Mindesteinkommen für ein faires Europa: ein Bürgerrecht (Aussprache über ein aktuelles Thema)
Bernd Lucke, im Namen der ECR-Fraktion. – Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Diese Debatte, die wir hier führen, ist wieder ein Beispiel dafür, wie die Kommission und wie der Rat mit Begriffsbildungen die Bürger irreführen. Denn wir sprechen hier jetzt plötzlich über ein Mindesteinkommen. Aber das ist falsch, meine Damen und Herren. Frau Bresso hat darauf eben schon hingewiesen. Wir sprechen nicht über ein Einkommen, wir sprechen über eine Mindestsozialunterstützung.
Ein Einkommen ist etwas, das mit Erwerbsarbeit verbunden ist. Ein Einkommen ist etwas, das mit Anstrengung und auch mit Erfüllung verbunden ist, weil man eben arbeiten kann und weil man arbeiten darf. Wer hier von einem Mindesteinkommen gesprochen hat – die Vertreterin der Kommission, die Vertreterin des Rates, die Vertreter bestimmter politischer Parteien –, hat die Bürger irregeführt, weil sie den Eindruck erwecken, dass ein Problem gelöst wird, das tatsächlich dadurch verdauert wird, dass man eine Mindestsozialunterstützung zahlt und damit die Menschen in der Beschäftigungslosigkeit zu halten versucht. Oder zumindest besteht die Gefahr, dass sie in der Beschäftigungslosigkeit bleiben, eben weil sie diese Art von Unterstützung bekommen.
Es ist ja eine Selbstverständlichkeit, dass wir ein Mindestniveau an sozialer Unterstützung für diejenigen leisten, die arbeitslos sind. Ganz klar, das bestreitet niemand. Ich finde es eigentlich geradezu lächerlich, dass wir darüber heute noch einmal sprechen müssen. Das eigentliche Problem ist doch aber: Wie bekommen wir denn die Menschen, die eine soziale Unterstützung kriegen, weil sie keine Arbeit haben, in die Arbeit hinein? D. h. wir müssen noch darüber reden, welche Anreize wir den Menschen setzen, in die Arbeit zu wechseln, wenn sie soziale Unterstützung bekommen.
Da gibt es dann beispielsweise diese Vorstellung von einem bedingungslosen Grundeinkommen, die durchaus eine interessante Vorstellung ist, die aber natürlich immer die Frage beantworten muss, wie groß die Verlockungen sind, sich auf diesem Grundeinkommen dann irgendwie auszuruhen und gerade nicht in die Erwerbstätigkeit hineinzuwechseln, und die auch die Frage beantworten muss, wer das denn eigentlich finanzieren soll und wann die Steuerpflicht einsetzt. Diejenigen, die nur über die soziale Unterstützung reden und nicht darüber reden, welche Anreize für Erwerbstätigkeit geschaffen werden, die führen die Bürger in die Irre, weil sie nicht die richtigen Fragen stellen.