Entschließungsantrag - B6-0529/2008Entschließungsantrag
B6-0529/2008

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

1.10.2008

gemäß Artikel 103 Absatz 2 der Geschäftsordnung
von Erika Mann und Harlem Désir
im Namen der PSE-Fraktion
zur Aussetzung der WTO-Verhandlungen über die Entwicklungsagenda von Doha

Siehe auch den gemeinsamen Entschließungsantrag RC-B6-0521/2008

Verfahren : 2008/2631(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
B6-0529/2008
Eingereichte Texte :
B6-0529/2008
Abstimmungen :
Angenommene Texte :

B6‑0529/2008

Entschließung des Europäischen Parlaments zur Aussetzung der WTO-Verhandlungen über die Entwicklungsagenda von Doha

Das Europäische Parlament,

–  unter Hinweis auf die Doha-Ministererklärung der Welthandelsorganisation (WTO) vom 14. November 2001,

–  unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zur Entwicklungsagenda von Doha (DDA),

–  gestützt auf Artikel 103 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

A.  in der Erwägung, dass die WTO-Gespräche auf Ministerebene zum Abschluss der Doha-Runde Ende Juli 2008 in einer Sackgasse endeten,

B.  in der Erwägung, dass die Doha-Runde mit dem Ziel ins Leben gerufen wurde, die bestehenden Ungleichgewichte im multilateralen Handelssystem zu beseitigen, und zwar ausgehend von der gemeinsamen Überzeugung, dass nur ein multilaterales System, das auf einem fairen Handel und angemessenen und gerechten Regeln beruht, eine echte Entwicklung fördern kann,

C.  in der Erwägung, dass der Abbruch der Gespräche auf Ministerebene im Juli über eine Schutzmaßnahme für die Ernährungssicherheit - ein Thema von äußerster Wichtigkeit für viele Entwicklungsländer, jedoch von geringer Bedeutung für den Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen - ein Fingerzeig dafür ist, dass dem Entwicklungskonzept in der Entwicklungsagenda von Doha wieder Vorrang eingeräumt werden muss,

D.  in der Erwägung, dass die Entwicklungsländer und am wenigsten entwickelten Länder am meisten unter der Aussetzung der Runde leiden würden, da die Handelsregeln nur in einem multilateralen Rahmen neu austariert werden können, was bereits seit langem erforderlich ist,

E.  in der Erwägung, dass die Aussichten auf einen Abschluss der Entwicklungsagenda von Doha vor Herbst 2009 sich jedoch immer weiter verschlechtern, da es unwahrscheinlich ist, dass ernsthafte Verhandlungen über Themen von zentraler Bedeutung noch stattfinden werden, bevor die neue US-Regierung ihre handelspolitischen Standpunkte verabschiedet hat,

F.  in der Erwägung, dass die grundlegenden Interessen der Entwicklungsländer und die Zusage aller WTO-Mitglieder an die Entwicklungsrunde, Kernstück der Verhandlungen bleiben müssen,

G.  in der Erwägung, dass die Glaubwürdigkeit des multilateralen Handelssystems und damit die WTO selbst schweren Schaden nehmen könnten, wenn keine Einigung zustande kommt,

H.  in der Erwägung, dass ein Abschluss der Entwicklungsagenda von Doha von Tag zu Tag wichtiger wird, da sich die wirtschaftlichen und finanziellen Aussichten ständig verschlechtern;

I.  in der Erwägung, dass Fragen des Zugangs zum Landwirtschaftsmarkt und der nationalen Unterstützung, einschließlich der Zollkontingente für sensibler Produkte, besonders schwierige und wesentliche Elemente sind,

J.  in der Erwägung, dass es wichtig ist, die Möglichkeit der Anwendung des besonderen Schutzmechanismus, der Mischzölle und des Einfuhrpreissystems beizubehalten,

1.   ist ernsthaft besorgt über den Stillstand, in den die WTO-Ministertreffen im letzten Juli geführt haben;

2.  ist der festen Überzeugung, dass eine effiziente multilaterale Struktur eine wesentliche Grundlage für den Aufbau eines ausgewogenen internationalen Systems im Dienste der menschlichen Entwicklung ist und dem übergeordneten System einer weltweiten Ordnungspolitik entspricht; bekräftigt noch einmal, seine umfassende Unterstützung für das multilaterale Handelssystem und die Rolle der WTO;

3.  ist besorgt angesichts der zunehmend deutlicheren Verlagerung des Schwerpunkts von einem multilateralen Prozess hin zu bilateralen und regionalen Vereinbarungen, die weniger transparent sind und die ärmeren Länder oft benachteiligen;

4.  ist sich der Probleme im Zusammenhang mit einem Gesamtpaket voll und ganz bewusst, anerkennt jedoch die substanziellen Fortschritte, die während der Ministertagung im Juli erzielt wurden, um dieses Ziel zu erreichen; fordert jedoch die WTO-Mitglieder auf zu prüfen, ob zu einer Reihe spezifischer Themen wie beispielsweise Baumwolle und Bananen, die von besonderer Dringlichkeit für viele arme Länder sind und zu denen bereits wesentlichen Fortschritte erreicht wurden, eine frühzeitige Einigung auf einer Standalone-Basis erzielt werden könnte;

5.  ist überzeugt, dass eine Fortsetzung des derzeitigen Klimas der Unsicherheit bezüglich der Zukunft des Multilateralismus und der WTO selbst das derzeitige Problem der Wirtschafts- und Finanzkrise zuspitzen würde;

6.  ist der Auffassung, dass zur Gewährleistung einer uneingeschränkten Einhaltung der Zusage für einen Abschluss einer Entwicklungsrunde, die entwickelten Länder vermeiden müssen, Verhandlungsziele zu verfolgen, die sich nachteilig auf die Entwicklungsziele der Entwicklungsländer oder auf die Erreichung der Millenniums-Entwicklungsziele auswirken könnten;

7.  ist der Auffassung, dass die Bedürfnisse der Entwicklungsländer und vor allem der am wenigsten entwickelten Länder in Verhandlungen zur Doha-Entwicklungsagenda Vorrang eingeräumt werden sollte, wobei die Frage der Entwicklung an der Spitze aller Überlegungen liegen muss;

8.  fordert die Mitglieder der WTO auf, umgehend eine politische Lösung in Bezug auf den besonderen Schutzmechanismus (SSM) zu finden, der eines der erforderlichen Instrumente ist, um einen wirksamen Schutz für den Lebensunterhalt armer Landwirte in den Entwicklungsländern zu gewähren, damit andere landwirtschaftliche Fragen erörtert und gelöst werden können, wie beispielsweise eine Ausweitung der Zollkontingente, eine Vereinfachung der Zollbestimmungen und der Beihilfen im Baumwollsektor sowie Fragen im Zusammenhang mit den Verhandlungen über den Marktzugang für nicht landwirtschaftliche Erzeugnisse (NAMA) und Dienstleistungen;

9.  fordert alle maßgeblichen Akteure und speziell die EU, die USA und die G20 auf, fest zuzusagen, die umfassende Achtung des Geists der Entwicklungsrunde zu gewährleisten und alle Anstrengungen zu unternehmen, um die bisherigen Ergebnisse zu bewahren und so schnell wie möglich eine Einigung zu den Modalitäten zu erzielen;

10.  bekräftigt, dass gezielte technische Hilfe und der Aufbau von Kapazitäten erforderlich sind, um die Entwicklungsländer dabei zu unterstützen, sich effektiv an der Entwicklungsrunde von Doha zu beteiligen;

11.  ist der Überzeugung, dass die Schwierigkeiten mit der Entwicklungsagenda von Doha deutlich machen, dass nach dem Abschluss dieser Runde, die dringende Frage der WTO-Reform angesprochen werden muss, um die WTO effektiver und transparenter zu machen, ihre Rechenschaftspflicht zu verstärken und ihre Integration in eine größere Architektur der globalen Ordnungspolitik zu verbessern; ist der Auffassung, dass Parlamentarier eine noch energischere und wirksame Kontrolle im Bereich des internationalen Handels ausüben müssen;

12.  ist der Auffassung, dass unabhängig davon, was im Hinblick auf Fortschritte bezüglich der Entwicklungsagenda von Doha passiert, die WTO die neuen globalen Herausforderungen bewältigen muss, in denen der Handel eine Rolle spielt, wie beispielsweise Ernährungssicherheit, Energie, Hilfe für den Handel und Klimawandel;

13.  äußert sich besorgt über die Gefahr eines Mangels an demokratischer Kontrolle der EU-Handelsgespräche, wenn ein wichtiger Teil der Verhandlungen zur Entwicklungsagenda von Doha während der Wahlen zum Europäischen Parlament 2009 stattfindet; macht deutlich, dass es nicht hinnehmbar wäre, dass die Kommission Verhandlungen fortführt, ohne tragfähige Maßnahmen zur Gewährleistung einer fortgesetzten Kontrolle einzuführen;

14.  macht daher auf die Notwendigkeit einer Neuverhandlung der Interinstitutionelle Vereinbarung aufmerksam, um, soweit dies mit den bestehenden Vertrag vereinbar ist, die weit verbreiteten Auffassung wiederzuspiegeln, die sich in den handelspolitischen Bestimmungen des Entwurfs des Lissabon-Vertrags gezeigt hat, dass die EU-Handelspolitik einer strengeren demokratischen Kontrolle unterliegen muss; fordert die Kommission und den Rat auf, die Interinstitutionelle Vereinbarung zu überarbeiten und zu präzisieren, um die umfassende Beteiligung des Parlaments an den internationalen Handelsgesprächen der EU umzusetzen, und insbesondere sowie in Übereinstimmung mit Artikel 83 der Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments zu gewährleisten, dass:

  • i.vor Aufnahme von Verhandlungen über den Abschluss, die Verlängerung oder Änderung eines internationalen Handelsabkommens, die Kommission den federführenden Ausschuss des Europäischen Parlaments, wenn nötig auf vertraulicher Basis, über ihre Empfehlungen für ein Verhandlungsmandat informiert;
  • ii.im Falle eines förmlichen Antrag des Parlaments, der Rat zusagt, die Aufnahme von Verhandlungen solange nicht zu genehmigen, bis das Parlament auf der Grundlage eines Berichts des federführenden Ausschusses seinen Standpunkt zum vorgeschlagenen Verhandlungsmandat abgegeben hat;
  • iii.vor Aufnahme von Verhandlungen die Kommission den federführenden Ausschuss über die gewählte Rechtsgrundlage informiert;
  • iv.während der Verhandlungen die Kommission und der Rates den federführenden Ausschuss, gegebenenfalls auf vertraulicher Basis, regelmäßig und umfassend über den Fortgang der Verhandlungen informieren;
  • v.die Kommission zu jedem Zeitpunkt der Verhandlungen mögliche vom Parlament verabschiedete Empfehlungen in Bezug auf die Verhandlungsführung vor dem Abschluss eines Abkommens berücksichtigt;
  • vi.nach Abschluss der Verhandlungen, jedoch vor Unterzeichnung eines Abkommens, der Entwurf dem Parlament zur Stellungnahme oder Zustimmung übermittelt wird;

15.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten und dem Generaldirektor der WTO zu übermitteln.