Zum Portal des Europäischen Parlaments zurückkehren

Choisissez la langue de votre document :

  • bg - български
  • es - español
  • cs - čeština
  • da - dansk
  • de - Deutsch
  • et - eesti keel
  • el - ελληνικά
  • en - English
  • fr - français
  • ga - Gaeilge
  • hr - hrvatski
  • it - italiano
  • lv - latviešu valoda
  • lt - lietuvių kalba
  • hu - magyar
  • mt - Malti
  • nl - Nederlands
  • pl - polski
  • pt - português
  • ro - română
  • sk - slovenčina
  • sl - slovenščina
  • fi - suomi
  • sv - svenska
 Index 
 Vollständiger Text 
Ausführliche Sitzungsberichte
Dienstag, 13. November 2018 - Straßburg Überprüfte Ausgabe

Aussprache mit der Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland Angela Merkel über die Zukunft Europas (Aussprache)
MPphoto
 

  Ska Keller, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Herr Präsident, Frau Bundeskanzlerin! Danke und Danke, dass Sie nach Straßburg gekommen sind, um an unserer Diskussion über die Zukunft der Europäischen Union teilzuhaben.

Ich muss an Herrn Verhofstadt anknüpfen – das tue ich gerne –, weil auch ich daran erinnern möchte, was für eine großartige Geste der Versöhnung Sie gesandt haben in den letzten Tagen. Sie haben daran erinnert – zusammen mit Macron –, dass wir den Waffenstillstand 1918 hatten, daran, dass dieser Waffenstillstand eine der größten Katastrophen beendet hat, und daran, dass die Europäische Union das größte Friedensprojekt der Welt ist. Wir haben gemeinsam in der Europäischen Union Mauern eingerissen und die Länder Europas vereint. Wir haben Freiheit und Demokratie erstritten und nationales Scheuklappendenken überwunden.

Uns Grünen liegt Europa sehr am Herzen. Wir wollen ein starkes und wir wollen ein geeintes Europa, ein Europa, in dem wir alle gemeinsam und konstruktiv um unsere Zukunft ringen. Wir wollen ein Europa, das Menschenrechte schützt und Rechtsstaatlichkeit mit aller nötigen Konsequenz verteidigt. Europa muss stark sein gegen die Feinde der Demokratie, gegen das Wiedererstarken der Rechtsnationalen. Wir wollen ein Europa, das den sozialen Zusammenhalt voranbringt und den Menschen Jobs und eine Perspektive bietet. Wir wollen auch ein Europa, das die digitalen Großkonzerne mindestens genauso besteuert wie die Bäckerin um die Ecke. Wir wollen ein Europa, das sich für Frieden in der Welt einsetzt und aufhört, Waffen nach Saudi-Arabien zu exportieren. Wir wollen ein Europa, das sich beim Klimaschutz an die Spitze stellt und unsere Lebensgrundlage schützt.

Diese Zukunft der Europäischen Union, Frau Bundeskanzlerin, die liegt auch in Ihrer Hand. Aber leider steht die Bundesregierung, Ihre Bundesregierung, konsequent auf der Bremse, wenn es um Europa geht. Beispiel Klimakrise – eine der größten Herausforderungen unserer Zeit, wenn nicht die größte. Wir zerstören sehenden Auges den Planeten auf dem wir leben, und der Weltklimarat hat uns das gerade noch einmal ins Stammbuch geschrieben. In wenigen Wochen hat die EU in Katowice die Pflicht, voranzugehen, denn dies ist das letzte Jahrzehnt, in dem wir noch umsteuern können. Aber dafür reichen die bisherigen Ziele bei weitem nicht.

Zwei Dinge, die wir jetzt ganz dringend angehen müssen: Dazu gehört ein Mindestpreis für CO2. Einige Mitgliedstaaten überlegen schon, ob sie da nicht gemeinsam vorangehen können. Ich frage: Wird Deutschland, wird die Bundesregierung mitmachen? Dazu gehört, dass Autohersteller dringend die CO2--Emissionen ihrer Flotte reduzieren müssen. Aber leider hat Deutschland im Rat dafür gesorgt, dass der Rat ein ambitioniertes Ziel beerdigt. Sieht so der deutsche Beitrag zum Klimaschutz aus? Denn das Klima lässt sich nicht retten mit vagen Absichtserklärungen und Gletscherfotos. Wir brauchen konkrete, wir brauchen ambitionierte Ziele für Europa und eine schnelle Umsetzung.

Stattdessen hat die Bundesregierung einfach die von ihr selbst gesetzten Klimaziele beerdigt und ist der Bremsklotz in der europäischen Klimapolitik. Das ist eine echte Katastrophe für Europa, für die Küsten und für die Inselstaaten, für den gesamten Planeten. Sicher, Deutschland ist nicht das einzige Land in der EU mit einem Klimarealitätsproblem. Aber es ist das größte, mit der größten Verantwortung, und das wiegt schwer. Dass Deutschland auch ständig gegen europäische Umweltschutzgesetze verstößt, wie bei sauberem Wasser und sauberer Luft, das unterstreicht das Problem.

Klimaschutz und erneuerbare Energien helfen übrigens auch dabei, energetisch unabhängig zu werden. Eine Erdgaspipeline von Russland nach Deutschland zementiert dagegen die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern und schadet den Interessen Polens und der Ukraine. Diese Pipeline braucht niemand – außer vielleicht Gerhard Schröder und Wladimir Putin.

(Beifall)

Noch so ein Beispiel: die Eurozone. Seit acht Jahren wissen wir, dass die Eurozone nicht so stabil ist, wie sie sein sollte. Was ist seitdem passiert? Eine halbe Bankenunion, wenig Stabilitätspakt und – sorry – ein relativ kleiner Investitionsfonds. Er kann gerne noch wachsen. Das reicht halt nicht. Mit Sozialkürzungen werden sie den Währungsraum jedenfalls nicht stabilisieren, sondern nur Europa spalten. Das Europäische Parlament hat gesagt, was zu tun ist. Der Kommissionspräsident hat Vorschläge gemacht und der französische Präsident auch. Man muss die nicht alle gut finden, okay. Aber den Kopf in den Sand zu stecken und zu hoffen, dass sich das irgendwie von selbst regelt, das ist unpolitisch, und das ist verantwortungslos. Die nächste Krise ist doch jetzt schon vorprogrammiert. Warum setzen Sie sich nicht endlich mit Macron und den anderen Kolleginnen und Kollegen an einem Tisch und legen einen Reformvorschlag für die Eurozone vor? Warum ist die Bundesregierung stumm? Es geht hier um die Zukunft unserer gesamten Union.

Und noch so ein Beispiel: Steuergerechtigkeit. Auch hier blockiert die Bundesregierung. Gemeinsam mit den Regierungen der letzten Steueroasen in der EU wie den Niederlanden, Luxemburg und Österreich sorgen Sie dafür, dass die so dringende Transparenz im Steuersystem nicht kommt. Sie sorgen dafür, dass Konzerne weiterhin Steuerschlupflöcher nutzen können und den Mitgliedstaaten jährlich 17 Mrd. Euro an Einnahmen entgehen. Es muss endlich Schluss sein mit dieser Blockadehaltung. Schreiten Sie voran für echten Klimaschutz, für eine stabile Eurozone und für ein Ende der Steuerbetrügereien. Wenn das größte Mitgliedsland auf der Bremse steht, dann kommen wir nicht voran. Wir brauchen Aufbruch für Europa.

Sie haben gesagt: Es lohnt sich, sich für Europa zu mühen. Wenn Sie das ernst meinen, dann handeln Sie! Gerade jetzt, sonst werden Sie Ihrer Rede nicht gerecht. Europa braucht Impulse und Menschen, die vorangehen – im Großen und Kleinen, symbolisch und praktisch, mutig und entschlossen.

(Beifall)

 
Letzte Aktualisierung: 8. April 2019Rechtlicher Hinweis - Datenschutzbestimmungen