäre nach Ansicht der Präsidentschaft und der Kommission inakzeptabel. Die Bedingungen für die Wiederaufnahme der Lieferung – wie im Abkommen festgelegt – sind erfüllt worden, und es gibt keinen Grund dafür, die Lieferung nicht in vollem Umfang wiederaufzunehmen.

Die Präsidentschaft ist sich der Zahl der fortbestehenden Probleme genau bewusst. Diese müssen angegangen werden, da andernfalls die Unsicherheit bezüglich des durch die Ukraine geleiteten russischen Gases bleiben wird.

Erstens gibt es das Problem des technischen Gases, das die Ukraine benötigt, um ihr Transitsystem in Gang zu halten. Es ist notwendig, dass beide Seiten eine transparente Vereinbarung treffen, in der definiert wird, wer für die Lieferung des technischen Gases verantwortlich ist und wer dafür zahlt.

Zweitens müssen in den Verträgen zwischen Russland und der Ukraine über Gaspreise und Transitgebühren unbedingt klare und rechtsverbindliche Bedingungen festgelegt werden, die verhindern, dass eine ähnliche Unterbrechung sich wiederholt. Die Präsidentschaft hat zusammen mit der Kommission beide Parteien wiederholt zur Unterzeichnung eines solchen Vertrages aufgefordert. Jedoch beabsichtigen weder wir noch die Kommission, in die Verhandlungen über die Vertragsbedingungen zwischen den zwei Handelspartnern einzugreifen.

Die Präsidentschaft ist sich auch des breiten Konsenses zwischen den Mitgliedstaaten bewusst, dass umgehend kurz-, mittel- und langfristige Lösungen umzusetzen sind, die das Auftreten ähnlicher Situationen zukünftig verhindern würden. Die Energieversorgungssicherheit ist eine der Hauptprioritäten der Präsidentschaft. Die Präsidentschaft hat bei der Leitung der Diskussion über mögliche Lösungen für unsere Energieabhängigkeitsfalle die Führung übernommen: sei es die von mir erwähnte informelle Ratstagung oder die Tagung des Rates „Verkehr, Telekommunikation und Energie“. Von den in den Schlussfolgerungen des Energierates erwähnten Themen möchte ich die im Folgenden genannten erwähnen.

Erstens besteht zwischen den Mitgliedstaaten Einvernehmen darüber, dass die Schaffung eines funktionellen und wirksamen Solidaritätsmechanismus einer der Eckpfeiler der zukünftigen Energieversorgungssicherheit der EU ist.

Zweitens setzt Solidarität Verbindungen zwischen europäischen Energienetzen sowie Verbesserungen in der Energieinfrastruktur voraus.

Drittens ist eine höhere Gasspeicherkapazität für die Funktionsfähigkeit des Solidaritätsmechanismus entscheidend.

Viertens fordert die Präsidentschaft angesichts der aktuellen Krise bis Ende 2009 auch eine Einigung in Bezug auf die Überprüfung der Richtlinie über Maßnahmen zur Gewährleistung der Sicherung der Erdgasversorgung.

Des Weiteren muss die EU ihre Gasbezugsquellen und Versorgungswege diversifizieren. Zu diesem Zweck wird die Präsidentschaft im Mai 2009 den Gipfel „Südlicher Korridor“ organisieren, der greifbare Ergebnisse in Bezug auf die Diversifizierung von Bezugsquellen und Versorgungswegen sowie in Bezug auf die engere Zusammenarbeit mit den Ländern des südlichen Kaukasus sowie Zentralasiens bringen soll.

Die Energieversorgungssicherheit der EU ist erst dann möglich, wenn der Binnenmarkt hinsichtlich der Energieversorgungssicherheit vollständig und funktionsfähig ist. Daher sieht die Präsidentschaft der engen Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament entgegen, um in zweiter Lesung zu einer Übereinkunft über das Dritte Energiepaket zu gelangen.

Die Präsidentschaft ist außerdem bereit, die Diskussionen zur Zweiten Überprüfung der Energiestrategie mit dem Ziel fortzusetzen, die Ergebnisse in den Schlussfolgerungen der Frühjahrstagung des Rates widerzuspiegeln.

Schließlich sollte die EU zur Erhöhung der Energieversorgungssicherheit den Transparenzmechanismus stärken usw.

Ich denke, dass die Gemeinschaft sowohl politisch als auch technisch auf die Situation vorbereitet ist. In politischer Hinsicht hat die Präsidentschaft zusammen mit der Kommission und anderen Mitgliedstaaten erhebliche Anstrengungen zur Lösung der Situation unternommen und wird dies auch weiterhin tun. In technischer Hinsicht haben wir während der letzten Wochen in Einklang mit der Richtlinie über Maßnahmen zur Gewährleistung der Sicherung der Erdgasversorgung gehandelt.

Diese Richtlinie etablierte die Koordinierungsgruppe „Erdgas“, die sich jetzt bewährt. Sie fordert von den Mitgliedstaaten die Vorbereitung nationaler Notfallmaßnahmen für derartige Situationen, legt Mindeststandards für die Sicherheit der Gasversorgung von privaten Haushalten fest und schreibt vor, dass die Koordinierungsgruppe „Erdgas“ die gemeinschaftsweite Koordinierung gewährleisten soll.

Dieser Mechanismus hat bei der Minderung der Folgen der Krise einen beachtlichen Effekt gehabt. Ich möchte Ihnen eine Vorstellung hiervon geben: Gas aus Speichern wurde verwendet und an Nachbarländer und sogar an Mitglieder der Energiegemeinschaft verkauft. Für die Elektrizitätserzeugung wurden alternative Energieträger genutzt. Die Gaserzeugung wurde erhöht, einschließlich der Erzeugung aus algerischen, norwegischen und anderen russischen Quellen. Es wurden zusätzliche Gaslieferungen an Nachbarländer gemacht.

An diesem Punkt höre ich auf. Ich versichere Ihnen, dass sowohl auf politischer als auch auf technischer Ebene alles unternommen wird, um die ukrainischen und russischen Verhandlungsführer dazu zu bringen, die Gaslieferungen nach Europa im vollen vereinbarten Umfang wiederaufzunehmen und die negativen Folgen für unsere Bürger und die Wirtschaft zu minimieren, bis dies der Fall ist. Wie Sie wissen, sind wir alle im Parlament den ganzen Tag in Gesprächen, weil die Zeit davon läuft und wir Ergebnisse haben müssen. Wenn wir keine Ergebnisse haben, wird dies zwangsläufig politische Folgen für unsere Beziehungen zu beiden Ländern haben.

 
  
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  Andris Piebalgs, Mitglied der Kommission. − Herr Präsident! Wir haben es derzeit mit einer der schlimmsten Energiekrisen in der europäischen Geschichte zu tun, die mit den Ölkrisen vergleichbar ist, die wir in den 1970er und 1980er Jahren erlebt haben. Der Unterschied ist, dass die Ölkrisen globale Krisen waren, während es sich bei dieser Krise ziemlich klar um eine EU-Krise handelt.

Wo stehen wir heute? Nun, trotz der Versprechen und des am Montag, dem 12. Januar 2008, zwischen russischen und ukrainischen Ministern, mir selbst und zwei involvierten Unternehmen unterzeichneten Protokolls fließt immer noch kein russisches Gas durch die Ukraine zu den Verbrauchern in der EU.

Die Kommission hat ihren Teil der Abmachung erfüllt: Sie hat ein europäisches Überwachungsteam bereitgestellt, das sich auf wichtige Orte in Russland und in der Ukraine verteilt, um den Betrieb zu beobachten und über dessen Genauigkeit Bericht zu erstatten. Wir konnten innerhalb von 24 Stunden ein aus Beamten der Kommission und Branchenexperten gebildetes Team mobilisieren. Sie waren bereits letzten Samstag in Russland und in der Ukraine, um die Wiederaufnahme der Gaslieferung sofort nach Unterzeichnung des Protokolls zu ermöglichen.

Gestern hat Russland die Gaslieferungen an die Ukraine in relativ kleinen Mengen wiederaufgenommen, die weniger als einem Drittel des normalen Flusses entsprechen, sich aber für die Verwendung eines Einspeisungspunktes entschieden, der dem ukrainischen Unternehmen zufolge schwer zu verwenden ist. Dies hat die Ukraine zum Stopp des Transportes veranlasst. Der Bericht unserer Beobachter bestätigt, dass es technisch schwierig (obwohl nicht unmöglich) war, den Transport unter diesen Bedingungen zu gewährleisten.

Heute hat sich dieselbe Situation leider wiederholt, und die einzige Lösung für die zwei Parteien besteht darin, eine vollständige Koordinierung ihres technischen Betriebs sicherzustellen, sodass die Mengen und Einspeisungspunkte den Erfordernissen des Gastransportsystems entsprechen.

Wenn es keine weitere Koordinierung gibt, wird es keine Gasversorgung geben. Die EU-Beobachter und die Kommission vor Ort versuchen, beide Seiten dazu zu ermutigen, diese technische Einigung zu erzielen.

Gleichzeitig ergreife ich keine Partei. Ich möchte nicht der einen oder der anderen Partei die Schuld geben. Aber es ist sehr klar, dass beide Parteien ihren Ruf als zuverlässige Energiepartner der Europäischen Union verloren haben.

(Beifall)

Was die Entwicklung des letzten Monats angeht, möchte ich sagen, dass die EU sehr schnell reagiert und ihre Bedenken geäußert hat. Beide Parteien wurden von höchstrangigen politischen Führern kontinuierlich dazu angehalten, die Lieferungen unverzüglich wiederaufzunehmen und ihren Verpflichtungen nachzukommen.

Bei regulären Kontakten mit beiden Parteien in früheren Jahren – dabei aus früheren Erfahrungen wissend, dass Vereinbarungen in der Regel in der Nacht vom 31. Dezember zum 1. Januar getroffen werden – haben wir sie stets an Folgendes erinnert: „Bitte finden Sie eine Lösung für Ihre bilateralen Gasangelegenheiten, weil dies unseren Transit beeinträchtigt.“

Nun, leider war dies nicht der Fall. Wir wissen, wo wir heute trotz all dieser Bemühungen stehen, und ich bin der festen Überzeugung, dass die Lösung in den Händen der zwei Parteien liegt. Aber möchten sie eine Lösung? Die Präsidentschaft und die Kommission haben Russland und die Ukraine zur unverzüglichen Wiederaufnahme der Gaslieferungen aufgerufen und tun dies immer noch. Wir haben unseren Teil geleistet. Wir können ganz genau sagen, wohin das Gas geht: Nicht ein Kubikmeter Gas geht in eine andere Richtung, ohne dass wir es bemerken. Ich glaube, dass die von uns ergriffenen Maßnahmen ausreichen.

Wenn jedoch beide Parteien sagen, dass noch andere Maßnahmen erforderlich sind, sind wir dazu bereit, dies zu berücksichtigen, weil ich auch den Mangel an Koordinierung und Kontakten zwischen den beiden Seiten sehe.

Dies ist die unmittelbare Krise. Was nun? Ich weiß, dass jede Lösung, die wir jetzt finden werden, vorläufig ist. Zur Wiederherstellung der Glaubwürdigkeit dieses Transportwegs werden wir eine langfristige Lösung brauchen; daher werden die Kontakte zwischen diesen Parteien auf jeden Fall während der tschechischen Präsidentschaft fortgesetzt. Sie werden jedoch leider auch unter der schwedischen Präsidentschaft fortgesetzt werden müssen.

Ich glaube jedoch, dass wir in der Zweiten Überprüfung der Energiestrategie und mit der vom Parlament und vom Rat zum Energie- und Klimapaket geleisteten Arbeit Antworten für die Versorgungssicherheit geliefert haben. Dies sind die gelieferten Lösungen, und wir können uns nicht auf externe Lieferanten verlassen, die sich leider nicht an ihre vertraglichen Verpflichtungen halten und die Interessen der Verbraucher nicht berücksichtigen.

Ich möchte jedoch vor allem zwei Punkte hervorheben, die sofort angegangen werden müssen.

Der eine Punkt ist die fehlende Vernetzung. Ja, es hat Solidarität gegeben; aber sie wurde in vielen Fällen durch die unzureichende Infrastruktur zur Lieferung von Gas aus vorhandenen Speicheranlagen zu den Orten, wo eine Gasversorgung dringend benötigt wird, behindert. Ich denke, dass die Aussprache über das Konjunkturprogramm, bei der auch die Infrastruktur erwähnt wird, wirklich ein gutes Instrument darstellt, um sich mit diesen Orten zu befassen, weil es nicht immer genügend wirtschaftliches Interesse für die Umsetzung einer solchen Intervention gibt.

Der zweite Punkt ist, dass wir 2004 definitiv eine Chance verpasst haben, als wir über die Richtlinie zur Sicherung der Erdgasversorgung diskutierten. Das Instrument, das vorbereitet wurde, war unzureichend und entsprach nicht den aktuellen Anforderungen. Wir haben den neuen Vorschlagsentwurf für die Richtlinie zur Sicherung der Erdgasversorgung vorbereitet und werden ihn in Kürze vorlegen. Es wird eine Folgenabschätzung vorgenommen, die in den kommenden Wochen hier im Parlament vorgelegt wird.

Ich glaube, dass wir unverzüglich reagieren und wirklich koordinierte Gemeinschaftsmechanismen finden sollten, um auf eine derartige Krise zu reagieren.

Die Präsidentschaft hat wirklich hart gearbeitet, und ich möchte der Präsidentschaft dazu gratulieren, dass sie immer die Führung übernimmt, mit der vollen Unterstützung der Kommission. Ich glaube, dass die Europäische Union in diesen schweren Zeiten bewiesen hat, dass sie mit einer Stimme spricht. Die Europäische Union wird von der Präsidentschaft geführt und von der Kommission unterstützt.

Ich begrüße aber auch alle vom Europäischen Parlament durchgeführten Aktivitäten sehr, weil das Parlament die Basis für eine Einigung bietet. Wenn zwei Parteien keine Gespräche auf Regierungsebene führen, wenn die Unternehmen versuchen, Spiele zu spielen, wer könnte dann für politische Stabilität sorgen? Es ist die breite politische Basis in der Ukraine und in Russland, die miteinander spricht, und ich möchte Herrn Saryusz-Wolski für seine Aktivitäten zur Ermöglichung dieses Meinungsaustausches sowie Präsident Pöttering danken, der sich an der Vermittlung zwischen beiden Parteien beteiligt hat. Die Lösung ist so einfach, wenn sie bloß miteinander sprechen würden.

Daher denke ich, dass diese Aktivitäten sehr wichtig waren, und ich hoffe sehr, dass es nach dem heutigen Treffen im Parlament – weil es von beiden Seiten verfolgt wird – vermehrt Unterstützung für die Lösung des Problems geben wird. Die am meisten leidende Partei ist die Partei, die nicht für diese Krise verantwortlich ist, die Partei, die hinzugekommen ist, um die Angelegenheit zu klären; und diese Klärung kostet die europäischen Steuerzahler und die europäischen Verbraucher Geld.

Aus diesem Grund ist es meiner Meinung nach höchste Zeit, dass das Gas wieder unter stabilen Bedingungen in Richtung der Europäischen Union fließt.

 
  
  

VORSITZ: GÉRARD ONESTA
Vizepräsident

 
  
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  Jacek Saryusz-Wolski, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – Herr Präsident! Diese größere Unterbrechung der Versorgung ist für europäische Bürger, europäische Industrien und europäische Arbeitsplätze dramatisch und kommt noch zur Wirtschaftskrise hinzu. Wir als Parlamentarier dieses Hauses werden alle bei unseren bevorstehenden Europawahlen Fragen dazu beantworten müssen, was wir zum Schutz unserer Industrien, unserer Arbeitsplätze und unserer Bürger unternommen haben.

Entgegen einiger zu Anfang geäußerter Meinungen betrifft das Problem politische und multilaterale Instanzen und ist nicht bilateraler und kommerzieller Natur. Vor drei Jahren, als wir nach der Kürzung der Energielieferungen Russlands die erste Gaskrise erlebten, wurde Europa sich seiner Verwundbarkeit und seiner Grenzen bewusst. Schon damals wurde deutlich, dass wir eine gemeinsame Energieaußenpolitik der EU brauchen.

Unsere Fraktion, die EVP-Fraktion, hat diese Idee von Anfang an unterstützt. Es war unsere Fraktion, die die Führung übernahm, indem sie einen Initiativbericht in Richtung einer gemeinsamen europäischen Energieaußenpolitik forderte, den ich die Ehre hatte, im September 2007 diesem Haus zu präsentieren. Er wurde von allen politischen Fraktionen einstimmig unterstützt und fast einstimmig angenommen.

Darin wurde eine umfassende Strategie mit einem genauen Fahrplan für die Schaffung einer gemeinsamen Energieaußenpolitik der EU gefordert, wobei einige zu ergreifende Maßnahmen empfohlen wurden: kurzfristig Solidaritätsmechanismen, Einheit beim Schutz unserer Interessen sowie eine effizientere Energiediplomatie und mittelfristig Diversifizierung – Nabucco, Speicherung, Investitionen und Vernetzungen eingeschlossen.

Einige unserer Empfehlungen sind – wenn auch verspätet – in der Zweiten Überprüfung der Energiestrategie der Kommission thematisiert worden. Wir begrüßen dies ebenso wie die Anstrengungen der tschechischen Präsidentschaft, die aktuelle Krise zu lösen und zwischen den zwei Seiten zu schlichten.

Dennoch ist dies nicht genug, wenn wir ähnliche Situationen in Zukunft vermeiden möchten, und dies wird nur dann möglich sein, wenn wir uns mit einer wirklich gemeinsamen EU-Politik der Energieversorgungssicherheit und mit Solidarität ausstatten, die dauerhafte, nachhaltige und systemische Lösungen bieten würden. Dies bedeutet Folgendes: das vereinte Gewicht der Mitgliedstaaten, vertreten durch die Europäische Kommission, bei Verhandlungen sowie eine einzige Stimme der EU gegenüber unseren Partnern, seien sie Erzeuger oder Transitländer. In der Zwischenzeit könnten wir es ins Auge fassen, Gas direkt aus Russland an der russisch-ukrainischen Grenze zu kaufen.

Ich habe zwei Fragen an den amtierenden Präsidenten und an die Kommission. Herr Kommissar Piebalgs und Herr stellvertretender Ministerpräsident Vondra, könnten Sie näher auf das Szenario eingehen, dass die EU einschreitet und mit der Ukraine die Verantwortung für den Transit übernimmt? Über welche Instrumente verfügt die EU, um Druck auszuüben? Welche Maßnahme könnten wir als Reaktion ergreifen? Unsere Fraktion erwartet von der Präsidentschaft und der Kommission, dass sie gegenüber unseren Energiepartnern, Russland und der Ukraine, schnelle und radikale Maßnahmen zur Wiederaufnahme der Gaslieferungen ergreifen. Unsere Fraktion ersucht die enge und ständige Einbindung des Parlaments, sogar während der Kampagne und bis zu den Wahlen. Ich möchte Sie darüber informieren, dass wir eine Kontaktgruppe zwischen dem Europäischen Parlament, dem russischen Parlament und dem ukrainischen Parlament eingerichtet haben.

 
  
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  Hannes Swoboda, im Namen der PSE-Fraktion. – (DE) Herr Präsident! Meine Fraktion beantragt die Einsetzung eines nichtständigen Ausschusses nach Artikel 175, um viele dieser Fragen, die auch Kollege Saryusz-Wolski erwähnt hat, zu beantworten, und zwar dass wir gemeinsam mit der Kommission und natürlich dem Rat bis zur Mai-Tagung die Konsequenzen ziehen, die wir hoffentlich dann auch gemeinsam aus der Situation ziehen können.

Die Gespräche, die wir mit den Vertretern von Gazprom und von Naftogaz bzw. von Russland und der Ukraine geführt haben, bestätigen unseren Eindruck, dass beide einen Mangel an Verantwortung zeigen. Ich kann das, was Kommissar Piebalgs gesagt hat, auch nochmals klar bestätigen: Momentan sind beide nicht verantwortungsbewusst und verantwortliche Partner der Europäischen Union. Das muss auch entsprechende Konsequenzen haben.

Bei aller Unterstützung der Initiativen, die gesetzt worden sind, muss ich schon auch sagen: Dass sich die Ukraine geweigert hat, jene Messstationen zu bauen, die sie versprochen hat, wissen wir schon seit Längerem. Sie hat das Geld, das die Europäische Union zur Verfügung gestellt hat, nicht verwendet. Und wir haben nicht reagiert. Wir wissen auch schon seit mindestens zwei Monaten, dass es nicht zu der Anfang Oktober vorgesehenen Einigung bis zum 1. November gekommen ist. Ich meine, dass der 18. Dezember vielleicht ein bisschen zu spät war. Man hätte hier vonseiten der Kommission schon etwas mehr tun müssen, um für den Fall der Fälle vorbereitet zu sein, und auch den Mitgliedstaaten sagen müssen, was möglich ist. Sicherlich wurde viel Solidarität gezeigt. Aber ich hätte doch erwartet, dass man hier schon die Möglichkeit einer solchen negativen Entwicklung vorausgesehen hätte.

Aber es geht jetzt nicht um Schuldzuweisungen – das ist nicht meine Absicht –, sondern nur darum, dass wir die Konsequenzen ziehen, dass wir das nächste Mal besser vorbereitet sind bzw. – was ja viel wichtiger ist – verhindern, dass es noch einmal zu einer solchen Situation kommt.

Ich muss auch schon sagen, Herr Kommissar, wir haben uns vielleicht ein bisschen zu viel – gerade beim Gassektor, das wissen Sie ganz genau – über Liberalisierung und Markt unterhalten und viel darüber diskutiert. Das hätte uns alles nichts genützt und es nützt uns auch jetzt nichts. Wir haben immer darauf hingewiesen: Der Gassektor ist ein anderer, er ist politisch infiziert, man könnte auch sagen politisch determiniert. Und es nützt nichts, wenn wir die Gasliberalisierung zum obersten Prinzip erheben und auf der anderen Seite die Ukraine und Russland haben, die das politisch ausspielen. Da müssen wir schon einen starken gemeinsamen Gesprächsfaden haben. Das muss auch entsprechend stark zum Ausdruck gebracht werden.

Ich stimme vielem von dem zu, was hier gesagt wurde. Wir brauchen mehr Pipelines. Wir sind uns einig, dass Nabucco eine ganz wichtige Pipeline ist. Sie selbst haben auch von der Sahara-Gaspipeline gesprochen, über die wir nachdenken müssen. Das alles wird nicht so schnell funktionieren, aber die Signale müssen gesetzt werden! Wir brauchen viel mehr Interkonnektoren und Verbindungen untereinander. Nur – auch das kommt ja nicht von selbst. Sie können doch nicht glauben, dass der Markt das schafft! Das schafft er nicht, weil er kein Interesse daran hat, das zu schaffen. Das sind ja Investitionen, die nicht unmittelbar profitabel sind, sondern getätigt werden, um eine Reserve zu haben. Dasselbe gilt natürlich auch für die Gasreserven! Es ist absolut inakzeptabel, dass viele Länder entweder wenig oder keine Gasreserven haben oder sich sogar weigern, der Kommission die Gasreserven mitzuteilen. Da müssen wir gemeinsam vorgehen.

Bei aller Kritik betreffend Details: Dieses Parlament und die Kommission müssen manche Mitgliedstaaten wirklich zur Ordnung rufen und auffordern, endlich eine gemeinsame europäische Energiepolitik zu betreiben. Da stimme ich mit dem Kollegen Saryusz-Wolski überein, das haben wir auch gemeinsam gefordert. Und da haben wir vom Rat – oder besser gesagt von den Mitgliedstaaten – viel zu wenig Unterstützung bekommen. Wenn wir das wollen, dann würde ich Sie wirklich bitten, dass wir bis zum Mai, bis zu unserer letzten Sitzung, hier eine gemeinsame Strategie entwickeln. Denn es kann nicht sein, dass dieses Parlament in die Parlamentsferien oder in die Wahlen geht, ohne dass wir wirklich die Konsequenzen aus diesen tragischen Ereignissen ziehen – hoffentlich gemeinsam.

 
  
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  István Szent-Iványi, im Namen der ALDE-Fraktion. (HU) Wir haben jetzt eine Einigung und viele Versprechen, aber immer noch kein Gas. Es reicht! Wir können nicht zulassen, dass Europa ein unschuldiges Opfer in einem zynischen Machtspiel ist. Wenn die Gaslieferung nicht unverzüglich wieder aufgenommen wird, muss dies klare und eindeutige Folgen haben. Wir können nicht eine Situation tolerieren, in der Millionen von Europäern ohne Wärme dastehen. Wir können nicht tolerieren, dass mehrere Hunderttausend Arbeitsplätze gefährdet sind.

Bisher hat Europa Konflikte mit den betroffenen Ländern vermieden, politische Zugeständnisse gemacht und politische Gesten gezeigt. Diese Politik ist gescheitert. Wir Liberalen fordern seit langem eine deutliche Verringerung unserer Abhängigkeit, unserer Energieabhängigkeit, von Russland.

Die eindeutige Lehre aus dieser Krise ist, dass die Nabucco-Pipeline eine wirkliche Alternative werden und daher finanziell unterstützt werden muss. Wir müssen eine gemeinsame Energiepolitik ausarbeiten, mit stärkerer Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten, mit besserer Koordinierung und durch Netzkoppelung. Wir müssen die Entwicklung erneuerbarer und alternativer Energiequellen beschleunigen und die Energieeffizienz verbessern.

Dies wird unsere Probleme jedoch nur mittel- und langfristig lösen, und wir müssen daher Kiew und Moskau nachdrücklich daran erinnern, ihren internationalen Verpflichtungen nachzukommen, und ankündigen, dass dies andernfalls Folgen für alle Aspekte unserer bilateralen Beziehungen haben wird.

Russland muss beweisen, dass es in gutem Glauben handelt, und alles in seiner Macht Stehende tun, um für die unverzügliche Wiederaufnahme der Gaslieferung zu sorgen. Des Weiteren muss der Ukraine bewusst gemacht werden, dass obwohl sie derzeit einen politischen Preis für Gas zahlt, der niedriger als der Marktpreis ist, dieser Preis sie in Wirklichkeit mehr kostet als der Marktpreis, weil er die Verwundbarkeit und Erpressbarkeit der Ukraine erhöht.

Jetzt wird auch die Europäische Union vor ihren Bürgern auf die Probe gestellt. Ist sie in der Lage, ihre Interessen in wirksamer Weise zu verteidigen? Wenn sie diese Prüfung nicht besteht, dann hat Europa keine echte Zukunft; aber wenn sie besteht, kann es mit Optimismus in die Zukunft blicken.

 
  
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  Hanna Foltyn-Kubicka, im Namen der UEN-Fraktion. – (PL) Herr Präsident! Die Gaskrise in Europa ist eine dauerhafte Krise und sehr viel tiefgreifender, als die politischen Eliten Europas sie darstellen würden. Wir müssen nachdrücklich betonen, dass sie nicht ausschließlich wirtschaftlicher Natur ist. Sie ist vor allem eine politische Krise, die auf der Ohnmacht Europas angesichts der aggressiven Politik Putins basiert.

Machen wir uns nichts vor: Russland geht es nicht um ein paar Dollar. Der Hintergrund der Ereignisse der letzten Tage sind die aggressiven Maßnahmen des Kremls, der seine Vorherrschaft in der Region Südosteuropas ausbauen möchte. Die Ukraine ist für die Russen von strategischer Bedeutung, nicht nur, weil eine Gaspipeline nach Europa durch ihr Hoheitsgebiet führt, sondern weil die russische Schwarzmeerflotte in Sewastopol stationiert ist. Die Pacht für diesen Stützpunkt endet 2017; aber wenige glauben, dass die Russen die Krim freiwillig verlassen werden. Die Forderungen von Gazprom sind durch die gesamte politische und militärische Maschinerie des Kremls gestützt, dessen Ziel darin besteht, die ukrainische Regierung zu diskreditieren und die Ukraine in die Knie zu zwingen. Leider hat die passive Haltung Europas Putin geholfen, diesem Ziel näher zu kommen.

 
  
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  Rebecca Harms, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (DE) Herr Präsident! Ich möchte auch zunächst einmal zum Ausdruck bringen, dass für die tschechische Ratspräsidentschaft der Einstieg sehr hart gewesen ist und dass Sie im Zusammenhang mit dieser erneuten Gaskrise das, was in den Jahren vorher an Klärung in Sachen europäischer Energieaußenpolitik versäumt wurde, in diesen Wochen auch nicht besser hätten gutmachen können, als Sie es getan haben.

Uns allen wird im Moment vorgeführt, dass dieses vielzitierte Wort „Energieaußenpolitik“ für etwas steht, was es in Europa als gemeinsame Strategie nicht gibt. Jenseits dieser Auseinandersetzung um Gas aus Russland haben die Europäer gemeinsam zu beantworten, welches Verhältnis sie eigentlich in Zukunft zu Russland haben wollen. Gas ist dann nur ein Thema, der Handel mit Rohstoffen ist nur ein Thema, aber das grundsätzliche Verhältnis der Europäischen Union zum größten Nachbarland im Osten auf unserem Kontinent, das muss geklärt werden.

Gleichzeitig muss auch geklärt werden, wie die Europäische Union in Zukunft mit den Ländern umgehen will, die noch zwischen Baum und Borke, irgendwo zwischen Russland und der Europäischen Union, hängen. Meiner Meinung nach ist das, was in der Ukraine jetzt passiert ist, eigentlich für uns absehbar gewesen. Dass nicht nur Gazprom und der russische Staat Politik und wirtschaftliche Interessen vermischen, sondern dass das auch in der Ukraine passiert, ist für diejenigen, die die Ukraine kennen, keine Überraschung. Das Schlimmste, was der Ukraine im Moment droht, ist, dass wegen der Interessen einiger politischer Akteure das, was für die Ukraine an Annäherung und Ansehen in der Europäischen Union erreicht worden ist, jetzt verspielt werden könnte. Die in diesem Konflikt geäußerte Kritik muss mindestens ebenso an Naftogas, an RosUkrEnergo, an die verantwortlichen Männer und Frauen in den Führungspositionen und an die ukrainische Regierung gerichtet werden wie an die russischen Verantwortlichen.

Das ist weit mehr als ein Handelskonflikt, und ich finde, dass die Tschechen uns erst einmal gut durch diese Tage gebracht haben. Ich hoffe, dass die Pläne, die der Kommissar vorgetragen hat, erfolgreich sind. Ich möchte die Kommission beglückwünschen zu ihrer klaren Haltung zu dem ungeeigneten Versuch, den Hochrisikoreaktor Bohunice wieder ans Netz zu nehmen. Das würde uns nicht helfen, sondern einen weiteren Vertragsbruch, aber jetzt innerhalb der Europäischen Union, bedeuten.

 
  
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  Esko Seppänen, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (FI) Herr Präsident, Herr Kommissar, Frau Kommissarin, Herr Ratspräsident! Die Kommission hat im Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine die Vermittlerrolle übernommen und ihr Bestes getan, um die Lieferungen in Gang zu bringen.

Es ist nicht meine Gewohnheit, die Kommission zu loben; aber ich möchte jetzt im Namen meiner Fraktion Danke sagen. Sie hat nicht als Richterin gehandelt, sondern als Ärztin, jedoch nicht als Chirurgin, sondern eher als Psychiaterin. Es gibt jetzt sowohl einen Bedarf an solchen Personen als auch eine Verwendung für sie.

Ihnen wird in anderen Teilen Europas kalt, wenn sich der Präsident und die Ministerpräsidentin in der Ukraine auf einen Machtkampf einlassen. Unter solchen Umständen ist der gestrige Vorschlag von Herrn Saryusz-Wolski, dem Vorsitzenden des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten, dass die EU Sanktionen einleiten sollte, um die Gaslieferung zu gewährleisten, unverantwortlich. Sollten wir dem zustimmen, dass die EU damit beginnt, russisches Gas zu boykottieren? Natürlich sollte Polen hierbei mit gutem Beispiel vorangehen und russisches Gas verweigern.

Unsere Fraktion hofft, dass die Kommission weiterhin aktiv vermitteln wird, um für Eintracht zu sorgen.

 
  
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  Gerard Batten, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – Herr Präsident! Mein Kollege Godfrey Bloom hat in seiner am 25. Oktober 2006 zu diesem Thema gehaltenen Rede gesagt, dass der Gedanke, die Idee oder die Vorstellung, dass die Energieversorgung des Vereinigten Königreichs möglicherweise durch eine Art von Vereinbarung mit einem Gangster wie Putin geregelt sein könnte, absolut lächerlich sei. Es sei absoluter Wahnsinn, sich von einem von Putin unterzeichneten Blatt Papier irgendetwas zu erhoffen. Der Mann sei ein Gangster.

Herr Putin tut jetzt das, was jeder fähige Gangster tun würde: die Lieferungen kürzen und eine Preiserhöhung erzwingen. Europa wird vor zwei Optionen stehen: Entweder ist es bereit, für eine unsichere Gasversorgung aus Russland viel mehr zu zahlen, oder es findet alternative Lieferanten, sofern dies möglich ist. Das Vereinigte Königreich muss sicherstellen, dass seine schwindenden Gasreserven als nationale Ressource erhalten bleiben und darf nicht zulassen, dass aus ihnen eine gemeinsame EU-Ressource wird. Wir müssen außerdem ein Programm zum Bau neuer Kernkraftwerke auf den Weg bringen.

 
  
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  Jana Bobošíková (NI). – (CS) Meine Damen und Herren! Trotz all der aktuellen Bemühungen des Europäischen Rates und der Kommission bleiben einige Mitgliedstaaten ohne Lieferung russischen Gases, ihre Wirtschaft ist in Gefahr, und die Menschen haben Angst zu frieren. Dies ist ein hoher Preis für die kurzsichtige Außen- und Energiepolitik der Europäischen Union. Und leider wird dieser Preis von den Schwächsten gezahlt.

Meine Damen und Herren, leere Gaspipelines, Produktionsrückgänge und kalte Schulen sind der Preis der unnötigen Russlandfeindlichkeit derjenigen Mitglieder der Union, die die Wiederaufnahme der Verhandlungen über die strategische Partnerschaft mit Russland abgelehnt haben. Dies ist der Preis für unsere kritiklose Unterstützung des orangefarbenen Segments des ukrainischen politischen Spektrums sowie für den Versuch, die Politik gegenüber Osteuropa aus Brüssel zu leiten. Dies ist der Preis für unsere fanatische Ablehnung von Kernenergie. Dies ist außerdem der Preis für die langfristigen Bestrebungen, in die nationale Energiepolitik einzelner Mitgliedstaaten einzugreifen. Welchen Rat würden Sie dem slowakischen Ministerpräsidenten Fico geben, der jetzt vor „Sophies Entscheidung“ steht? Während die Temperaturen bei 20 Grad unter null liegen und das Gas aus dem Osten nicht mehr fließt, droht die Kommission in Brüssel damit, die Slowakei zu bestrafen, wenn sie ihr Kernkraftwerk in Jaslovské Bohunice wieder in Betrieb nimmt. Soll es wirklich so sein, dass man während der 20 Tage, die der Slowakei noch an Reserven bleiben, daneben steht, während Fabriken zum Stillstand kommen und Menschen frieren?

Meine Damen und Herren, wir sehen jetzt, wie wichtig die Selbstversorgung mit Energie für jeden Staat in der Europäischen Union ist. Wie nett es doch ist, ein warmes daheim hergestelltes Hemd anstelle eines abgetragenen EU-Mantels zu haben! Wir sollten hieraus lernen und es vermeiden, die Entscheidungsgewalt in Energiefragen an Brüssel zu übertragen, so wie es im Rahmen des Vertrags von Lissabon angestrebt wird.

 
  
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  Giles Chichester (PPE-DE). - Herr Präsident! Es ist fast unheimlich, wie die Geschichte sich in Bezug auf die Unterbrechung der Gaslieferungen durch die Ukraine zu dieser Jahreszeit wiederholt hat. Dennoch sollten wir nicht überrascht sein. Wann sonst könnte die Aufmerksamkeit der Menschen besser erregt werden, insbesondere während einer Kälteperiode?

Es ist nicht schwer, hierbei Russlands Absichten zu erkennen; aber mir fiel besonders die von der Presse verbreitete Darstellung auf, dass Gazprom in Zusammenhang mit dem Ölpreishoch des letzten Jahres dringend höhere Gaspreise vereinbaren muss, bevor die Gaspreise nach dem Ölpreisverfall sinken.

Wie dem auch sei, die Folgen bleiben dieselben wie vor drei Jahren. Die EU-Mitgliedstaaten laufen Gefahr, in Bezug auf Gasimporte von einem dominanten Lieferanten übermäßig abhängig zu sein. Es reicht nicht mehr aus, zu sagen, dass wir russisches Gas und sie unsere harte Währung brauchen und dass der Handel somit sicher ist. Wir müssen Maßnahmen ergreifen, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.

Die Mitgliedstaaten müssen in den sauren Apfel beißen und bereit sein, für entsprechende Gasspeicheranlagen und -vorräte zu zahlen. Ein guter Anfang wäre, sich darauf zu einigen, wie viele Tage der Versorgung eine angemessene Reserve darstellen. Die Diversifizierung der Versorgung ist ein weiterer naheliegender Schritt, und der Bau von LNG-Terminals in Europa ist ein gutes Beispiel hierfür. Es erscheint logisch, die Pipelineprojekte Nord Stream und Nabucco in einem besseren Licht zu sehen. Wir müssen unsere Anstrengungen verdoppeln, um die Effizienz zu verbessern und die Energieeinsparung beim Elektrizitätsverbrauch zu erhöhen – sowohl in der Industrie als auch in privaten Haushalten. Es können enorme Einsparungen erzielt werden.

Wir müssen vor allem unseren Energiemix neu festlegen und dies mit dem doppelten Ziel der Versorgungssicherheit und der Klimaschutzpolitik tun. Durch die Erhöhung des Anteils der Elektrizität aus erneuerbaren Energien, Kernenergie und sauberer Kohletechnologie können wir beides tun; aber jede dieser Optionen braucht ihre Zeit, und in der Zwischenzeit müssen wir die Verbesserung der Energieeffizienz mit Dringlichkeit und Ideenreichtum angehen.

 
  
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  Jan Marinus Wiersma (PSE). - (NL) Herr Präsident! Ich kann die Sichtweise vieler Kolleginnen und Kollegen unterstützen. Die Entwicklungen der letzten Wochen haben für große Überraschung gesorgt. Erst gestern war ich deutlich irritiert, als ich hörte, wie russische und ukrainische Kollegen hier erklärten, dass sie sicherlich nicht im Unrecht seien. Wir erhalten ständig widersprüchliche Informationen darüber, was sich genau zuträgt. Wir hören eine Version der Geschichte, dann eine andere, und es ist für uns als Mitglieder des Europäischen Parlaments sehr schwierig, den genauen Sachverhalt zu ermitteln. Wir hoffen, dass diese Verwirrung in den nächsten Tagen beseitigt wird und dass das Gas, wie versprochen, wieder fließt.

Wenn das Gas wieder fließen sollte, bedeutet dies dann, dass wir wie gewohnt weitermachen? Ich denke nicht. 2006 geschah dasselbe; aber damals war die Auswirkung auf die Europäische Union weit weniger schlimm. Die Ursache des Konflikts zwischen Moskau und Kiew war damals der Gaspreis, der zu einer Unterbrechung der Gaslieferungen nach Europa führte. Wir warnten damals, dass die Gefahr einer Wiederholung des Szenarios bestünde, und dies ist nun eingetreten. Wir wissen, dass die Gaslieferungen jedes Jahr neu verhandelt werden, weil die Ukraine und Russland mit Jahresverträgen arbeiten. Erst im letzten Monat, als die Krise erneut ausbrach, wurde die Europäische Union aktiv. Vieles von dem, was wir bereits 2006 besprochen hatten, hat im Endeffekt keine Wirkung gezeigt. Schon damals wussten wir, dass wir zu stark von einer Pipeline abhängig waren, die fast 80 % des Gases über ein Land liefert. Schon damals wurde diskutiert, dass wir dringend an alternativen Versorgungswegen arbeiten sollten. Schon damals war klar, dass wir nicht vollkommen sicher waren, ob wir im Fall von Problemen in bestimmten Ländern, wie es derzeit in Bulgarien, in der Slowakei und in einigen anderen Ländern der Fall ist, einander würden helfen können. In den letzten Jahren ist diesbezüglich wenig getan worden. In den letzten Wochen ist deutlich geworden, wie schwierig es ist, einen Mechanismus zu etablieren, mit dem wir einander helfen können.

Russland und die Ukraine haben sich selbst und ihrem Ruf sehr geschadet. Meiner Meinung nach ist es nicht zunächst unsere Aufgabe, dem einen oder anderen Land die Schuld zu geben. Offensichtlich ist, dass beide Länder wenig Bewusstsein für Kundenfreundlichkeit haben. In der Tat fügen sie gerade ihrem besten Kunden deutlichen Schaden zu. Wir sind einer der guten Kunden Russlands, wir zahlen für diese Pipeline durch die Ukraine, wir zahlen unsere Rechnungen pünktlich, und wir zahlen Weltmarktpreise für das Gas. Ich denke, dass dies beiden Parteien gegenüber gar nicht deutlich genug gemacht werden kann.

Diese Situation wirft natürlich einige Fragen auf. Was ist mit dem Interessenkonflikt im Gassektor in Russland, dem Einfluss des Kremls auf Gazprom? Ich kenne mich mit der Ukraine etwas besser aus und weiß aus Erfahrung, dass das Gasgeschäft in diesem Land ein sehr zwielichtiges ist. Ich glaube, dass wir einige Dinge genauer unter die Lupe nehmen sollten. Wie Herr Swoboda bin auch ich für eine parlamentarische Untersuchung dessen, wie es zu dieser Situation gekommen ist, was die EU nicht getan hat, aber in den letzten Jahren hätte tun sollen und wie der Gassektor in der Ukraine und in Russland genau aufgebaut ist, sodass wir möglicherweise verhindern können, dass eine ähnliche Situation sich in Zukunft wiederholt oder besser verstehen können, was gerade passiert.

 
  
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  Janusz Onyszkiewicz (ALDE). - (PL) Herr Präsident, Herr Ratspräsident, Herr Kommissar! In dem im Oktober letzten Jahres unterzeichneten Abkommen haben die ukrainische Ministerpräsidentin Julia Timoschenko und Wladimir Putin ihre Bereitschaft dazu erklärt, in Bezug auf den Transport und die Speicherung von Gas innerhalb von drei Jahren zu Weltmarktpreisen überzugehen. Dieses Abkommen wurde durch eine formelle Vereinbarung zwischen Gazprom und Naftogaz (Ukraine) bekräftigt.

Gazprom hat jedoch kürzlich eine Forderung nach einer Erhöhung auf unrealistische Preisniveaus gestellt. Diese Art von Erpressung ist möglich, weil Gazprom in der Ukraine eine Monopolstellung hat. Viele Länder der Europäischen Union befinden sich in einer ähnlichen Situation. Dies bedeutet, dass es in Europa für Gas – anders als für Öl – keinen freien Markt gibt.

In den Vereinigten Staaten ist der Gaspreis kürzlich auf 198 US-Dollar je 1 000 Kubikmeter gefallen, während Gazprom von der Ukraine 450 US-Dollar fordert. Diese Situation muss durch die Diversifizierung der Gaslieferanten und durch die Schaffung eines Transportnetzes innerhalb der Europäischen Union und zwischen Nachbarländern geändert werden, sodass es, wie im Fall von Öl, einen echten gesamteuropäischen Gasmarkt gibt, der die Möglichkeit für monopolistische Preiserpressungen verringert.

 
  
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  Marcin Libicki (UEN). - (PL) Herr Präsident! Diese Gaskrise zeigt, wie wichtig es für die Europäische Union ist, bezüglich des Themas der Gaslieferungen mit einer Stimme zu sprechen, vor allem bezüglich der Gaslieferungen aus Russland, das kein zuverlässiger Partner und Lieferant ist.

Im Juli letzten Jahres nahm das Europäische Parlament einen von mir verfassten Bericht des Petitionsausschusses an, in dem klar dargelegt wurde, dass die Frage der Energie- und Gasversorgung Europas keine Angelegenheit für bilaterale Beziehungen ist. Das Thema damals war die nördliche Gaspipeline von Russland nach Deutschland. Ich appelliere jetzt sowohl an die Kommission als auch an die Präsidentschaft, sicherzustellen, dass die Europäische Union mit einer Stimme spricht und dass dies zu einem Thema zwischen der EU und Russland gemacht wird, anstatt nur bilaterale Beziehungen zu betreffen. Ich fordere die Umsetzung aller im Bericht vom 8. Juli letzten Jahres enthaltenen Forderungen, in denen dargelegt wurde, dass die Europäische Union wirklich und tatsächlich integriert sein sollte.

 
  
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  Bernard Wojciechowski (IND/DEM). - (PL) Herr Präsident! Mehrere Politiker haben sich in der Aussprache über Gas für die eine oder andere Seite des Konflikts ausgesprochen. Wir kennen jedoch die Fakten in Bezug auf die Situation nicht. Die EU-Beobachter sind hilflos. Wir wissen bloß, dass wir es mit unseriösen Organisationen zu tun haben.

Die Situation ist auch ein Beweis für die unzulängliche Energiepolitik der Europäischen Union. Alternative Ideen, wie der Bau von Kernkraftwerken, finden keine Unterstützung. Die Verwendung von Kohle wird unter dem Vorwand der Umwelt abgelehnt. Wir haben einen Zustand erreicht, in dem die einzige Alternative darin bestanden hat, Mitteleuropa vom Osten abhängig zu machen, wofür die Lage der armen Slowakei ein typisches Beispiel ist.

 
  
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  Irena Belohorská (NI). – (SK) In Zusammenhang mit dem ukrainisch-russischen Konflikt bezüglich der Gaslieferungen möchte ich als ein Mitglied des Europäischen Parlaments, das die Bürger der Slowakischen Republik vertritt, die Aufmerksamkeit der Europäischen Union auf die Tatsache lenken, dass dieser Interessenkonflikt nicht nur die zwei Parteien betrifft, die sich gegenseitig die Schuld für den Schlamassel geben, sondern auch eine dritte Partei, deren Bürger hierbei zu den Opfern werden, da es immer noch keine Aussicht darauf gibt, dass russisches Gas durch die Ukraine geliefert wird.

Die Slowakei ist seit acht Tagen ohne Gas, und mit den derzeitigen Notfallbeschränkungen für Industrie und Unternehmen, die im Rahmen von Krisenregelungen arbeiten, können wir die Versorgung nur noch elf Tage lang aufrechterhalten. Das Gas der Slowakei ist wieder einmal irgendwo zwischen den zwei sich bekriegenden Parteien hängen geblieben. Kurz gesagt: zwei Parteien, zwei Wahrheiten, kein Gas.

Lassen Sie mich Ihnen mitteilen, dass die ukrainische Ministerpräsidentin Timoschenko heute um 11.45 Uhr das Ersuchen der Slowakei um neue Gaslieferungen abgelehnt und erklärt hat, dass die Ukraine nicht genug Gas und selbst keine Reserven habe, sodass die Slowakei ebenfalls nichts bekommen würde. Ich möchte außerdem hervorheben, dass die Energieversorgungssicherheit der Slowakischen Republik als Folge unserer Abhängigkeit von russischem Gas und der nicht möglichen Wiederinbetriebnahme des Kernkraftwerkes V1 in Jaslovské Bohunice zunehmend bedroht ist.

Herr Kommissar, ich danke Ihnen für Ihre Vorschläge und Bemühungen um eine Lösung. Ich kenne eine Maßnahme, die Sie ergreifen können: Setzen Sie die Zahlungen an die Ukraine, die eine der verantwortungslosen Parteien ist, aus.

 
  
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  Herbert Reul (PPE-DE).(DE) Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist eine dramatische Situation, das wissen wir. Es ist unverantwortlich, was Russland und die Ukraine machen. Wir haben – das muss man auch sagen – der Kommission schon den Vorwurf zu machen, dass wir erst relativ spät gehandelt haben. Wahr ist allerdings auch, dass Kommissar Piebalgs sich in den letzten Tagen auf hervorragende Weise um diese Frage gekümmert hat. Die Expertengruppe war eine großartige Idee, und ich finde, es ist ihm zu Recht dafür Dank zu sagen, was in den letzten Tagen passiert ist.

Aber es ist auch der Zeitpunkt, um nachzufragen: Wieso reagieren wir bei solchen Vorgängen eigentlich immer so kurzfristig? Das wievielte Mal ist es, dass Russland in dieser Frage auffällig wird? Es ist nicht das erste Mal. Wir haben jetzt schon einige Jahre erlebt, dass der Gashahn zugedreht wird, und insofern müssen wir uns schon die Frage stellen: Haben wir uns als Europäisches Parlament und als europäische Institutionen eigentlich in ausreichendem Maße um die Frage der Versorgungssicherheit gekümmert? Haben wir das gemacht oder haben wir uns nicht vorrangig mit anderen Fragen beschäftigt? Ich finde, der Kollege Swoboda hat die Frage schon zu Recht gestellt.

Wir haben uns sehr darum bemüht, ob und an wen und unter welchen Bedingungen wir die Netze verkaufen und privatisieren. Wir haben uns wochenlang, monatelang um die Frage gekümmert, wie wir die Klimafrage beantworten, und nicht in ausreichendem Maße darüber nachgedacht, dass es auch ein ganz wichtiges drittes politisches Projekt gibt, nämlich das der Versorgungssicherheit. Was haben wir denn gemacht, um in Europa für mehr Energiemix zu sorgen, dafür, dass wir weniger abhängig sind? Was haben wir denn dafür getan, dass Kohlekraftwerke auch eine Rolle spielen? Wir haben die Kohlekraftwerke mit der Klimapolitik sogar in Misskredit gebracht und damit unsere Abhängigkeit vom Gas erhöht. Was haben wir denn getan, um die Kernenergie in einem stärkeren Maße zu protegieren? Viel zu wenig, viel zu zaghaft. Was haben wir getan, um andere, zulässige Pipelines auf die Reihe zu bringen? Was haben wir im Bereich von LNG getan? Was ist im energieaußenpolitischen Bereich geschehen? Es ist höchste Eisenbahn, dass wir uns – und das ist der Effekt dieser Tage – in der Energiepolitik um die Frage der Versorgungssicherung kümmern. Das ist offensichtlich die zentrale Frage.

 
  
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  Reino Paasilinna, (PSE). - (FI) Herr Präsident, Herr Kommissar, Frau Kommissarin! Das Parlament wird bald über drei der Pakete zum Elektrizitäts- und Gasmarkt abstimmen. Wir haben gerade das Energie- und Klimapaket genehmigt; aber jetzt, da es eine Krise gibt, sollten wir ein Treffen in größerem Umfang organisieren, um unsere Partner einzubeziehen. Wir haben die politische Fähigkeit dazu, und wir brauchen Zusammenarbeit.

Ich befürworte auch die Idee einer im Rahmen von Artikel 175 eingesetzten Arbeitsgruppe, die diesem Parlament Bericht erstatten würde, beispielsweise im Mai. Die russische und ukrainische Delegation sollten ebenfalls anwesend sein.

Wie bereits gesagt wurde, ist dies eine ernste Situation. Millionen von Menschen frieren, und Fabriken werden geschlossen. Durch das Verhindern, dass das Gas die EU erreicht, hat die Ukraine uns in ihr Problem verwickelt. Russland tat dasselbe, als es den EU-Gasanteil kappte.

Das Gas fließt, jedoch über andere Transitländer. Dank des schnellen Handelns seitens der Union – und der Dank hierfür gilt dem Herrn Kommissar – sind die Gaszähler installiert. Offenbar fließt russisches Gas in das ukrainische Netz; aber es erreicht die Union noch nicht. Eine eigenartige Situation ist entstanden. Sowohl die EU als auch Russland versuchen, Energiepipelines in neuen Gebieten zu bauen: die EU außerhalb Russlands und Russland außerhalb seiner ehemaligen Sowjetrepubliken. Dies bedeutet Arbeit für die Pipelineindustrie.

Ich wäre jedoch nicht sehr dazu geneigt, den streitenden Parteien Sanktionen aufzuerlegen, und ich denke nicht, dass Sanktionen sinnvoll sind. Ich stehe der Anwendung von Druck skeptisch gegenüber, da er mehr uns als ihnen schaden könnte. Ich würde es hingegen als besonders wichtig ansehen, den Energiechartavertrag in das zukünftige Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit einzubeziehen. Eine Möglichkeit wäre außerdem der Einsatz einer Arbeitsgemeinschaft zur Verwaltung des durch die Ukraine geleiteten Gases: Dies wäre eine schnelle und dringende Maßnahme. Eine neutrale Partei sollte ebenfalls einbezogen werden.

 
  
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  Der Präsident. Vielen Dank für diesen letzten Punkt.

 
  
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  Henrik Lax (ALDE). - (SV) Herr Präsident! Die EU ist die größte Wirtschaftsmacht der Welt. Trotzdem frieren viele Menschen in ihrem eigenen Zuhause. Warum ist die EU nicht dazu in der Lage, die Beheizung sicherzustellen? Wie nie zuvor ist jetzt klar, dass die EU ihre Abhängigkeit von russischem Gas verringern muss. Die EU muss einen gemeinsamen Elektrizitäts- und Erdgasmarkt aufbauen, um den Zugang ihrer Bevölkerung zu Energie zu sichern. Dies erfordert Solidarität innerhalb der Union. Frankreich und Deutschland sind in einer Schlüsselposition. Niemand, nicht einmal Deutschland, kann in den kommenden Jahren mit weiterem Gas von Gazprom rechnen. Nord Stream ist keine Lösung. Die Vermittlung im Gaskrieg zwischen Russland und der Ukraine wird der EU eine günstige Gelegenheit bieten, um zu fordern, dass beide Parteien Regeln befolgen, die mit einem gemeinsamen Energiemarkt innerhalb der Union kompatibel sind. Wir müssen diese Gelegenheit nutzen.

 
  
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  Inese Vaidere (UEN). - (LV) Meine Damen und Herren! Ich möchte dieses Problem in einem breiteren politischen Kontext betrachten. Der so genannte russisch-ukrainische Gaskrieg ist in Wirklichkeit eine der Phasen im Kampf um Einfluss in Europa. Sowohl die Ukraine als auch Georgien sind Staaten, die wir gern auf unserer Seite haben sollten; aber Russland möchte seinen früheren Einfluss auf sie wiederherstellen. So wie die Mitte des Sommers – mit dem Beginn der Olympischen Spiele und mitten in der Ferienzeit – für die Invasion Georgiens gewählt wurde, wurde die Mitte des Winters, die Zeit der Neujahrsferien, für den Gaskrieg gewählt. Zudem wurde keinem der Staaten der erwartete Weg zur Mitgliedschaft in der NATO und in der Europäischen Union gezeigt. Als wir nicht dazu in der Lage waren, uns gegenüber Russland für seine Aggression gegen Georgien entsprechend zur Wehr zu setzen, war bereits vorhersehbar, dass die Ukraine das nächste Ziel sein würde. Die politische Methodik Russlands ist eine der stärksten der Welt, und dieser Staat hat gezeigt, dass er bereit ist, enorme Ressourcen zu opfern, um seine politischen Ziele zu erreichen. Dieses Mal durch die Verzögerung des Abschlusses des Abkommens, um die Ukraine zu diskreditieren. Eine derartige politische Methodik hat auch genügend Ressourcen, um Prozesse in Ländern zu beeinflussen, in denen dieser Staat Interessen verfolgt. Anders als wir plant und prognostiziert er zudem Ereignisse. Es muss ein Kompromiss gefunden werden. Die Gaslieferungen müssen wiederaufgenommen werden, wenn Russland über genügend Reserven verfügt, um zu liefern. Ich danke Ihnen.

 
  
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  Dimitar Stoyanov (NI). – (BG) Ich danke Ihnen, Herr Präsident. Die allgemeine Meinung ist, dass Bulgarien das von der Gaskrise am stärksten betroffene Land ist. Es versteht sich von selbst, dass immer noch beide Schuldzuweisungen machen: wer auch immer sich der Gasunterbrechung schuldig gemacht hat, und wer auch immer sich der Tatsache schuldig gemacht hat, dass Bulgarien nicht genügend Reserven hat, um diese Gaskrise zu überstehen. Lassen Sie uns jetzt jedoch sehen, was wir in Zukunft tun könnten. Eine Option ist eine gänzlich innenpolitische, die das Finden einer alternativen Quelle beinhaltet, die Bulgarien verwenden kann, um seinen Bedarf in anderen ähnlichen Situationen decken zu können. Aber die andere Option, die wir momentan haben, hängt direkt vom Willen der Kommission ab.

Wir haben – oder besser gesagt, Bulgarien hat – eine große Energiequelle, die damals aus politischen Gründen stillgelegt wurde. Bei dieser Quelle handelt es sich um das Kernkraftwerk Kosloduj. Bulgarien betreibt derzeit Elektrizitätskraftwerke mit Kohle, die die Umwelt wesentlich stärker verschmutzen als ein Kernkraftwerk. Ich bin mir sicher, dass die Kolleginnen und Kollegen der Grünen dem zustimmen. Die Stilllegung der ersten vier Blöcke des Kernkraftwerks Kosloduj, die Dutzenden von Tests unterzogen wurden, welche bewiesen haben, dass sie völlig sicher waren, war ein großer Fehler. Dies hat dem bulgarischen Volk großen Schaden zugefügt, und das bulgarische Volk leidet jetzt sogar noch mehr, weil wir nichts haben, woher wir Energie beziehen können.

Aus diesem Grund richte ich den folgenden Appell an die Kommission: Es ist höchste Zeit, sowohl Bulgarien als auch der Slowakei zu erlauben, ihre vollkommen sicheren Kernkraftwerke in Betrieb zu nehmen, die sie gegen Energieknappheit absichern.

 
  
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  Charles Tannock (PPE-DE). - Herr Präsident! Die von Russland als diplomatische Waffe eingesetzte Unterbrechung des Erdgasflusses hat wieder einmal bewiesen, weshalb wir eine auf Regierungszusammenarbeit basierende gemeinsame EU-Außenpolitik der Energieversorgungssicherheit benötigen. Eine solche Politik hat den deutlichen Vorteil, dass die Abhängigkeit von der russischen Machttaktik minimiert wird, indem alternative Quellen wie LNG sowie neue Gaspipelines wie Nabucco und die Transsahararoute gefördert werden und ein integriertes EU-Stromnetz geschaffen wird.

Sie wird jedoch auch die „grüne Agenda“ voranbringen, indem erneuerbare Energien und Energieeffizienz sowie eine Renaissance der Kernenergie gefördert werden. Ich unterstütze die an die Kommission gerichtete dringende Forderung der Slowakei, ihren stillgelegten Reaktor in Bohunice wieder in Betrieb zu nehmen, wodurch auch der Klimawandel angegangen werden kann.

Für mich gibt es keinen Zweifel daran, dass Russland die Ukraine einschüchtert und versucht, die Regierung zu destabilisieren, indem jetzt – vor den Präsidentschaftswahlen in der Ukraine im nächsten Jahr – sogar die Vereinigten Staaten in dieses ganze Debakel hineingezogen und auch die euroatlantischen Bestrebungen der Ukraine in Gefahr gebracht werden.

Die EU ist jedoch als Kollateralopfer der Gasdiplomatie des Kremls in diesen Streit hineingezogen worden. Ich kann mich nicht des Gefühls erwehren, dass das Vorgehen Russlands zeitlich so abgepasst war, dass es mit dem Beginn der tschechischen Präsidentschaft zusammenfällt, obwohl der amtierende Präsident des Rates, Ministerpräsident Topolánek, bei der Handhabung dieser Notlage sehr viel Geschick bewiesen hat.

Die Ukraine ist möglicherweise in dem Sinne schuldig, dass sie etwas russisches Gas abgezweigt hat; aber dies ist im Kontext der immer noch ungeklärten bilateralen Vereinbarungen zwischen diesen zwei Ländern vielleicht nachvollziehbar.

Die Ukraine ist derzeit gezwungen, einem zwischengeschalteten Unternehmen zusätzliche 500 Millionen US-Dollar pro Jahr zu zahlen. Da die Gasschulden der Ukraine gegenüber Russland bei 2,4 Milliarden US-Dollar liegen, hätten die Schulden ohne diese Zahlung, die dem stellvertretenden Ministerpräsidenten der Ukraine zufolge angeblich in den Taschen korrupter Politiker landet, in etwa fünf Jahren beglichen werden können.

Wir müssen uns jedem Versuch, einen Keil zwischen die Ukraine und ihre Zukunft mit dem Westen – und vor allem ihre Zukunft als Vollmitglied der Europäischen Union – treiben zu wollen, widersetzen. Die beste Möglichkeit zur Gewährleistung, dass Russland die Ukraine nicht länger einschüchtern bzw. unter Druck setzen oder gar die EU so weit bringen kann, die Ukraine zu einer Einigung zu nötigen, besteht darin, sich für eine gemeinsame EU-Außenpolitik der Energieversorgungssicherheit einzusetzen, die in Zeiten von Krisen und Energieknappheit für Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten sorgt.

 
  
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  Adrian Severin (PSE). - Herr Präsident! Das Problem, mit dem wir es zu tun haben, ist kein reiner Streit zwischen Russland und der Ukraine. Es gibt einen Streit zwischen Europa und Russland, dessen Gegenstand der geopolitische Status der Ukraine ist, einen Streit zwischen der Europäischen Union und der Ukraine, dessen Gegenstand die europäischen Perspektiven der Ukraine sind, einen Streit zwischen der Europäischen Union und Russland, dessen Gegenstand das russische Monopol bei der Gasversorgung ist, sowie einen Streit zwischen der Europäischen Union und der Ukraine, dessen Gegenstand das ukrainische Monopol beim Gastransit ist.

All diese Streitigkeiten zusammen positionieren uns inmitten eines Energiekrieges, bei dem es um Machtteilung geht. In diesem Krieg sind wir keine Geiseln, sondern Kämpfer. Wir sind keine Vermittler, sondern eine der Seiten, die ein legitimes Interesse haben. Die Folgen dieses Krieges ziehen sich von einer Krise in die andere. Könnten wir den Kampf einstellen und eine Friedenskonferenz organisieren?

Wir brauchen Regeln für einen freien Energiemarkt, die von unseren russischen und ukrainischen Partnern geteilt werden. Wir brauchen Garantien und Mechanismen zur Verbesserung dieser Regeln, ein Schiedsverfahren zur Beilegung von Streitigkeiten sowie eine Institution, die die Mechanismen in Gang setzt. Wir brauchen eine gemeinsame europäische Energiepolitik, die durch geeignete rechtliche und politische Instrumente flankiert und durch ein integriertes Abkommen mit dem Liefer- und Transitland – Russland und der Ukraine – konsolidiert wird. Sanktionen können nicht funktionieren. Konfrontation ist ebenfalls keine Lösung. Lassen Sie uns mit geeinten Kräften vorgehen und strategisch sowie umfassend verhandeln. Zu diesem Zweck müssen wir eine aus Vertretern des Europäischen Parlaments, der russischen Duma und der ukrainischen Rada gebildete interparlamentarische Ad-hoc-Arbeitsgruppe organisieren, um den Konsens- und Strategieentwicklungsprozess durchgehend so lange wie nötig zu verfolgen.

 
  
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  Toine Manders (ALDE). - (NL) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Unsere Gesellschaft kann, wie sich gerade zeigt, ohne Energie nicht funktionieren. Das Gas muss wieder fließen, und kurzfristig ist es meiner Meinung nach besonders wichtig, dass alle diplomatischen Wege ausgeschöpft werden. Genau dies tun die Kommission und der Rat im Augenblick in einer sehr lobenswerten Weise, um die schnellstmögliche Wiederaufnahme der Gaslieferungen sicherzustellen; mit rechtlichen Schritten zu drohen, ist natürlich keine besonders wirksame Vorgehensweise.

Ich denke, dass es mittelfristig sehr wichtig ist, einen europäischen Energiemarkt zu schaffen, sofern Maßnahmen ergriffen werden, die wir bisher zu ergreifen versäumt haben. Es ist an der Zeit zu handeln. Ich sehe die Mitgliedstaaten hierbei eine wichtige Rolle spielen, beispielsweise wie bei der beschleunigten Installation der Nabucco- und Nord-Stream-Pipeline. Vor allem müssen wir sicherstellen, dass ein europäisches Netz für beides, Gas und Strom, geschaffen wird, wodurch unsere Abhängigkeit verringert und es uns ermöglicht wird, einen richtig funktionierenden Markt zu schaffen, mehr Solidarität zu zeigen und eine Knappheit besser vorauszusehen. Wir werden jedoch unsere Ärmel hochkrempeln müssen, und ich frage mich, weshalb die Mitgliedstaaten es bisher versäumt haben, Maßnahmen zu ergreifen.

 
  
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  Dariusz Maciej Grabowski (UEN). - (PL) Herr Präsident! Die Europäische Union hat die globale Erwärmung erfolgreich in den Griff bekommen: Die Annahme eines Antrags war genug, um einen sofortigen Erfolg zu erzielen. Wir konnten die Temperaturen in Europa senken und einen Winter herbeiführen, der sich auf den gesamten Kontinent ausgewirkt hat. Dies ist ein Beweis für die Macht und Fähigkeit der Europäischen Union getreu dem Grundsatz „Wollen ist Können“, also Erfolg. Aber unser Erfolg hat sich in eine Niederlage verwandelt, da wir jetzt mehr Wärme brauchen – für unser Zuhause und unsere Arbeitsplätze. Dies haben die Behörden nicht vorausgesehen.

In der Energiepolitik beginnt die Europäische Union dem Arzt in Haseks Geschichte „Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk“ zu ähneln, der für alle Krankheiten ein Mittel verordnete: ein Klistier. Die Europäische Union hat sich auf mündliche Erklärungen, Konferenzen und vor allem das „Flirten“ mit Russland beschränkt und Russland dazu ermutigt, Energieressourcen als politisches Druckmittel einzusetzen. Zu allem Übel fand es einen Verbündeten in Form Deutschlands, mit dem es eine Gaspipeline auf dem Grund der Ostsee baut.

Die Schlussfolgerung ist für jeden klar: Wir müssen dringend Maßnahmen für die Unabhängigkeit von russischen Gaslieferungen ergreifen und dabei den Grundsatz im Hinterkopf behalten, dass die Schwächsten zuerst untergehen. Dies bedeutet, dass wir zuerst die angrenzenden und gänzlich von den Gaslieferungen aus dem Osten abhängigen Länder retten müssen, beispielsweise Polen und die baltischen Staaten, es sei denn, dass die Europäische Union private Interessen und die Interessen derer, die Russland vertreten, als wichtiger ansieht.

 
  
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  Nickolay Mladenov (PPE-DE). – (BG) Ich danke Ihnen, Herr Präsident. Zurzeit werden Bürger in 18 Mitgliedstaaten im politischen Streit zwischen der Ukraine und Russland als Geiseln gehalten. Ich verwende den Begriff „politischer Streit“, weil wir alle miterlebt haben, wie Gazprom und die Energielieferungen aus Russland als politische Waffe eingesetzt werden, um auf einen souveränen Staat Druck auszuüben. Die Bürger Europas werden als Geiseln gehalten. Das Gas wird aus Russland geliefert. Das Ventil wurde in Russland geschlossen. Ja, die Ukraine trägt etwas Schuld, und daher appelliere ich sowohl an den Rat als auch an die Europäische Kommission, unseren Freunden in der Ukraine unmissverständlich zu sagen, dass sie nur dann dazu in der Lage sein werden, diesem auf sie und entsprechend auf uns ausgeübten Druck standzuhalten, wenn die Opposition und die Regierung eine einheitliche Haltung bezüglich der wichtigen Themen einnehmen, die Auswirkungen auf ihre Entwicklung haben. Genau so, wie wir in unseren Ländern einen Konsens über wichtige Themen haben, müssen auch sie einen Konsens über wichtige Themen haben.

Gazprom muss Strafzahlungen an unsere Länder leisten, da Bulgarien, das in Europa am schlimmsten betroffene und gänzlich von den Gaslieferungen aus Russland abhängige Land, jetzt seine Rechte einfordern muss und diese vom Lieferanten einfordern muss, der in diesem Fall Russland ist.

Wenn es um Energie in Europa geht, muss ein und dieselbe Botschaft übermittelt werden. Wir müssen eindeutig Ja zur Kernenergie in Europa, Ja zu alternativen Energiequellen, Ja zu unterschiedlichen Pipelines, die uns weniger abhängig von einem einzigen Lieferanten machen, Ja zu größeren Speicheranlagen sowie Ja zu mehr Vernetzungen zwischen Mitgliedstaaten sagen, sodass wir eine ähnliche Krise vermeiden können.

Zuallerletzt möchte ich sagen, dass in unserem Fall auch die bulgarische Regierung heftiger Kritik ausgesetzt ist. In all den Jahren, in denen sie an der Macht ist, hat die Regierung die Liefervereinbarungen mit Russland geheim gehalten und nichts unternommen, um die Versorgungsquellen unseres Landes zu diversifizieren.

 
  
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  Atanas Paparizov (PSE).(BG) Herr Präsident, Herr Minister, Herr Kommissar! Als Vertreter des am stärksten betroffenen Landes appelliere ich an Sie und die Institutionen, die Sie vertreten, sofortige Maßnahmen zur Wiederaufnahme der Lieferungen zu ergreifen und dabei von jedem politischen Mittel und jeder Maßgabe im Rahmen des internationalen Rechtes Gebrauch zu machen. Ich hoffe, dass der Rat und die Kommission im Sinne des Solidaritätsprinzips die bulgarischen Vorschläge annehmen werden, einen Teil der ungenutzten 5 Milliarden Euro für die Projekte zur Schaffung von grenzüberschreitenden Vernetzungen zwischen Bulgarien und Rumänien sowie Bulgarien und Griechenland, zur Erweiterung der Speicheranlagen in Chiren mit dem Ziel der Deckung des dringendsten Bedarfs sowie zur Entwicklung von Möglichkeiten zur gemeinsamen Nutzung der Flüssiggasterminals zu verwenden.

Als Berichterstatter für eines der Dokumente im Dritten Energiepaket bin ich der Auffassung, dass das Thema der vorrangigen Sicherstellung von Transparenz und der Einhaltung der Regeln wichtiger als alle anderen Themen ist, die die Drittlandsklausel betreffen. Ich hoffe zudem, dass die Kommission so schnell wie möglich auf das von uns mit Frau Podimata gestellte Ersuchen antworten wird, das die langfristigen Maßnahmen betrifft, die ergriffen werden, sodass wir vor der Frühjahrstagung des Europäischen Rates wirklich über eine gemeinsame Politik und effektive Maßnahmen verfügen können, die ähnliche Probleme wie die gerade aufgetretenen und heute von Herrn Barroso als beispiellos, ungerechtfertigt und unbegreiflich beschriebenen lösen werden.

 
  
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  Metin Kazak (ALDE).(BG) Trotz der Einigung zwischen Russland und der Ukraine, die Gaslieferungen nach Europa wiederaufzunehmen, sind unsere Hoffnungen darauf, Gas zu bekommen, wieder einmal zerschlagen worden. Ganz gleich, ob die Gründe technisch, finanziell oder politisch sind: Dieses beispiellose Gasembargo kann nicht gerechtfertigt werden. Während eines Winters mit Rekordtiefsttemperaturen ist es rücksichtslos und unmenschlich, Millionen von europäischen Bürgern zum Frieren zu verurteilen. Für Bulgarien, das hiervon am stärksten betroffene EU-Land, ist es besonders wichtig, dass der Grundsatz Pacta sunt servanda beachtet wird und die Gaslieferungen unverzüglich wiederaufgenommen werden. Es sollte eine faire Entschädigung dafür angestrebt werden, dass den Menschen Schaden und Leid zugefügt und die Vereinbarungen verletzt wurden.

Ich möchte die tschechische Präsidentschaft zu ihrer aktiven Rolle als Vermittlerin bei der Lösung der Krise beglückwünschen. Mehr als je zuvor muss die Europäische Union jetzt das alte Solidaritätsmotto der Musketiere „Alle für einen, einer für alle“ in die Praxis umsetzen und Ländern, die gelitten haben, wie Bulgarien, finanzielle Hilfe für äußerst wichtige Projekte bereitstellen, die eine Energieversorgungssicherheit ermöglichen. Es ist höchste Zeit, mittels Einführung einer langfristigen Energiestrategie die Stärke und Einheit unserer Union zu demonstrieren.

 
  
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  Eugenijus Maldeikis (UEN). - (LT) Es ist klar, dass diese Gasversorgungskrise ein politisches Problem ist, kein Handelsstreit. Sowohl das Unternehmen Gazprom als auch Naftogaz führen die Hauptaufgabe in diesem Konflikt aus: Sie versuchen, uns allen und der Gesellschaft zu beweisen, wie unmöglich der Transit im technischen, technologischen und wirtschaftlichen Sinne ist. Dies wird fortwährend wiederholt. Umso mehr, weil diese – unsere – Partner, die Partner der Europäischen Union, weder von einer elementaren Geschäftspraxis noch von der Energiecharta geleitet werden. Es hat den Anschein, dass dies für unsere Partner nicht existiert. Leider kann ich weder bei Kiew noch bei Moskau die Bereitschaft dazu erkennen, zu einer Einigung zu kommen. Ich habe den Eindruck, dass sie in diesen Verhandlungen Zeit zu gewinnen versuchen, und ich glaube, dass nur politische Maßnahmen dabei helfen werden, das politische Problem zu lösen, bis die den Transit betreffenden technischen Fragen gelöst werden. Ich denke, dass wir politische Vereinbarungen und politische Garantien zwischen der Europäischen Union, Russland und der Ukraine anstreben müssen, bis unsere Ziele mittel- oder langfristig erreicht werden. Noch etwas zur Energiesolidarität. Der Ministerpräsident Bulgariens und der Ministerpräsident der Slowakei werden sich mit Moskau und Kiew zu Verhandlungen treffen. Diese Woche der Energiesolidarität sollte nicht damit enden, dass die Verhandlungen wieder einmal ein bilaterales Format annehmen. Ich denke, dass Energiesolidarität darin bestehen würde, dass Bulgarien und die Slowakei in dieser Situation die Kernkraftaktivitäten erneut aufnehmen. Dies wäre wirkliche Energiesolidarität.

 
  
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  John Purvis (PPE-DE). - Herr Präsident! Ich ziehe aus dieser ausweglosen Situation mit Russland und der Ukraine drei ziemlich naheliegende Schlussfolgerungen.

Erstens müssen wir die Abhängigkeit von Gas verringern, von dem immer mehr importiert werden muss. Dies bedeutet eine verstärkte Berücksichtigung einheimischer Energiequellen, vor allem einschließlich der erneuerbaren Energien und der Kernenergie.

Zweitens müssen wir die EU-Solidarität durch die gegenseitige Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Strom-, Gas- und Ölversorgung verbessern. Dies erfordert deutlich verbesserte und ausgebaute Netze und Pipelines. Warum sollte Bulgarien kein Gas haben, während Rumänien auf der anderen Seite des Donauufers Gas hat? Warum hat die Slowakei kein Gas, während ihre Nachbarn Österreich, Polen und die Tschechische Republik Gas haben? Diese Lücken im Gasnetz müssen geschlossen werden, dringend. Wann ist der Zeitpunkt hierfür, Herr Kommissar Piebalgs?

Drittens müssen wir unsere Versorgungsquellen und Speicheranlagen für Gas und Öl diversifizieren. Warum nutzen wir die ausgebeuteten südlichen Nordseegasfelder nicht umfangreicher zur Speicherung?

Wir müssen unsere Flüssiggasinfrastruktur stark ausbauen und Pipelinenetze von alternativen Quellen und über alternative Routen entwickeln. Wir brauchen bessere und mehr Verbindungen mit Norwegen, mit Nord- und Westafrika, mit dem Kaspischen Meer und dem Kaukasus, mit der Levante und mit den Golfstaaten im Nahen Osten.

Abschließend frage ich daher die Kommission und den Rat, ob sie erneuerbare Energien und Kernenergie dringend genug fördern und ausreichend in den Bau von Pipelines und LNG-Terminals sowie in die Entwicklung politischer Beziehungen investieren, die die Kontinuität und Vielfalt der Versorgung sicherstellen werden.

Wir können offensichtlich nicht in dem heutigen Ausmaß von Russland oder der Ukraine abhängig sein. Wir müssen unsere eigenen europäischen Interessen unverzüglich an die erste Stelle setzen.

 
  
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  Dariusz Rosati (PSE). - (PL) Herr Präsident, Herr Ratspräsident, Herr Kommissar! Russlands Verhalten, Kunden in der Europäischen Union das Gas abzudrehen, ist angesichts der von Russland unterzeichneten vertraglichen Verpflichtungen nicht zu tolerieren. Europäische Kunden zahlen für ihre Gaslieferungen aus Russland innerhalb einer bestimmten Zeit und haben das Recht, pünktliche Lieferungen zu erwarten, unabhängig von Streitigkeiten zwischen Russland und der Ukraine. Die Entscheidung von Ministerpräsident Putin, die Lieferungen vor laufenden Fernsehkameras zu stoppen, stellt nicht nur eine Verletzung unterzeichneter Verträge dar, sondern zeigt auch, dass Gazprom kein Unternehmen ist, das auf Marktgrundsätzen basierend operiert, sondern ein Unternehmen, das der politischen Anordnung des Kremls Folge leistet. Diese Aussprache sollte Russland und der Ukraine deutlich signalisieren, die Gaslieferungen unverzüglich wiederaufzunehmen.

Ich möchte außerdem sagen, dass das Verhalten der Ukrainer enttäuschend ist. Mangelnde Verständigung mit Russland, ungenaue Regeln bezüglich der Zahlungen an Gasvermittler und interne politische Streitigkeiten auf den höchsten Regierungsebenen kompromittieren die Ukraine in den Augen der Öffentlichkeit und hindern das Land daran, seine europäischen Bestrebungen umzusetzen. Dies ist sehr schmerzlich für mich, da die Ukraine ein wichtiger Nachbar und strategischer Partner für uns ist.

Die aktuelle Gaskrise hat schließlich bestätigt, dass Europa sich um seine Energieversorgungssicherheit kümmern muss. Wir können Untätigkeit nicht länger tolerieren. Herr Kommissar, ich rufe die Europäische Kommission dazu auf, unverzüglich legislative Initiativen auf den Weg zu bringen, die die erforderliche Diversifizierung der Energieversorgung ermöglichen werden, die eine echte und nicht vorgetäuschte Energiesolidarität sicherstellen und zur Vernetzung der nationalen Gastransportsysteme einzelner Mitgliedstaaten führen wird.

 
  
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  Bilyana Ilieva Raeva (ALDE).(BG) Meine Damen und Herren! Angesichts der heftigen Wirtschaftskrise und der schweren Folgen des Gaskonflikts ist ein Zusammenwirken aller nationalen und europäischen Institutionen erforderlich. Das Ausmaß des Problems erfordert, dass wir unsere Anstrengungen und Bündnisse auf EU-Ebene und über Parteigrenzen hinweg im Namen der Bürger Europas sowie ihrer Interessen und Rechte fokussieren.

Alternative Energiequellen und neue Technologien werden unsere Abhängigkeit vom Import von Rohstoffen und Energie verringern. Auf die als Folge der Gaskrise entstandenen wirtschaftlichen und sozialen Probleme folgen jetzt ökologische Probleme. Der Umstieg von Gas auf Heizöl für ganze Industrien, wie es in Bulgarien der Fall ist, behindert die Pläne der Europäischen Union zur Verringerung von Treibhausgasemissionen. Wir schätzen die schnelle Intervention der europäischen Institutionen; aber wir benötigen eine privilegierte Partnerschaft, um unsere Energieunabhängigkeit zu verbessern. Aus diesem Grund muss das Europäische Konjunkturprogramm durch finanzielle Unterstützung die aktuellen Anforderungen für die Schaffung einer alternativen Energieinfrastruktur berücksichtigen, vor allem für die am stärksten abhängigen Länder, wie Bulgarien.

Wir rufen das Europäische Parlament dazu auf, eine klare Position einzunehmen, die die koordinierten Maßnahmen unterstützt, die von allen Institutionen ergriffen werden und das Ziel haben, diese Gaskrise zu lösen und die Wiederholung einer solchen Krise in Zukunft zu verhindern.

 
  
  

VORSITZ: DIANA WALLIS
Vizepräsidentin

 
  
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  Romana Jordan Cizelj (PPE-DE). - (SL) Der Transport von russischem Gas über die Ukraine ist nicht bloß ein bilaterales Thema oder ein Handelsstreit. Dies ist ein Problem mit einer starken multilateralen Komponente, weil der Verkauf und der Transit von Gas nur dann eine Handelsaktivität darstellen, wenn die erforderlichen Bedingungen erfüllt werden. Die Mindestbedingungen diesbezüglich sind meiner Meinung nach Transparenz, eindeutige Regeln, Wettbewerbsfähigkeit, Glaubwürdigkeit und Kontrolle.

Ich habe folgende Frage und Sorge: Wer wird die Unternehmen entschädigen, die ihre Aktivitäten bereits einstellen mussten? Wer entschädigt die einzelnen Bürger, die betroffen sind? Ich meine hiermit, dass Europa jemanden zur Rechenschaft ziehen muss.

Was können wir jetzt tun? Lassen Sie uns unsere diplomatischen Anstrengungen intensivieren. Wir müssen bei der Gestaltung einer gemeinsamen Energiepolitik schneller und produktiver sein. Der dritte Bereich, auf den ich Ihre Aufmerksamkeit lenken möchte, ist die Diversifizierung: die Diversifizierung von Energiequellen, Versorgungswegen und Ländern, aus denen wir Energieprodukte importieren.

Was das Gas angeht, möchte ich vor allem zwei prioritäre Bereiche erwähnen: die Verwendung von Flüssiggas und das Pipelineprojekt Nabucco. Beide werden zur Diversifizierung unserer Versorgungswege und Exportländer führen. Dem Nabucco-Projekt muss gegenüber den Projekten Nord Stream und South Stream Vorrang eingeräumt werden, nicht nur auf europäischer Ebene, sondern auch auf der Ebene des jeweiligen Mitgliedstaates.

Aus diesem Grund möchte ich die Kommission darum bitten, uns zumindest grundlegende Informationen zum Fortschritt des Nabucco-Projekts bereitzustellen. Ich möchte außerdem fragen, welche zusätzlichen Maßnahmen die Kommission ergriffen hat, um zu verhindern, dass derartige Schwierigkeiten sich 2010 wiederholen, und ich möchte darum bitten, uns einen Hinweis darauf zugeben, wann voraussichtlich wieder Gas in die Union fließen wird.

 
  
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  Szabolcs Fazakas (PSE). (HU) Frau Präsidentin! Nun, da die Gaslieferung als Folge der zunächst zögerlichen, aber letztendlich koordinierten, entschiedenen Intervention der Europäischen Union und trotz verschiedener technischer und anderer vermeintlicher Probleme wiederaufgenommen werden soll, können wir erleichtert aufatmen; aber wir können uns nicht auf unseren Lorbeeren ausruhen.

Um nur eine Sache zu nennen: Die Ursache des Streits zwischen Russland und der Ukraine ist nicht aufgedeckt und gelöst worden; daher ist ein Wiederaufflammen jederzeit möglich. Außerdem hat die Gaskrise erneut unsere Abhängigkeit und Verwundbarkeit gezeigt. Die Anerkennung dieser Tatsache kann der Verzögerung in der Entwicklung einer gemeinsamen europäischen Energiepolitik entgegenwirken, wobei der erste Schritt darin besteht, dass Europa die Verantwortung für die Sicherung der Versorgung gemeinsam übernimmt.

Um dies zu tun, müssen wir neue Quellen und Lieferwege erschließen sowie Anbindungen zwischen den Netzen der Mitgliedstaaten schaffen. Wir können allerdings nicht erwarten, dass diese Entwicklungen sich auf Marktbasis vollziehen. Stattdessen müssen europäische Quellen auf gemeinsamen europäischen Interessen basierend verfügbar gemacht werden.

Die Nabucco-Pipeline stellt eine Lösung auf lange Sicht dar, während die Entwicklung der Netze, die die neuen Mitgliedstaaten verbinden, bereits heute unter Verwendung der im Konjunkturprogramm für den Zweck vorgesehenen 5 Milliarden Euro beginnen könnte. Hierdurch würden zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen, da diese Infrastruktur die europäische Wirtschaft ankurbeln und Arbeitsplätze schaffen sowie gleichzeitig die Auswirkungen ähnlicher Krisen abschwächen könnte.

 
  
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  Ivo Belet (PPE-DE). - (NL) Frau Präsidentin, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Dies ist kein neues Problem: Es ist bereits seit Jahren hier im Plenum und im Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie Thema der Aussprache. Nie hat Moskau deutlicher gemacht, wie verwundbar wir geworden sind und wie leicht es ist, uns zu bestechen. Es ist jetzt an der Zeit, zu handeln.

Herr Kommissar, Ihre Diagnose der fehlenden Vernetzung könnte nicht zutreffender sein. Wir müssen daran arbeiten, weil es in der Tat etwas ist, wogegen wir etwas tun können. Wir müssen die Gasnetze innerhalb der EU verbinden. Einer der Hauptgründe dafür, weshalb dies nicht getan worden ist, liegt darin, dass die Lizenzen national sind. Wir sollten diese effektiver vereinheitlichen, da sie in jedem Mitgliedstaat unterschiedlich sind. Wir müssen Lösungen finden, um die nationalen Verfahren zu optimieren. Ich bin mir der Tatsache bewusst, dass der Ausschuss in diesem Bereich wenig Befugnisse hat; aber wir sollten dennoch versuchen, einen Durchbruch zu erwirken. Was funktionieren könnte – und dies wird auch im Vorschlag der Kommission erwähnt –, ist, wenn für jedes grenzüberschreitende Projekt ein Koordinator bestimmt würde, der in Bezug auf Vernetzungen vermittelt und die Dinge in Gang bringt. Diese Koordinierung ist möglicherweise grundlegend, und tatsächlich ist sie dies auch, wenn es um Windenergie geht. Ich freue mich festzustellen, dass Sie in Ihrer Zweiten Überprüfung klar dargelegt haben, dass die Koordinierung ein Bestandteil der geplanten Entwicklung eines Offshore-Netzes für Windturbinen sein wird, vor allem hinsichtlich der Anbindung an Landnetze.

Zweitens sollten wir unsere Aufmerksamkeit viel stärker auf Flüssiggas (LNG) richten, da es viel flexibler ist und uns weniger verwundbar macht. Drittens sollten die Netze auf nachhaltige Energie ausgerichtet sein, die, wie wir wissen, vor Ort erzeugt wird, und wir müssen sicherstellen, dass ihr vorrangiger Zugang zum Netz gewährt wird.

Meine Damen und Herren, Herr Kommissar, Frau Kommissarin, es ist klar, was wir zu tun haben. Ich gehe davon aus, dass wir jetzt den politischen Willen haben, um zu handeln und dass beim bevorstehenden Frühjahrsgipfel grundlegende und spezifische Entscheidungen getroffen werden.

 
  
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  Zbigniew Zaleski (PPE-DE). - (PL) Frau Präsidentin! Ein Kunde, der einen vereinbarten Preis bezahlt, hat eine Verpflichtung erfüllt. Russland ist für die Krise verantwortlich und sollte mit Sanktionen belegt werden, Herr Kommissar. Die Ukraine befindet sich eindeutig in der Mitte. Wenn Russland die politische Ausrichtung der Ukraine nicht akzeptieren kann, dann muss es dies überwinden, so wie es auch den Verlust des politischen Einflusses auf die Länder des Sowjetblockes überwunden hat. Die Welt verändert sich, und Russland muss diese Tatsache einfach akzeptieren.

Die theatralische Vorstellung Russlands beim Abdrehen des Gases erweckte den Anschein, dass ihm der Verkauf seines Produkts an uns nicht wichtig sei. Zumindest schien es so. Meiner Meinung nach sollte Russland zum Wohle seiner Wirtschaft und seiner Bevölkerung dem Markt und seinem Image als vertrauenswürdigen Partner Beachtung schenken. Die Abhängigkeit der Parteien voneinander, ich betone dies, ist möglicherweise der wichtigste Aspekt dieses Kontrakts und der Zusammenarbeit.

Ich denke, dass die Russen diese Wahrheit letztendlich entdecken werden, und Europa wird Russland berücksichtigen und ein guter Vermittler werden.

 
  
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  Zita Pleštinská (PPE-DE). – (SK) Gazprom und Naftogaz setzen das Vertrauen europäischer Verbraucher aufs Spiel. Hunderte von Unternehmen in der Slowakei sind gezwungen worden, die Produktion auszusetzen, und die Menschen in Bulgarien frieren in ihrem eigenen Zuhause. Die europäischen Bürger sollten nicht den Preis für wirtschaftliche und politische Spiele zahlen müssen.

Es ist schwierig, zu beurteilen, welche Partei mehr Schuld trägt; aber eins ist klar: Die Slowakei und Bulgarien brauchen dringend Hilfe. Sie brauchen eine Sofortlösung, sie brauchen die unverzügliche Wiederaufnahme der Gaslieferungen, und sie müssen wissen, was mit ihren Kernkraftwerken passieren wird.

Ich glaube, dass wir trotz allem, was passiert ist, den Ländern des ehemaligen Sowjetblocks, einschließlich der Ukraine, die sich vom russischen Einfluss befreien möchten, nicht den Rücken kehren werden. Die Bürger der Ukraine sollten nicht leiden, nur weil ihre Politiker versagt haben.

 
  
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  Evgeni Kirilov (PSE). - Frau Präsidentin! Im Großen und Ganzen könnte ich den Kolleginnen und Kollegen zustimmen, die die aktive Rolle der tschechischen Präsidentschaft gelobt haben.

Ich kann jedoch dem politischen Ton, den der stellvertretende Ministerpräsident, Herr Vondra, bei seinen einleitenden Bemerkungen verwendet hat, nicht zustimmen. Sein politischer Ton ist zu ruhig. Ja, wir haben mit einer Stimme gesprochen und tun dies immer noch; aber diese Stimme ist nicht stark genug. Denn wenn wir die Notlage der Millionen von Bürgern in Europa berücksichtigen, die in diesem strengen Winter leiden, können wir hier nicht ruhig sein. Ich frage mich, weshalb dies so ist. Wir werden handeln müssen, und ich stimme den meisten Kolleginnen und Kollegen zu, die eine Untersuchung gefordert haben, weil wir herausfinden müssen, welche der zwei Seiten verantwortungsloser ist. Beide sind verantwortlich! Vielleicht liegt der Grund für dieses ruhige politische Gespräch in der Tatsache, dass es jetzt nicht nur Russland betrifft, sondern auch die Ukraine, und dies ist nicht richtig.

Ich denke wirklich, dass nicht nur dieses Parlament, sondern auch die Präsidentschaft ihre Stimme im Namen der leidenden Bürger erheben sollte.

 
  
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  Fiona Hall (ALDE). - Frau Präsidentin! Diese Krise macht deutlich, wie wichtig es ist, die EU energieunabhängiger zu machen; aber während wir die Energieversorgung diskutieren, dürfen wir nicht die grundlegende Wichtigkeit dessen vergessen, auch den Energiebedarf zu kontrollieren.

Wir haben ein Ziel zur 20-prozentigen Verbesserung der EU-Energieeffizienz bis 2020 und einige Rechtsvorschriften mit dem Fokus der Energieeinsparung. Diese Energieeffizienzmaßnahmen werden nicht nur dabei helfen, den Klimawandel und die Energiearmut in Angriff zu nehmen: Sie werden auch die Energieversorgungssicherheit Europas deutlich verbessern.

Natürlich gibt es einen guten Grund dafür, weshalb der von der Kommission vorgelegte Aktionsplan für Energieeffizienz ein internationales Element aufweist und die Wichtigkeit der Förderung von Energieeffizienzverbesserungen in Ländern außerhalb Europas anerkennt, nicht zuletzt in Ländern, die Energie nach Europa liefern und leiten. Fakt ist: Wenn sie weniger verbrauchen, bekommen wir wahrscheinlich mehr. Dies ist bei weitem wichtiger als der unmittelbar politische Aspekt dieser Krise.

 
  
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  András Gyürk (PPE-DE). (HU) Frau Präsidentin! Ich schlage vor, dass wir uns unmissverständlich ausdrücken. Die Europäische Union hat aus ihrer Erfahrung mit der Gaskrise im Jahr 2006 zwischen Russland und der Ukraine nicht gelernt und ist in der aktuellen Krise schwer gescheitert. Die Entscheidungsträger haben auf das Zudrehen der Gashähne so reagiert, als wenn dies völlig unerwartet eingetreten wäre. Diese Energieversorgungskrise, die bislang schwerste, ist möglicherweise die letzte Warnung für die Mitgliedstaaten, und wir müssen Schritte unternehmen, um unsere Energieabhängigkeit zu verringern.

Ich vertraue darauf, dass jetzt jedem klar ist, dass der zwischen Russland und der Ukraine ausgebrochene Konflikt nicht bloß ein privater, bilateraler Rechtsstreit ist, und zwar allein deshalb schon, weil er Hunderte von Millionen von Bürgern der Europäischen Union betrifft. Die aktuelle Krise stellt nicht nur unsere gemeinsame Energiepolitik auf die Probe, sondern auch die EU-Solidarität.

Worum es jetzt geht, ist, ob die Mitgliedstaaten über die Politik hinaus gehen können, die bisher auf separaten Vereinbarungen basiert. Worum es geht, ist, ob die Europäische Union dazu in der Lage ist, bezüglich einer so wichtigen Angelegenheit vereint zu sprechen und zu handeln.

 
  
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  Eluned Morgan (PSE). - Frau Präsidentin! Ich freue mich, dass Herr Vondra zurück ist. Ich danke ihm, dass er den Ernst der Lage erläutert hat. Aber wann wird der Rat lernen, dass wir uns so lange in einer schwachen Position befinden werden, bis die EU bezüglich Energiefragen mit einer Stimme spricht, vor allem in Bezug auf Russland und die Ukraine?

Ich gebe Ihnen ein Beispiel dafür, wann der Rat dies nicht tut. Wir werden in Kürze die Verhandlungen über die zweite Lesung des Energieliberalisierungspakets beginnen. Die Kommission entwickelte bezüglich der Drittländer, die in die EU investieren, einen sehr umsichtigen Standpunkt und schlug vor, dass die Kommission in solchen Fragen im Namen der EU sprechen solle. Was haben Sie im Rat getan? Sie haben sich auf nationale Standpunkte zurückgezogen und gesagt: „Nein, wir Mitgliedstaaten möchten das letzte Wort haben, nicht die Kommission.“

Es ist „Teile und herrsche“, der älteste Trick überhaupt, auf den Sie und Ihre Kollegen hereingefallen sind. Solange Sie nicht erkennen, dass Sie Ihre Kräfte bündeln müssen, um international mehr Einfluss zu erlangen, werden wir uns immer in einer Position befinden, in der wir verwundbar sind. Sie müssen den europäischen Bürgern eine Antwort darauf geben, weshalb sie jetzt im Kalten sitzen. Sie müssen Ihren Standpunkt diesbezüglich ändern. Werden Sie dies tun?

 
  
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  Alexandr Vondra, amtierender Präsident des Rates. − Frau Präsidentin! Ich möchte mich zunächst bei Ihnen entschuldigen. Ich bin zum ersten Mal hier, und vielleicht habe ich für die Einleitung so viel Zeit gebraucht, dass ich zur Verzögerung beigetragen habe. Ich denke jedoch, dass die Zusammenfassung dessen, wie wir seit dem frühen Morgen des 1. Januar vorgegangen sind, sich gelohnt hat.

Mit einer Stimme zu sprechen, ist genau das, was wir bei diesem gewagten Unternehmen zu tun versuchen. Ich denke, dass wir fürs Erste ziemlich erfolgreich dabei sind.

Sie haben das Energiepaket für den Binnenmarkt erwähnt. Dies ist kein Thema der aktuellen Aussprache. Wir diskutieren die Notsituation. Ich kann Ihnen jedoch von dem, was ich von der Diskussion im Rat weiß, sagen, dass die mannigfaltigen Befürchtungen einer vollständigen Entflechtung einfach durch strategische Bedenken in einigen Ländern begründet waren. Dies ist die Aussprache über eine Drittlandsklausel usw. Ich habe jedoch in meiner Stellungnahme hier erwähnt, dass die tschechische Präsidentschaft dies als eine ihrer Prioritäten berücksichtigt, und wir werden alles in unserer Macht Stehende tun, um eine Lösung sowie einen Kompromiss zwischen dem Rat und dem Parlament zu finden.

Erwarten Sie jedoch nicht, dass dies uns eine Wunderlösung bringt wie bei den Gasspielchen in Mittel- und Osteuropa. Es ist ein Unterschied, ob man auf einer Insel ist und die Freiheit hat, Energie in jeden gewünschten Hafen zu bringen, oder ob man sich dort befindet, wo die Slowakei oder Bulgarien sind. Ja, Sie haben Recht, dass es Länder gibt, die für eine derartige Notsituation besser ausgestattet sind, sogar in dieser besonderen Region. Ich denke jedoch, dass wir uns auch der Tatsache bewusst sein sollten, dass beispielsweise Gasspeicheranlagen nicht überall dort errichtet werden können, wo dies gewünscht wird. Die richtige geologische Umgebung ist erforderlich.

Beispielsweise haben wir in meinem Land das Glück, dass alle Speicheranlagen sich im östlichen Teil des Landes befinden. Wir können aus diesen Speichern Gas pumpen und es verteilen, sogar wenn es praktisch keine Versorgung von außerhalb gibt. Wir können einige Wochen oder Monate überstehen, aber nicht länger. Die Slowakei hingegen hat diese geologischen Positionen im westlichen Teil des Landes, und die Umkehrung des Flusses ist kein einfacher Vorgang. Sie müssen die Kompressoren an den Pipelines haben, da es andernfalls Probleme gibt.

An alle diejenigen, die der Auffassung sind, dass dies ein politisches Problem ist: Was das Sprechen mit einer Stimme angeht, kann ich Ihnen aus all meiner Erfahrung sagen, dass dies natürlich ein politisches Problem ist. Dies ist ein politisches Problem, weil Menschen frieren, also ist dies eine politisch schwierige Lage. Natürlich stimme ich denjenigen zu, wie Jacek Saryusz-Wolski oder István Szent-Iványi, die der Auffassung sind, dass dies eine Art zynisches Spiel ist, und tatsächlich: Dies ist im Wesentlichen ein Kampf darum, wer die Infrastruktur in dem betroffenen Land kontrollieren wird. Andere, wie Hannes Swoboda und Jan Marinus Wiersma, betonen, dass wir hierbei keinen Schwarz-Weiß-Ansatz wählen sollten und dass die Ukraine etwas Aufmerksamkeit verdiene. Sie haben ebenfalls Recht: Natürlich macht die Ukraine dies nicht einfacher. Zumindest ist dies meine eigene Ansicht. Aber dann sollten wir uns der Tatsache bewusst sein, dass Bulgarien und die Slowakei sich in einer furchtbaren Situation befinden, weil es plötzlich ein Land gibt, dass diese schwierige Situation ausnutzen und diese Länder mit der Ukraine in Konflikt bringen möchte. Wir sehen dies beispielsweise gerade jetzt anhand der heutigen Entwicklungen. Demnach ist es schwierig. Was können wir tun?

Dann gibt es all diejenigen, die Angst davor haben, sich überhaupt am Spiel zu beteiligen, weil sie dieses Spiel als Schwarzer Peter betrachten, mit der Gefahr, dass derjenige, der am Ende die schwarze Karte auf der Hand hat, die Zeche bezahlen muss. Ich denke nicht, dass wer Angst davor hat, zu spielen, mutig ist. Ich denke, dass eine mutige Person dazu bereit ist, ein Risiko einzugehen.

Warum nicht das Gas an der ukrainisch-russischen Grenze kaufen? Ein exzellentes Beispiel! Wir haben dies diskutiert; aber wer sind die Vertragspartner auf EU-Seite? Es gibt Privatunternehmen, die Angst haben, weil sie keine Kontrolle über das hereinkommende Gas haben. Es ist offensichtlich, dass es eine Lösung geben sollte; aber dies würde die Bereitschaft der Ukraine voraussetzen, einen Anteil an der Pipeline aufzugeben. Wie Sie wissen, verbietet ihr Parlament dies, und sie sind nicht dazu bereit. Europäische Unternehmen sollten eine bestimmte Rolle übernehmen, und es gibt nichts, was innerhalb einiger Wochen oder gar Monate getan werden kann. Wir müssen daher den Druck erhöhen. Aber wir haben beispielsweise heute gesagt, dass hier rechtliche Schritte folgen müssen. Ich denke, dass dies auf beiden Seiten wichtig ist.

Ich möchte mich nicht wiederholen und wieder länger brauchen, als ich sollte. Ich möchte Ihnen vor allen Dingen für Ihr Interesse und Ihre aktive Haltung danken – angefangen bei Jacek Saryusz-Wolski, der EVP-Fraktion, bis hin zu Ihnen allen hier. Wir brauchen Ihre Hilfe und Ihre Aufmerksamkeit. Wir brauchen Ihre Hilfe, um die Aufmerksamkeit der europäischen Länder auf dieses Thema zu lenken, in denen dieses Problem nicht auf den Titelseiten zu finden ist. Das ist vor allem in diesem Teil Europas der Fall, wo es keine Notsituation gibt. Dies würde uns helfen, aktiver mit einer Stimme zu sprechen.

Zu guter Letzt stimme ich den meisten von Ihnen zu, die sich für die Notwendigkeit eines strategischeren Ansatzes ausgesprochen haben, für die Notwendigkeit mittel- und langfristiger Lösungen: Die tschechische Präsidentschaft plant genau dies zu tun. Wir haben die sechs Monate – und wir haben vielleicht vier Monate, um mit Ihnen daran zu arbeiten –, aber wir stimmen mit der Kommission und den Mitgliedstaaten vollkommen darin überein, die Agenda voranzubringen, um dies zu einem Hauptpunkt für die Tagung des Europäischen Rates im März zu machen und natürlich auch im Mai den Gipfel „Südlicher Korridor“ zu organisieren, um die Diversifizierung der Versorgung zu fördern, beispielsweise das Nabucco-Projekt und andere.

 
  
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  Benita Ferrero-Waldner, Mitglied der Kommission. − Frau Präsidentin! Ich werde versuchen, mich so kurz wie möglich zu fassen. Aus Sicht der Außenpolitik gibt es viele Folgen, und wir haben 2006, als wir zum ersten Mal gewarnt wurden, damit begonnen, uns mit diesen Folgen auseinander zu setzen. Das Wichtigste ist, was wir zusammen in Zukunft tun können. Wir haben ein Problem, und das ist natürlich der Vertrag. Im Vertrag gibt es keine gemeinsame Außenpolitik der Versorgungssicherheit. Wir werden im Vertrag von Lissabon eine Solidaritätsklausel haben, die dann verwendet werden könnte, um die allerorts gebrauchte und genannte bessere Koordinierung zu ermöglichen. Zweitens haben wir seit zwei Jahren eine Energiediplomatie. Eine ganze Reihe von Memoranden ist unterzeichnet worden. Wir arbeiten daran; aber vieles ist noch Theorie oder befindet sich in der Vorbereitungsphase. Es ist sehr schwierig, alle Akteure auf einmal zusammenzubringen. Wir können in der Regel nur den Rahmen vorgeben, beispielsweise für Nabucco. Wir haben damals versucht, das benötigte Gasvolumen zu bekommen, damit Nabucco beliefert und gebaut werden kann. Ich denke, dass dort öffentlich-private Partnerschaften notwendig sind. Dies ist mein zweiter Punkt. Der dritte ist, wie wir alle natürlich wissen – und dies ist oft gesagt worden –, dass dieser Gaskonflikt ein Handelskonflikt ist, jedoch einer, der auch große politische Konnotationen hat.

Wir sehen auch den sehr schlechten Zustand der russisch-ukrainischen Beziehungen; aber unser Hauptziel muss darin bestehen, die Situation so weit wie möglich zu stabilisieren. Eine dieser Möglichkeiten wird unsere neue Idee der Östlichen Partnerschaft sein, bei der die östlichen Partner zusammenarbeiten sollen. Bezüglich der Ukraine werden wir Ende März eine gemeinsame internationale Investitionskonferenz über die Sanierung und Modernisierung des Gastransitsystems der Ukraine abhalten. Ich denke, dass dies genau zur rechten Zeit erfolgt. Was die bilateralen Beziehungen – EU-Russland bzw. EU-Ukraine – angeht, ist meiner Meinung nach klar, dass die Energieversorgungs- und Transitaspekte der derzeit verhandelten neuen Abkommen an neuer Bedeutung gewonnen haben und berücksichtigt werden.

Als letzten Punkt möchte ich erwähnen, dass wir nicht nur nach Osten schauen, sondern auch nach Süden. Wir haben bereits mit vielen arabischen Ländern bezüglich Initiativen gearbeitet, um – hoffentlich – Gas über die Türkei zur Nabucco-Pipeline zu leiten. Dies bedeutet, dass die Diversifizierung von Pipelines, Quellen und natürlich unterschiedlichen Energieträgern – wir hier gesagt worden ist – den Weg in die Zukunft weist. Hierfür brauchen wir auch die richtige Rechtsgrundlage, und die ist schwierig.

 
  
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  Andris Piebalgs, Mitglied der Kommission. − Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Ich werde nur ein paar Dinge sagen. Zunächst einmal besteht unsere Aufgabe darin, die Lieferungen unverzüglich wieder in Gang zu bringen, weil Menschen leiden, weil die Industrie leidet und weil Menschen ihre Arbeitsplätze verlieren; daher ist dies die Hauptaufgabe, nicht die Schaffung weiterer Hindernisse.

Aber danach sollte eine Analyse stattfinden, und Maßnahmen sollten ergriffen werden. Wir sollten einige unserer Klischees überdenken, denn wenn 2006 als Warnung bezeichnet werden könnte, ist dies ein wahrer Schock.

In Wirklichkeit unterschätzen wir das, was wirklich passiert ist. Wenn die Regierungen zweier Länder sich gegenseitig des Zudrehens der Gaspipelinehähne beschuldigt haben, ist die einzige Schlussfolgerung, die ich ziehen kann – weil ich den Ländern und Regierungen vertraue –, dass jemand die Pipelines manipuliert hat, und das ist sehr schwer zu glauben.

Daher ist das, was passiert ist, wirklich außergewöhnlich und sollte meiner Meinung nach große Auswirkungen auf die Energiepolitik haben, die wir zu entwickeln versuchen. Aus diesem Grund denke ich, dass kein Thema mehr tabu sein sollte. Wir sollten wirklich diskutieren, wie die Versorgungssicherheit unter allen möglichen Umständen gewährleistet werden kann.

Und um ehrlich zu sein, habe ich nie mit einer vollständigen Unterbrechung der Versorgung gerechnet. Ich habe dies niemals erwartet: Dies war auch für mich ein Schock. Sie können mir als Kommissar für Energie die Schuld geben und sagen: „Sie hätten dies vorhersehen sollen.“ Aber dies war niemals zu erwarten. So etwas ist nie vorher passiert, und wir sollten in Zukunft auf eine solche Maßnahme vorbereitet sein.

 
  
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  Die Präsidentin. − Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung erfolgt morgen (Donnerstag, den 15. Januar 2009).

Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)

 
  
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  Cristian Silviu Buşoi (ALDE), schriftlich.(RO) Die Europäische Union steht wieder einmal vor einer Krise bezüglich ihrer Erdgasversorgung. Es ist nicht klar, wer Schuld hat. Russland? Die Ukraine? Beide? Ich rufe die Europäische Kommission nachdrücklich dazu auf, Informationen zu veröffentlichen, die Aufschluss über die Gründe geben, die diese Situation verursacht haben. Die Europäische Union muss die Verantwortung dafür übernehmen, darzulegen, wer tatsächlich Schuld hat.

Die Krise hat leider gezeigt, dass viele Länder der Europäischen Union in Bezug auf Energie erpressbar sind und als Folge der Missverständnisse – eher politischer als wirtschaftlicher Natur – zwischen den Ländern der ehemaligen Sowjetunion möglicherweise letztendlich zu Schaden kommen. Es ist offensichtlich, dass wir den Prozess der Schaffung einer gemeinsamen europäischen Energiepolitik beschleunigen müssen, die auch auf einem gemeinsamen externen Ansatz basiert. Wir müssen den Prozess der Diversifizierung von Versorgungsquellen und Transitrouten für Erdgas beschleunigen. Die Beschleunigung des Nabucco-Projektes ist in der Tat grundlegend.

Ich denke, dass der Kommissar für Energie einen Bericht vorlegen muss, in dem die von der Kommission zur Unterstützung des Nabucco-Projekts während des letzten Jahres ergriffenen oder – genauer gesagt – NICHT ergriffenen Maßnahmen genau aufgeführt werden.

 
  
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  Sylwester Chruszcz (UEN), schriftlich. (PL) In der heutigen Aussprache ist viel über Gaslieferungen sowie die Verknüpfungen, Verbindungen und Abhängigkeit der europäischen Volkswirtschaften gesagt worden. Wir müssen aus der gegenwärtigen Krise lernen.

Wir müssen des Weiteren das Projekt Jamal 2 als etwas betrachten, das rational und in unserem Interesse ist. Es ist nicht nur besser als die Ostseepipeline nach Deutschland, die Polen umgeht, sondern wird unsere Energieversorgungssicherheit erhöhen. Wenn Jamal 2 gebaut wird, dann bedeutet dies einen deutlich größeren Gastransit über Polen nach Europa. Dies ist zudem eine kostengünstigere und effizientere Lösung als die nördliche Pipeline und kann darüber hinaus schneller gebaut werden.

Meiner Meinung nach müssen wir unsere Bemühungen in diese Richtung lenken, um die Energieversorgungssicherheit für alle EU-Mitgliedstaaten zu gewährleisten.

 
  
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  Corina Creţu (PSE), schriftlich. – (RO) Die Gaskrise macht auf zwei größere Probleme aufmerksam, vor denen die Europäische Union steht.

An der Energiefront haben wir immer noch keine gemeinsame Strategie, weil die hierfür erforderliche Kohäsion fehlt. Gegenwärtig sind 11 der 27 EU-Länder von den Lieferstopps betroffen. Die Abhängigkeit von russischem Gas ist ein allgemeines Sicherheitsproblem, wenn man berücksichtigt, dass Energie jederzeit als Waffe eingesetzt werden kann, vor allem gegen die ehemaligen Satellitenstaaten Russlands. In dieser Situation hat die EU die Pflicht, eine Lösung für die Schaffung einer sicheren Energiezone für neue Mitgliedstaaten zu finden. Das wirkliche Problem für Europa ist die Diversifizierung von Gasquellen und nicht die Transitrouten zwischen Russland und der EU.

Außerdem zeigt uns die Gaskrise die politische Schwäche einer geteilten, zögernden Europäischen Union. Einer der offenkundigsten Mängel rührt von der EU-Präsidentschaft her. Wir brauchen, vor allem in Krisenzeiten, eine repräsentative Stimme, die im Namen der EU spricht. Ein Chorus aus mehreren Stimmen birgt das Risiko der Verspottung des Gedankens eines geeinten Europas, von seinem internationalen Image und Einfluss ganz zu schweigen. Aus diesem Grund ist es erforderlich, eine europäische Präsidentschaft für einen längeren Zeitraum zu etablieren, die zudem von den politischen Strukturen der Mitgliedstaaten unabhängig ist.

 
  
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  Daniel Dăianu (ALDE), schriftlich. Eine weitere Warnung.

Die aktuelle Gaskrise zeigt abermals, wie schwach und unwirksam unsere EU-Energiepolitik ist. Wenn nationale Regierungen der EU sich unter großem Druck im Grunde auf ihre eigenen Ressourcen und Quellen verlassen. Dies ist unter den Umständen zwar nicht überraschend, zeigt jedoch eine weitere Facette mangelnder EU-Solidarität. Diese Krise hebt außerdem hervor, welche zukünftigen Schritte in der EU-Energiepolitik ein Muss sind, wenn wir tatsächlich eine möchten. Wie für die Vorräte an Öl sollten wir auch Speicher für Gas entwickeln. Wir müssen die Gaslieferanten, Versorgungswege und Liefermechanismen (wie im Fall von Flüssigerdgas) diversifizieren. Der Bau des Nabucco-Projekts sollte beschleunigt werden, und das Geld für dieses Projekt sollte aufgestockt werden, indem die EIB in seine Finanzierung einbezogen wird. Das Argument, dass bei Entwicklung neuer Transportwege nicht genügend Gas verfügbar wäre, hält keiner Prüfung stand. Wir müssen schneller erneuerbare Energieressourcen entwickeln und Energie sparen. Zu guter Letzt müssen wir grenzüberschreitende Energieverbindungsleitungen schaffen, sodass die EU-Mitgliedstaaten einander bei Bedarf helfen können.

 
  
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  Dragoş Florin David (PPE-DE), schriftlich.(RO) Frau Präsidentin, Herr Kommissar, meine Damen und Herren!

Der Energiesektor stellt einen bedeutenden wirtschaftlichen und geopolitischen Faktor dar. Heute ist fast die Hälfte der Energie der EU von Importen abhängig, wobei die Prognosen darauf hindeuten, dass die Importe bis 2030 70 % der Erdgasversorgung und 100 % der Ölversorgung ausmachen werden. Dies sollte für uns das Hauptmotiv sein, um dringend eine gemeinsame Energiepolitik auszuarbeiten. Dies erfordert, dass wir die Umsetzung einer gemeinsamen Energiepolitik auf drei Säulen stützen: die vollständige Verbindung der nationalen Netze auf EU-Ebene, die Diversifizierung unserer Versorgungsquellen und die Einführung aktiver Maßnahmen mit dem Ziel der Energieeinsparung.

All diese Maßnahmen müssen auch dazu führen, dass Energiekrisen wie die aktuelle Krise, die das von Russland über die Ukraine gelieferte Gas betrifft und größere Probleme für die Bevölkerung der EU verursacht sowie ihre Wirtschaft zum Erliegen bringt, vermieden werden. Ist es wirklich möglich, Gas aus einem Netz zu stehlen wie eine Geldbörse aus einer Tasche? Ist es wirklich möglich, die Versorgung einfach so einzustellen, innerhalb weniger Minuten, ohne den Abnehmer vorher darüber zu informieren? Bevor wir uns mit der Nichteinhaltung internationaler Verträge und Abkommen sowie der Tatsache auseinandersetzen, dass der Lieferant, der den größten Teil seiner Einnahmen durch Gasexporte erzielt, zuverlässig für dieses Gas zahlende Europäer mit Gleichgültigkeit und Desinteresse behandelt, müssen wir uns meiner Meinung nach mit Lösungen für die Energieversorgungssicherheit der EU beschäftigen.

 
  
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  András Gyürk (PPE-DE) , schriftlich.(HU) Die Europäische Union hat aus ihren Erfahrungen mit der Gaskrise im Jahr 2006 zwischen Russland und der Ukraine nicht gelernt. Die Entscheidungsträger haben auf das Zudrehen der Gashähne so reagiert, als wenn dies völlig unerwartet eingetreten wäre. Diese Energieversorgungskrise, die bislang schwerste, ist möglicherweise die letzte Warnung für die Mitgliedstaaten: Wir müssen Schritte unternehmen, um unsere Energieabhängigkeit zu verringern. Der zwischen Russland und der Ukraine ausgebrochene Konflikt ist nicht bloß ein privater, bilateraler Rechtsstreit, da er Hunderte von Millionen von EU-Bürgern betrifft.

Die aktuelle Krise stellt nicht nur unsere gemeinsame Energiepolitik auf die Probe, sondern auch die EU-Solidarität. Worum es jetzt geht, ist, ob die Mitgliedstaaten über die Politik hinaus gehen können, die bisher auf separaten Vereinbarungen basiert. Worum es geht, ist, ob die Europäische Union dazu in der Lage ist, bezüglich einer so wichtigen Angelegenheit vereint zu sprechen und zu handeln.

Die Untätigkeit der vergangenen Tage ist besonders schmerzlich, da die Europäische Kommission bei der Definition der Schritte, die möglicherweise die Abhängigkeit Europas verringern, gute Arbeit geleistet hat. Wir können den Darlegungen im Aktionsplan für Energieversorgungssicherheit und -solidarität nur zustimmen. Es müssen so schnell wie möglich Investitionen in die Entwicklung alternativer Lieferwege und in die Verbindung bestehender Netze getätigt werden. Die Unterstützung für Energieeffizienzinfrastrukturen muss ausgebaut werden, und wir müssen die Energiedimension der EU-Außenpolitik stärken, die gerade Form annimmt.

Ich glaube, dass die Auswirkungen der aktuellen Krise weniger drastisch gewesen wären, wenn die Mitgliedstaaten nicht erst in letzter Minute zur Vernunft gekommen wären und sich mehr als nur mit Worten für eine gemeinsame europäische Energiepolitik eingesetzt hätten.

 
  
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  Filip Kaczmarek (PPE-DE), schriftlich. (PL) Die gegenwärtige Krise bezüglich der Lieferung von Gas in die Ukraine und nach Europa scheint weit größere Auswirkungen zu haben als frühere Krisen, die das Ergebnis desselben Problems waren, der Monopolstellung Russlands bei Gaslieferungen in die EU. Sie hat uns geholfen, die wahre Bedeutung der Begrifflichkeiten und Begriffe zu erfassen, die wir häufig verwenden, aber nicht immer verstehen, Begriffe wie Energieversorgungssicherheit, EU-Solidarität, gemeinsame Energiepolitik oder Diversifizierung der Versorgung und der Möglichkeiten zur Lieferung von Gas und anderen Brennstoffen. Wir müssen nicht einmal die wahren Gründe für das Verhalten Russlands kennen, um unsere Schlussfolgerungen zu ziehen. Das Kennen der Motive ist eindeutig wichtig, um eine moralische und politische Beurteilung bezüglich des Verhaltens einzelner Länder und Unternehmen abzugeben; aber Fakt bleibt, dass unabhängig von den Motiven der jeweiligen Parteien des Abkommens einige Bürger der Europäischen Union den unangenehmen Folgen dessen ausgesetzt worden sind, kein Gas zu haben. Die Wahrheit ist wichtig; aber sie wird kein Gas liefern. Lassen Sie uns diese Gelegenheit nutzen, um ernsthafte Antworten auf verschiedene Fragen zu erhalten. Werden wir in der Lage sein, aus der aktuellen Situation die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen? Werden wir in der Lage sein, über die kurzsichtige Perspektive hinauszuwachsen, die von politischen Parteien verwendet wird, die sich derzeit in der Opposition befinden und die Situation in zynischer Weise dazu nutzen, ihre eigenen nationalen Parlamente grundlos anzugreifen? Wird Nabucco gebaut werden? Werden wir unsere obligatorischen Brennstoffreserven erhöhen? Werden die ideologischen Gegner der Kernenergie ihre Ansichten ändern? Hoffentlich.

 
  
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  Janusz Lewandowski (PPE-DE), schriftlich. (PL) Frau Präsidentin! Die Lehre aus der gegenwärtigen Gaskrise ist wichtig, und die Europäische Union muss daraus lernen. Dies ist ein weiterer Wendepunkt und sollte der letzte sein, der die mangelnde Staatsführung von 27 Ländern bloßstellt. Dies erwarten die Menschen in Europa, sogar in den Ländern, die nicht direkt von der Gasblockade betroffen und weniger abhängig von den Lieferungen von Gazprom sind.

Der in der Richtlinie von 2004 umrissene Solidaritätsmechanismus ist für die heutigen Herausforderungen gänzlich ungeeignet. Wir müssen uns auf eine geeignete gemeinsame Politik der Solidarität, Sicherheit und Diversifizierung im Energiebereich einigen. Wir brauchen keine Slogans. Wir brauchen Infrastrukturinvestitionen. Wir müssen uns selbst gegen eine zukünftige Krise absichern, indem wir unsere Gasspeichermöglichkeiten erhöhen. Energiesolidarität erfordert grenzüberschreitende Verbindungen, die die Transportnetze einzelner Länder verbinden. Polen ist ein gutes Beispiel hierfür: Obwohl es hauptsächlich über Pipelines aus Russland versorgt wird, die die Ukraine umgehen, und es daher der gegenwärtigen Krise weniger ausgesetzt ist, ist es dennoch vom westeuropäischen Transport- und Speichersystem getrennt.

Wir sind beunruhigt, dass eine der Folgen der gegenwärtigen Krise darin besteht, dass sie die Glaubwürdigkeit der Ukraine verringert hat und nicht nur die Russlands. Diese Auswirkung des Gaskriegs ist nicht weniger wichtig als die von Verbrauchern während eines harten Winters erlebten vorübergehenden Probleme.

 
  
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  Marusya Ivanova Lyubcheva (PSE), schriftlich. (BG) Es ist für uns sehr schwierig, das Thema der Gaskrise zu diskutieren, da dem Rat, dem Europäischen Parlament und der Europäischen Kommission am Ende die Hände gebunden waren. Aber die Aussprache ist sehr wichtig, wenn auch unzulänglich. Ich möchte allen Kolleginnen und Kollegen der verschiedenen politischen Fraktionen und Mitgliedstaaten für ihre Unterstützung Bulgariens und der anderen Länder, die unter der Krise gelitten haben, danken.

Gleichzeitig lässt dies kein Gas zum Vorschein kommen und schafft auch keine normalen europäischen Lebensbedingungen für unsere Mitbürger. Als Folge dieser Krise hat sich Bulgarien von einem Energiezentrum im Balkan in eine Gaskrisenhauptstadt verwandelt.

Aus diesem Grund sind dringende Maßnahmen erforderlich. Die Folgen dieser Krise sind humanitärer und wirtschaftlicher Natur. Dies destabilisiert unser Land zusätzlich zur Finanz- und Wirtschaftskrise. Das Europäische Parlament muss eine Entschließung annehmen, in der es seinen Standpunkt sowie die Maßnahmen darlegt, die uns helfen werden, die Krise zu überwinden. Hier und jetzt. Diese Maßnahmen müssen die Kernenergie und die Suche nach neuen Erdgasquellen umfassen. Wir brauchen einen neuen Maßnahmenmechanismus und eine Reihe von Instrumenten.

Wenn das Europäische Parlament heute nicht Teil der Lösung des Problems ist, wird es Teil des eigentlichen Problems werden. Dies wird zu einem negativen politischen Ergebnis für die EU führen.

 
  
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  Marian-Jean Marinescu (PPE-DE), schriftlich.(RO) Die aktuelle Krise hat wieder einmal deutlich gemacht, dass das Hauptproblem in der Abhängigkeit von sich in der Russischen Föderation befindenden Energieressourcen liegt sowie darin, dass die Russische Föderation diese Situation in einer Weise nutzt, die außerhalb internationaler Standardverfahren liegt.

Die vom Präsidenten der Europäischen Kommission und vom Präsidenten des Rates während der Krise in Georgien abgegebenen Erklärungen, die sich auf eine Änderung der Beziehung der EU zu Russland beziehen, müssen in die Tat umgesetzt werden.

Der Vertrag von Lissabon muss ratifiziert werden, sodass wir eine gemeinsame europäische Energiepolitik ausarbeiten können.

Wir müssen unverzüglich mit dem Bau der Nabucco-Gaspipeline beginnen.

Es ist absolut notwendig, Energieprojekte zu fördern, die die Schwarzmeerregion stärker einbeziehen und Energiequellen aus der Region des Kaspischen Meeres nutzen.

Die Osterweiterung der Europäischen Energiegemeinschaft und die prioritäre Einbeziehung von Energie als Thema in dem über die Östliche Partnerschaft geschaffenen neuen Rahmen tragen möglicherweise auch zur Lösung der aktuellen Situation bei.

 
  
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  Katrin Saks (PSE), schriftlich. (ET) Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Vorsitzender!

Es ist bedauerlich, dass die tschechische Präsidentschaft nicht wie im Vorfeld geplant beginnen konnte, sondern mit der auferlegten Lösung des russisch-ukrainischen Gaskonflikts. Ähnlich der vorherigen Präsidentschaft, die damit beginnen musste, sich um ein Ende des russisch-georgischen Kriegs zu bemühen.

Jedoch hat alles auch eine positive Seite. Dank dieses Kriegs um die Gasbereitstellung sind Energiefragen in den Vordergrund gerückt, vor allem die Erkenntnis der Notwendigkeit einer gemeinsamen Energiepolitik.

Diese gemeinsame Energiepolitik kann jedoch nicht in Brüssel gestaltet werden, wenn die Mitgliedstaaten nicht durch ein gemeinsames Interesse motiviert sind, sondern stattdessen bilaterale Abkommen zu Bedingungen abschließen, die nur für sie günstig sind. In diesem Sinne muss eine gemeinsame Politik aus den Hauptstädten der Mitgliedstaaten hervorgehen, nicht aus den Schaltstellen der Macht in Brüssel, wie man annehmen würde.

Ich hoffe, dass der Sprecher dies erfolgreich vermitteln kann.

 
  
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  Toomas Savi (ALDE), schriftlich. Russland hat die Gaslieferungen zu einem extrem ungünstigen Zeitpunkt für europäische Verbraucher gesperrt, und es ist unbedingt notwendig, dass die Gaslieferungen kurzerhand wiederaufgenommen werden. Aber nach der Lösung der Krise müssen wir einen intensiven Blick auf unsere Abhängigkeit von Gas aus Russland werfen, und es gibt zwei Aspekte, die berücksichtigt werden sollten.

Erstens muss Russland zusichern, dass es in der Lage ist, seine Verpflichtungen gegenüber der EU zu erfüllen. Das Versagen überholter Technologie und Infrastruktur kann den stabilen Gasfluss in die EU gefährden. Es sollte außerdem beachtet werden, dass es trotz der ehrgeizigen Pläne zur Nord-Stream-Gaspipeline keine Gewissheit darüber gibt, ob die Fördermenge der Erdgasfelder Russlands ausreicht, damit es seinen Verpflichtungen nachkommen kann.

Zweitens hat der Kreml Erfahrung damit, wirtschaftliche Instrumente als politische Werkzeuge einzusetzen. Die Europäische Union sollte nie Opfer eines solchen Verhaltens werden. Ich bestärke die EU darin, ihr Energiepaket zu diversifizieren, um die Abhängigkeit von einem einzigen Erdgaslieferanten zu vermeiden.

 
  
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  Daniel Strož (GUE/NGL), schriftlich. – (CS) Meiner Meinung nach hat das Problem der Gaslieferungen aus Russland an die Ukraine und dann weiter in die EU zwei Aspekte. Der erste Aspekt ist, dass viele Menschen empört rufen: „Was fällt Russland ein!“ Ich frage: „Warum nicht?“ Wenn die EU selbst in erster Linie ein neoliberales Projekt ist und der Markt angeblich alles löst, warum sollte Russland sich dann nicht wirtschaftlich verhalten und die Zahlung des ihm vom Schuldner geschuldeten Geldes fordern dürfen? Die Gaskrise wurde nicht von Russland ausgelöst, sondern von der Ukraine, und sie ist kein politisches Problem, sondern ein wirtschaftliches Thema. Dies muss klar und deutlich gesagt werden. Der zweite Aspekt ist der Fokus (den ich in der Vergangenheit mehrmals kritisiert habe) der EU-Organe und -Institutionen – und das Parlament bildet dabei keine Ausnahme – auf Probleme, die irrelevant sind und bloß die Aufmerksamkeit von wirklich dringenden Themen ablenken. Dies wurde durch die Reaktion auf Russlands legitime Entscheidung, die Gaslieferungen auszusetzen, nochmals bestätigt. Statt der peinlichen Hätschelei, die der ukrainischen Regierung als eine Art „Schutzfilter“ zwischen Russland und den EU-Ländern gewährt wurde, und statt sich die perfekte Form für eine Gurke auszudenken, hätte die EU sich schon vor langer Zeit auf eine Krise dieser Art vorbereiten sollen. Wie hat die EU beispielsweise den Slowaken und Bulgaren geholfen, die am schlimmsten von der Gaskrise betroffen sind? War sie in der Lage, ihnen überhaupt zu helfen? Wenn nicht, stimmt irgendetwas mit der Integration nicht.

 
  
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  Kristian Vigenin (PSE), schriftlich.(BG) Im Gaskrieg zwischen Russland und der Ukraine sind die, die am stärksten betroffen sind, die, die am unschuldigsten sind. Die aktuelle Situation zeigt deutlich, wie abhängig Europa nicht nur von der Quelle der Ressourcen ist, sondern auch von den Transitländern. Sie zeigt auch, wie ungerecht die Kritik an den alternativen Pipelines gewesen ist, beispielsweise an den Pipelines Nord Stream und South Stream. Leider zeigt sie auch, wie hilflos die Europäische Union in Bezug darauf ist, ihren am stärksten betroffenen Mitgliedstaaten zu helfen und die Sicherheit ihrer Bürger zu gewährleisten.

Unsere grundlegende Aufgabe besteht jetzt darin, für die Wiederaufnahme der Gaslieferungen zu sorgen. Die EU muss außerdem ihre gesamten politischen Ressourcen einsetzen, um Russland und die Ukraine davon zu überzeugen, die von ihnen als Geiseln gehaltenen 18 Mitgliedstaaten freizulassen.

Die zweite Maßnahme muss die Unterstützung für die am schwersten betroffenen Länder sein. Im Klima einer Wirtschaftskrise und schrumpfender Märkte können sich die Folgen einer Gasknappheit für viele Unternehmen in meinem Land als verhängnisvoll erweisen, und Tausende von Menschen werden ihre Arbeit verlieren. Wer wird hierfür verantwortlich sein?

Die dritte und wichtigste Maßnahme in einem langfristigen Plan sind der Bau alternativer Gaspipelines, vor allem Nabucco, Investitionen in die Anbindung der Gasversorgungsnetze der Mitgliedstaaten und der Bau von Gasspeichern zur Sicherstellung größerer Reserven.

Die einzige Schlussfolgerung aus all dem ist, dass wir eine einheitliche europäische Politik brauchen; aber es ist schade, dass wir dies immer erst nach einer schweren Krise begreifen.

 
  
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  Andrzej Tomasz Zapałowski (UEN), schriftlich. (PL) Frau Präsidentin! Der Gegenstand der Krise in Bezug auf die Gaslieferungen in die EU, in die Ukraine und in den Balkan sollte hauptsächlich als ein Element im Kampf um politischen und wirtschaftlichen Einfluss in den ehemaligen Sowjetrepubliken gesehen werden.

Das Land, um das jetzt gekämpft wird, ist die Ukraine. Russland hat sich an dem dort stattfindenden Wahlkampf beteiligt. Es wollte dies dazu nutzen, um der ukrainischen Öffentlichkeit zu zeigen, dass die Ukraine über günstiges Gas und Öl verfügen wird, wenn sie Russland treu bleibt.

Der derzeitige Konflikt zeigt auch, dass diese Art von geopolitischem Einfluss für Russland wichtiger ist als gute Beziehungen zur EU. Russland hat die wirtschaftlichen Kosten der Einstellung der Gaslieferungen in seine Handlungen mit einbezogen. Deshalb sollten wir uns selbst nichts vormachen: Dies ist nur der Beginn des Kampfes um Einfluss in der Ukraine.

In ihrer angeborenen Blindheit möchte die Europäische Union sich weiterhin auf Gas- und Ölimporte für Energie verlassen. Gleichzeitig liegen ihre eigenen Kohle- und Braunkohlevorkommen (Polen eingeschlossen) brach. Ich weiß nicht, ob dies politische Dummheit ist oder ob es einfach nur darum geht, den Druck in Zusammenhang mit Energie auf bestimmte Länder in der Gemeinschaft aufrechtzuerhalten.

 
  
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  Marian Zlotea (PPE-DE), schriftlich.(RO) Das Problem in Bezug auf das von Russland an die Ukraine und in die Europäische Union gelieferte Gas muss so schnell wie möglich gelöst werden. Die Europäische Union braucht eine Politik der Energieversorgungssicherheit sowie eine Diversifizierung ihrer Ressourcen und Solidarität im Energiesektor, um solche Krisen, die sich auf ihre Bürger auswirken, zu verhindern.

Mehr als die Hälfte der Mitgliedstaaten der EU ist von dem Stopp der Gasversorgung durch Russland betroffen. In Bulgarien ist die Versorgung der Industrie mit Gas herabgesetzt bzw. unterbrochen, da dieses Land zu 90 % von Gas aus Russland abhängig ist.

Ich unterstütze die Haltung der Präsidentschaft und der Kommission, beide Seiten aufzufordern, in Dialog zu treten, um einen Kompromiss zu erzielen. Ohne technische Koordinierung zwischen den zwei Seiten kann kein Gas geliefert werden. Wir müssen in Zukunft den Dialog mit beiden Seiten aufrechterhalten, um ähnliche Situationen zu vermeiden.

Der Rat und das Parlament schlagen über das derzeit diskutierte Energiepaket eine Reihe von Maßnahmen vor, die die Einbindung weiterer Energielieferanten zugunsten des Verbrauchers beinhalten. Wir hoffen, dass das Paket in zweiter Lesung angenommen wird.

Diese Krise muss so schnell wie möglich gelöst werden, weil sie sowohl die Bürger als auch die Industrie Europas betrifft. Wir brauchen eine gemeinsame Außenpolitik im Energiesektor.

 

10. Fragestunde (Anfragen an den Rat)
Video der Beiträge
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  Die Präsidentin. − Als nächster Punkt folgt die Fragestunde (B6-0001/2009).

Folgende Anfragen werden an den Rat gerichtet.

 
  
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  Die Präsidentin. − Anfrage Nr. 1 von Milan Horáček (H-0968/08)

Betrifft: Justiz in Russland

Wie beurteilt die Ratspräsidentschaft das Justizsystem in Russland, insbesondere die Gefangenschaft von Oppositionspolitikern – am Beispiel von Platon Lebedew und Michail Chodorkowski, deren Gerichtsverfahren und Haftbedingungen selbst gegen russisches Recht verstoßen? Welchen Stellenwert werden diese Missstände bei den Verhandlungen über das Partnerschafts- und Assoziationsabkommen mit Russland haben?

Anfrage Nr. 2 von Bernd Posselt (H-0999/08)

Betrifft: Justiz in Russland

Eines der Haupthindernisse für spannungsfreie politische und wirtschaftliche Beziehungen mit Russland sowie für ein neues Partnerschaftsabkommen sind die tiefgreifenden Mängel im russischen Justizwesen. Welche Schritte unternimmt der Rat, um auf die Korrektur politischer Urteile - etwa gegen die Yukos-Häftlinge Chodorkovsky, Lebedew und Bachmina - sowie ihres ebenfalls rechtswidrigen Vollzuges zu drängen und den Aufbau eines von autoritären politischen Strukturen unabhängigen Justizwesens zu unterstützen?

Anfrage Nr. 3 von Tunne Kelam (H-1008/08)

Betrifft: Rechtsstaatlichkeit und das Gerichtssystem in Russland

Als Wertegemeinschaft sollte die EU Rechtsstaatlichkeit und die Achtung der Menschenrechte zum Eckstein ihrer Beziehungen zu Drittländern machen. Aufgrund der Politisierung des Gerichtssystems in Russland, das von den Machthabern im Kreml offen als Instrument eingesetzt wird, sollten bei der Gestaltung der künftigen Beziehungen Gesetzlosigkeit und Korruption auf der Prioritätenliste der EU stehen.

Wie reagiert der Rat – auch in Anbetracht der aktuellen, spektakulären Fälle Chodorkowski, Lebedew und Bachmina – auf derartige gesetzwidrige und korrupte Gerichtsentscheidungen? Wie wird der Rat im Rahmen der Beziehung zwischen der EU und Russland mit dieser Frage umgehen, und welche Maßnahmen wird der Rat ergreifen, um Russland zu zwingen, sein Gerichtssystem zu ändern?

 
  
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  Alexandr Vondra, amtierender Präsident des Rates. − Ich weiß, dass mein Freund Milan Horáček ein Mann ist, der sich seit langem der Beobachtung der Menschenrechtslage in Russland widmet, und ich möchte ihm hierfür danken, weil dies genau das ist, was dieses Organ, diese Organisation, tun sollte.

Was die Frage zu diesem besonderen Thema angeht, möchte ich ihm versichern, dass der Rat die Bedenken über die Entwicklungen in Bezug auf Rechtsstaatlichkeit und Demokratie in Russland vollkommen teilt.

Der Rat ist der Ansicht, dass unsere Partnerschaft mit Russland auf der Achtung von Völkerrecht, demokratischen Grundsätzen und Menschenrechten basieren muss. Daher wird der Rat Russland weiterhin dazu drängen, die von ihm als Mitglied des Europarates und natürlich der OSZE sowie auch im Rahmen des PKA – des Partnerschafts- und Kooperationsabkommens mit der EU – eingegangene Verpflichtung voll und ganz zu erfüllen.

Die von Ihnen und Ihren Kollegen angeführten Fälle sind sehr beunruhigend, und der Rat wird die Entwicklungen weiterhin genau verfolgen.

Der Rat bringt seine Bedenken als Teil des politischen Dialogs regelmäßig Russland gegenüber zur Sprache, vor allem in der im März 2005 eingeführten halbjährlichen Menschenrechtskonsultation.

Das Vorgehen Russlands in diesem Bereich und anderen Bereichen wird bei den Verhandlungen über ein neues Abkommen mit Russland – dies ist sehr wichtig – und auch bei anderen Aspekten der Beziehungen zwischen der EU und Russland berücksichtigt werden.

Die Durchsetzung tragfähiger Menschenrechtsbestimmungen im derzeit verhandelten neuen PKA ist auch eine der EU-Prioritäten gemäß der im letzten Jahr vom Rat verabschiedeten Verhandlungsrichtlinie.

Die strategische Partnerschaft mit Russland, über die einige sprechen, muss auf gemeinsamen Werten aufbauen; andernfalls hätte sie keinen Sinn. Die EU braucht das neue Abkommen, aber Russland auch. Es ist wichtig, dass die Verhandlungen sowie der Text des Abkommens selbst Werte widerspiegeln, die uns teuer sind, beispielsweise Rechtsstaatlichkeit. Ich kann persönlich versprechen, dass ich betonen möchte, dass die Einheit der EU absolut entscheidend ist, um hier etwas zu erreichen.

 
  
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  Milan Horáček (Verts/ALE).(DE) Frau Präsidentin! Ich habe ein Problem damit, dass wir in der Vergangenheit immer wieder vom Rat die Antwort erhalten haben, dass die Beziehung zu Russland Priorität hat, aber gerade in den konkreten Fällen Chodorkowski, Lebedew und auch Frau Bachmina überhaupt kein Fortschritt zu sehen ist.

 
  
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  Bernd Posselt (PPE-DE).(DE) Herr Minister, ich schätze Sie als einen erfahrenen Menschenrechtsaktivisten, und ich schätze auch die tschechische Kreativität sehr hoch. Deshalb meine Fragen: Können Sie uns helfen, neue Wege zu finden, um die Frage der Yukos-Häftlinge nach Jahren des Redens einer Lösung näherzubringen, also einen gewissen Aktionismus zu entwickeln? Und wie kann man die Menschenrechtsfrage auch praktisch in den Verhandlungen mit Russland etwas stärker in den Mittelpunkt rücken, als das bisher der Fall ist?

 
  
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  Tunne Kelam (PPE-DE). - Herr Minister, vielen Dank für Ihre Antworten. Würden Sie zustimmen, dass wenn der Rat dieses Problem der russischen Seite gegenüber eindringlich und überzeugend dargelegt sowie demonstriert hätte, dass die EU eine solche skandalöse Rechtsverletzung ernst nimmt, auch die wirtschaftlichen Beziehungen heute eine bessere Basis hätten?

Würden Sie zustimmen, dass die EU, solange es für die Fälle Chodorkowski und Lebedew keine gerechte und transparente Lösung gibt, auch nicht von Russland erwarten kann, dass es seinen wirtschaftlichen Verpflichtungen nachkommt?

 
  
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  Alexandr Vondra, amtierender Präsident des Rates. − Ich denke, dass Sie angesichts einer tschechischen Präsidentschaft nicht von uns erwarten können, dass wir uns still verhalten. Ich war nicht still, als wir die Energieversorgungssicherheit diskutierten, und ich war in der Vergangenheit nicht still, als wir den Fall Chodorkowski und andere Fälle diskutierten.

Möglicherweise wissen Sie, dass wir im Februar ein Troika-Treffen haben werden, bei der die Präsidentschaft durch den Außenminister, Karel Schwarzenberg, vertreten sein wird. Gewiss werden wir in den Fällen, auf die Sie sich beziehen, über die Schritte nachdenken; aber ob es Resultate gibt oder nicht, liegt natürlich gänzlich in russischer Hand. Wir können lediglich ein gewisses Milieu schaffen, um den Druck aufrechtzuerhalten; aber es liegt an Russland, zu reagieren.

 
  
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  Daniel Hannan (NI). - Ich möchte den Minister in diesem Haus sowie die Tschechische Republik in der Präsidentschaft willkommen heißen. Ich wünschte, jedes Mitglied dieses Hauses könnte dasselbe sagen. Ich muss sagen, dass ich über den Inhalt einiger heute an den tschechischen Ministerpräsidenten gerichteter Fragen schockiert war. Einer unserer Kollegen, Herr De Rossa aus der Republik Irland, hat ihn aufgefordert, seine Anmerkung zurückzuziehen, dass der Vertrag von Lissabon möglicherweise nicht so wunderbar sei wie Herr De Rossa dachte, was von allen anderen Dingen abgesehen eigentlich für die Mehrheit des eigenen Wahlkreises von Herrn De Rossa beleidigend war ...

(Die Präsidentin entzieht dem Redner das Wort.)

 
  
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  Die Präsidentin. − Anfrage Nr. 4 von Marian Harkin (H-0969/08)

Betrifft: Liberalisierung des Welthandels

In Verbindung mit den Prioritäten des tschechischen Vorsitzes hat die Tschechische Republik auf der Webseite des Vorsitzes ihre Ziele in Bezug auf die Liberalisierung des Welthandels dargelegt. Kann die Präsidentschaft ihre diesbezüglichen Absichten näher erläutern und insbesondere angeben, welche Schritte sie im Zusammenhang mit der Ernährungssicherheit in der EU vorschlägt?

 
  
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  Alexandr Vondra, amtierender Präsident des Rates. − Ich danke Ihnen für diese besondere Frage, weil ich aus einem Land komme, das ein großer Freund des freien Handels ist. Er ist das Fundament unserer Wirtschaft: Etwa 80 % unseres BIP wird in irgendeiner Weise durch die mit diesem Handel in Zusammenhang stehende Aktivität erwirtschaftet. Sie können daher sicher sein, dass unsere Präsidentschaft sehr daran interessiert ist, dass die Union sich weiterhin mit voller Kraft dafür einsetzt, in der WTO-Doha-Entwicklungsrunde ein ausgeglichenes, ehrgeiziges und umfassendes Abkommen zu erzielen. Wir werden intensiv daran arbeiten.

Was die Frage der Ambitionen meiner Präsidentschaft in Bezug auf die Liberalisierung des Welthandels angeht, hat die Präsidentschaft ihre Hauptpriorität bezüglich dieses Themas im Rahmen des 18-Monats-Programms des Rates für die französische, tschechische und schwedische Präsidentschaft sowie in ihrem eigenen Arbeitsprogramm, das letzte Woche veröffentlicht und auch heute hier zum Teil vom Ministerpräsidenten vorgestellt wurde, klar definiert.

Laut diesem Programm bleibt die Handelspolitik ein sehr wichtiges Instrument, um die Chancen und Herausforderungen der Globalisierung anzugehen und wirtschaftliches Wachstum, Beschäftigung und Wohlstand für alle Bürger in Europa zu fördern. Es werden Anstrengungen aufrechterhalten, um ein offenes, marktorientiertes und auf Regeln basierendes Welthandelssystem zugunsten aller voranzubringen.

Die Handelspolitik sollte auch zum Umwelt- und Klimaziel der Union beitragen, vor allem durch die Förderung der Ausweitung des Handels mit Umweltgütern und -dienstleistungen. Die Union setzt sich weiterhin mit voller Kraft dafür ein, in der WTO-Doha-Runde ein ausgeglichenes, ehrgeiziges und umfassendes Abkommen zu erzielen.

Darüber hinaus hat mein Land für seine Ratspräsidentschaft drei prioritäre Bereiche festgelegt. Eine dieser Prioritäten wird die Europäische Union in der Welt sein. Mein Land wird in diesem Zusammenhang die Wichtigkeit von Handelspolitik als Mittel zur Förderung der externen Wettbewerbsfähigkeit, des wirtschaftlichen Wachstums und der Schaffung neuer Arbeitsplätze gemäß der neuen EU-Handelspolitikstrategie für ein globales Europa sowie im Rahmen der überarbeiteten Strategie für Wachstum und Beschäftigung hervorheben.

Parallel zum multilateralen System wird die Tschechische Republik die Bemühungen der Kommission unterstützen, Handelsabkommen mit vielversprechenden Partnern oder Regionen – wie Korea, Indien, ASEAN, Mercosur, Ländern der Andengemeinschaft, Mittelamerika und möglicherweise auch China – sowie Freihandelsabkommen mit den engsten Nachbarn der EU, beispielsweise der Ukraine, auszuhandeln oder solche Verhandlungen zu beginnen, sobald die Voraussetzungen erfüllt sind, wie im Fall Russlands.

Die Präsidentschaft wird ihr Programm bezüglich des Handels am 20. Januar 2009 dem Ausschuss für internationalen Handel vorstellen.

Bezüglich der Ernährungssicherheit in der EU ist die Präsidentschaft der Meinung, dass Protektionismus nicht helfen wird, die Ernährungssicherheit in Europa oder weltweit zu gewährleisten. Aus diesem Grund unterstützt die Präsidentschaft die Liberalisierung des Welthandels im Rahmen der Doha-Entwicklungsagenda und Diskussionen zur GAP-Reform mit dem Ziel, die europäische Landwirtschaft wettbewerbsfähiger zu machen. Dies bedeutet einen Abbau der Ausfuhrerstattungen.

Diese Elemente, wie die transparente Liberalisierung des Welthandels und eine wettbewerbsfähige Landwirtschaft, sind auch die Grundlage für die Verbesserung der Ernährungssicherheit. Die Ernährungssicherheit in der EU hat viel mit dem internationalen Handel mit Lebensmittelprodukten zu tun, der diese zu wettbewerbsfähigen Preisen verfügbar macht und die richtigen Anreize für die Mitgliedstaaten schafft, in denen sie am effizientesten hergestellt werden können.

Ernährungssicherheit hat heutzutage nicht nur etwas mit der lokalen Herstellung von Lebensmitteln zu tun, sondern mit der Fähigkeit eines Landes, den Import von Lebensmitteln durch den Export anderer Waren zu finanzieren. In diesem Sinne ist ein offenes multilaterales Handelssystem mit einer Lieferung von Lebensmittelprodukten durch verschiedene Länder möglicherweise eine bessere Garantie für eine stabile und sichere Versorgung.

 
  
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  Mairead McGuinness (PPE-DE). - Vielen Dank an den Rat für die ausführliche Antwort, die ich prüfen muss, obwohl ich nicht denke, dass wir uns einigen werden. Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auf einen Bericht über weltweite Ernährungssicherheit lenken, für den ich Berichterstatterin war und für den dieses Parlament gestimmt hat, in dem sehr klar gesagt wird, dass der Markt uns keine Ernährungssicherheit und den Landwirten gewiss nicht die benötigte Einkommensstabilität bieten wird. Könnten Sie mich daher darüber aufklären, ob Sie glauben, dass ein freier Handel in der Landwirtschaft der Weg nach vorne ist und dass dies unter Ihrer Präsidentschaft Priorität hat?

 
  
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  Alexandr Vondra, amtierender Präsident des Rates. − Ich kann Ihnen eine kurze Antwort geben: Ja! Wenn es einen freien Handel in der Landwirtschaft gibt, gibt es keinen Hunger in der Welt.

 
  
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  Bernd Posselt (PPE-DE).(DE) Herr Minister, es wird immer gesagt, Landwirtschaftspolitik sei nur für 3 % Bauern da. Es gibt aber 100 % Esser. Ich bin zum Beispiel ein recht guter Esser, und ich möchte sehr klar sagen: Ich glaube schon, dass Nahrungsmittelsicherheit existenziell ist. Wir sehen jetzt die Probleme mit der Energieabhängigkeit. Deshalb bin ich für freien Welthandel, aber wir müssen uns schon von unserem eigenen Boden ernähren können. Aus diesem Grund müssen wir unsere bäuerlichen Strukturen bewahren. Das kann man nicht allein dem Markt überlassen.

 
  
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  Syed Kamall (PPE-DE). - Zunächst einmal möchte ich wie mein Kollege vor mir, Herr Hannan, die tschechische Präsidentschaft – sie wird ein interessanter Kontrast zur letzten Präsidentschaft der EU sein – willkommen heißen und mich noch einmal für das von einigen meiner Kolleginnen und Kollegen in diesem Haus an den Tag gelegte schändliche Verhalten entschuldigen.

Es ist ja schön und gut zu sagen, dass wir die WTO-Gespräche in Gang bringen möchten; aber wir hatten Wahlen in Indien, wir hatten Wahlen in den USA, und wir haben Wahlen in Europa. Wie können wir bei all diesen Wahlen und Regierungswechseln die WTO-Gespräche wirklich in Gang bringen?

 
  
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  Alexandr Vondra, amtierender Präsident des Rates. − Ich denke, dass wir bezüglich der GAP-Reform zu denen gehörten, die versucht haben, die Kommission dazu zu drängen, die neuen Haushaltsreformvorschläge vorzulegen, das Weißbuch. Ich habe sogar versucht, eine Art gemeinsame Anstrengung mit meinem Kollegen aus Schweden zu organisieren, weil 2009 das Jahr der tschechischen und schwedischen Präsidentschaft ist und wir ziemlich ähnliche Ansichten haben. Aber es liegt nicht an uns, einen Legislativvorschlag vorzulegen.

Ich sage zu meinem Freund Bernd Posselt, dass wir aus ähnlichen Kulturen stammen; aber ich denke Sie wissen, dass wir beide lebende Beispiele dafür sind, dass es in Europa einfach dank der Tatsache, dass der Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen in den letzten Jahrzehnten zugenommen hat, keinen Hunger gibt. Ich weiß, dass wir auch einige schmackhafte Produkte wie bayerisches und tschechisches Bier auf dem Markt erhalten müssen; aber im Großen und Ganzen denke ich, dass ein freier Handel den Wohlstand fördert, sowohl in Europa als auch in der Welt.

Nun zur Frage hinsichtlich der GAP. Der Rat weist darauf hin, dass in Zusammenhang mit der am 20. November letzten Jahres im Rat erzielten politischen Einigung zum GAP-Gesundheitscheck in der gemeinsamen Erklärung des Rates und der Kommission vereinbart wurde, dass sich der Rat und die Kommission im Rahmen der am 23. September in Annecy in Frankreich begonnenen Diskussionen über die Zukunft der GAP nach 2013 und unbeschadet der neuen finanziellen Vorschau für diesen Zeitraum dazu verpflichten, die Möglichkeiten zur Entwicklung von Direktzahlungen in der Gemeinschaft eingehend zu prüfen und sich mit der unterschiedlichen Höhe der Direktzahlungen in den einzelnen Mitgliedstaaten zu befassen.

Ich kann Ihnen sagen, dass die künftige tschechische Präsidentschaft beabsichtigt, die Diskussion dieses Themas in der im Mai in Brünn stattfindenden informellen Tagung der Landwirtschaftsminister zu führen. Mein Kollege von der Regierung, Petr Gandalovič, ist wirklich gespannt darauf, diese Aussprache zu eröffnen.

Unser Ziel besteht darin, eine Diskussion über die Zukunft der GAP zu moderieren, und zwar mit dem Ziel, landwirtschaftspolitische Instrumente zu untersuchen, vor allem im Bereich von Direktzahlungen, die eine nichtdiskriminierende und effektive Verwendung der von europäischen Steuerzahlern stammenden und für die GAP bestimmten Finanzmittel ermöglichen würden, die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Landwirte zu stärken, die Stellung der Agrar- und Lebensmittelindustrie Europas in einem globalisierten und offenen Weltmarkt zu verbessern, die Qualität landwirtschaftlicher Produkte und die Bereitstellung nicht marktgängiger Ergebnisse der Landwirtschaft zu verbessern sowie zur nachhaltigen Entwicklung des ländlichen Raumes beizutragen.

Das Ergebnis des oben genannten Dialogs sollte den Weg – ich möchte dies betonen – für die modernisierte GAP ebnen, die gleiche Bedingungen für alle Mitgliedstaaten ermöglicht.

 
  
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  Die Präsidentin. − Anfrage Nr. 5 von Seán Ó Neachtain (H-0971/08)

Betrifft: Künftige Gemeinsame Agrarpolitik 2013-2020

Eine der Prioritäten der tschechischen Präsidentschaft ist die Gemeinsame Agrarpolitik. Welche Maßnahmen wird die tschechische Präsidentschaft mit Blick auf die Verhandlungen über die künftige Gemeinsame Agrarpolitik ergreifen?

 
  
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  Seán Ó Neachtain (UEN). (GA) Frau Präsidentin! Ich möchte dem amtierenden Präsidenten für seine Antwort danken. Ich möchte ihn gern etwas zu den Plänen der tschechischen Präsidentschaft zur Unterstützung benachteiligter Gebiete fragen. So wie ich es verstehe, benötigen benachteiligte Gebiete im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik Europas weitere Hilfe, und dies dringend. Ich möchte gern wissen, was die Präsidentschaft diesbezüglich zu tun beabsichtigt.

 
  
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  Alexandr Vondra, amtierender Präsident des Rates. − Das Problem benachteiligter Gebiete in Europa ist eines der besonderen Probleme, die in Bezug auf die GAP ständig diskutiert werden. Ich denke, dass wir alle – oder fast alle – uns darüber einig sind, dass wir, falls es eine Art Umverteilung gibt, von Direktzahlungen zu Zahlungen für die Entwicklung des ländlichen Raumes übergehen sollten, statt protektionistische Maßnahmen fortzuführen.

Es gibt also Wege und Mittel, und wir arbeiten natürlich eng mit Kommissarin Fischer Boel zusammen. Ich bin kein Landwirtschaftsexperte; aber ich denke, dass Sie sicherlich die Gelegenheit haben werden, auch unseren Landwirtschaftsminister anzusprechen und dies mit ihm zu diskutieren.

 
  
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  Avril Doyle (PPE-DE). - Ich möchte der tschechischen Präsidentschaft viel Erfolg für ihre Amtszeit wünschen. Ich möchte den Minister bitten, sich zur bisherigen Erfahrung der tschechischen Landwirte und der tschechischen Agrar- und Lebensmittelindustrie mit der Gemeinsamen Agrarpolitik zu äußern: ob sie zufrieden sind und ob die GAP in verschiedenen Unternehmen speziell für sie zu Verbesserungen geführt hat. Wie sehen sie – und wie sehen Sie als tschechisches Volk – die Umsetzung der Gemeinsamen Agrarpolitik in der Tschechischen Republik?

 
  
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  Silvia-Adriana Ţicău (PSE).(RO) Leider führt die Wirtschaftskrise zum Verlust von Arbeitsplätzen. Die Kaufkraft nimmt ab. Lebensqualität bedeutet jedoch auch gesunde Lebensmittel.

In Rumänien gibt es sehr viele Landwirte; aber ihre landwirtschaftlichen Betriebe sind klein. Ich möchte fragen, welche Unterstützung Sie für kleine landwirtschaftliche Erzeuger vorgesehen haben, vor allem in den neuen Mitgliedstaaten.

 
  
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  Alexandr Vondra, amtierender Präsident des Rates. − Die Situation in den neuen Mitgliedstaaten ist unterschiedlich. Beispielsweise gibt es in meinem Land nicht so viele kleine landwirtschaftliche Betriebe wie in bestimmten anderen europäischen Ländern. Wir haben eine sehr wettbewerbsfähige Landwirtschaft mit großen landwirtschaftlichen Betrieben. Beispielsweise ist im benachbarten Polen die Situation etwas anders.

In Bezug auf die Frage von Frau Doyle, wie es uns ergeht: In meinem Wahlkreis in Nordböhmen gibt es einige Landwirte, und es geht ihnen einerseits besser, weil sie mehr Geld haben. Daher haben wir jetzt Landwirte mit Krawatten von Hugo Boss. Dies hatten wir vor fünf bis zehn Jahren nicht. Andererseits empfinden sie aufgrund der Zahlungsunterschiede zwischen den alten und neuen Mitgliedstaaten auch eine Art von Ungerechtigkeit. Dies ist eine Frage der elementaren Gerechtigkeit im System und sollte korrigiert werden.

Gleichzeitig glauben wir, dass die GAP reformiert werden sollte. Dies ist die einzige Möglichkeit, um Europa wettbewerbsfähig zu halten. Wir haben es hier somit mit einem komplexen Problem zu tun. Ich bin kein Experte, der ins Detail gehen kann; aber ich denke, dass wir zumindest in der Lage sein sollten, uns auf die Grundlinien zu einigen.

 
  
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  Die Präsidentin. − Und die Frage von Frau Ţicău?

Es tut mir leid, Herr Minister, ich war mir nicht sicher, ob Sie beide Fragen berücksichtigt hatten.

 
  
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  Alexandr Vondra, amtierender Präsident des Rates. − Ich hatte versucht, auf beide Fragen zu antworten.

 
  
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  Die Präsidentin. − Damit ist die Fragestunde beendet.

 
  
  

Die Anfragen, die aus Zeitgründen nicht behandelt wurden, werden schriftlich beantwortet (siehe Anlage).

 
  
 

(Die Sitzung wird um 20.00 Uhr unterbrochen und um 21.00 Uhr wieder aufgenommen.)

 
  
  

VORSITZ: MAREK SIWIEC
Vizepräsident

 

11. Zusammensetzung der Ausschüsse und der Delegationen: siehe Protokoll

12. Lage am Horn von Afrika (Aussprache)
Video der Beiträge
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  Der Präsident. − Als nächster Punkt folgen der Standpunkt des Rates und der Kommission bezüglich der Lage am Horn von Afrika.

 
  
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  Alexandr Vondra, amtierender Präsident des Rates. − Herr Präsident! Ich möchte zu dieser späten Stunde einige Anmerkungen zum Standpunkt des Rates bezüglich der Lage am Horn von Afrika machen.

Das Horn von Afrika ist natürlich eine herausfordernde Region, die unsere besondere und gesteigerte Aufmerksamkeit verdient, da es beträchtliche Auswirkungen auf die EU hat. Die EU verfolgt die Entwicklungen in dieser Region genau und möchte sich noch stärker für die Länder am Horn von Afrika engagieren.

Ich weiß, dass das Parlament sich bezüglich der Entwicklungen ebenfalls auf dem Laufenden hält. Der Besuch Ihrer Delegation Ende letzten Jahres in Eritrea und Äthiopien sowie auch in Dschibuti war wichtig. Ich habe auch den Entschließungsantrag zum Horn von Afrika zur Kenntnis genommen, der teilweise in Zusammenhang mit diesem Besuch ausgearbeitet worden ist. Er hat der Region und den Europäern das zunehmende Engagement innerhalb der EU für das Horn von Afrika deutlich gezeigt. Im Namen des Rates begrüße ich die Einbindung des Parlaments in unsere Bemühungen, die Herausforderungen am Horn von Afrika anzugehen.

Es gibt am Horn von Afrika mehrere Spannungsherde. Ich werde ausführlicher auf diese eingehen. Nach Auffassung des Rates sind diese Spannungen jedoch häufig in irgendeiner Weise innerhalb der Region verknüpft. Aus diesem Grund versucht der Rat vor allem, die regionalen Zusammenhänge zwischen andauernden Konflikten zu erkennen. Was sind diese Zusammenhänge zwischen den Konflikten?

Zunächst einmal gibt es einen Konflikt zwischen Äthiopien und Eritrea, der als eine der Hauptursachen für die Instabilität in der gesamten Region gesehen werden könnte. Dies spiegelt sich in folgender Weise wider: in der Unterstützung gegnerischer und sich bekriegender Parteien in Somalia und in den Destabilisierungsbestrebungen im Land des jeweils anderen (zu nennen ist hier insbesondere Ogaden, Oromo in Äthiopien). Außerdem spiegelt sich dies in der Unterstützung der Neubelebung des Friedensprozesses im Sudan sowie darin wider, dass Eritrea seine Mitgliedschaft in der Zwischenstaatlichen Entwicklungsbehörde (IGAD) ausgesetzt hat.

Und nicht zuletzt hat der Konflikt in Somalia eine der schlimmsten humanitären Lagen verursacht, denen wir heute weltweit gegenüberstehen. Die Zunahme von Piraterie vor der Küste Somalias ist eine weitere ernste Folge dieses Konfliktes.

Ein anderes ernstes Thema ist der Wettbewerb um natürliche Ressourcen wie Wasser und Mineralien am Horn von Afrika. Dieses Phänomen verstärkt Konflikte zwischen Viehhaltern in Gebieten, die von unterschiedlichen kulturellen und ethnischen Gruppen bevölkert sind. Es erhöht auch die Ernährungsunsicherheit und menschliche Unsicherheit im Allgemeinen, was zum Konflikt und der Migration beiträgt.

Es gibt auch starke regionale Interdependenzen. Lassen Sie mich einige dieser nennen. Wie zuvor erwähnt, gibt es Grenzkonflikte – der Konflikt zwischen Äthiopien und Eritrea, zwischen dem Sudan und Äthiopien sowie zwischen Dschibuti und Eritrea –, die als Ursachen für die Instabilität in der Region betrachtet werden könnten. Ich möchte außerdem betonen, dass eine verbesserte regionale Zusammenarbeit dazu beitragen würde, die Spannungen um nationale Grenzen zu verringern.

Die Ernährungssicherheit ist eine weitere Interdependenz. Dies ist natürlich eine größere Sorge in der Region. Wiederkehrende Dürren sowie Fluten haben verheerende Auswirkungen auf die Bevölkerung. Wieder könnte regionale Zusammenarbeit die Auswirkungen dieser Naturereignisse abschwächen.

Wie Sie wissen, sind einige der Auffassung, dass dieses Problem den Konflikten in Darfur, Somalia und vielen anderen Gebieten am Horn von Afrika zugrunde liegt. Ich bin mir nicht sicher, ob dies eine umfassende Erklärung bietet; aber ich glaube, dass diese Frage in jedem der Länder und innerhalb des regionalen Kontextes in einer fairen und transparenten Weise gelöst werden muss.

Piraterie war anfangs auf einen kleinen Teil der Küste Somalias begrenzt. Der Vorwand der Piraten bestand darin, eine Fischereisteuer für Schiffe in somalischen Gewässern zu erheben. Wie Sie sicherlich ganz genau wissen, hat diese Aktivität sich deutlich ausgedehnt und bedroht jetzt die Bereitstellung humanitärer Hilfe für Somalia sowie die Sicherheit des Seeverkehrs im Golf von Aden und weit darüber hinaus, einschließlich Schiffe, die vor der Küste Kenias und Tansanias unterwegs sind.

Es gibt außerdem mehrere andere Interdependenzen, die schwerwiegende Auswirkungen auf Europa und auf die Länder am Horn von Afrika haben, beispielsweise Terrorismus und Migration.

Welche Maßnahmen ergreift die Europäische Union? Wie sieht unser Engagement oder unsere Beteiligung aus? Das dem Rat – den ich heute die Ehre habe, zu vertreten – zur Verfügung stehende politische Hauptinstrument ist ein politischer Dialog, nicht nur mit den einzelnen Ländern, sondern auch mit anderen regionalen Akteuren wie der Afrikanischen Union, der Zwischenstaatlichen Entwicklungsbehörde, der Liga der Arabischen Staaten sowie den Vereinigten Staaten und China als wichtige Länder.

Politischer Dialog ist eine gegenseitige Verpflichtung im Abkommen von Cotonou zwischen der EU und den einzelnen Ländern in der jeweiligen Region. Dieser Dialog wird hauptsächlich durch die Leiter der EU-Missionen in den betreffenden Ländern verfolgt. Er ist ein sehr wichtiges Instrument für den Rat, da er uns einen direkten Kontakt zu den Behörden dieser Länder ermöglicht. Er gibt uns eine Möglichkeit, um ihre Sichtweise zu erfahren, aber auch um unsere Vorstellungen klar darzulegen und unsere Bedenken bezüglich bestimmter Themen zu äußern. Dies betrifft vor allem Fragen in Zusammenhang mit der Staatsführung und den Menschenrechten. Sie sind die Hauptthemen.

Darüber hinaus verfügt der Rat über die Instrumente der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP). Der Rat setzt dieses Instrument seit September 2008 ein, um die Piraterie vor der Küste Somalias zu bekämpfen – erst über die Koordinierungszelle EU NAVCO mit Sitz in Brüssel und dann seit Dezember 2008 über die Marineoperation mit dem Namen EU NAVFOR Atalanta.

Schließlich agiert die EU noch über die Finanzinstrumente der Europäischen Kommission, wie die Friedensfazilität für Afrika und das Instrument für Stabilität. Ich überlasse die weiteren Ausführungen diesbezüglich Frau Kommissarin Ferrero-Waldner, weil dies in den Verantwortungsbereich der Kommission fällt.

Natürlich sucht der Rat zusammen mit der Europäischen Kommission immer nach Möglichkeiten, um die Wirksamkeit und Sichtbarkeit von EU-Maßnahmen zu verbessern. Ich freue mich auf Ihre Vorschläge und Empfehlungen zu diesem konkreten Thema.

 
  
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  Benita Ferrero-Waldner, Mitglied der Kommission. − Herr Präsident! Die Kommission hat in den letzten Jahren bereits größere Aufmerksamkeit seitens der Europäischen Union für die Lage am Horn von Afrika gefordert. Ich vertrete heute in dieser Aussprache meinen Kollegen Louis Michel, der leider nicht hier sein kann. Ich greife dieses Thema mit großem Interesse auf, um seiner selbst willen und weil es sich direkt auf Europa auswirkt – beispielsweise die Notwendigkeit, unsere Marinen für die Bekämpfung von Piraterie zu mobilisieren, und dies ist nur eines der jüngsten Beispiele.

Wir begrüßen daher sehr die Initiative der Parlamentsdelegation, die die Region besucht hat, sowie ihren darauf folgenden Bericht und Entschließungsentwurf, die wir ebenfalls grundsätzlich unterstützen.

Die innere Lage in jedem der Länder am Horn ist, wenn man sie von der regionalen Dynamik isoliert betrachtet, nicht zu verstehen. Wir müssen weiterhin einen auf wirtschaftlicher Entwicklung, Staatsführung und Sicherheit beruhenden globalen Ansatz fördern, wenn wir die regionale Stabilität, die Achtung essenzieller sowie grundlegender Elemente von Cotonou und die Bekämpfung der Armut voranbringen möchten.

Ich möchte die Lage in den einzelnen Ländern kommentieren, bevor ich mit Anmerkungen zur regionalen Strategie für das Horn abschließe.

Lassen Sie mich zunächst etwas zu Äthiopien/Eritrea sagen. Äthiopien nimmt in wirtschaftlicher und politischer Hinsicht einen strategischen Platz in der Region ein. Die Kommission unterstützt Äthiopien weiterhin im Rahmen ihrer Bemühungen zur Armutsbekämpfung, wo wichtige Fortschritte registriert worden sind.

Schwache regionale Sicherheit und Spannungen zwischen Gemeinschaften wirken sich auf die innere Lage des Landes aus, vor allem in Ogaden, wo der Zugang zur Bevölkerung immer noch eingeschränkt bleibt. Die Kommission wird auch die Menschenrechtslage und den Demokratisierungsprozess weiterhin beobachten. In Anbetracht der Umstände der Parlamentswahlen im Jahr 2005 wird die Kommission die Vorbereitung und den Verlauf der Wahlen im Jahr 2010 genau beobachten, vor allem in Zusammenhang mit dem kürzlich verabschiedeten NRO-Gesetz und der erneuten Festnahme der Oppositionsführerin, Frau Birtukan Medeksa.

Die innere Lage in Eritrea wird zum Teil durch die ausweglose Situation im Grenzkonflikt mit Äthiopien bestimmt. Die Kommission bleibt in Bezug auf die Menschenrechtsverletzungen und die prekäre soziale sowie wirtschaftliche Lage ernsthaft besorgt. Unserer Ansicht nach spricht viel dafür, ein Programm der Zusammenarbeit fortzuführen, das die Verbesserung der Lebensbedingungen der Bevölkerung zum Ziel hat. Der 2008 initiierte politische Dialog bietet eine gute Plattform für eine nachhaltige Zusammenarbeit mit den eritreischen Behörden. Es sollte klar sein, dass wir als Folge dieses Prozesses einige positive und greifbare Schritte in Eritrea erwarten.

Wie in Ihrem Entschließungsentwurf erwähnt, wird der virtuelle Grenzverlauf zwischen Äthiopien und Eritrea – wie von der Grenzkommission festgelegt – nicht zur vollständigen Lösung des Problems führen, wenn dies nicht mit einem Dialog einhergeht, der die Normalisierung der Beziehungen zwischen den zwei Ländern zum Ziel hat.

Der jüngste Konflikt zwischen Eritrea und Dschibuti ist in einem größeren regionalen Kontext sowie als etwas zu betrachten, für das eine globale Lösung über lokale und regionale Akteure angestrebt werden muss. Wir werden solche Prozesse weiterhin unterstützen.

Jetzt, wo sich die äthiopischen Truppen aus Somalia zurückziehen, wird die Zusammenarbeit von Äthiopien und Eritrea im somalischen Friedensprozess für dessen Erfolg entscheidend sein.

Bezüglich der Lage im Sudan stimme ich der Analyse des Parlaments vollkommen zu. 2009 ist in der Tat ein entscheidendes Jahr für die Zukunft dieses Landes. Die andauernde Gewalt in Darfur und die Schwierigkeiten bei der vollständigen Umsetzung des umfassenden Friedensabkommens (CPA) zwischen dem Norden und dem Süden haben das Potenzial, das Land zu destabilisieren und sich auf die gesamte Region auszuwirken. Wir sollten daher sowohl einen intensiven Dialog mit den Behörden in Khartum als auch einen starken Druck auf sie aufrechterhalten, um eine vollständige Zusammenarbeit ihrerseits zu erzielen, sowohl in Bezug auf das CPA als auch in Bezug auf Darfur und ihre Prozesse. Diese Behörden sowie die anderen sudanesischen Beteiligten wissen nur allzu gut, wo ihre Verantwortlichkeiten liegen und was sie liefern müssen.

In Darfur müssen die militärischen Operationen und die Gewalt beendet werden, und der politische Prozess muss wieder vollständig aufgenommen werden. Der Einsatz von UNAMID muss innerhalb der vorgesehenen Zeit erfolgen. Die sudanesischen Behörden müssen ihren Verpflichtungen in Bezug auf die Ermöglichung von humanitärer Hilfe und Menschenrechtsaktivitäten nachkommen. Was das CPA betrifft, ist es wichtig, dass die Regierungen in Khartum und im Südsudan ihre Differenzen bezüglich wichtiger Themen beilegen. Dazu zählen die Aufteilung von Öleinnahmen, die Grenzfestlegung und Rechtsvorschriften in Fragen, die die Sicherheit und Politik betreffen. Wenn dies nicht geschieht, könnten die geplanten Wahlen im Jahr 2009 sich in ein Szenario der erneuten Gewalt und des Konfliktes verwandeln.

In Somalia befindet sich der Friedensprozess in einer entscheidenden Phase. Der Rücktritt von Präsident Yusuf und der Rückzug der äthiopischen Armee stellen eine neue Periode der Ungewissheit und des Risikos dar. Sie bieten aber auch eine Chance, um einen integrativen politischen Prozess zu lancieren. Auf politischer Seite setzt die Europäische Union ihre Aktivitäten zur Unterstützung des Dschibuti-Prozesses fort, der durch die Wahl eines neuen Präsidenten und die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit mit einem erweiterten Parlament zur stärkeren Einbeziehung aller Parteien führen sollte. Es gibt keinen Plan B für den Dschibuti-Prozess. Ohne eine internationale und regionale Unterstützung, die die Entstehung günstiger Bedingungen für seine Umsetzung fördert, wird das Abkommen kaum Erfolgschancen haben.

Was die Sicherheit angeht, engagiert sich die Kommission weiterhin für die Unterstützung der Etablierung eines Systems für eine solide Führung des Sicherheitsbereichs. Unabhängig von der Art der internationalen Truppe (eine von der UN autorisierte Stabilisierungskraft, eine UN-Friedenssicherungsmission oder nur eine gestärkte AMISOM), muss sich ihr Mandat auf die Unterstützung der Umsetzung des Abkommens von Dschibuti konzentrieren. Die Kommission hat auf die Forderung nach weiterer finanzieller Unterstützung zur Stärkung der AMISOM positiv geantwortet.

Abschließend möchte ich bezüglich des Horns von Afrika im Allgemeinen meine große Wertschätzung für die Unterstützung des Parlaments für die Initiative der Kommission zum Horn von Afrika zum Ausdruck bringen. Diese Initiative basiert auf der Strategie für das Horn von Afrika von 2006, die in der Überzeugung angenommen wurde, dass die schwierigen Fragen in der Region nur global angegangen werden können. In diesem Sinne unterstützt die Kommission Ihren Vorschlag, einen Sonderbeauftragten für das Horn zu ernennen.

Wir haben gute Arbeitsbeziehungen zur IGAD aufgebaut, die die Initiative zum Horn von Afrika unterstützt und eine wichtige Rolle bei deren Umsetzung spielt. Ein zweites gemeinsames Treffen von Sachverständigen für Wasser, Energie und Transport, bei dem konkrete Projekte entwickelt und bei einer möglichen Geberkonferenz vorgestellt werden könnten, ist für die nahe Zukunft vorgesehen.

Die Teilnahme von Eritrea, das in der regionalen Dynamik eine Schlüsselrolle spielt, ist für den Erfolg der Strategie für das Horn von Afrika entscheidend. Die Kontakte von Herr Kommissar Michel mit den Staats- und Regierungschefs der Region, einschließlich Präsident Isaias, haben diesbezüglich einen Anfang ermöglicht, und der Executive Secretary der IGAD ist dabei, mit den eritreischen Behörden in Dialog zu treten, unter anderem bezüglich der Reform und des Revitalisierungsprozesses der IGAD.

Herr Präsident, meine Ausführungen waren etwas lang; aber wenn man bei so vielen Ländern etwas sagen möchte, muss man zumindest einige Worte sagen.

 
  
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  Der Präsident. − Für die Einleitung gilt eine Sonderregelung, und es gibt keine Beschränkungen.

 
  
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  Filip Kaczmarek, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (PL) Herr Präsident, Frau Kommissarin, Herr amtierender Präsident! Vielen Dank für die Stellungnahme des Rates und der Kommission zum Horn von Afrika. Die Wichtigkeit dieser Region geht über rein geographische Grenzen hinaus. Die Konflikte und strukturellen Probleme dort setzen sich aus negativen Phänomenen in anderen Regionen Afrikas zusammen. Ich war Teil der Delegation des Europäischen Parlaments bei seinem jüngsten Besuch, und ich konnte selbst sehen, wie komplex, umfassend und verflochten die Probleme dort sind und weshalb unsere Antwort umfassend sein muss.

Wir haben uns im Entschließungsentwurf auf drei grundlegende, aber auch ziemlich umfassende Themen konzentriert: auf regionale Sicherheit, auf Ernährungssicherheit und in unseren Vermerken auf Menschenrechte, Demokratie sowie verantwortungsvolle Staatsführung. Seit meinem Besuch habe ich keinen Zweifel daran, dass die grundlegende Bedingung für die Verbesserung der Lage guter Wille und Dialog zwischen regionalen Führern sind.

Die Politik der Europäischen Union, regionale Institutionen am Horn von Afrika zu unterstützen, ist richtig; aber ohne eine aktive Einbeziehung der Hauptakteure wird die Politik unwirksam bleiben. Einige Länder in der Region haben schlechte Taktiken. Beispielsweise kann man nicht einen Nachbarn um Dialog ersuchen und gleichzeitig den Dialog mit einem anderen ablehnen. Diese Praxis ist unlogisch und macht diplomatischen Erfolg praktisch unmöglich. Die politischen Führer dort müssen die Tatsache akzeptieren, dass Machtausübung an Verantwortung geknüpft ist.

Was wir von den Führungskräften am Horn von Afrika erwarten, ist nicht mit einigen speziell lokalen, europäischen Werten verbunden. Was wir erwarten, ist die minimale Akzeptanz universeller Werte. Wir sind außerdem der Überzeugung, dass jedem Grundrechte und -freiheiten zustehen. Kein Entwicklungsland kann in der modernen Welt richtig funktionieren, wenn es grundlegende, universelle Werte ablehnt. Die Akzeptanz dieser Werte ist daher nicht nur eine Geste gegenüber der Europäischen Union, sondern bringt ihre eigenen Interessen voran. Die Vorstellungen von Entwicklung können unterschiedlich sein; aber Werte ändern sich nicht, und wir möchten, dass diese gemeinsamen und universellen Werte am Horn von Afrika zum täglichen Brot werden.

 
  
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  Ana Maria Gomes, im Namen der PSE-Fraktion. – (PT) Der Rat und die Kommission müssen ihre Schlussfolgerungen aus der Tatsache ziehen, dass – nach Auffassung dieses Parlaments – die Regierungen der Länder am Horn von Afrika nicht in Einklang mit ihren Verpflichtungen gemäß Artikel 9 des Abkommens von Cotonou handeln. Menschenrechte, Demokratie und verantwortungsvolle Staatsführung sind leere Worte. Dies liegt für jeden, der seine Augen nicht verschließt, klar auf der Hand.

In Äthiopien beispielsweise – Sitz der Afrikanischen Union – findet die Unterdrückung der Menschen unter dem Deckmantel einer Rhetorik statt, die für Geber zwar gut klingt, aber dennoch nicht minder grausam und schamlos ist.

Ich werde zwei jüngere Begebenheiten schildern.

Am 29. August wurde Frau Birtukan Mideksa, die Vorsitzende einer Partei mit parlamentarischem Mandat, erneut festgenommen und zu lebenslanger Haft verurteilt, da sie sich weigerte, öffentlich zu erklären, dass sie – zusammen mit vielen anderen seit den Wahlen im Jahr 2005 festgehaltenen politischen Führern der Opposition – um die Begnadigung gebeten hatte, die 2007 von der Regierung von Meles Zenawi für ihre Freilassung verwendet wurde.

Der zweite Punkt ist das vom äthiopischen Parlament verabschiedete so genannte NRO-Gesetz, das in Wirklichkeit jegliche Arbeit unabhängiger NRO kriminalisiert.

Frau Kommissarin, in Äthiopien gibt es keinen Übergang zu Demokratie, und ich wäre dankbar, wenn Sie dies Ihrem Kollegen Louis Michel sagen könnten.

In Eritrea ist die Wut der Regierung gegen jeden, der auch nur die grundlegendsten Menschenrechte auszuüben versucht, sogar noch schamloser.

Was Somalia angeht, mit der zurzeit schlimmsten Lage am Horn von Afrika, mangelt es der internationalen Gemeinschaft, einschließlich der Europäischen Union, sträflich an Interesse für das Schicksal der Menschen in einem Land, in dem es seit Jahrzehnten kein Recht und keine Ordnung gibt, wo äthiopische Truppen das Land besetzen und ungestraft Verbrechen begehen konnten und wo Piraten und terroristische Gruppen Erfolg haben.

Die EU-Marinemission wird nicht alles lösen, wenn die Europäische Union, die Vereinigten Staaten, die Vereinten Nationen und die Afrikanische Union die Ursachen der Piraterie weiterhin ignorieren, die auf dem Land zu finden sind und auch dort bekämpft werden müssen – und nicht auf See.

In der Region wird es weder Stabilität noch Fortschritt geben, wenn die den Sudan weiterhin heimsuchenden tragischen Konflikte, vor allem im Süden und in Darfur, nicht gelöst werden. Dort muss die Rhetorik der internationalen Gemeinschaft, einschließlich der Europäischen Union, in entschlossenes Vorgehen umgewandelt werden, um die Zivilbevölkerung, die angegriffen wird, zu schützen und der Straflosigkeit von Kriminellen ein Ende zu setzen.

In diesem Zusammenhang wird die mögliche Bestätigung der Anklage gegen Präsident Omar Bashir seitens des Internationalen Strafgerichtshofs die Glaubwürdigkeit und Effektivität sowohl der Europäischen Union als auch der Afrikanischen Union auf die Probe stellen.

 
  
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  Johan Van Hecke, im Namen der ALDE-Fraktion. – Herr Präsident! Das Horn von Afrika ist eine entsetzliche Region, in der interne und regionale Konflikte weiterhin den Frieden und die Sicherheit unterminieren. Sie bringen humanitäre Katastrophen hervor und legen die Entwicklung dieser strategisch bedeutenden Region lahm.

Jeder Krieg, jeder Konflikt, hebt die Fragilität der Staaten hervor. Der Kern der meisten dieser Konflikte ist das Fehlen von Führungskraft und demokratischen Regierungen, wie im Bericht der Delegation des Europäischen Parlaments richtig erwähnt wird.

Was diese Region braucht, sind eine in den Ländern selbst entstehende Demokratisierung, die Achtung der nationalen und internationalen Rechtsstaatlichkeit und vor allem eine nationale Aussöhnung. In Bezug auf Somalia möchte ich hervorheben, dass der Rücktritt des ehemaligen Präsidenten Yusuf und der Rückzug der äthiopischen Truppen eine riesige Chance bieten. Die Zeit ist gekommen, um die Lage wieder in den Griff zu bekommen und Frieden unter den Somaliern herbeizuführen.

Das somalische Parlament ist ein wichtiger Faktor für den Aufbau von Vertrauen und kann den Friedensprozess allumfassend gestalten. Des Weiteren muss die EU unbedingt die Erneuerung und Stärkung der Friedenstruppe der Afrikanischen Union unterstützen. Diese Truppe braucht ein geeignetes UN-Mandat. Andernfalls werden die ugandischen und burundischen Truppen aus Mogadischu abziehen und eine große Sicherheitslücke hinterlassen.

Ich stimme Frau Kommissarin Ferrero-Waldner voll und ganz zu. Es gibt in Somalia jetzt einen Impuls für einen Wandel, den es zu nutzen gilt. Sowohl das Macht- als auch das Sicherheitsvakuum müssen gefüllt werden. Wenn nicht, wird das als Somalia bekannte staatenlose Chaos bleiben.

 
  
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  Mikel Irujo Amezaga, im Namen der Verts/ALE-Fraktion.(ES) Herr Präsident! Das Horn von Afrika ist zurzeit ein wahres Pulverfass, nicht nur aufgrund des Zustands der vollständigen Instabilität in Somalia und im Sudan, sondern auch in den drei Ländern, die Herr Kaczmarek, Herr Hutchinson und ich die Freude hatten, zu besuchen.

Die drei Länder, auf die der Besuch der Delegation beschränkt war – Eritrea, Dschibuti und Äthiopien –, haben die Armut gemein und daher einen sehr geringen Standard in Bezug auf Menschenrechte. Was die Armut betrifft, hat die Regierung Äthiopiens gemäß den unserer Delegation genannten Zahlen anerkannt, dass bereits sechseinhalb Millionen Menschen von der Hungersnot betroffen sind. Die Vereinten Nationen sprechen von über zwölf Millionen. Wir stehen daher vor einer humanitären Krise, über die in den Medien aufgrund anderer aktueller internationaler Krisen nicht berichtet wird, obwohl sie wirklich schockierend ist.

Die Menschenrechtslage verdient angesichts der politischen Gefangenen – und dies ist die Bezeichnung für sie: politische Gefangene – in allen drei Ländern ebenfalls unsere Aufmerksamkeit.

Der Grenzkonflikt zwischen Eritrea und Äthiopien ist völlig absurd, genauso wie die Einbindung von mehr als 200 000 Soldaten in diesen Konflikt. Ich kann meine Rede nicht beenden, ohne Herrn Kommissar Michel zu seinen Maßnahmen in diesem Bereich und zur Einleitung eines politischen Dialogs zu gratulieren. Dieser Dialog muss fortgesetzt werden; aber es muss auch klargestellt werden, dass wir sehr standhaft sein werden: standhaft bei der Verteidigung von Menschenrechten und standhaft gegenüber Verbrechen, die durch die Verabschiedung von Gesetzen in Bezug auf NRO begangen werden. Es muss im Gedächtnis behalten werden, dass wir dank dieses politischen Dialogs unter Beweis stellen, dass die Europäische Union hohes Ansehen auf internationaler Ebene genießt.

 
  
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  Tobias Pflüger, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (DE) Herr Präsident! Das Horn von Afrika ist neuerdings wieder im Fokus der EU. Schließlich ist seit Weihnachten hier die EU-Kampfmission Atalanta stationiert. Die EU macht mit dieser Mission wie die NATO, wie die USA, wie Russland und andere dort den Fehler, mit militärischen Mitteln, mit Kriegsschiffen, oberflächlich Probleme zu bekämpfen. Bernard Kouchner begrüßte ja regelrecht die Chance, mit einem maritimen Kampfeinsatz vor Somalia zu agieren, zehn Jahre nach Saint-Malo. Die wahren Ursachen sind die ungerechte Verteilung von Ressourcen, z. B. durch das Abfischen, auch durch Fischtrawler aus der Europäischen Union. In Somalia z. B. unterstützt der Westen eine nicht wirklich existente Regierung mit allen Mitteln.

Die äthiopischen Besatzungstruppen sind jetzt aus Somalia abgezogen, mehr als 16 000 Menschen sind seit dem Einmarsch dieser äthiopischen Truppen ums Leben gekommen. Der Umgang mit diesen Ländern am Horn von Afrika zeigt sich z. B. an Dschibuti. Dort haben alle möglichen westlichen Staaten Militärbasen, aber gleichzeitig gibt es vor Ort ein autoritäres Regime. Den Menschen in der Region muss geholfen werden – nicht mit Kriegsschiffen, die nur Handelswege des Westens absichern, sondern z. B. mit humanitärer Hilfe.

 
  
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  Karl von Wogau (PPE-DE).(DE) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Somalia ist ein gescheiterter Staat mit den ganzen schrecklichen Folgen, die das hat. Was hier zu tun ist, haben Sie sehr hervorragend ausgeführt, auch meine Freundin Ana Gomes hat das sehr klar gesagt.

Die Piraterie ist lediglich ein Teil, aber ein wichtiger Teil dieses Problems, weil die Piraterie in dieser Region sehr stark verankert ist. Zum Zweiten geht es auch darum, die Seewege der Europäischen Union zu schützen. Das liegt im Eigeninteresse der Europäischen Union und ihrer Bürger.

Deswegen gibt es auch die ESVP-Operation Atalanta, die die erste Seeoperation im Rahmen der ESVP ist. Die Einsatzleitung liegt in Großbritannien, auch das ist neu, und der Leiter ist ein britischer Vizeadmiral, Admiral Jones.

Der erste Auftrag ist es, die Nahrungsmittelhilfe zu schützen und sicherzustellen, dass die Nahrungsmittelhilfe auch tatsächlich in Somalia ankommen kann, der zweite, die Piraterie zu bekämpfen und hier entsprechend vorzugehen.

Wir hatten ein Gespräch mit der Einsatzleitung in Northwood. Dabei wurde deutlich, dass es auch einige Dinge gibt, die fehlen, wie beispielsweise Tankschiffe, Aufklärungsflugzeuge – es gilt ja ein sehr großes Territorium zu überwachen –, Helikopter, bemannte und unbemannte Aufklärungsflugzeuge. Wir alle müssen gemeinsam daran interessiert sein, dass diese Operation Atalanta erfolgreich ist. Das ist einerseits notwendig, um unsere Seewege zu schützen, andererseits aber auch um einen Beitrag – wenn auch möglicherweise nur einen kleinen Beitrag – zu dem Problem des gescheiterten Staates Somalia zu leisten.

 
  
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  Corina Creţu (PSE) . – (RO) Ich möchte zunächst meinen Kollegen zu dieser Erkundungsmission in einer der gefährlichsten und sicherlich am stärksten benachteiligten Regionen der Welt gratulieren.

Ich denke auch, dass das Horn von Afrika möglicherweise die ärmste Region der Welt ist. Äthiopien ist als Folge der Dürre der letzten Jahre von einer Katastrophe heimgesucht worden. Es ist ein Land, in dem Millionen von Menschen Hunger leiden, sogar während der Jahre mit reicher Ernte.

Der Sudan und die Darfur-Region im Besonderen sind ebenfalls tragische Orte auf der Weltkarte, und zwar aufgrund einer von vielen Experten als absoluter Völkermord beschriebenen humanitären Katastrophe als Folge des Gemetzels an mehr als zwei Millionen Menschen, wobei vier Millionen Flüchtlinge des Bürgerkriegs sind.

Somalia, Eritrea und Dschibuti sind – wie Sie, Frau Kommissarin, und meine Kolleginnen und Kollegen hervorgehoben haben – drei der ärmsten Länder, in denen Konflikte eine ständige Realität sind.

Die fortwährende Instabilität in der Region ist eine der Ursachen für die Probleme, denen das Horn von Afrika während des Prozesses der wirtschaftlichen, sozialen und politischen Entwicklung gegenübersteht. Der Erfolg des Friedensprozesses in der Region ist eng mit der Einbindung regionaler und afrikanischer Strukturen verbunden, beispielsweise der Zwischenstaatlichen Entwicklungsbehörde oder der Afrikanischen Union.

Die Europäische Union muss die Konsolidierung dieser Organisationen nebst der Steigerung ihrer Fähigkeit, Konflikte zu verhindern und zu lösen, unterstützen. Eine bessere regionale Integration würde auch einen offeneren Dialog zwischen den Ländern am Horn von Afrika über Themen von gemeinsamem Interesse, beispielsweise Migration, Waffenhandel, Energie oder natürliche Ressourcen, erleichtern und eine Basis für Dialoge über kontroverse Themen bieten.

Die Europäische Union muss natürlich stärker einbezogen werden, wenn es um Menschenrechtsverletzungen geht. Gemäß dem Abkommen von Cotonou müssen diese Länder mit der Europäischen Union eine Übereinkunft in Bezug auf die Einhaltung von Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechten und demokratischen Grundsätzen erzielen.

 
  
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  Olle Schmidt (ALDE). - (SV) Herr Präsident, Frau Kommissarin, Herr amtierender Präsident des Rates! Am Sonntag, dem 23. September 2001, wurde der schwedische Staatsbürger Dawit Isaak in Eritrea morgens von den Behörden des Landes aus seinem Haus abgeführt. Er wurde ohne Gerichtsverfahren inhaftiert und ist, mehr als sieben Jahre später, immer noch nicht offiziell angeklagt worden. Sein Verbrechen soll darin liegen, unabhängige Berichterstattung ausgeübt zu haben. In dieser Entschließung wird zum ersten Mal direkt auf Dawit Isaak Bezug genommen. Dies sollte den Druck auf Eritrea erhöhen.

Es ist inakzeptabel, dass ein EU-Bürger, ein schwedischer Journalist, über Jahre hinweg inhaftiert ist und von einem Schurkenregime wie das in Asmara drangsaliert wird, einem Regime, das Hilfe von der EU erhält, Hilfe, die zudem beträchtlich zugenommen hat. Es ist jetzt für die Europäische Union an der Zeit, Frau Kommissarin, zu handeln und Bedingungen für diese Hilfe aufzustellen. Die Zeit stiller Diplomatie ist vorbei. Jetzt reicht es. Die EU wird die Missachtung grundlegender Menschenrechte sowie den Mord an oder die Inhaftierung von Journalisten und Regimekritikern nicht akzeptieren, während die Bevölkerung unterdrückt wird und verhungert.

Das Europäische Parlament fordert heute die unverzügliche Freilassung von Dawit Isaak und der anderen in Eritrea inhaftierten Journalisten. Dies ist ein gewaltiger Schritt in die richtige Richtung. Jetzt müssen die Kommission und der Rat diesen Worten ebenfalls Nachdruck verleihen. Es ist daher für die EU höchste Zeit, in Verhandlungen zu treten und Sanktionen einzuleiten.

 
  
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  Eva-Britt Svensson (GUE/NGL). - (SV) Herr Präsident! Wie mein Kollege der Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa möchte ich das Thema der Freilassung von Dawit Isaak hervorheben. Seit sieben Jahren ist der schwedische Staatsbürger Dawit Isaak ohne Gerichtsverfahren in einer Gefängniszelle unter einer furchtbaren Diktatur inhaftiert. Ich freue mich darüber, dass wir in der Entschließung zum Horn von Afrika einen Absatz zu seiner unverzüglichen Freilassung aufgenommen haben. Wir fordern die unverzügliche Freilassung von Dawit Isaak sowie aller anderen inhaftierten Journalisten. Kein Gerichtsverfahren, und was war ihr Verbrechen? Nun, sie haben für Demokratie und Redefreiheit gearbeitet.

Die zukünftige Hilfe der EU für Eritrea muss an klare Forderungen in Bezug auf die Freilassung von Dawit Isaak und der anderen Journalisten gebunden sein. Was wir heute brauchen, sind eine an Bedingungen gebundene Hilfe zusammen mit Sanktionen, das Einfrieren des eritreischen Vermögens in Europa und die Meldung dieser Verletzung des Völkerrechts gegenüber dem Internationalen Gerichtshof. Es ist gesagt worden, dass die schwedische Regierung bisher mit stiller Diplomatie gearbeitet hat; aber nach sieben Jahr ist immer noch nichts passiert. Es ist jetzt an der Zeit, zu handeln.

 
  
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  Charles Tannock (PPE-DE). - Herr Präsident! Das Horn von Afrika ist eine absolute Katastrophe. Die Region ist seit Jahrzehnten durch Krieg, Hungersnot, Umweltschädigung, Korruption, Misswirtschaft und politische Unterdrückung verwüstet. Die Verletzung von Menschenrechten ist eine Selbstverständlichkeit. Die Zivilgesellschaft ist schwach. Beunruhigend ist, dass die Lage sich schnell weiter verschlechtern könnte. Die Spannungen zwischen Äthiopien und Eritrea bezüglich des umstrittenen Gebietes könnten immer noch jederzeit aufflammen. Der gescheiterte Staat Somalia bleibt mit Clangewalt und islamistischem Extremismus infiziert. Die Lage wird sich durch den von Äthiopien jetzt durchgeführten Rückzug seiner Truppen und den Rücktritt des jüngsten Präsidenten verschlechtern.

Wir haben auch die Piraterieepidemie vor der Küste Somalias diskutiert. Natürlich besteht immer die Versuchung für die EU, militärische Maßnahmen als Allheilmittel gegen das Chaos am Horn von Afrika vorzuschlagen. Die Erfahrungen der Vergangenheit lassen darauf schließen, dass dies ein furchtbarer Fehler wäre. Präsident Bill Clinton hat US-Truppen entsendet, um Somalia zu zügeln; aber auch dies war eine Katastrophe.

Die einzige Oase des Optimismus ist meiner Meinung nach die Region Somaliland, ein ehemals britisches Protektorat. Somaliland wurde 1960 in die Republik Somalia aufgenommen, nachdem es seine kurze Zeit der Unabhängigkeit törichterweise freiwillig aufgegeben hatte, aber spaltete sich im Chaos nach dem Tod von Siad Barre im Jahr 1991 wieder ab. Seither ist Somaliland das einzige kohäsive und funktionsfähige Staatswesen. Die Menschen in Somaliland profitieren von einer relativ moderaten Regierung und fortschrittlichen Institutionen. Sie besitzen außerdem die Symbole von Eigenstaatlichkeit, beispielsweise eine separate Währung und eine Flagge.

Für mich persönlich gesprochen – und nicht für meine Partei oder meine politische Fraktion –, ist es wohl an der Zeit, dass die internationale Gemeinschaft, unter der Führung der Afrikanischen Union, damit beginnt, das Unabhängigkeitsbestreben Somalilands ernster zu berücksichtigen. Ein unabhängiges Somaliland, das vom Westen unterstützt wird, könnte eine Kraft für Stabilität und Fortschritt in einer ansonsten hoffnungslosen und chaotischen Region sein. Die Menschen in Somaliland hätten zweifellos Recht zu fragen, warum wir hier in der EU uns so dagegen gesträubt haben, ihr De-facto-Land anzuerkennen, aber die Unabhängigkeit des Kosovos so schnell anerkannt haben.

 
  
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  Rareş-Lucian Niculescu (PPE-DE) . – (RO) Die Europäische Union hat wirklich allen Grund, über die in Somalia entstandene Lage besorgt zu sein. Dort hat sich praktisch ein Machtvakuum gebildet, und es besteht die Wahrscheinlichkeit, dass dieses durch die somalische islamische Miliz gefüllt wird. Vom Rückzug der dreitausend äthiopischen Truppen abgesehen, könnten sich auch die Missionen unter der Schirmherrschaft der Afrikanischen Union zurückziehen, wenn sie während des darauffolgenden Zeitraums keine weitere Unterstützung erhalten.

Ich könnte die europäische Mission der Überwachung der Gewässer in der Region als nichts anderes als einen durchschlagenden Erfolg bezeichnen; aber diese Aufgabe beinhaltet nur die Behandlung der Folgen der „Krankheit“ und keineswegs die Krankheit selbst. Somalia muss eine Regierung haben, die als Dialogpartner für die internationalen Institutionen, die Europäische Union sowie alle anderen Staaten, die dazu bereit sind, eine aktive Rolle zu übernehmen, um Stabilität in diese Region zu bringen, agieren kann.

 
  
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  Alexandru Nazare (PPE-DE) . – (RO) Die Europäische Union hat in Somalia und am Horn von Afrika zahlreiche Verpflichtungen. Instabilität sowie mangelnde Staatsführung und Sicherheit haben diese Region aus vielen Gründen in eine Quelle der Besorgnis verwandelt.

Vor allem wirkt sich die beispiellose Zunahme von Piratenangriffen durch Gruppen, die in somalischen Einheiten Schutz finden, auf die Handelsrouten in einer Region aus, die für den europäischen Handel und den Welthandel entscheidend ist. Es beunruhigt uns zu sehen, dass diese Gruppen zunehmend technologisch fortschrittlicher werden und in der Lage sind, Schiffe anzugreifen, die immer weiter von der Küste entfernt sind.

Dieser Zustand liegt offensichtlich an der verzweifelten Lage, in der Somalia sich befindet, im Besonderen am Nichtvorhandensein einer zentralen Regierung, die in der Lage ist, seine Hoheitsgewässer zu kontrollieren. Allerdings trägt die internationale Gemeinschaft in gleichem Maß für diese Ereignisse Verantwortung. Unabhängig von den Gewässern, in denen sie stattfindet, und den sicheren Häfen, die die Täter aufnehmen, stellt Piraterie eine Verletzung des geschriebenen und ungeschriebenen Rechtes eines jeden Landes dar, und eine Intervention dagegen ist gerechtfertigt, egal woher sie kommt.

Die Chancen der Europäischen Union und der internationalen Gemeinschaft, die grundlegende Realität in Somalia zu ändern, sind gering. Die Bewältigung einer ihrer Folgen, der Piraterie, ist jedoch viel eher in unserer Reichweite.

 
  
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  Alexandr Vondra, amtierender Präsident des Rates. − Herr Präsident! Erlauben Sie mir, zunächst auf zwei Anmerkungen einzugehen und dann einige Schlussfolgerungen zu ziehen. Olle Schmidt und Eva-Britt Svensson haben sich nach dem Journalisten Dawit Isaak erkundigt: Ja, wir sind dabei, in Eritrea etwas zu unternehmen, damit er freigelassen wird.

Anna-Maria Gomes hat nach der jüngsten Festnahme der Oppositionsaktivisten, Frau Bertukan, gefragt. Der Rat ist sich dieses Falles gewiss bewusst, der auf die Unruhen nach den Wahlen im Jahr 2005 zurückgeht, als sie zusammen mit anderen Oppositionsaktivisten festgenommen wurde, bevor sie 2007 begnadigt wurde. Sie wurde am Jahresende erneut festgenommen. Die EU hat diesen Fall seither genau verfolgt, und der Rat ist bereit, die entsprechenden Schritte zu unternehmen, wenn die Lage dies erfordert.

Ich möchte dann noch fünf kurze abschließende Bemerkungen machen. Lassen Sie mich zunächst sagen, dass wir den Einsatz der in die Region gereisten Delegationen – namentlich Herr Hutchinson, Herr Kaczmarek und Herr Irujo Amezaga – wirklich schätzen.

Erstens denke ich, dass ich Ihnen versichern kann, dass es unter der tschechischen Präsidentschaft Kontinuität geben wird. Daher werden wir die EU-Strategie gegenüber dem Horn von Afrika sicherlich nicht vollkommen neu definieren. Wir werden eher versuchen, die von unserer Vorgängerin etablierte Politik bestmöglich fortzusetzen.

Eine der wichtigsten Aufgaben wird die Eindämmung von Piraterie sein, und in diesem Zusammenhang schätzen wir den Beitrag der französischen Präsidentschaft sehr, die den schwierigen Anfang gemeistert hat, die erste EU-Marinemission zu entsenden. Die Tschechische Republik ist gewiss keine Marinemacht, sodass wir ein starkes EU-Engagement hier schätzen.

Meine zweite Bemerkung ist, dass durch die kurzfristige Operation Atalanta bereits mehrere Piratenangriffe verhindert und mehrere Piraten festgenommen worden sind, sodass die Effektivität der Operation sich bereits innerhalb eines Monats gezeigt hat. Atalanta ist eine kurzfristige Maßnahme zur Eindämmung von Piraterie. Sie war jedoch eine notwendige kurzfristige Maßnahme.

Der dritte Punkt ist, dass der Rat, um eine langfristige Lösung in Somalia zu finden, dem Dschibuti-Prozess seine volle Unterstützung innerhalb der föderalen Übergangsregierung und der Allianz zur Wiederbefreiung Somalias gewährt und dass es für diesen Prozess keinen Plan B gibt.

Äthiopien hat mit dem Rückzug aus Somalia begonnen, was ein wichtiger Schritt für die Umsetzung des Dschibuti-Prozesses ist. Es gibt Bedenken dahingehend, dass ein Sicherheitsvakuum entsteht, wenn Äthiopien die Region verlässt; daher leistet die EU weiterhin substanzielle Unterstützung für die Mission der Afrikanischen Union für Somalia, der AMISOM. 20 Millionen Euro wurden für den Zeitraum von Dezember 2008 bis Mai 2009 bereitgestellt.

Mein vierter Punkt betrifft direkte Gespräche: Wir erwarten, dass der politische Dialog mit der zwischenstaatlichen Behörde zur Entwicklung auf ministerieller Ebene wieder aufgenommen wird. Die Entwicklungsbehörde hat ihre Kapazität im Rahmen des Engagements in den sudanesischen Friedensgesprächen unter Beweis gestellt, die zur Unterzeichnung des umfassenden Friedensabkommens im Jahr 2005 führten. Die Behörde könnte damit zu einem Schlüsselpartner der EU für die Friedenssicherung und die Stabilisierung von Somalia werden.

Abschließend möchte ich Sie im Zusammenhang einer Ausweitung des Engagements informieren, dass die Überarbeitung der Strategie für das Horn von Afrika seitens der Kommission unter unserer Präsidentschaft angegangen werden wird, was zu meinen Worten zum Thema Kontinuität keinen Widerspruch bildet.

 
  
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  Benita Ferrero-Waldner, Mitglied der Kommission. − Herr Präsident! Gestatten Sie mir einige Anmerkungen zu dieser kurzen, aber wichtigen Aussprache. Zunächst habe ich zum Thema Somalia Ihre Anmerkungen und Vorschläge mit großem Interesse angehört, und ich fühle mich motiviert, dafür zu sorgen, dass wir nicht nur hinsichtlich der Bewertung der Lage, sondern auch im Hinblick auf die zu ergreifenden Maßnahmen zu einer Einigung kommen. Wir benötigen die Unterstützung der gesamten internationalen Gemeinschaft einschließlich der neuen US-Regierung, aber auch der wichtigsten Spieler der islamischen Welt, um zu einer nachhaltigen politischen Lösung in Somalia zu kommen und dem unaussprechlichen Leid der Bevölkerung endgültig ein Ende zu setzen. In diesem Kontext wird die Kommission für den Dschibuti-Prozess umfassende politische, aber auch erhebliche finanzielle Unterstützung bieten.

Wie auch Ana Maria Gomes bin ich der Ansicht, dass die Länder am Horn von Afrika erhebliche Probleme mit Menschenrechten und verantwortungsvoller Führung haben – dies wurde auch von vielen anderen Kollegen erwähnt. Wir machen uns große Sorgen hinsichtlich dieser enormen Herausforderungen. Wir denken jedoch, dass es schwierig wäre, eine flächendeckende Beurteilung hinsichtlich Artikel 9 des Abkommens von Cotonou abzugeben. Wir dürfen in puncto Menschenrechte und verantwortungsvolle Führung nicht nachgeben, und wir müssen die politischen Instrumente, die uns zur Verfügung stehen, voll ausschöpfen, einschließlich eines politischen Dialogs mit klaren Benchmarks.

Nahrungsmittelhilfe und Ernährungssicherheit bilden eine der Prioritäten der Entschließung des Europäischen Parlaments. In diesem Kontext möchte ich betonen, dass neben dem Gesamtbeitrag des Europäischen Entwicklungsfonds nunmehr Mittel unter der so genannten Nahrungsmittelfazilität bereitstehen, die sich von 2009 bis 2011 auf 100 Millionen Euro belaufen.

Schließlich ist uns die Lage des schwedischen Staatsbürgers Dawit Isaak bekannt, der in Eritrea noch immer gefangen gehalten wird. Mein Kollege Louis Michel hat bei seinem letzten Besuch im Juni 2008 mit Präsident Isaias über diesen Fall gesprochen. Zudem gibt es in diesem speziellen Fall weitere nicht öffentliche diplomatische Bemühungen. Ich kann Ihnen versichern, dass wir weiterhin an der Verbesserung der Menschenrechtssituation in Eritrea arbeiten, so dass diese Frage nicht in Vergessenheit gerät.

 
  
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  Der Präsident. − Ich habe einen Entschließungsantrag erhalten(1), der gemäß Regel 103(2) der Geschäftsordnung eingebracht wurde.

Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung erfolgt am Donnerstag, den 15. Januar 2009.

 
  

(1) Siehe Protokoll.


13. Strategie der Europäischen Union gegenüber Belarus (Aussprache)
Video der Beiträge
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  Der Präsident. − Als nächster Punkt folgt der Bericht von Rat und Kommission zur Strategie der Europäischen Union hinsichtlich Belarus.

 
  
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  Alexandr Vondra, amtierender Präsident des Rates. − Herr Präsident! Die Lage in Belarus und die Frage, was wir unternehmen sollen und wie wir helfen können, wird während der tschechischen Präsidentschaft zweifellos im Mittelpunkt des Interesses des Rates stehen.

Lassen Sie mich zu Anfang über eine positive Feststellung sprechen. Wir haben mit Zufriedenheit die Schritte verfolgt, die Belarus in den letzten Wochen unternommen hat, einschließlich der Registrierung der Bewegung „Für die Freiheit“, des Drucks und des Vertriebs unabhängiger Zeitungen wie Narodnaya Volya oder Nasha Niva, des runden Tischs zur Regulierung des Internets mit dem OSZE-Beauftragten für Medienfreiheit und der Ankündigung von Expertenberatungen, die mit OSZE/BDIMR zur Verbesserung der Wahlgesetze aufgenommen werden sollen.

Diese Schritte führen zur Erfüllung der Kriterien, die die EU als Bedingung für die weitere Aufhebung des Visaverbots über den anfänglichen Zeitraum von sechs Monaten hinaus formuliert hat. Die EU hat die Bedeutung einer Entwicklung dieser Fragen in ihren Gesprächen mit der Regierung von Belarus unterstrichen.

Für einer Überprüfung der Sanktion – bei der bis Anfang April eine Entscheidung getroffen werden muss – werden wir weiterhin alle politischen Kontakte einschließlich bilateraler Kontakte nutzen, um Belarus zu ermutigen, die Entwicklung hinsichtlich der problematischen Punkte voranzutreiben, die in den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 13. Oktober einschließlich weiterer grundlegender Schritte identifiziert wurden. Als weiteres Zeichen der Förderung möchte unsere Präsidentschaft ein erneutes Troika-Treffen der Außenminister mit Belarus organisieren, das am Rande des Rates für allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen im Januar stattfinden soll.

Zudem werden wir weiterhin die allgemeine Lage im Hinblick auf Menschenrechte und Grundfreiheiten im Land überwachen, wobei das Hauptaugenmerk auf dem regulatorischen Umfeld für NRO und Medien liegen wird. Weiterhin führen wir enge Gespräche und tauschen Standpunkte und Informationen mit verschiedenen Oppositionsvertretern und anderen Personen in Belarus aus, Menschen wie Herrn Alexander Milinkiewitsch, Herrn Kosolin und anderen.

Belarus ist, wie wir wissen, eines der sechs Länder der Östlichen Partnerschaft, einer Bewegung, die positive Entwicklungsimpulse bei unseren Nachbarn im Osten schaffen soll. Die Teilnahme von Belarus wird von der inneren Entwicklung abhängen. Wir planen, die Östliche Partnerschaft auf dem Gipfel in Prag im Mai zu starten, und dieses Datum wurde so gewählt, dass die Frist von sechs Monaten dann gerade zu Ende ist und wir eine Bewertung vornehmen können. Dementsprechend wurde in der Frage, ob Herr Lukaschenko eingeladen wird, noch keine Entscheidung getroffen.

Wir sind der festen Ansicht, dass wir mit Minsk nun konstruktiv vorgehen müssen; man kann auch sagen, dies ist ein strategischer Imperativ. Natürlich bleiben wir realistisch und erwarten keine dramatischen Änderungen, wir sind jedoch überzeugt, dass der Versuch von Herrn Lukaschenko, ausgewogene Beziehungen zu Moskau herzustellen, eine Möglichkeit darstellt. Dabei sind wir jedoch eine Gemeinschaft mit gemeinsamen Werten, und wir müssen die Hebel in unserer Hand lassen. Es liegt in unserem gemeinsamen Interesse, diese Gelegenheit zu nutzen, um die positive Dynamik in Belarus in dieser Hinsicht weiter zu fördern.

 
  
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  Benita Ferrero-Waldner, Mitglied der Kommission. − Herr Präsident! Ich freue mich, dass ich zum Thema Belarus sprechen kann, da hier positive Fortschritte erreicht wurden, über die wir sehr zufrieden sind. Belarus steht ganz oben auf unserer Agenda, nicht nur, weil es eines der Länder ist, das unter der derzeitigen Finanzkrise in der Region sehr zu leiden hat. Für uns besteht außerdem eine einzigartige Gelegenheit, ein wirklich neues Kapitel in unserer Beziehung zu Belarus aufzuschlagen.

Inzwischen haben wir die Hälfte der sechsmonatigen Aufhebung der Sanktionen gegen Belarus hinter uns, die bei dem Treffen der EU-Außenminister am 13. Oktober 2008 beschlossen wurden. Die Aufhebung wird am 13. April 2009 enden, und daher ist jetzt der richtige Zeitpunkt für die erste Beurteilung, ob Belarus in die richtige Richtung geht und wir daher die Aufhebung verlängern und weitere positive Schritte im Hinblick auf Belarus ergreifen können.

Der Rat für Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen vom 13. Oktober gab sehr deutlich zu verstehen, dass der positive Fortschritt, der mit der Freilassung der restlichen politischen Gefangenen im August begonnen hat, fortgeführt werden muss, damit die Aufhebung verlängert wird. Die Bereiche, in denen wir weiteren und nachhaltigen Fortschritt erkennen müssen, sind: Keine politischen Festnahmen oder Inhaftierungen; Zusammenarbeit mit OSZE/BDIMR im Hinblick auf Reformen der Wahlgesetze; Fortschritt im Bereich Medienfreiheit; bessere operative Bedingungen für NRO und keine Belästigung der Zivilgesellschaft sowie ernsthafte Fortschritte im Bereich Versammlungsfreiheit.

In den letzten drei Monaten haben wir einige Fortschritte gesehen. So wurde das Verbot von zwei großen unabhängigen Zeitungen aufgehoben, die mittlerweile den Druck und den Vertrieb wieder aufgenommen haben. Zweitens wurde die Registrierung von „Für die Freiheit“, der Organisation von Herrn Milinkiewitsch, genehmigt, und drittens werden am 22. Januar Beratungen zwischen Belarus und dem BDIMR zur Wahlreform stattfinden. Dieser Fortschritt war die direkte Reaktion auf Anfragen der Kommission Anfang November, und wir halten die Entwicklung für ermutigend.

Dennoch benötigen wir noch weitere Fortschritte, wenn wir eine neue Ära in unseren Beziehungen beginnen möchten und die Aufhebung bestätigen sollen. Wir müssen Fortschritte im Bereich Medienfreiheit einschließlich der Freiheit des Internets und bei der Akkreditierung ausländischer Journalisten sehen. Auch müssen wir vereinfachte Registrierungsverfahren und Arbeitsbedingungen für NRO sehen, die Einschränkungen der Freiheit von NRO-Aktivisten – wie beispielsweise Herrn Barazenka – müssen aufgehoben werden, und wir benötigen weitere Beweise, dass friedliche Demonstrationen frei abgehalten werden können, ohne dass die Demonstranten ihre Verhaftung fürchten müssen.

Fortschritt ist jedoch keine Einbahnstraße. Wenn Belarus diese wichtigen Fortschritte erreicht, dann ist es meiner Ansicht nach auch ausschlaggebend, dass wir darauf mit einem bedeutenden Maßnahmenpaket reagieren. Die Kommission hat Vorschläge für ein solches Paket erarbeitet, das Folgendes beinhalten könnte: Eine Ausweitung des technischen Dialogs, der vor einem Jahr zu den Themen Energie, Transport und Umwelt aufgenommen wurde, auf andere Themenbereiche; eine symbolische Anhebung der ENPI-Mittel für Belarus zur Untermauerung der Gespräche; die Unterstützung von Belarus bei der Anpassung an neue wirtschaftliche Herausforderungen, vor denen das Land derzeit steht, sowie eine Erweiterung des Anspruchs auf EIB- und EBWE-Darlehen seitens Belarus; eine Intensivierung der Kontakte: am 26. Januar trifft die Troika am Rande des Rats für Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen auf Außenminister Martynov, wobei ich Herrn Martynov deutlich sagen möchte, was die EU genau von Belarus erwartet und was wir im Gegenzug bieten; und natürlich eine Intensivierung des zivilgesellschaftlichen Dialogs.

Ich bin überzeugt, dass an dieser Kreuzung eine gemeinsame Anstrengung erforderlich ist, und auch Treffen von Abgeordneten mit Parlamentariern aus Belarus in Minsk wären beispielsweise äußerst hilfreich.

Weiterhin wäre die Möglichkeit, Verhandlungen zur Erleichterungen bei der Erteilung von Visa zu eröffnen, und ein Rückübernahmeabkommen zu überdenken. In diesem Punkt ist nun der Rat am Zug, und es ist klar, dass Belarus noch weitere Fortschritte erreichen muss. Wir, die Kommission, stehen jedoch bereit, um die Arbeit schnell aufzunehmen und zu Verhandlungen beizutragen, sobald die Minister bestätigen, dass hinreichende Fortschritte erzielt wurden.

Wir stehen bereit, um das gesamte Angebot der ENP und der Östlichen Partnerschaft für Belarus zu entwickeln. Dies würde die Freigabe des PKA und eine erhebliche Zunahme unserer Unterstützung beinhalten.

Wenn die Minister befinden, dass ausreichende Fortschritte erreicht wurden, dann wird nach dem 13. April eine Entscheidung dahingehend getroffen, ob die Aufhebung der Sanktionen bestätigt wird oder nicht. Wenn die Fortschritte seitens Belarus ausreichen, um dies zu gewährleisten, dann sind wir in der Tat bereit, darauf zu reagieren, und ich hoffe, dass wir dann wirklich ein neues Kapitel in den Beziehungen zu Belarus beginnen können.

 
  
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  Jacek Protasiewicz, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (PL) Herr Präsident, Frau Kommissarin, Herr Ratspräsident! Der wichtigste Anlass für die heutige Aussprache ist die erste Hälfte der sechsmonatigen Aufhebung von Sanktionen gegen Belarus diese Woche. Unsere Halbzeitprüfung der Beziehungen zwischen diesem Land und der Europäischen Union wurde durch das Parlament mit positiver Zurückhaltung aufgenommen, wobei die Änderungen in Belarus geschätzt werden.

Insbesondere möchten wir unsere Zufriedenheit zum Ausdruck bringen, dass die Bewegung „Für die Freiheit“ unter der Leitung von Aleksander Milinkiewitsch legalisiert wurde, und dass die unabhängigen Zeitungen Narodnaya Volya und Nasha Niva ebenfalls legalisiert wurden und Zugang zum staatlichen Vertriebssystem haben. Gleichzeitig verurteilen wir nach wie vor die Tatsache, dass den politischen Gefangenen, welche in den letzten Jahren freigelassen wurden, noch immer nicht ihre vollen Rechte zuerkannt wurden, und dass ein protestierender Student während des Ermittlungsverfahrens unrechtmäßig festgehalten wurde.

Wir möchten betonen, dass die wesentlichen Bedingungen für eine dauerhafte Verbesserung und Normalisierung der Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Belarus Änderungen des Wahlgesetzes, eine Aufhebung der restriktiven Mediengesetze und Änderungen des Strafgesetzbuches umfassen, um dessen Missbrauch gegen die demokratische Opposition und unabhängige Journalisten zu verhindern. In diesem Kontext möchten wir die Behörden in Belarus auffordern, eng mit der OSZE und dem Journalistenverband Belarus zusammenzuarbeiten. Wir schätzen die vorbereitenden Treffen, welche in diesen Angelegenheiten stattgefunden haben, verlangen jedoch eine dauerhafte Zusammenarbeit mit ausländischen Experten und Vertretern der Zivilgesellschaft in Belarus.

Mit der heute besprochenen Entschließung beabsichtigen wir zudem, die Behörden in Belarus aufzufordern, die Einschränkungen hinsichtlich der Aktivitäten von politischen Parteien und Nichtregierungsorganisationen aufzuheben und mehr unabhängige Medien zu legalisieren. Dies ist jedoch keine Einbahnstraße. Wir bitten auch die Europäische Kommission und den Rat, den Preis für EU-Einreisevisa schneller zu senken und die Investitionen der Europäischen Investitionsbank in Energieinfrastruktur, insbesondere die Transportinfrastruktur, in Belarus zu erhöhen. Ich möchte unterstreichen, dass das Europäische Parlament die Kommission nochmals bitten wird, finanzielle Mittel für Biełsat TV bereitzustellen, und die Behörden in Belarus auffordern wird, den Bund der Polen in Belarus unter der Leitung von Angelika Borys als einzigen rechtmäßigen Vertreter der größten ethnischen Minderheit des Landes anzuerkennen.

 
  
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  Der Präsident. − Sie scheinen sehr beschäftigt zu sein, aber Sie haben es doch geschafft, in letzter Minute das Wort zu ergreifen.

 
  
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  Justas Vincas Paleckis, im Namen der PSE-Fraktion. – (LT) Gute Zäune dienen einer guten Nachbarschaft. Das ist ein altes englisches Sprichwort. Wenn man an Nachbarstaaten denkt, wäre es heutzutage jedoch passender, dass niedrige oder gar keine Zäune besser sind.

An der Schwelle des 20. zum 21. Jahrhundert wurde Belarus angesichts zunehmender Autoritarismus-Tendenzen der kranke alte Mann Europas. Das Land rutschte in Selbstisolation und Isolation ab, gleichzeitig wurden die Zäune an den Grenzen immer höher. Durch den Missbrauch der Menschenrechte gab es im Europäischen Rat keinen Platz für einen Staat in der Mitte Europas.

Das letzte Jahr hat uns Hoffnung gegeben, dass sich die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Belarus ändern können, und dass die Zäune, von denen ich gesprochen habe, niedriger werden können. Hier wurden die kleinen Schritte in die richtige Richtung erwähnt, die Minsk im Hinblick auf politische Gefangene, die Registrierung von Parteien und Zeitungen unternommen hat. Wir könnten in diesem Zusammenhang auch die künftige Eröffnung einer Vertretung der Europäischen Union anführen. Ich teile den vorsichtigen Optimismus der Mitglieder der Kommission und des Ministers, und ich habe den Eindruck, dass sich der Himmel aufklärt, obgleich es noch immer viele Wolken gibt. Unser Kollege, Herr Protasiewicz, hat hier bereits Medienfreiheit und echte Bedingungen erwähnt, die die Gründung politischer Parteien ermöglichen, und das Land befindet sich allgemein am Rande umfassender wirtschaftlicher und sozialer Änderungen. Reformen sollten auf die Zukunft ausgerichtet sein und das Leben der normalen Menschen einfacher gestalten.

Ich denke, dass die Europäische Union auch den Weg des gegenseitigen Verständnisses gehen sollte. Zuerst durch eine Beseitigung oder zumindest einen Abbau der finanziellen Zäune im Hinblick auf Visabestimmungen, die die Kommunikation der Menschen behindern.

Belarus hat beschlossen, ein neues Kernkraftwerk zu errichten, das sich wahrscheinlich in der Nähe der litauischen Hauptstadt Vilnius befinden wird. Zahlreiche solcher Kernkraftwerke sind für die Region geplant, in Litauen, Estland und Polen. Zwischen all diesen und anderen Staaten muss es zu einem Dialog und zu ständigen Konsultationen kommen, so dass wir Missverständnisse, Umweltschäden und eine Missachtung der Interessen anderer Länder vermeiden. Brüssel sollte sorgfältig darauf achten, wie Minsk die Empfehlungen der IAEO, die Übereinkommen zur Atomsicherheit, umsetzt, und die Interessen der Länder der Europäischen Union verteidigen.

Ich denke nicht, dass Belarus echte Fortschritte macht, solange die Mauer zwischen offiziellen Institutionen und den Menschen vor Ort nicht eingerissen wird. Die Regierung sollte an Gesprächen und Verhandlungen mit der Opposition und den NRO, Gewerkschaften und Jugendorganisationen interessiert sein. In wenigen Monaten legt das Europäische Parlament Empfehlungen vor, ob wir mit der Beseitigung dieses Zauns fortfahren oder einen noch höheren Zaun errichten sollen. Wenn wir diese Chance nicht ergreifen, werden die Menschen auf beiden Seiten desillusioniert sein. Nun ist Minsk am Zug.

 
  
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  Janusz Onyszkiewicz, im Namen der ALDE-Fraktion. – (PL) Die Signale von Belarus sind nicht immer ganz klar. Politische Gefangene wurden freigelassen, zwei unabhängige Zeitungen wurden für das offizielle Vertriebsnetz zugelassen und die Bewegung „Für die Freiheit“ unter der Führung des Präsidentschaftskandidaten der Opposition, Alexander Milinkiewitsch, wurde registriert. Die Kommissarin hat dies bereits erwähnt. Andererseits werden jedoch Mitglieder der Opposition erneut festgenommen, und viele der freigelassenen Gefangenen haben nur eingeschränkte Rechte. Es gibt Dutzende Zeitungen, die auf eine Genehmigung warten, wie sie den beiden erwähnten Zeitungen gewährt wurde, und viele Nichtregierungsorganisationen und politische Parteien haben noch immer Probleme mit der Registrierung oder sind von einem Entzug der Registrierung bedroht. Mönche und Nonnen werden vertrieben, und die Todesstrafe existiert noch immer.

Wir können Belarus nicht den Rücken zukehren. Ich denke jedoch nicht, dass die Zeit reif ist für den Beginn eines Dialogs zwischen diesem Parlament und dem Parlament von Belarus. Wir müssen die Verfahren für die Erteilung von Visa für die Bürger von Belarus deutlich reduzieren und vereinfachen, obgleich dies offensichtlich nicht für diejenigen gilt, die aus gutem Grund nicht in die Europäische Union einreisen sollten.

Auch müssen wir denjenigen Institutionen effektive Unterstützung, einschließlich finanzieller Unterstützung, bieten, die für die Errichtung und Entwicklung der Zivilgesellschaft wichtig sind, beispielsweise unabhängigen Nichtregierungsorganisationen, politischen Parteien und der freien Presse. Wir müssen auch das Problem der Arbeiterrechte in Belarus ansprechen. Heute gibt es außerhalb der Regierungsstrukturen keine Dauerbeschäftigung – alle haben nur Einjahresverträge. Damit haben Arbeitgeber, und damit der Staat, erhebliche Macht über praktisch die gesamte Gesellschaft.

Die Initiative der Östlichen Partnerschaft bietet auch den derzeitigen Behörden in Belarus neue Möglichkeiten. Aber die Modernisierung des Landes und seine Anpassung an europäische politische Standards müssen im Kontext eines Dialogs zwischen den Behörden und der demokratischen Opposition in Belarus voranschreiten.

 
  
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  Ryszard Czarnecki, im Namen der UEN-Fraktion. – (PL) Frau Kommissarin, Herr Präsident! Kürzlich haben wir alle drei Monate Entschließungen zu Belarus verabschiedet. Das ist keine Inflation, sondern ein Beleg für die angemessene Beobachtung, was in diesem Land passiert, das ein Nachbar von Polen und damit der Europäischen Union ist.

Ist der Fortschritt bei der Demokratisierung in Belarus zufrieden stellend? Nein. Ist das ein Grund, um Minsk wieder den Rücken zuzukehren? Nein. Wir müssen weiterhin demokratische Freiheiten und Standards, die Meinungsfreiheit und demokratische Werte fordern und Belarus dabei gleichzeitig geduldig grünes Licht als Land und als Gesellschaft geben, die wir gerne immer enger in die Europäische Union einbinden möchten. Die Belarussen sind Europäer, und Belarus ist fester Bestandteil des alten Kontinents, die Kultur von Belarus ist Teil der europäischen Kultur.

Heute kämpfen die edelsten Belarussen für Menschenrechte, Demokratie und Religionsfreiheit. Aber wir sollten die weniger edlen Bürger nicht in die Hände Moskaus treiben. Dies wäre einfallslos und dumm, es wäre unverantwortlich und schlimmer als ein Verbrechen – es wäre eine Irreführung. Wir müssen zwei Schritte gleichzeitig unternehmen – ein Auge auf Lukaschenko werfen, so dass er beispielsweise keine katholischen Priester aus Polen verfolgt, Zeitungen verbietet oder Mitglieder der Opposition verfolgt, und gleichzeitig den belarussischen Staat als Staat unterstützen, um zu verhindern, dass er zunehmend unter politischen, wirtschaftlichen und militärischen Einfluss Russlands gerät.

 
  
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  Milan Horáček, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (DE) Herr Präsident! Zdravím české předsednictví pod vedením pana místopředsedy Alexandra Vondry. Mit der Zulassung der oppositionellen Demokratiebewegung für Freiheit von Alexander Milinkiewitsch sowie der Freilassung politischer Gefangener hat die belarussische Regierung Signale für eine Öffnung ausgesendet. Jetzt muss geprüft werden, ob hinter der Dialogbereitschaft ein echter Wille zur Änderung und zur Wiederaufnahme der Beziehungen mit der EU steht.

Wir wünschen, dass Belarus seinen Platz in Europa findet. Wir warten schon seit Langem darauf und sind bereit, die Beziehungen wiederaufzunehmen, aber nur unter klaren Bedingungen. Das ist vor allem die Einhaltung der Menschenrechte. Das gilt nicht nur für die Presse- und Meinungsfreiheit, sondern für das gesamte politische, soziale und private Leben jedes Einzelnen. Der Wahlbetrug und die Übergriffe auf die Opposition sind nicht vergessen, und wir verfolgen die Entwicklungen sehr genau.

Im Oktober haben wir beschlossen, das Einreiseverbot für Präsident Lukaschenko auszusetzen. Es ist notwendig, dass auch von belarussischer Seite die Einreise für europäische Delegationen zugelassen wird, um Debatten mit Oppositionellen zu ermöglichen.

Unsere Erfahrung lehrt: Jede Diktatur wird einmal enden!

 
  
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  Věra Flasarová, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (CS) Sehr geehrte Damen und Herren! Belarus ist das letzte europäische Land, mit dem die Europäische Union kein Abkommen über die gegenseitigen Beziehungen geschlossen hat. Diese Anomalie könnte bald zu Ende sein, wie die von Rat und Kommission vorgeschlagene Belarus-Strategie zeigt. Zudem geht die mehrmonatige Testphase auf das Ende zu. Die belarussische Führung könnte Veränderungen vornehmen, die zu mehr Demokratie und Freiheit führen, und die europäische Union bietet dann Zusammenarbeit und eine Normalisierung der Beziehungen. Dies sollte das Ziel sein. Die Kunst der Diplomatie besteht jedoch darin, die Dinge in einem größeren Kontext zu sehen und seine Anforderungen entsprechend zu verpacken. Fast jede Veränderung der letzten Jahre erfolgte in einem globalen Kontext. Heute sehen wir eine wesentliche Änderung der Lage. Die zwei Jahrzehnte des Experiments der US-Vorherrschaft enden langsam, und an ihre Stelle tritt ein multipolares Konzept, das gleichermaßen zu Konflikten führen kann. Was wir um uns herum sehen sind Ereignisse, die mit einer Verlagerung der Machtverteilung einhergehen. Neue und wieder auflebende Zentren definieren sich selbst in Beziehung zu ihren Wettbewerbern und gestalten ihren Einflussbereich. Belarus bildet gemeinsam mit der Ukraine, Moldawien und dem Kaukasus ein Gebiet, das von Russland einerseits und den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union andererseits hart umkämpft ist. Es wäre absurd, dies zu negieren, auch wenn der Krieg im Zeichen wohlklingender Slogans wie Freiheit, Demokratie und Menschenrechte geführt wird. Die Werte, um die es hier wirklich geht, sind jedoch Energie, Geld und Militärstrategie. Wenn die wichtigsten Global Player einschließlich der Europäischen Union bereit sind, die neuen geopolitischen ...

(Der Präsident entzieht der Rednerin das Wort.)

 
  
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  Bastiaan Belder, im Namen der IND/DEM-Fraktion. (NL) Herr Präsident! Belarus sollte gegen die weltweite Finanzkrise immun sein. Diese übertrieben selbstbewusste Prognose kommt Herrn Lukaschenko Anfang 2009 nun teuer zu stehen. Seine Regierung hat ernsthafte finanzielle Probleme. Minsk hat beim IWF, in Moskau und sogar Washington angeklopft und um Kredite in Milliardenhöhe gebeten. Die Bedingung des IWF bestand in der Entwertung des Belarus-Rubel um nicht weniger als 20,5 % am 2. Januar. Heute haben die Einwohner von Belarus offensichtlich Angst, was auch verständlich ist, wenn man sich vor Augen führt, dass der durchschnittliche Monatslohn plötzlich von 400 US-Dollar auf 333 US-Dollar gesunken ist und der Dollar wie auch der Euro in Minsk sehr beliebt sind, und das weit über die heutigen Grenzen hinaus.

Könnte dieser Rückgang der wirtschaftlichen Lage in Belarus die Möglichkeit einer neuen nationalen und internationalen Ausrichtung der Regierung Lukaschenko vereiteln? Dies ist sicherlich kein eingebildetes Risiko, da abgesehen von den derzeitigen finanziellen Problemen eine kosmetische Kurskorrektur seitens Herrn Lukaschenko in Richtung Westen ebenso plausibel ist. In diesem Fall würde der mächtige Präsident seine Strategie der simulierten Integration mit Russland einfach durch eine simulierte Annäherung an die Europäische Union ersetzen. Die kommenden Gasverhandlungen mit Russland könnten dieser Simulation sehr gut zusätzliche Dynamik verleihen.

Die Europäische Union sollte eine ausgewogene Strategie verfolgen, um einem solchen unerwünschten politischen Szenario in Minsk zu widerstehen. Zu diesem Zweck müssen alle europäischen Institutionen mit allen belarussischen Institutionen in Kontakt treten, also mit staatlichen Stellen, Oppositionskräften, der Zivilgesellschaft und sogar der nicht arbeitenden Bevölkerung. Dies ist ein inspirierendes europäisches Ziel, das die Hoffnung verfolgt, Kontakte auf allen Ebenen der belarussischen Gesellschaft zu entwickeln und Brücken zu bauen.

 
  
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  Roberto Fiore (NI).(IT) Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich denke, dass es keinen Grund mehr für irgendwelche Sanktionen gegen Belarus gibt. Wir sehen ein Land, das zweifellos in einer Krise steckt, wie alle europäischen Länder, und in jedem Fall handelt es sich um ein Land, das Eigentumsrechte genehmigt, ein Land, das vor wenigen Monaten eine Wachstumsrate von 8 % verzeichnete und das Ausländer, auch Europäer, nicht daran hinderte, Grundstücke oder Häuser zu erwerben, auch wenn dies über belarussische Unternehmen erfolgte.

Im Hinblick auf Religionsfreiheit ging Kardinal Bertone vor einiger Zeit nach Belarus, und zwischen Belarus und dem Vatikan wurden zweifelsohne Beziehungen in gegenseitigem Respekt aufgebaut. Vor allem politische Freiheiten sind wichtig, und es war die Rede von einigen Gefangenen, was sich aber auf drei politische Häftlinge bezieht, die freigelassen wurden.

Wir sprechen auch über politische Wahlen, wo es sicherlich nicht die Freiheiten gibt, die bei westlichen Wahlen vorhanden sind, aber es ist richtig, dass der Staat allen Kandidaten Sendezeit und in einigen Fällen sogar Unterstützung gewährt hat. Wir wissen auch, dass in den kommenden Wochen einige Zeitungen – unabhängige Zeitungen – gedruckt und vertrieben werden können.

Ich denke, es liegt im strategischen Interesse Europas, sich gegenüber Belarus zu öffnen, gerade weil Belarus ein sehr wichtiges Element zwischen Europa und Russland ist. Wir sollten bedenken, dass es eine starke katholische Minderheit gibt, die das Land näher an das benachbarte Polen und den Rest Europas rückt und es zu einem strategischen Partner für die übrigen osteuropäischen Staaten macht. Es ist seltsam, dass heute von einem Beitritt der Türkei zur Europäischen Union die Rede ist, während Belarus im Hinblick auf Europa eine deutlich stärkere und bedeutendere Partnerrolle spielt.

 
  
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  Árpád Duka-Zólyomi (PPE-DE). - (HU) Herr Präsident! Es ist schwierig, angesichts dieser Pattsituation in den Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Belarus voranzukommen. Der in letzter Zeit zunehmende externe Druck, die Schwächung der Freundschaft zwischen Russland und Belarus, die Furcht aufgrund des Konflikts zwischen Russland und Georgien und nicht zuletzt die Weltwirtschaftskrise tragen teilweise zu dieser Lage bei.

Das Land unter der Führung von Lukaschenko bittet Europa zum ersten Mal um etwas: Die Freilassung politischer Gefangener, die Registrierung einer Bewegung und die Aufnahme eines Dialogs mit unabhängigen Journalisten zeigt, dass Lukaschenko auf seine Art versucht, die Türen zu Europa zu öffnen. Neben diesen oberflächlichen Schritten muss Minsk noch mehr im Hinblick auf eine echte Annäherung bieten.

Die EU sollte die derzeitigen Chancen ergreifen, auch wenn es nicht viele sind. Die Europäische Union könnte zum ersten Mal in der Lage sein, die politische Lage in Belarus zu beeinflussen, und daher ist die Politik Brüssels alles andere als indifferent. Wir müssen den kritischen Ansatz und das System der Bedingungen, das wir derzeit nutzen, beibehalten. Wir müssen gut aufpassen, da es schwer vorstellbar ist, dass sich Lukaschenko und seine Regierung radikal ändern.

Die konkreten Schritte, die die EU ergreift und plant, sind wichtig. Unsere Aufgabe besteht darin, NRO und Opposition, die für den Wandel kämpfen, zu unterstützen und zu helfen, sie zusammenzubringen. Wir müssen auch bei der Gesetzgebung Reformen fordern, und ich denke hier an das Strafgesetzbuch und die Presse- und Wahlgesetze. Im Interesse der Qualität der Belarus-Politik der Europäischen Union und zur Sicherung des Demokratisierungsprozesses muss das Europäische Parlament die Überwachung durch Rat und Kommission fortführen.

Die Länder in der Region einschließlich der Ukraine haben auch gezeigt, dass ohne klare Kriterien und deren Erfüllung eine demokratische Entwicklung nicht möglich ist, weil alles andere lediglich die Illusion einer Demokratie schaffen würde. Die vorgeschlagene EU-Strategie ist kritisch und konstruktiv, und ich unterstütze sie daher voll und ganz.

 
  
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  Józef Pinior (PSE). - (PL) Herr Präsident, Frau Kommissarin! Ich möchte insbesondere die Tatsache positiv hervorheben, dass Minister Alexandr Vondra an der Aussprache in diesem Parlament heute Abend teilnimmt. Ich denke, dies zeigt die Bedeutung, die die tschechische Präsidentschaft der Außenpolitik der Europäischen Union beimisst.

Heute analysieren wir die Strategie der Europäischen Union im Hinblick auf Belarus und die Strategie der Offenheit, die wir in den vergangenen Monaten verfolgt haben. Ich denke, dass die Ergebnisse dieser Strategie positiv sind, wie der Berichtsentwurf des Europäischen Parlaments zeigt.

Demzufolge wurde in Minsk eine Ständige Vertretung der Europäischen Kommission eingerichtet. Wir erhalten positive Signale im Hinblick auf eine zunehmende Freiheit in Belarus, wie beispielsweise die Registrierung der Bewegung „Für die Freiheit“ von Alexander Milinkiewitsch und die Publikation und Registrierung der zwei unabhängigen Zeitungen Narodnaya Volya und Nasha Niva. Zudem gibt es die Erklärung des belarussischen Außenministers Syarhei Martynau hinsichtlich der positiven Einstellung des Landes gegenüber der Initiative der Östlichen Partnerschaft seitens der EU. Auch möchte ich hervorheben, dass die Regierung von Belarus die selbst erklärte Souveränität der Regierungen von Südossetien und Abchasien nicht anerkennt. Dies sind positive Signale, die zweifelsohne auch das Ergebnis der Einstellung der Europäischen Union gegenüber Belarus sind.

Und darum geht es in unserem Entschließungsantrag: Wir haben es in Belarus noch immer mit Einschränkungen der Menschenrechte und der persönlichen Freiheit zu tun. Wir haben hier keine liberale Demokratie im europäischen Sinn. Ich stimme voll mit dem heute durch Kommissarin Ferrero-Waldner vorgestellten Szenario überein, dass eine dauerhafte Aufhebung der Sanktionen möglich ist, wenn Belarus Freiheit und Bürgerrechte ausweitet und seine Wirtschaft liberalisiert. Die zunehmende Präsenz der Europäischen Union in Belarus garantiert meiner Meinung nach eine stärkere Liberalisierung und Demokratisierung des Landes.

 
  
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  Der Präsident. − Ich möchte dem Abgeordneten mitteilen, dass an diesen Aussprachen immer ein Vertreter des Rats teilnimmt, dies ist also keine Besonderheit, auch wenn wir die Anwesenheit des stellvertretenden Premierministers Vondra selbstverständlich schätzen.

 
  
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  Zdzisław Zbigniew Podkański (UEN). - (PL) Herr Präsident! Die Beziehungen zwischen der EU und Belarus hängen von beiden Seiten ab. Dialoge, eine echte Politik der Nachbarschaft und eine Östliche Partnerschaft werden für beide Seiten Vorteile bringen. Eine Partnerschaft kann nicht auf Verboten und Sanktionen aufgebaut werden, daher stelle ich mit Freude fest, dass die jüngste Initiative der Europäischen Kommission auf eine Verbesserung der Beziehungen mit Belarus abzielte. Objektiv ist festzustellen, dass Belarus auch viel im Hinblick auf eine Annäherung unternommen hat. Dies beweist die Registrierung der Bewegung „Für die Freiheit“, die Zulassung von Druck und Vertrieb oppositioneller Zeitungen und die Öffnung des Landes für die Initiative der Östlichen Partnerschaft.

Die Erwartungen der Europäischen Union gehen noch weiter, und dafür gibt es klare Gründe, wie es auch Gründe für die zahlreichen Erwartungen seitens Belarus gibt. Wenn beispielsweise die Behörden in Belarus aufgefordert werden, die Praxis der Ausreisevisa für ihre Bürger, insbesondere Kinder und Studenten, zu beenden, warum vereinfacht und liberalisiert die Europäische Union dann nicht die Visaverfahren für die Bürger von Belarus? Diese Fragen sind besonders wichtig für die Einwohner von Grenzgebieten, die kulturelle und familiäre Verbindungen haben (...)

(Der Präsident entzieht dem Redner das Wort.)

 
  
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  Esther de Lange (PPE-DE). - (NL) Herr Präsident! Heute Abend sprechen wir über die EU-Politik im Hinblick auf Belarus, eine Politik, bei der die Demokratie und die Einhaltung der Menschenrechte im Mittelpunkt des Interesses stehen.

Ich möchte mich auf einen spezifischen Bereich konzentrieren, nämlich das Reiseverbot für Kinder, ohne jedoch die anderen relevanten Aspekte zu vernachlässigen, die heute Abend bereits erwähnt wurden. Wahrscheinlich wissen Sie, dass Kinder, Opfer des Unglücks von Tschernobyl, die Niederlande und andere EU-Länder über Jahre regelmäßig besucht haben, um sich von den Auswirkungen der Katastrophe zu erholen. Natürlich handelt es sich bei den Betroffenen um Kinder, die lange nach der Katastrophe geboren wurden – sie sind heute ungefähr so alt, wie ich war, als sich das Unglück vor 22 Jahren ereignete –, aber sie leiden noch immer tagtäglich an den Auswirkungen, wie die Statistiken für Schilddrüsenkrankheiten, Krebs usw. zeigen. Jahr für Jahr werden rund 30 000 belarussische Kinder in 21 Ländern von Gastfamilien, gemeinnützigen Organisationen und Kirchen empfangen.

Im Oktober 2008 wurde berichtet, dass Belarus die Reisen dieser Kinder mit einer Verordnung stoppen und Auslandsreisen dieser Kinder untersagen würde, was somit das Ende für die Weihnachtsferien bedeutet hätte. Teilweise unter dem Druck der Europäischen Union, des Europarates und verschiedener Außenminister, einschließlich unseres niederländischen Ministers Verhagen, wurde diese Verordnung für die Dauer vom 20. Dezember bis zum 20. Januar aufgehoben, so dass überhaupt einige Kinder Urlaub bei uns machen konnten, doch für die Zeit nach dem 20. Januar wurden keine Vorkehrungen getroffen. Es ist daher höchste Zeit, dass wir diese befristete Aufhebung in eine strukturelle, EU-weite Lösung überführen, damit belarussische Kinder und die europäischen Gastfamilien nicht mehr in Ungewissheit darüber gehalten werden, ob die Reisen fortgeführt werden können oder nicht. Idealerweise möchten wir dies im Namen aller Mitgliedstaaten auf einen Schlag legalisieren und nicht über 27 bilaterale Verhandlungen, wie es derzeit der Fall ist.

Mit unserer Entschließung möchten wir daher die tschechische Präsidentschaft auffordern, mit den belarussischen Behörden über eine EU-weite Lösung zu verhandeln.

 
  
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  Marianne Mikko (PSE). - (ET) Sehr geehrte Damen und Herren! Der Weg von Belarus in Richtung Europa muss von Dialogen und Kompromissen geprägt sein.

Die Belarus-Entschließung, die letztes Jahr verabschiedet wurde, betont die Notwendigkeit einer festen und an Bedingungen geknüpften, dabei aber positiven Politik. Die Fortschritte, die im Bereich Energie, Umwelt und Transport erzielt wurden, sind das Ergebnis dieser Arbeit.

Es gibt jedoch Probleme, die wir nicht übersehen dürfen. Demokratie ist entscheidend. Als Mitglieder des Europäischen Parlaments dürfen wir die Verfolgung der belarussischen Oppositionsführer, die Einschränkung der Pressefreiheit und der Redefreiheit und die Verletzung der Grundrechte der Bürger nicht hinnehmen. Ohne eine starke Zivilgesellschaft kann kein demokratisches Land funktionieren.

Daher müssen wir Organisationen umfassende Unterstützung bieten, die die Menschenrechte verteidigen, die Demokratie fördern und die Bürgerschaft des Landes mobilisieren.

Ich begrüße die Entscheidung der belarussischen Behörden, die Bürgervereinigung Für die Freiheit von Herrn Milinkewitsch zu registrieren. Dies ist jedoch erst der Anfang, da Naša Vjasna, die sich die Menschenrechte auf ihre Agenda geschrieben hat, und einige andere Organisationen, die sich der Entwicklung der Demokratie verschrieben haben, ebenfalls auf ihre Registrierung warten.

Und schließlich möchte ich über die Visaregelungen sprechen. Zwischen der Europäischen Union und Belarus muss ein Abkommen über Visaerleichterungen geschlossen werden. Die Straße nach Europa darf nicht versperrt sein. Teuere Visa und strenge Regulierungen bestrafen nicht das Regime, sondern die Bevölkerung. Ich habe dies wiederholt zum Ausdruck gebracht, und ich werde es heute erneut sagen. Lassen Sie uns als Europäer auf das belarussische Volk zugehen.

 
  
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  Ewa Tomaszewska (UEN). - (PL) Herr Präsident! Das Europäische Parlament hat wiederholt die Belarus-Frage angesprochen, wo es die letzte Diktatur des europäischen Kontinents gibt. Noch immer haben katholische Priester Probleme bei der Veranstaltung von Gottesdiensten, und die Rechte ethnischer Minderheiten werden nicht respektiert. Insbesondere wird die demokratisch gewählte Führung des Bundes der Polen in Belarus unter der Leitung von Angelika Borys nicht anerkannt. Festnahmen und Durchsuchungen der Büros von oppositionellen Aktivisten und Menschenrechtsaktivisten halten an. Unabhängige Journalisten werden noch immer verfolgt.

Dennoch finden Änderungen statt, wenn auch sehr langsam. Die Bewegung „Für die Freiheit“ wurde registriert, und zwei oppositionelle Zeitungen dürfen nun gedruckt und vertrieben werden. Der Außenminister von Belarus reagierte positiv auf die Initiative der Östlichen Partnerschaft und drückte sein Interesse an einer Teilnahme aus. Damit besteht für uns verhaltene Hoffnung auf eine Verbesserung des Klimas der gegenseitigen Beziehungen und die Erfüllung des Vorschlags der Kommissarin.

 
  
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  Colm Burke (PPE-DE). - Herr Präsident! Angesichts dessen, dass Außenbeziehungen eine der obersten Prioritäten für die tschechische Präsidentschaft darstellen, möchte ich die Präsidentschaft des Rates bitten, darzustellen, welche Schritte sie in Erwägung ziehen würde, um die belarussische Regierung dazu zu bringen, ihr internationales Reiseverbot für Kinder aufzuheben, die im Rahmen von Erholungsprogrammen in EU-Mitgliedstaaten reisen. Ich fordere die tschechische Präsidentschaft auf, eine europaweite Vereinbarung zu verhandeln, die es von dem Reaktorunglück in Tschernobyl betroffenen belarussischen Kindern erlaubt, in jeden beliebigen Mitgliedstaat der EU zu reisen.

Gemeinsam mit meinen Kollegen habe ich daher der aktuellen Entschließung des Europäischen Parlaments Ziffer 10 hinzugefügt. Im August letzten Jahres kündigte die belarussische Regierung an, Überseereisen zu verbieten, nachdem ein Kind sich weigerte, von einer Auslandsreise zurückzukehren.

Die irische Regierung schaffte es, eine Ausnahme zu erwirken, mit der Kinder dieses Jahr Weihnachten nach Irland reisen dürfen, doch viele andere Kinder benötigen noch immer Ausreisevisa, um Belarus zu verlassen und an Erholungsprogrammen teilzunehmen. Rund 1 000 irische Familien nehmen jeden Sommer und an Weihnachten belarussische Kinder auf, die oftmals auch einer medizinischen Begutachtung und in einigen Fällen einer medizinischen Behandlung unterzogen werden.

Zwar begrüße ich die Entscheidung der belarussischen Behörden, das Reiseverbot für verschiedene Opfer des Reaktorunglücks von Tschernobyl zeitweise aufzuheben, fordere die Präsidentschaft aber dennoch auf, den Druck aufrechtzuerhalten, so dass in naher Zukunft ein EU-weites Abkommen geschlossen werden kann, das belarussischen Kindern die Freiheit gibt, in jedes beliebige Land der EU zu reisen.

Ich habe Ihnen gegenüber, Frau Kommissarin, auch das internationale Reiseverbot angesprochen, und in Ihrer Antwort auf mein Schreiben sagten Sie, dass sowohl durch die Delegation der Europäischen Kommission in Minsk als auch kürzlich durch den stellvertretenden Generaldirektor der GD Außenbeziehungen im Rahmen des Besuchs in Minsk Anfang November Schritte unternommen worden sind. Ich möchte Sie fragen, ob Sie Neuigkeiten bezüglich des Standes der EU-Lobbyarbeit zur Aufhebung dieses repressiven Verbots haben.

 
  
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  Sylwester Chruszcz (UEN). - (PL) Herr Präsident, Frau Kommissarin! Die schrittweise Wiederbelebung der Beziehungen zu Belarus und unsere Dialogbereitschaft gegenüber der Regierung sind ein Schritt in die richtige Richtung. Auch das heute von der tschechischen Präsidentschaft angekündigte Treffen des Rates mit einem Vertreter von Belarus im Rahmen eines diplomatischen Gipfels, der diesen Monat stattfinden wird, bewerte ich positiv.

Zudem bin ich erfreut über die Versuche, Belarus in die Initiative der Östlichen Partnerschaft einzubeziehen. Entscheidungen auf EU-Ebene sollten primär die Bürger von Belarus zu spüren bekommen, selbst wenn es sich um die Visapolitik handelt. Angesichts der derzeitigen Gaskrise in Europa muss hervorgehoben werden, dass sich Belarus im Hinblick auf den Gastransport in die Europäische Union als besonders stabiler Partner erwiesen hat. Ein konstruktiver Dialog und verbesserte bilaterale Beziehungen, die ganz klar auf den Prinzipien der Demokratie und des Respekts der Menschenrechte beruhen sollten, liegen im beiderseitigen Interesse.

 
  
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  Zita Pleštinská (PPE-DE). – (SK) Obgleich in Belarus positive Fortschritte erzielt wurden, müssen wir mit den Vertretern der belarussischen Opposition und mit unserem Freund Alexander Milinkewitsch in sehr engem Kontakt bleiben.

Europa sollte die wirtschaftliche Reform in Belarus unterstützen. Diese Unterstützung muss jedoch an spezifische Bedingungen und Anforderungen geknüpft sein. Hierzu zählt mehr Pressefreiheit. Die Medien müssen legal handeln und ihre Erzeugnisse im Land vertreiben können. Mehr Freiheit für die Gründung politischer Parteien und Nichtregierungsorganisationen ist für eine Demokratie von entscheidender Bedeutung.

Unsere heutige Aussprache zeigt auch, dass wir alle die Rückkehr eines demokratischen Belarus nach Europa wünschen, jedoch ohne Lukaschenko. Wenn die EU in die Förderung demokratischer Werte eingebunden wird, dann hat sie eine gute Chance, Belarus für sich zu gewinnen und von der russischen Umklammerung zu befreien.

 
  
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  Alessandro Battilocchio (PSE). - (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nach Jahren komplizierter Beziehungen sehen wir nun mit der Anerkennung der Bewegung unter der Führung von Herrn Milinkewitsch, der Genehmigung verschiedener nicht regierungstreuer Zeitungen und den ersten Zeichen der Bereitschaft, über die Empfehlungen von OSZE/BDIMR zu sprechen, einige vorsichtige Schritte in die richtige Richtung. Der verbleibende Weg ist jedoch nicht nur lang, sondern extrem lang.

Wir hoffen, dass in den Beziehungen zwischen der EU und Belarus eine neue Passage eröffnet werden kann; die Geschichte von Abgeordneten unserer Delegation, denen Visa verweigert wurden, ist sehr unangenehm, und wir hoffen auch, dass dies nunmehr nur noch eine unschöne Erinnerung ist. Wie Herr Burke fordere ich bei den kommenden gemeinsamen Treffen das Engagement von Kommission und Rat hinsichtlich eines Punktes: Einer klaren, gemeinsamen Definition von Regeln für Gesundheitsaufenthalte belarussischer Kinder in europäischen Familien. In den letzten Jahren hat Belarus dieses Thema oft, zu oft, oberflächlich oder inflexibel behandelt und damit den Gastfamilien und leider auch den Kindern und Jugendlichen, die an Hilfs- und Solidaritätsprojekten teilnehmen, einen Schlag ins Gesicht erteilt.

 
  
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  Călin Cătălin Chiriţă (PPE-DE) . – (RO) Ich begrüße die Erklärung von Rat und Kommission und stimme zu, dass das autoritäre Regime von Lukaschenko genau überwacht werden muss. Gleichzeitig habe ich den Eindruck, dass wir eine langfristige Vision für die Zukunft von Belarus nach Lukaschenko benötigen, die auf Demokratie und Wohlstand basiert.

Die Europäische Union muss eine intelligente Strategie im Hinblick auf das belarussische Volk und die belarussische Gesellschaft verfolgen, nicht nur im Hinblick auf die vorübergehende Regierung in Minsk. Die Geschichte hat gezeigt, dass Isolation und externe Sanktionen dazu beitragen, Diktaturen zu stützen. Wir sollten das Gegenteil unternehmen: den Belarussen weitestgehende Möglichkeiten für ein Studium und kurzfristige Arbeitsaufenthalte in der Europäischen Union und für Reisen in die Europäische Union einräumen, um mit europäischen Werten und unseren wirtschaftlichen und kulturellen Errungenschaften in Kontakt zu kommen. Dies ist die einzige Möglichkeit, um den Appetit dieser Menschen auf unsere Werte anzuregen und den Übergangsprozess, den das Land durchschreiten wird, zu erleichtern.

Abschließend möchte ich Herrn Fiore mitteilen, dass das Erscheinen der Kandidaten während der Wahlkampagne im Fernsehen keine Bedeutung hat, da, wie schon Stalin sagte, allein die Person entscheidend ist, die die Stimmen auszählt.

 
  
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  Czesław Adam Siekierski (PPE-DE). - (PL) Herr Präsident, Frau Kommissarin, Herr Minister! Alle Teilnehmer dieser Plenarsitzung möchten, dass Belarus die Prinzipien der Demokratie, der Menschenrechte, der Versammlungsfreiheit und der Meinungsfreiheit einhält und die gewaltsame Verfolgung eigener Bürger und ethnischer Minderheiten stoppt. Leider ist die Liste mit unseren Forderungen relativ lang, und es scheint unwahrscheinlich, dass diese in naher Zukunft alle erfüllt werden. Wir können den Kampf für die Werte, auf denen die Europäische Union basiert, nicht einstellen.

Die Politik der Sanktionen gegen Belarus hat als Fiasko begonnen. Hoffen wir, dass eine Änderung der politischen Strategie der EU gegenüber Minsk zum Erfolg führt. Angesichts der Tatsache, dass die Parlamentswahlen im Herbst 2008 durch Lukaschenko manipuliert wurden, wird das jedoch nicht einfach.

Der Hauptweg zur Demokratisierung der belarussischen Gesellschaft führt über Bildung, freie Presse und Kontakte zwischen Bürgern der EU und Bürgern aus Belarus. Wir müssen ein Sonderprogramm für Stipendien auflegen, mit denen junge Menschen aus Belarus in der Europäischen Union studieren können, was enormen Nutzen für die Zukunft bringen wird.

 
  
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  Flaviu Călin Rus (PPE-DE) . – (RO) Vor uns liegen drei Entschließungsanträge, nämlich vom 21. Mai, vom 9. Oktober und vom 7. Januar. Im Hinblick auf die Erklärungen der Mitglieder der Europäischen Union sind Fortschritte ersichtlich.

Natürlich berücksichtige und unterstütze ich jegliche Erklärung, die zu mehr Demokratie in einem beliebigen Land führt, umso mehr jedoch, wenn es sich um ein Nachbarland wie Belarus handelt. Ich denke, dass zwei sehr wichtige Dinge erforderlich sind, wie meine Kollegen bereits zuvor erwähnt haben. Wir könnten diese Schritte jedoch auch einfach zur Unterstützung des gegenseitigen Vertrauens und zur Steigerung der Transparenz ergreifen. Erstens müssen wir Reife zeigen und es den Bürgern aus Belarus leichter machen, in die Europäische Union zu reisen und mit den Werten der Europäischen Union in Kontakt zu kommen, mit dem, wofür die Europäische Union steht, mit der Politik der Europäischen Union und allem, was wir vertreten. Zweitens muss Belarus schnellstmöglich ein Staat werden, in dem es keine politischen Gefangenen mehr gibt. Dies ist eine absolut einfache Geste, die Präsident Lukaschenko zeigen könnte.

 
  
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  Der Präsident. − Es ist Zeit für eine Zusammenfassung der Aussprache. Ich bitte Vizepremierminister Vondra um eine Zusammenfassung.

 
  
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  Alexandr Vondra, amtierender Präsident des Rates. − Herr Präsident! Ich möchte versuchen, diese Aussprache im Namen des Rates zusammenzufassen.

Zunächst denke ich, dass wir eine inhaltlich sehr interessante Aussprache geführt haben, die bestimmt einen guten Beitrag für unsere gemeinsame Arbeit geleistet hat. Ich möchte betonen, dass wir im Rat das Interesse und das aktive Engagement des Europäischen Parlaments zum Thema Belarus schätzen. Ich denke, dass dies besonders hilfreich ist, um einerseits den Druck im Hinblick auf Menschenrechtsprobleme aufrechtzuerhalten und andererseits diesen strategischen Ansatz nicht zu verlieren. Besonders möchte ich den polnischen Mitgliedern des Europäischen Parlaments für ihre Beiträge danken – sei es Jacek Protasiewicz, Janusz Onyszkiewicz oder Józef Pinior. Ich denke, dass wir aufmerksam zuhören.

Lassen Sie mich die Aussprache nun vielleicht in drei Punkten zusammenfassen. Erstens, zum Thema Visagebühren, die viele von Ihnen zur Sprache gebracht haben. Dies ist ein Problem, dessen wir uns besonders bewusst sind. Selbst wenn wir im letzten Jahr in unseren nationalen Funktionen gesprochen haben, hatten wir zu diesem Punkt immer viel zu sagen. Um es deutlich auszudrücken: Wir sehen Belarus als Teil von Europa, und wir sind uns der Probleme bewusst, die den Bürgern von Belarus durch die Erhöhung der Visagebühren entstehen. Um negative Folgen im Hinblick auf persönliche Kontakte zu vermeiden, wird die tschechische Präsidentschaft die Mitgliedstaaten weiterhin ermutigen, die Flexibilität zu nutzen, welche die jeweiligen Bestimmungen des Besitzstandes bieten. Die Präsidentschaft wird auch eine stärker kohärente Anwendung der bestehenden Regeln durch die Mitgliedstaaten fördern. Wenn die bestehende positive Dynamik beibehalten und durch weitere wesentliche Schritte seitens Belarus im Hinblick auf die Einhaltung der Menschenrechte und der Grundfreiheiten gestärkt wird, so dass das Land an der ENP und der künftigen Östlichen Partnerschaft teilnehmen kann, dann sollte schließlich auch ein Visadialog ins Auge gefasst werden.

Im Hinblick auf die Tschernobyl-Kinder, die von einigen unter Ihnen angesprochen wurden, kann ich Ihnen versichern, dass wir den Druck aufrechterhalten werden. Wir haben die Maßnahmen unterstützt, die die französische Präsidentschaft in diesem Zusammenhang ergriffen hat, einschließlich der Demarche vom 3. Dezember letzten Jahres. Die Bemühungen der EU haben schlussendlich zu einer befristeten Aufhebung des Präsidialdekrets Nr. 555 geführt, das ein Verbot dieser Reisen vorsah. Das und auch die bilateralen Abkommen, die Anfang Dezember zwischen Irland und Belarus im Hinblick auf zukünftige Erholungsaufenthalte von Kindern geschlossen wurden, die von dem Reaktorunglück in Tschernobyl betroffen sind, waren eine willkommene Entwicklung. Wir sind uns dessen bewusst, dass das generelle Problem noch lange nicht gelöst ist. Die tschechische Präsidentschaft wird die Angelegenheit verfolgen und gegebenenfalls weitere erforderliche Schritte im Namen der EU ergreifen, und sie wird dieses Thema bei unseren Gesprächen mit den Behörden in Minsk weiterhin anschneiden.

Schließlich wird Belarus auch in den kommenden Monaten angesichts der Überprüfung der Sanktionen und im Kontext der zukünftigen Östlichen Partnerschaft ganz oben auf unserer Agenda stehen. Schon der Entschließungsantrag zum Thema Belarus, der nach den Wahlen vom 28. September angenommen wurde, hat zu Fortschritten geführt, und so hoffen wir, dass wir während unserer Wahlperiode auch weiterhin auf Ihre Unterstützung zählen können.

 
  
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  Benita Ferrero-Waldner, Mitglied der Kommission. − Herr Präsident! Ich habe festgestellt, dass eine breite Mehrheit die gleiche Meinung vertritt wie wir. Dies bedeutet, dass wir Belarus über die Europäische Nachbarschaftspolitik die Möglichkeit geboten haben, näher an die Europäische Union heranzurücken. Wir haben im Prinzip einen Schattenaktionsplan angeboten. Zudem haben wir die Möglichkeit geboten, zum richtigen Zeitpunkt der Östlichen Partnerschaft beizutreten – natürlich nur, wenn die Bedingungen dies zulassen.

Angesichts dessen möchte ich auf einige der konkreten Punkte eingehen, die Sie angesprochen haben. Zunächst zum Thema Finanzkrise: Belarus hat den Auswirkungen der Finanzkrise und der steigenden Gaspreise in den Jahren 2007 und 2008 bisher relativ gut standgehalten, was an der sehr begrenzten Integration in die Weltwirtschaft und den erheblichen Darlehen von Russland, China und Venezuela liegt. Jetzt musste das Land, wie ich glaube Herr Belder ganz richtig gesagt hat, den IWF um ein Bereitstellungsdarlehen in Höhe von 2,5 Milliarden Euro bitten und im Rahmen dessen seine Währung abwerten, um den negativen Auswirkungen der Krise entgegenzuwirken. Da die Wirtschaft und die Industrie des Landes nach wie vor nicht reformiert wurden und unstrukturiert sind, erwarten wir ein Anhalten der negativen Tendenzen und infolgedessen negative gesellschaftliche Auswirkungen. Sie haben also Recht – dies ist ein wichtiger Faktor.

Im Hinblick auf das Kernkraftwerk und die Sicherheitsfragen möchte ich Ihnen mitteilen, dass wir in unserem technischen Dialog zum Thema Energie, den wir mit Belarus führen, insbesondere auch sicherstellen, dass dieses Land die internationalen Sicherheitsnormen einhält. Wir könnten sagen, dass Belarus sehr aktiv mit der IAEO in Wien zusammenarbeitet und der Kommission mit bemerkenswerter Offenheit Informationen zu diesem Prozess vorgelegt hat.

Ich möchte jedoch auch noch auf die Frage der Visagebühren zu sprechen kommen. Wie ich in meiner ersten Anmerkung gesagt habe, wissen Sie, dass wir bereit wären, einen Beitrag zu der Verhandlung zu leisten, sobald der Rat ebenfalls seine Bereitschaft signalisiert, den Versuch zu unternehmen, alle Mitgliedstaaten von der Möglichkeit eines kompletten Visaabkommens und Rückübernahmeabkommens zu überzeugen. Nach dem Besuch meines stellvertretenden Generaldirektors, Herrn Mingarelli, in Minsk kann ich Ihnen mitteilen, dass es derzeit keine neuen Entwicklungen in dieser speziellen Frage gibt. Ich kann nur sagen, dass Visagebühren und die Visa für Kinder von dem jeweiligen Land abhängen. Derzeit gibt es noch kein allgemeingültiges Abkommen. Auch das müsste durch die Kommission verhandelt werden.

 
  
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  Der Präsident. − (PL) Ich habe fünf Entschließungsanträge erhalten(1), die gemäß Regel 103(2) der Geschäftsordnung eingebracht wurden.

Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung erfolgt am Donnerstag, den 15. Januar 2009.

Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)

 
  
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  Adam Bielan (UEN), schriftlich. – (PL) Herr Präsident! Wir haben kürzlich über das politische Tauwetter in Belarus gesprochen. Die Oppositionsbewegung „Für die Freiheit“ von Alexander Milinkewitsch wurde endlich registriert. Belarus hat seine Bereitschaft zum Ausdruck gebracht, an der Östlichen Partnerschaft teilzunehmen. Selbst Washington hat gesagt, dass sich die Beziehungen zwischen den beiden Ländern verbessert haben. Ist jetzt die Zeit, um die Beziehungen zu Belarus aufzuwärmen und das Eis zu brechen? Ich wünschte, es wäre so, doch wir müssen bedenken, dass Präsident Lukaschenko ein scharfer, hartgesottener Politiker ist.

Wir haben in Europa erst kürzlich ein „politisches Tauwetter“ verzeichnet, und ich möchte nur darauf hinweisen, dass dieser Wandel immer zu Enttäuschung geführt hat.

Die Art und Weise, wie wir die EU-Politik im Osten in den kommenden Monaten gestalten, wird außerordentlich wichtig sein. Lukaschenko hat klar zum Ausdruck gebracht, dass er sich dem Druck des Westens nicht beugen wird, und in Verhandlungen mit Medwedew zu einer Senkung der Gaspreise hat er erklärt, dass sich Belarus gegenüber Russland nicht verpflichtet fühlen möchte.

Es ist offensichtlich, dass Belarus an zwei Fronten kämpft. Wir müssen weiterhin vorsichtige und überlegte Verhandlungen führen, so dass wir uns nicht von Änderungen täuschen lassen, die am Ende nur vorübergehend sind. In Angelegenheiten, die für die EU von strategischer Bedeutung sind, müssen wir unnachgiebig sein, indem wir eine zielgerichtete Politik der Unterstützung zur Entwicklung einer Zivilgesellschaft und einer Opposition in Belarus verfolgen, wo oppositionelle Aktivisten noch immer verfolgt und ausländische Kleriker noch immer ausgewiesen werden. Die EU kann die Tatsache, dass die Behörden in Belarus weiterhin Bürgerrechte und Menschenrechte verletzen, nicht ignorieren.

 
  

(1) Siehe Protokoll


14. 11. Juli: Tag des Gedenkens an die Opfer des Massakers von Srebrenica (Aussprache)
Video der Beiträge
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  Der Präsident. − Als nächster Punkt folgt die Erklärung von Rat und Kommission zum 11. Juli als Gedenktag für die Opfer des Massakers von Srebrenica.

 
  
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  Alexandr Vondra, amtierender Präsident des Rates. − Herr Präsident! Srebrenica war, wie wir alle wissen, ein grauenhaftes Verbrechen. Das Massaker an über 8 000 Bosniaken in und um Srebrenica ist einer der dunkelsten historischen Momente in der Geschichte von Bosnien und Herzegowina, des ehemaligen Jugoslawiens und von ganz Europa. Zweifelsohne handelt es sich um die schlimmsten Gräueltaten in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg.

Im Rückblick hätte man viel mehr unternehmen und früher eingreifen können. Srebrenica war ein kollektives Versagen der internationalen Gemeinschaft, einschließlich der EU. Das ist eine große Schande, und wir bedauern diese Tatsache zutiefst. Es ist unsere moralische, menschliche und politische Verpflichtung, dass sich Srebrenica nie wiederholt.

Zum 10. Jahrestag des Massakers von Srebrenica hat der Rat die begangenen Verbrechen erneut verurteilt und den Opfern und ihren Familien ihr Mitgefühl ausgedrückt.

Der Rat hat in Erinnerung an die Resolutionen 1503 und 1534 des UN-Sicherheitsrates unterstrichen, dass die vollständige und uneingeschränkte Kooperation mit dem IStGHJ nach wie vor eine wesentliche Voraussetzung für den Fortschritt in Richtung EU darstellt. Die Überstellung der verbleibenden flüchtigen Angeklagten, die sich der internationalen Justiz weiterhin entziehen, nach Den Haag wäre ein geeigneter Tribut für die Opfer von Srebrenica und ein enormer Schritt in Richtung dauerhafter Frieden, Stabilität und Versöhnung. Der Rat ist daher nach wie vor fest davon überzeugt, dass die Täter der Verbrechen in Srebrenica und in Bosnien und Herzegowina im Allgemeinen wie auch anderswo in der Region der westlichen Balkanstaaten vor Gericht gestellt werden müssen.

Gleichzeitig hat sich im Laufe der Geschichte gezeigt, dass die europäische Integration Wunden und Ungerechtigkeiten der Vergangenheit heilen hilft, und daher müssen wir uns auch auf die Zukunft konzentrieren. Die EU hat Europa in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts als integrierender Faktor Frieden, Stabilität, Vertrauen und Wohlstand gebracht. Daher ist die Unterstützung der westlichen Balkanstaaten auf ihrem Weg in die EU eine der Prioritäten der tschechischen Präsidentschaft im Bereich Außenbeziehungen. Eine Versöhnung ist für die Integration entscheidend, und eine Versöhnung ist schwierig, wenn der Gerechtigkeit nicht voll und ganz Genüge getan wird.

Nach 13 Jahren ist die Zeit reif, um die beschämende Episode von Srebrenica zu einem Abschluss zu bringen. Die Festnahme von Karadžić hat gezeigt, dass es für monströse Verbrechen wie Verbrechen gegen die Menschlichkeit keine Straffreiheit gibt. Ratko Mladić muss erst noch nach Den Haag gebracht werden, damit den Familien der Opfer von Srebrenica geholfen werden kann, mit der Vergangenheit abzuschließen und nach vorne zu blicken.

Die EU wird hierfür alles tun, was in ihrer Macht steht. Doch es ist noch viel mehr erforderlich, damit Srebrenica von einer traurigen historischen Erinnerung zu einem Ort wird, wo das Leben eine Perspektive bietet. Das Engagement der internationalen Gemeinschaft erfolgt nicht in einem Vakuum: Es wird sowohl aktiv mit lokalen Maßnahmen auf staatlicher Ebene kombiniert als auch von beiden Organen getragen. Es wurden bereits zahlreiche gute Bemühungen umgesetzt.

Die Zukunft von Srebrenica wird am besten durch wirtschaftliche Entwicklung und die Schaffung von Arbeitsplätzen gesichert, um die wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen der Bevölkerung in der Region Srebrenica zu verbessern. Die Behörden der Republik Srpska wie auch der Ministerrat von Bosnien und Herzegowina und der Bundesstaat haben für die Region Srebrenica finanzielle Mittel bereitgestellt und dort Investitionen getätigt. Die zugewiesenen Mittel waren für die Wiederherstellung von Srebrenica einschließlich Baumaßnahmen, Wiederaufbau, Infrastrukturentwicklung, Wirtschaftsförderung, Verbesserung öffentlicher Dienste, Projekte mit nachhaltiger Rendite und Bildung bestimmt.

All diese lokalen Bemühungen wurden auch durch die Geberkonferenz für Srebrenica untermauert, die vor gut einem Jahr im November 2007 stattfand. Dies könnte eine gute Gelegenheit für einen Aufruf sein, mehr Neuinvestitionen in dieser Stadt und der Region zu tätigen.

Es ist von größter Bedeutung, dass Srebrenica niemals in Vergessenheit gerät und die gemeinsamen Bemühungen fortgeführt werden. Wir alle in der EU, der internationalen Gemeinschaft und den lokalen Behörden verfolgen eine konstruktive Zusammenarbeit, um die Lebensbedingungen im Raum Srebrenica zu verbessern. Nur die Perspektive eines besseren Lebens kann helfen, die politischen Spannungen abzubauen und einen Raum für einen Dialog zu schaffen, so dass die noch immer trauernden Angehörigen der Opfer zu einem normalen Leben zurückfinden. Das wäre der beste Tribut für die Opfer von Srebrenica.

 
  
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  Benita Ferrero-Waldner, Mitglied der Kommission. − Herr Präsident! Im Juli 1995 wurden fast 8 000 Männer und Jungen in Srebrenica umgebracht, und ihre sterblichen Überreste verschwanden. Die höchsten internationalen Gerichte haben dieses Massaker beim Namen genannt: Völkermord. Während wir im Hinblick auf die Täter weiterhin nach Gerechtigkeit streben, denke ich, dass es richtig ist, sich an die Opfer zu erinnern und ihren Familien unser Mitgefühl auszudrücken. Ich unterstütze daher heute auch die Initiative zur Anerkennung des 11. Juli als Gedenktag für den Völkermord in Srebrenica.

Srebrenica steht als Symbol für Horror und untröstliche Trauer. Die Erinnerung ist ebenso schmerzhaft wie notwendig. Sie ist notwendig, weil wir nicht vergessen können und nicht vergessen dürfen. Sie ist notwendig, um der selektiven Erinnerung derjenigen etwas entgegenzusetzen, die bis heute leugnen, was wirklich passiert ist. Die Anerkennung dessen, was im Juli 1995 passierte, ist für die Aussöhnung in Bosnien und Herzegowina und im Rahmen des regionalen Prozesses ausschlaggebend. Die Verkündung des 11. Juli als europäischer Gedenktag für die Opfer von Srebrenica sollte daher ein weiterer Schritt in Richtung Aussöhnung in Bosnien und Herzegowina und der Region sein. Ich denke, dies wäre eine Gelegenheit, um eine Botschaft auszusenden, nicht nur des Respekts und des Gedenkens, sondern auch der Hoffnung für die Zukunft – eine Zukunft innerhalb der Europäischen Union, die auf Aussöhnung aufbaut und in der die Wunden im Laufe der Zeit heilen können.

Doch Anerkennung allein reicht nicht aus. Gerechtigkeit ist gleichermaßen unverzichtbar. Ich denke, es ist wichtig, dass alle Täter dieser Gräueltaten vor Gericht gebracht und verfolgt werden und für die Verbrechen bezahlen, die sie begangen haben. Es ist daher nach so vielen Jahren inakzeptabel, dass General Ratko Mladić noch auf freiem Fuß ist. Die Kommission unterstützt die Arbeit des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien, des IStGHJ, voll und ganz. Wir begrüßen die Kooperation von Bosnien und Herzegowina mit dem IStGHJ und seine Bearbeitung der Fälle, die von dem Strafgerichtshof an die örtliche Zuständigkeit übertragen werden. Wir als Kommission nutzen jede Möglichkeit, die Behörden zu ermutigen, ihre Bemühungen fortzuführen und sicherzustellen, dass alle Verbrechen ordnungsgemäß verfolgt werden.

Neben der Rechtsprechung der Gerichte können wir den Opfern noch eine andere Form der Gerechtigkeit bieten, nämlich eine bessere Zukunft für die Überlebenden ihrer Familien. Dies ist der Kernpunkt der EU-Bemühungen in den westlichen Balkanstaaten. Wir wollen, dass sich die Länder in der Region in Richtung einer gemeinsamen europäischen Zukunft entwickeln. Wir wollen, dass Bosnien und Herzegowina innerhalb eines stabilen regionalen Kontextes floriert, in dem Grenzen eine geringere Rolle spielen und das gegenseitige Vertrauen der Nachbarn wiederhergestellt ist. Wir wissen, dass dieser Weg lang ist, aber wenn wir etwas aus der Geschichte der Europäischen Union und ihrer Erweiterung lernen können, dann das: Dieser Weg ist für alle Betroffenen lohnend.

Wir können den Weg in die Europäische Union jedoch nicht für Bosnien und Herzegowina gehen. Die Bedingungen muss der Staat selbst erfüllen, und er muss seine inneren Herausforderungen aus eigener Kraft meistern, doch wir können ihm dabei helfen. Wir werden helfen, und wir möchten, dass dieses Land Erfolg hat, als Zeichen des Triumphs der Überlebenden über diejenigen, die andere Pläne hatten.

 
  
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  Doris Pack, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (DE) Herr Präsident, Herr Ratspräsident, Frau Kommissarin! Nie wieder Krieg, nie wieder Konzentrationslager und nie wieder Völkermord! Nach den Gräueln des Zweiten Weltkriegs konnte sich in Europa niemand mehr vorstellen, dass es das wieder geben könnte.

Dennoch konnte es geschehen: Mitte der 90er-Jahre, sechs Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer, mitten, im friedlichen Zusammenwachsen von West- und Mitteleuropa geschah es in Bosnien und Herzegowina. Die Fehler, die die internationale Gemeinschaft machte – durch lange Jahre des Wegschauens, des fast sorglosen Umganges mit den Schergen dort, des freundlichen Händeschüttelns mit solchen Kriminellen wie Ratko Mladić –, haben ihn und seine Mittäter in der Annahme bestärkt, sie würden ungestraft davonkommen, wenn sie der jahrelangen ethnischen Vertreibung, der ethnischen Säuberung auch noch einen Massenmord folgen ließen.

Bis heute muss sich Ratko Mladić nicht vor einem Gericht verantworten. Wer versteckt ihn? Wer hilft ihm und lädt so noch mehr Schuld auf sich und ihn? Viele weitere Täter sind ebenfalls noch auf freiem Fuß, leben sogar teilweise noch in Bosnien und Herzegowina und begegnen den Hinterbliebenen der Opfer. Darum müssen wir darauf dringen, dass nicht nur das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag, sondern die örtlichen Kriegsverbrechertribunale in Bosnien und Herzegowina selbst korrekt arbeiten können.

Der von uns initiierte Gedenktag will aufrütteln, ein Zeichen wider das Vergessen setzen, will den Hinterbliebenen zeigen, dass wir mit ihnen trauern. Vielleicht kann ja dieser Tag dazu dienen, das Bewusstsein für diese schreckliche Schuld auch bei denen zu wecken, die bislang immer noch nicht glauben, dass es geschah, wie ja selbst Videoaufnahmen belegen. Dann könnte der Grundstein für eine notwendige Versöhnung gelegt werden. Ohne die Anerkennung der direkten und indirekten Verantwortung für dieses Massaker kann es keinen Frieden geben. Das zumindest und die Verurteilung der Täter sind wir den Opfern und Hinterbliebenen schuldig.

 
  
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  Richard Howitt, im Namen der PSE-Fraktion. – Herr Präsident! Jedes Jahr verwenden wir im Vereinigten Königreich zum Gedenken an die Kriege des 20. Jahrhunderts die Worte „Wir werden bei Sonnenuntergang und am Morgen an sie denken“. Dies sind sehr bewegende Worte für mich und meine Generation, da meine Eltern, beide, im Zweiten Weltkrieg gedient haben. Und selbst für die Generationen nach uns ist dieses Gedenken nicht nur ein passender Tribut für alle, die gedient haben. Es ist eine Erinnerung an die Schäden und die Menschenleben, die ein Krieg kostet, eine Warnung an diese Generationen und ein Schutz für den Frieden und vor Konflikten in den kommenden Jahren.

Das ist die Bedeutung eines Gedenkens, und, wie die Kommission heute Abend zum Ausdruck gebracht hat, die Anerkennung ist absolut notwendig für eine Aussöhnung der heutigen Generationen.

Wir alle sind uns des Blutbades von Srebrenica im Jahr 1995 sehr wohl bewusst. Achttausend muslimische Männer und Jungen kamen auf der Suche nach einer Zuflucht in einem vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in Srebrenica ausgewiesenen sicheren Gebiet um.

Obgleich dies vor fast 14 Jahren geschah, ist es nur richtig, dass wir der Opfer gedenken und uns an die Ereignisse und den Rassenhass erinnern, der zu diesem schrecklichen Massaker geführt hat.

Erst im vergangenen Monat wurde auf der Netzwerkseite Facebook eine Gruppe mit über tausend Mitgliedern gegründet, die den Völkermord in Srebrenica öffentlich verherrlicht. Die Gruppe, deren Namen mit „Messer, Draht, Srebrenica“ übersetzt werden kann, rühmt das Töten der Männer und Jungen aus Srebrenica allein deshalb, weil es sich um bosnische Muslime handelte. Auch ihr Respekt gegenüber den Taten von Ratko Mladić wird erwähnt, ein weiterer Beweis, wenn wir ihn denn benötigt hätten, dass die Freiheit von Mladić den Hass nur weiter anstachelt und denjenigen Munition liefert, die die Spannungen aus der Vergangenheit fördern wollen.

Dank eines öffentlichen Aufschreis wurde die Facebook-Seite schnell geschlossen, allerdings hatten sich da in nur einem einzigen Monat von Dezember 2008 bis Januar 2009 bereits über tausend Mitglieder eingeschrieben.

Das Gedenken an die Opfer von Srebrenica schickt eine klare Botschaft an diejenigen, die die Taten von Ratko Mladić und Radovan Karadžić verherrlichen, nämlich die, dass wir so etwas nicht noch einmal zulassen werden und dass sie mit ihren Ansichten allein und isoliert dastehen.

Ein bosnisches Gericht hörte vergangenen Monat von Psychologen, wie stark die Überlebenden des Massakers von Srebrenica traumatisiert sind. Das Gericht hörte, dass das Problem für viele Überlebende darin besteht, dass sie sich niemals von ihren Angehörigen werden verabschieden können.

Zwar können wir die Zeit nicht zurückdrehen, um diesen Angehörigen eine zweite Chance zu geben, doch wir können dafür sorgen, dass dieser Völkermord nicht in Vergessenheit gerät und dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden.

 
  
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  Jelko Kacin, im Namen der ALDE-Fraktion. – (SL) Unsere Europäische Union ist aus der Erfahrung des Zweiten Weltkriegs heraus entstanden. Wir verfügen über eine gemeinsame, dokumentierte, geschichtliche Erinnerung, die es uns ermöglicht hat, zusammen unsere gemeinsame europäische Zukunft zu errichten. Srebrenica ist ein entsetzlicher Beweis der Tatsache, dass sich die Schrecken des Zweiten Weltkriegs im Jahr 1995 in Europa auf fürchterliche Art und Weise wiederholt haben.

Srebrenica ist ein Symbol der ethnischen Säuberung. Srebrenica ist ein Synonym für das gnadenlose und unmenschliche Töten von Kindern und Erwachsenen – es ist ein Synonym für Völkermord. Aber Srebrenica steht auch für die Verschleierung von Tötungen und die Zerstörung von Massengräbern. Srebrenica muss Teil unseres gemeinsamen geschichtlichen Gedächtnisses und des Fundaments für den Beitritt der westlichen Balkanstaaten zur Europäischen Union werden. Wir dürfen diskriminierende und ausgrenzende Stereotype im Hinblick auf einzelne Nationen nicht tolerieren, wir müssen mit der kollektiven Schuld kämpfen. Diejenigen, die für den Völkermord in Srebrenica verantwortlich sind, müssen vor das Gericht in Den Haag gestellt werden, sie müssen sich dort verantworten und zu Gefängnisstrafen verurteilt werden, und wir müssen gemeinsam an dem Aufbau einer europäischen Zukunft für Srebrenica, für die Bevölkerung vor Ort und für ganz Bosnien und Herzegowina arbeiten.

Zumindest sollten wir versuchen, die Traumata und Qualen derjenigen nachzuempfinden, die mit der schweren Erinnerung an ein Verbrechen leben müssen, die ohne ihre Angehörigen leben müssen. Ich möchte der Konferenz der Präsidenten dafür danken, dass sie den Vorschlag einstimmig unterstützt, jedes Jahr junge Bosniaken und Serben aus Srebrenica gemeinsam in das Europäische Parlament einzuladen, so dass sie in einer Umgebung fernab von Srebrenica ohne den Druck und den Stress ihres gewohnten Umfelds eine gemeinsame und bessere Zukunft für Srebrenica und für ganz Bosnien und Herzegowina entwickeln, planen und errichten können. Diese Entschließung ...

(Der Präsident entzieht dem Redner das Wort.)

 
  
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  Milan Horáček, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (DE) Herr Präsident! Die Entschließung findet sehr klare und kritische Worte gegenüber der UNO, auch gegenüber den europäischen Institutionen. Die unzureichenden Entscheidungsmechanismen im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik waren nicht geeignet, die schrecklichen Verbrechen in Srebrenica zu verhindern. Bis heute ist die fehlende einheitliche Stimme ein Mangel im Bereich der europäischen Nachbarschaftspolitik, wie es sich in der heutigen Diskussion um den Gaza-Konflikt wieder einmal gezeigt hat.

Das Massaker in Srebrenica darf nie vergessen werden. Deswegen begrüßen und unterstützen wir die Initiative, den 11. Juni als Gedenktag für die Opfer dieses Völkermordes ins Leben zu rufen. Gleichzeitig muss es aber zu einer Aussöhnung auf beiden Seiten kommen. Dies kann nur durch eine konsequente Aufarbeitung des Geschehenen passieren. Es ist daher völlig inakzeptabel, dass sich die Schuldigen und Angeklagten dieses Verbrechens immer noch auf freiem Fuß befinden. Ich glaube, dass nicht nur Mladić, sondern auch die anderen Schuldigen vor Gericht gestellt werden müssen.

 
  
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  Erik Meijer, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. (NL) Herr Präsident! Die Stadt Srebrenica hat aufgrund des Massakers an 8 000 muslimischen Männern im Jahr 1995 weltweit traurige Berühmtheit erlangt. Die überlebenden Frauen und Kinder haben Recht, uns daran zu erinnern. Nach meinem Besuch in Srebrenica im März 2007 bat ich die Europäische Kommission, mithilfe von Projekten zur Förderung des Tourismus einen Beitrag zu einem ausreichenden Einkommen und zur Schaffung von Arbeitsplätzen zu leisten, so dass Srebrenica mehr zu bieten hat als seine Geschichte und eine große Gedenkstätte. Srebrenica ist auch ein Symbol für das Scheitern der optimistischen Vorstellungen im Hinblick auf humanitäre Maßnahmen und sichere Zufluchtsorte.

Es hätte von Anfang an verdeutlicht werden müssen, dass eine ausländische Militärpräsenz nur falsche Illusionen bieten kann. So wurde Srebrenica zu einer Einsatzbasis gegen die serbische Umgebung, dabei war es jedoch unvermeidlich, dass es am Ende von genau dieser Umgebung geschluckt werden würde. Ohne die niederländische Armee in Srebrenica wäre nie eine Kriegssituation entstanden, und es hätte auf Seiten der Serben keine Notwendigkeit für Rache gegeben. Die Opfer sind nicht nur ein Grund, um Herrn Mladic und Herrn Karadzic vor Gericht zu bringen, sondern auch, um kritisch über das Scheitern militärischer Eingriffe und aller Versuche einer staatlichen Vereinigung eines ethnisch geteilten Bosniens nachzudenken.

 
  
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  Bastiaan Belder, im Namen der IND/DEM-Fraktion. (NL) Herr Präsident! „Eine Stimme aus Srebrenica, dicke Tränen rollten über seine Wangen. Er umarmte und küsste mich und sagte: ‚Bitte, Mama, geh!‘ Man ergriff ihn; ich weigerte mich zu gehen, kniete nieder und flehte sie an: ‚Bitte tötet mich, nicht ihn! Ihr habt mir mein einziges Kind genommen. Ich möchte nirgendwohin gehen. Tötet mich, das ist dann unser Ende.‘“

Dies ist der bewegende Bericht einer bosnischen Frau, die bei dem Massaker in Srebrenica im Juli 1995 ihren Mann und ihren 12 Jahre alten Sohn verloren hat. Ihre Stimme und die Stimmen ihrer Mitleidenden verfolgen uns heute, teilweise aufgrund der unschätzbar wertvollen Forschungsarbeiten gewissenhafter Wissenschaftler wie der Professorin Selma Leydesdorff aus Amsterdam.

Nun, da die Europäische Union den westlichen Balkanstaaten den Beitritt zur Union in Aussicht gestellt hat, bleiben die Schrecken von Srebrenica ein Symbol und eine Verpflichtung, zuallererst in Wort und Tat. Mit anderen Worten, durch die Berücksichtigung derjenigen, die zurück geblieben sind. Srebrenica, Juli 1995. Ich war damals Auslandskorrespondent für eine niederländische Zeitung, und ich beobachtete den Kriegsschauplatz von der bosnischen Seite. Ich kann Ihnen nicht sagen, wie beschämt und entmutigt ich mich angesichts des internationalen Konzepts eines sicheren Zufluchtsorts fühlte, insbesondere als niederländischer Staatsbürger.

Kom vanavond met verhalen, hoe de oorlog is verdwenen, en herhaal ze honderd malen, alle malen zal ik wenen.“ [Erzähl heute Abend Geschichten, wie der Krieg verschwand, und wiederhole sie hundert Mal, ich werde jedes Mal weinen.] Ab jetzt werden die Worte dieses berühmten Dichters, mit denen mein Land des Zweiten Weltkriegs gedenkt, auch den 11. Juli begleiten, an dem wir der geliebten Opfer von Srebrenica und Potocari gedenken.

 
  
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  Dimitar Stoyanov (NI).(BG) Ich danke Ihnen, Herr Präsident. Heute Abend haben wir uns versammelt, um eines entsetzlichen Verbrechens zu gedenken, das richtigerweise als Völkermord bezeichnet wird und für eine enorme menschliche Tragödie in unserer jüngsten Geschichte steht. Doch wenn ich die vorgelegte Erklärung, die Entschließung und den Entschließungsantrag lese, dann sehe ich, dass hier nur die Hälfte der Tragödie und des Völkermords wiedergegeben werden.

Die Namen derjenigen, die Weltruhm erlangten, sind enthalten: Ratko Mladić, Radovan Karadžić, Krstić und andere. Doch ich sehe darin nicht die Namen der Muslime, die in Srebrenica und während dieses abscheulichen Konflikts ebenfalls Verbrechen begangen haben. Wo steht der Name von Naser Orić, Kommandant der 28. muslimischen Division? Warum wird in dieser Entschließung nicht das Massaker erwähnt, das am Weihnachtstag 1993 in dem christlichen Dorf Kravica stattfand? Warum gibt es keine Beschreibungen der christlichen Dörfer, von denen in der Region Srebrenica Dutzende von muslimischen Kämpfern niedergebrannt wurden? Wir alle müssen aufhören, eine einseitige Sicht zu verteidigen und bei der Beurteilung dieser entsetzlichen Ereignisse mit zweierlei Maß zu messen. Jeder, der sagt, dass in Bosnien und Herzegowina nur Christen Muslime umgebracht haben und umgekehrt keine Verbrechen begangen wurden, ist ein Heuchler. Hat sich irgendjemand die Mühe gemacht, dies zu prüfen? Es wurde gesagt, dass Srebrenica mit Massengräbern überzogen ist, was auch stimmt. Aber hat sich irgendjemand die Mühe gemacht, zu prüfen, wie viele davon christliche Massengräber sind?

Wir sollten nicht vergessen, dass es dort auf beiden Seiten zu Vorfällen gekommen ist, und wir dürfen nicht so tun, als ob die Christen nicht existieren oder keine Menschenrechte haben, so als ob es sich um Tiere handeln würde.

 
  
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  Anna Ibrisagic (PPE-DE). - (SV) Herr Präsident! Was kann man schon in zwei Minuten sagen, wenn wir über das sprechen und das beschreiben sollen, was in Srebrenica vorgefallen ist, wenn wir lernen müssen, uns daran zu erinnern, damit so etwas nicht noch einmal passiert? Was müssen wir noch von Srebrenica sehen, und was gibt es noch über Srebrenica zu sagen? Was kann ich, als einziges Mitglied des Parlaments, das in Bosnien geboren wurde und ein Kriegsflüchtling ist, heute von dieser Tribüne aus sagen, das ich, als schwedische Abgeordnete, nicht sagen könnte, wenn ich diese Erfahrung des Krieges nicht gemacht hätte? Meine Geschichte, Herr Stoyanov, ist eine wahre Geschichte aus der damaligen Zeit.

Vielleicht ist das Wichtigste, was ich vermitteln kann, das Gefühl der Hoffnung, das ich empfand, als ich noch glaubte, dass die Welt reagieren würde, wenn nur irgendjemand in Europa sieht, was bei uns passiert, oder aber der Hoffnungslosigkeit, als ich dann realisierte, dass ich mit meinem Unglück allein gelassen worden war und keine Hilfe kommen würde. Ich erinnere mich an Blutflecken auf dem Asphalt, die Schreie hungriger Kinder, den leeren Ausdruck eines zehnjährigen Mädchens, als sie erzählte, wie sie und ihre Geschwister ihre toten Eltern erst begraben und ihre Leichen dann umbetten mussten, als die Soldaten versuchten, die Beweise für einen Massenmord in einem Dorf in der Nähe meiner Stadt zu beseitigen. Ich erinnere mich an das Gesicht meines Vaters, als wir erfuhren, dass mein Onkel und mein Cousin in einem Konzentrationslager gefangen gehalten wurden. Ich erinnere mich an meine eigene Verzweiflung, als ich eines Morgens keinen Tropfen Milch für meinen einjährigen Sohn hatte.

Woran ich mich jedoch am besten erinnere und was ich nie vergessen werde, ist das unbeschreibliche Gefühl der Einsamkeit, wenn man schließlich realisiert, dass das eigene Unglück, die eigene Verzweiflung und Qual offen gezeigt worden sind, dass die Welt gesehen hat, wie wir leiden, aber dass niemand es verhindert hat. Genau dieses Gefühl teile ich mit den Menschen aus Srebrenica, Herr Stoyanov. Es ist dieses Gefühl, das ich gemeinsam mit all den anderen Opfern des Krieges auf dem Balkan vermittle.

Die Tatsache, dass das Europäische Parlament morgen zu einem Gedenktag für die Opfer von Srebrenica abstimmen wird, bringt mir etwas Frieden. Dieser Gedenktag wird den Menschen aus Srebrenica nicht ihre ermordeten Familienmitglieder zurückbringen, aber er ist für uns alle, die wir Opfer des Krieges geworden sind, die Bestätigung, dass Europa unser Leid gesehen hat, dass wir nicht allein sind, und dass Europa sich erinnert, damit so etwas nicht noch einmal vorkommt.

Ich persönlich hoffe und bemühe mich, dass Srebrenica, gemeinsam mit Bosnien und all den anderen Balkanstaaten, so bald wie möglich Mitglied der europäischen Familie wird. Das ist das Mindeste, was wir nach der beschämenden Unfähigkeit Europas, diesen Völkermord zu verhindern, und angesichts der Tatsache, dass Ratko Mladić noch immer auf freiem Fuß ist, erwarten können.

(Beifall)

 
  
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  Diana Wallis (ALDE). - Herr Präsident! Ich möchte der Kommissarin für Ihre heutigen Anmerkungen zur Unterstützung dieser Initiative danken. Vergangenen Juli hatte ich die Gelegenheit und die Pflicht, im Namen des Präsidenten unseres Parlaments an dem Gedenktag in Srebrenica teilzunehmen, was eine demütigende Erfahrung war. Sie hat mich geprägt. Ich werde diesen Tag niemals vergessen. Tausende von Menschen versammelten sich in der heißen Julisonne: würdevoll, traurig, ein Gedenktag, ein Tag der Erinnerung und natürlich der Trauer.

Aber wir müssen uns erinnern, weil für uns alle als Europäer Potočari eine Art Déjŕ-vu-Erlebnis darstellt und ein Gefühl der Mitschuld hervorruft. Wir alle haben im Fernsehen die Szenen vor dem Massaker, vor dem Flug nach Tulsa, verfolgt. Wir alle kennen das Gefühl der Hilflosigkeit und Hoffnungslosigkeit, das wir vielleicht empfanden. Wir können niemals sagen „nie wieder“, doch wir können sagen, dass wir uns erinnern werden, dass wir daraus lernen und den Menschen helfen werden, in ein neues Leben zu finden. Das sollte der Sinn dieses europäischen Gedenktages sein. Ich werde meine Erlebnisse nie vergessen. Ich werde nie die Mütter, die Töchter, die Familien vergessen, die ich in der Zeit getroffen habe. Ich hoffe, dass wir ihnen für die Zukunft etwas Positives bieten können, das von Dauer ist.

 
  
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  Zita Pleštinská (PPE-DE). – (SK) Ich unterstütze die Anerkennung des 11. Juli als Gedenktag für den Völkermord von Srebrenica, an dem es die internationale Gemeinschaft nicht schaffte, in den Konflikt einzugreifen und die Zivilbevölkerung zu schützen. Ich denke, dies ist die beste Möglichkeit, den Opfern des Massakers unseren Respekt zu erweisen. Im Verlauf des mehrtägigen Blutbades nach dem Fall von Srebrenica verloren über 8 000 Männer und Jungen ihr Leben. Tausende Frauen, Kinder und Alte wurden deportiert und zahlreiche Frauen vergewaltigt.

Wir dürfen die Opfer der brutalen Verbrechen, die während des Krieges im ehemaligen Jugoslawien verübt wurden, nie vergessen. Ich bin überzeugt, dass alle westlichen Balkanstaaten die Anerkennung dieses Tages unterstützen werden.

Wir müssen den kommenden Generationen eine klare Botschaft übermitteln, damit sie kein zweites Srebrenica zulassen. Ich bin fest überzeugt, dass weitere Bemühungen unternommen werden, um die verbleibenden Flüchtigen vor Gericht zu stellen, damit die vielen Familien endlich wissen, was mit ihren Vätern, Söhnen, Männern und Brüdern passiert ist.

 
  
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  Pierre Pribetich (PSE). – (FR) Herr Präsident! Um die Spannungen der Vergangenheit zu überwinden und alle möglichen Bemühungen zur Stabilisierung der westlichen Balkanstaaten zu ergreifen, ist es in der Tat erforderlich, dass diese Staaten ihre eigene Geschichte überwinden. Dieser höchst symbolische Akt des Vorschlags eines europäischen Gedenktages am 11. Juli ist Teil dieses Prozesses und verfolgt verschiedene Ziele. Erstens soll er all den Opfern der Gräueltaten von Srebrenica und ihren Angehörigen Tribut zollen, zweitens soll er alle Bürger und Völker an die Notwendigkeit erinnern, wachsam zu sein, und an die Tatsache, dass die Machtlosigkeit von Staaten unweigerlich zu derartigen Gräueltaten führt. Zudem soll er verdeutlichen, dass die Europäische Union eine echte gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik verfolgen sollte, damit sie im Namen der Prinzipien und Werte eingreifen kann, die uns vereinen und uns leiten. Schließlich soll er gegenüber den westlichen Balkanstaaten wiederholen, dass es ihr natürlicher Weg ist, bald der Europäischen Union beizutreten, dass dies jedoch ihre jederzeitige und offene Kooperation mit dem Internationalen Strafgerichtshof erfordert, um Kriegsverbrecher vor Gericht zu stellen. Das ist unsere Botschaft, das ist die Botschaft des Parlaments an die heutige Generation und an die künftigen Generationen, damit die Zeit nicht wie Rost die Erinnerungen zerstört, sondern damit sie Erinnerungen wieder zum Leben erweckt.

 
  
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  Jelko Kacin (ALDE). - (SL) Ich möchte meine Rede fortsetzen, denn die Angehörigen der Opfer haben mich gebeten, Ihnen ihre Dankbarkeit für das Verständnis und die Unterstützung zu übermitteln, die sie mit der Verabschiedung dieser Entschließung zeigen.

Vielen Dank Ihnen allen, die der Einladung zur Teilnahme an der heutigen Aussprache gefolgt sind. Bei dieser Gelegenheit möchte ich meine Rede mit zwei Punkten abschließen. Diese Entschließung konzentriert sich nicht auf die Vergangenheit, auch wenn sie die Toten betrifft. Sie konzentriert sich auf die Lebenden und auf eine bessere Zukunft für die Lebenden.

 
  
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  Călin Cătălin Chiriţă (PPE-DE) . – (RO) Das Massaker von Srebrenica im Juli 1995 und all die Gräueltaten, die in dem Krieg verübt wurden, der mit dem Zerfall des ehemaligen Jugoslawiens einherging, sind alles andere als ein Ruhmesblatt der europäischen Geschichte.

Die Geschichte hat uns einmal mehr auf tragische Art und Weise zu verstehen gegeben, dass wir die Fähigkeit entwickeln müssen, effektive Maßnahmen in der Europäischen Union zu ergreifen, in ihrer Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik und insbesondere in ihrer Europäischen Nachbarschaftspolitik. Warum? Eben damit wir Probleme wie die Verletzung der Menschenrechte und der Prinzipien des Völkerrechts, regionale Konflikte, nationalistischen Extremismus und ethnischen Separatismus bekämpfen können, die die Gräueltaten in Bosnien alle erst möglich gemacht haben.

Europa braucht eine stärkere, expansivere Europäische Union mit einer Präventionspolitik, die derartige Gräueltaten nie wieder zulassen wird.

 
  
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  Alexandr Vondra, amtierender Präsident des Rates. − Herr Präsident! Lassen Sie mich die heutige Aussprache zu Srebrenica zusammenfassen.

Zunächst möchte ich Ihnen versichern, dass der Rat weiterhin entschlossen ist, die Urheber der Verbrechen in Srebrenica, Bosnien und Herzegowina und anderen Teilen der westlichen Balkanstaaten vor Gericht zu stellen.

Unsere ESVP-Mission in Bosnien und Herzegowina unterstützt den IStGHJ und die zuständigen Behörden weiterhin.

Srebrenica ist und bleibt ein sensibler und wichtiger Faktor im politischen Leben von Bosnien und Herzegowina und auch für die EU und die größere internationale Gemeinschaft.

Lassen Sie mich diese Gelegenheit nutzen, um an die politisch Verantwortlichen von Bosnien und Herzegowina zu appellieren, diese schmerzhafte und entsetzliche Erfahrung nicht für ihre politischen Zwecke zu missbrauchen. Sie sollten sich eher proaktiv engagieren, um ihr Land in eine bessere Zukunft zu führen. Die gemeinsamen Bemühungen müssen fortgeführt werden, nicht nur in Srebrenica, sondern in ganz Bosnien und Herzegowina. Wenn das Massaker von Srebrenica durch einen Mangel an europäischem Geist verursacht wurde, dann sollten wir alles tun, um diesem Land zu helfen, auf den richtigen Weg zu kommen. Also in Richtung EU.

Der erste wichtige Schritt in Richtung Europa wurde bereits mit der Unterzeichnung des Stabilisierungs- und Assoziationsabkommens als Beginn eines langen Beitrittsprozesses gemacht, aber es ist deutlich mehr erforderlich, mehr Mut und Vertrauen, um eine rückhaltlose Aussöhnung anzustreben, die durch konkrete Integrationsperspektiven untermauert wird.

Wir alle haben gegenüber den Toten die Verpflichtung, die Lebenden nicht zu Opfern zu machen. Dies ist unsere Verpflichtung gegenüber künftigen Generationen.

 
  
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  Benita Ferrero-Waldner, Mitglied der Kommission. − Herr Präsident! Frau Ibrisagic, auch ich habe diese entsetzlichen Dinge im Fernsehen verfolgt. Wir alle dachten, dass sichere Zufluchtsorte auch sichere Zufluchtsorte sind. Wie viele andere war ich daher extrem geschockt, als wir hörten, was passiert war – oder vielmehr als wir die Realität langsam wahrnahmen.

Ich denke, dass wir in der Europäischen Union erst mithilfe von harten Lektionen gelernt haben, was wir tun müssen, und dann langsam eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik auf den Weg gebracht haben. Dies war sozusagen der erste Punkt, und wir haben dann weitergemacht, da wir gesehen haben, dass dieses fürchterliche Massaker passiert ist, weil wir nicht vereint waren.

Ich kann Ihnen nochmals nur meine Anerkennung dafür zollen, dass sie heute hier sind und sich so offen für eine Aussöhnung aussprechen. Für diejenigen, die mit dieser Erinnerung leben, muss es sehr schwer sein. Doch gleichzeitig denke ich, dass die Möglichkeit, in Zukunft Mitglied der Europäischen Union zu werden, für Bosnien und Herzegowina vielleicht etwas ist, das zur Aussöhnung mit all diesen fürchterlichen Gräueltaten beiträgt.

 
  
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  Der Präsident. − Ich habe sechs Entschließungsanträge erhalten(1), die gemäß Regel 103(2) der Geschäftsordnung eingebracht wurden.

Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung zu der Entschließung erfolgt morgen (Donnerstag, den 15. Januar 2009).

 
  

(1) Siehe Protokoll.


15. Tagesordnung der nächsten Sitzung: siehe Protokoll

16. Schluss der Sitzung
Video der Beiträge
  

(Die Sitzung wird um 23.35 Uhr geschlossen.)

 
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