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Ausführliche Sitzungsberichte
Mittwoch, 18. Januar 2017 - Straßburg Überprüfte Ausgabe

Schlussfolgerungen der Tagung des Europäischen Rates vom 15. Dezember 2016
MPphoto
 

  Manfred Weber, im Namen der PPE-Fraktion. – Herr Präsident, Herr Vizepräsident der Kommission, lieber Donald Tusk, Herr Ratspräsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein herzliches Willkommen und ein hoffentlich gutes neues Jahr für 2017, dass es besser wird als 2016.

Ich möchte mich heute auf zwei Themen konzentrieren, im Rückblick auch auf den Rat. Das erste ist natürlich der Brexit. Wir sind alle dankbar für die Rede von gestern, dass wir wieder Erläuterungen bekommen haben, etwas weitere Fortschritte bekommen haben. Aber so richtige Klarheit ist durch die Rede nach wie vor nicht entstanden. Ich höre zum Beispiel diese Aussage von der Bestrafung. Ich glaube, wir alle können heute schon festlegen: Es wird keine Bestrafung Großbritanniens geben. Kein Mensch will Großbritannien für die Entscheidung, die gefällt worden ist, bestrafen.

Man will die Europäische Union verlassen. Die Europäische Union ist heute vor allem ein Binnenmarkt, die Europäische Union ist ein großer Binnenmarkt. Den Binnenmarkt will man verlassen, aber nachher will man ein Freihandelsabkommen abschließen, um wieder den vollen Zugang zum Binnenmarkt zu bekommen. Das ist die Idee, die ich gestern gehört habe. Ich frage mich also: Was will man verlassen? Will man jetzt die EU verlassen, oder will man die EU nicht verlassen? Wenn die Europäische Union nicht so heißen würde, dann würden vielleicht manche in London drüben einen Beitrittsantrag stellen. Aber nur weil sie EU heißt, sind leider Gottes viele der Meinung, dass das des Teufels ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, „Raus heißt raus, Brexit heißt Brexit“, höre ich die ganze Zeit. Und deswegen werden wir das in den nächsten Wochen und Monaten sehr intensiv an konkreten Punkten diskutieren. Beispielsweise wird meine Fraktion nicht dulden, dass der Finanzmarkt des Euro, unserer gemeinsamen Währung, weiter aus London heraus verwaltet oder mitgestaltet wird, wenn London zukünftig nicht mehr Teil der Europäischen Union ist.

Einen zweiten Punkt darf ich noch sagen: Einerseits dürfen wir nicht davon reden, dass wir jemanden bestrafen. Aber andererseits darf uns Großbritannien offensichtlich drohen. Es steht ja von Hammond und Theresa May jetzt die These im Raum, dass gesagt wird, es werde ein neues Wirtschaftsmodell für Großbritannien gesucht, ein Steuerdumpingmodell wird angewandt, um es weiterhin für Betriebe interessant zu machen, in Großbritannien zu investieren. Mir geht da durch den Kopf, ob Großbritannien auch aus dem G8 austreten will, denn da gab es ja auch Abkommen gegen das Steuerdumping. Und ich stelle mir auch die Frage, wer denn eigentlich die Steuerausfälle dann zahlen soll, die durch Steuerdumping in Großbritannien verursacht werden. Die kleinen Leute werden die Zeche zahlen, und die großen Kapitalkonzerne werden steuerfrei gestellt. Das wird das Ergebnis sein, wenn man dieses neue Steuermodell anwendet.

Ich würde dafür werben: Wir bestrafen nicht, und London droht nicht. Dann würden wir in den Gesprächen schon viel gute Atmosphäre erzeugen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein zweites Thema, das ich ansprechen will, sind die Entwicklungen in den Vereinigten Staaten von Amerika, die Einfluss auf uns in Europa haben werden. Wir haben Respekt vor dem Wahlergebnis, wir treten einer neuen Administration offen gegenüber, wie das jeder Demokrat macht, und es gibt auch keine Vorverurteilungen. Allerdings gibt es jetzt erste Statements des neu gewählten Präsidenten. Die Europäische Union ist als Wirtschaftsraum gleich groß wie die Vereinigten Staaten von Amerika. Und deswegen muss man all denen, die den Europäern jetzt drohen, auch europäischen Konzernen drohen, deutlich machen, dass auch wir Machtmöglichkeiten haben mit dem Binnenmarkt, mit dem Beihilferecht.

Beispielsweise stelle ich mir schon die Frage, wieviel Arbeitsplätze eigentlich Google in Europa hat. Oder ich stelle mir die Frage, wieviel Steuern eigentlich Apple in Europa bezahlt. Auch wir können Fragen stellen, wenn Amerikaner Fragen stellen. Wir werden unsere Machtmöglichkeiten dafür nutzen.

Ich würde übrigens die Entwicklungen bei den Amerikanern auch als Chance für uns sehen, weil die Kanadier, die Mexikaner, die Japaner alle etwas sorgenvoll auf die Entwicklungen in Amerika blicken. Eigentlich sollte der Europäische Rat jetzt mit einer diplomatischen Initiative starten, alle Partner um Amerika herum als Partner für Europa zu gewinnen, weil das eine gute Gemeinschaft wäre.

Ich möchte abschließen mit dem, was Guy Verhofstadt heute in der Früh schon angesprochen hatte: Was tun wir denn eigentlich als Europäer, wenn jetzt Trump wirklich die NATO in Frage stellt? Was tun wir denn eigentlich als Europäer, wenn jetzt Trump die Truppen aus Polen abzieht? Was tun wir denn als Europäer eigentlich, wenn ein Deal mit Russland gemacht wird zu Lasten der Ukraine und das Selbstbestimmungsrecht der Ukraine plötzlich in Frage gestellt ist? Was tun wir dann?

Herr Ratspräsident, machen wir dann auf Betroffenheit, setzen wir uns dann zusammen, machen wir wieder Sondersitzungen, wie wir es oft machen, oder haben wir die Kraft, uns jetzt mal darauf vorzubereiten? Wird Europa jetzt endlich erwachsen? Geht Europa endlich die notwendigen Schritte der Vertiefung, der Verstärkung dieser Europäischen Union, um endlich selbstbewusst zu werden?

Die Nationalisten sind die Totengräber der Nationalstaaten. Nur ein geeintes Europa kann dazu führen, dass die Nationalstaaten in einer globalisierten Welt noch Kraft und Einfluss haben. Und wenn in Amerika gesagt wird „America first“, dann dürfen wir sagen „Europe first“.

 
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