Entschließungsantrag - B6-0032/2009Entschließungsantrag
B6-0032/2009

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

7.1.2009

eingereicht im Anschluss an Erklärungen des Rates und der Kommission
gemäß Artikel 103 Absatz 2 der Geschäftsordnung
von Jacek Protasiewicz, José Ignacio Salafranca Sánchez-Neyra, Charles Tannock, Jacek Saryusz-Wolski, Elmar Brok, Colm Burke, Esther De Lange und Vytautas Landsbergis
im Namen der PPE-DE-Fraktion
zu Belarus

Siehe auch den gemeinsamen Entschließungsantrag RC-B6-0028/2009

Verfahren : 2009/2503(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
B6-0032/2009
Eingereichte Texte :
B6-0032/2009
Angenommene Texte :

B6‑0032/2009

Entschließung des Europäischen Parlaments zu Belarus

Das Europäische Parlament,

–  unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zur Lage in Belarus, insbesondere seine Entschließung vom 9. Oktober 2008,

–  unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 13. Oktober 2008 zu Belarus, mit denen das Verbot politischer Kontakte mit den belarussischen Regierungsstellen aufgehoben und die Visumsperre für hohe belarussische Staatsvertreter – Präsident Alexander Lukaschenko eingeschlossen – ausgesetzt wird,

–  unter Hinweis auf den vom Rat der EU am 27. November 2008 vorgelegten Jahresbericht über die Menschenrechte 2008,

–  unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat vom 3. Dezember 2008 betreffend die Partnerschaft Ost,

–  unter Hinweis auf den Abschlussbericht der OSZE/ODIHR-Wahlbeobachtungsmission vom 27. November 2008,

–  gestützt auf Artikel 103 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

A.  in der Erwägung, dass die Freilassung der politischen Gefangenen von der EU als ein wichtiger Schritt zur Übernahme der grundlegenden Werte der Demokratie, der Achtung der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit durch Belarus betrachtet worden ist und eine der Vorbedingungen für die Überprüfung der restriktiven Maßnahmen war, die gegenwärtig für bestimmte führende Politiker in Belarus und für die schrittweise Wiederherstellung der Beziehungen zu Belarus gelten,

B.  in der Erwägung, dass die Redefreiheit ein weiterer Grundsatz ist, der geachtet werden muss, wenn die Beziehungen zu Belarus wiederhergestellt werden sollen und die Aussetzung der restriktiven Sanktionen über April 2009 hinaus verlängert werden soll,

C.  in der Erwägung, dass die EU bereit ist, die positive Politik fortzusetzen, die zu einer schrittweisen Wiederannäherung an Belarus führt, wenn die Regierung des Landes ihre Bereitschaft unter Beweis stellt, die Voraussetzungen für die Achtung der Menschenrechte, die Gewährung der Medienfreiheit sowie die Abhaltung freier und fairer Wahlen zu verbessern;

D.  in der Erwägung, dass die OSZE/ODIHR-Wahlbeobachtungsmission in ihrem Abschlussbericht erklärt hat, dass bei den Wahlen vom 28. September 2008, die in einem streng kontrollierten Umfeld und mit einem kaum sichtbaren Wahlkampf durchgeführt wurden und in Bezug auf die Auszählung der Stimmen und die Zusammenstellung der Ergebnisse aus verschiedenen Wahllokalen von mangelnder Transparenz gekennzeichnet waren, zwar einige geringfügige Verbesserungen zu verzeichnen waren, sie letztendlich jedoch den international anerkannten demokratischen Standards nicht genügten;

E.  in der Erwägung, dass die Wirtschaft in Belarus mit ernsthaften Herausforderungen konfrontiert ist, die durch die globale Finanzkrise verursacht wurden, was Präsident Lukaschenko in seiner Neujahrsansprache an die Nation deutlich zum Ausdruck gebracht hat,

F.  in der Erwägung, dass Lidija Ermoschina, Leiterin der zentralen Wahlkommission in Belarus, zugegeben hat, dass die Wahlen im September nicht die „volle und bedingungslose Anerkennung der europäischen Partner im Hinblick auf die Erfüllung internationaler Standards“ erhielten und deshalb das „vorrangigste Ziel“ der Wahlen nicht erreicht worden sei,

1.  stellt fest, dass es in Belarus keine politischen Gefangenen mehr gibt, dass jedoch Alexander Kasulin, Sergej Parsiukewitsch und Andrej Kim noch immer nicht alle Bürgerrechte genießen, die sämtlichen belarussischen Bürgern durch die Verfassung der Republik Belarus gewährleistet werden, und viele andere noch immer unterschiedlichen Formen der Einschränkung ihrer Freiheit unterliegen, darunter Alexander Barazenka, der vor seiner Verhandlung wegen seiner Teilnahme an der Demonstration im Januar 2008 wochenlang in Haft gehalten wurde;

2.  bekundet seine Genugtuung darüber, dass zwei unabhängigen Zeitungen, Narodnaja Wolja und Nascha Niwa, die Registrierung und der Vertrieb über das staatlich kontrollierte Netz erlaubt wurden; verweist gleichzeitig darauf, dass noch immer 13 unabhängige Zeitungen auf ihre Registrierung warten,

3.  begrüßt die Konsultationen der staatlichen Behörden mit dem belarussischen Journalistenverband über Änderungen an den Internetbestimmungen und dem Mediengesetz; hofft, dass dies der Beginn eines wirklichen Dialogs mit unabhängigen Journalisten über die Schaffung der Voraussetzungen für die Freiheit der Medien in Belarus ist;

4.  begrüßt die Registrierung der Bewegung für Freiheit unter Leitung von Alexander Milinkewitsch; bekundet gleichzeitig seine Besorgnisse darüber, dass das belarussische Justizministerium die Legitimität der Jugendorganisation der Belarussischen Volksfront in Frage gestellt hat;

5.  begrüßt die vom belarussischen Präsidenten ausgesprochene Empfehlung, dass die Regierungsstellen mit der OSZE/ODIHR Änderungen an den belarussischen Wahlvorschriften erörtern, um sie besser in Einklang mit internationalen Standards zu bringen;

6.  verweist darauf, dass die Parlamentswahlen in Belarus am 28. September 2008 trotz einiger Verbesserungen nicht europäischen demokratischen Standards genügten, und fordert die belarussische Regierung in diesem Kontext auf, in Zukunft wirklich demokratische Wahlen in Übereinstimmung mit internationalen demokratischen Standards abzuhalten, indem sie Änderungen am Wahlgesetz und am Wahlverfahren einführt und unter anderem:

  • (a)faire Bedingungen und Möglichkeiten für alle Kandidaten schafft, einen wirklichen Wahlkampf zu führen;
  • (b)gewährleistet, dass alle an den Wahlen teilnehmenden Parteien auf allen Ebenen der Wahlkommissionen vertreten sind, insbesondere auf der Ebene der Bezirkswahlkommissionen;
  • (c)sicherstellt, dass in Bezug auf die abgegebenen Stimmen jeder Zweifel an einer Betrugsmöglichkeit ausgeschlossen ist;
  • (d)das Verfahren der frühzeitigen Stimmabgabe abschafft oder zumindest gewährleistet, dass für frühzeitig abgegebene Stimmen ein von der allgemeinen Stimmabgabe getrenntes Verfahren eingeführt wird und die Ergebnisse der frühzeitigen Stimmabgabe in getrennte Wahlprotokolle aufgenommen werden;

7.  fordert die belarussische Regierung eindringlich auf, die Menschenrechte zu achten, indem sie

  • (a)die erforderlichen Änderungen am belarussischen Strafgesetzbuch vornimmt und die Artikel 193, 367, 368 und 369 Absatz 1 abschafft, von denen einige, insbesondere Artikel 193, von Amnesty International genannt werden und häufig als Mittel der Repression missbraucht werden,
  • (b)darauf verzichtet, Studenten, die aufgrund ihres Eintretens für die Bürgerrechte von Universitäten relegiert wurden und ihr Studium im Ausland fortsetzen müssen, mit Strafverfolgung, auch wegen der Umgehung des Wehrdienstes in Belarus, zu drohen;
  • (c)alle Hindernisse für die ordnungsgemäße Registrierung von NRO in Belarus aus dem Weg räumt; keine finanziellen Maßnahmen wie Mietsätze dazu missbraucht, die Möglichkeiten von NRO für eine effiziente Arbeit zu blockieren;
  • (d)die Behandlung und die Achtung nationaler Minderheiten verbessert, einschließlich der Anerkennung des rechtmäßig gewählten Organs der Vereinigung von Polen in Belarus unter Leitung von Angelika Borys, der Kultur, der Kirchen, des Bildungssystems und des historischen und materiellen Erbes,

   um die Selbstisolierung des Landes vom restlichen Europa zu beenden und die Beziehungen zwischen der EU und Belarus beträchtlich zu verbessern;

8.  erinnert daran, dass die Europäische Union am 21. November 2006 ihre Bereitschaft erklärt hat, ihre Beziehungen zu Belarus und dessen Bevölkerung im Rahmen der Europäischen Nachbarschaftspolitik (ENP) zu erneuern, sobald die belarussische Regierung ihre Achtung der demokratischen Werte und der Grundrechte des belarussischen Volkes unter Beweis stellt; begrüßt das Gesetz zur Ratifizierung der Vereinbarung über die Einrichtung der Delegation der Kommission in Minsk,

9.  fordert den Rat und die Kommission auf, weitere Schritte in Richtung auf die Erleichterung und Liberalisierung der Visaverfahren für belarussische Bürger zu ergreifen, da ein solches Verfahren entscheidend dafür ist, dass das Hauptziel der EU-Politik gegenüber Belarus erreicht wird, das darin besteht, die Kontakte zwischen den Völkern zu erleichtern und zu intensivieren und das Land zu demokratisieren; fordert sie in diesem Zusammenhang mit Nachdruck auf, die Möglichkeit einer Senkung der Visumgebühren für belarussische Bürger bei deren Einreise in den Schengen-Raum in Erwägung zu ziehen, da nur so eine zunehmende Isolierung von Belarus und seinen Bürgern verhindert werden kann; fordert die belarussischen Behörden auf, ihre Praxis, ihren Bürgern, insbesondere Kindern und Studenten, Ausreisevisa auszustellen, einzustellen;

10.  begrüßt den Beschluss der belarussischen Regierungsstellen, das Reiseverbot für eine Reihe von Opfern der Tschernobyl-Katastrophe vorübergehend aufzuheben, um es ihnen zu ermöglichen, an Erholungs- und Kurmaßnahmen teilzunehmen, und hofft, dass längerfristig eine strukturelle Lösung gefunden werden kann; fordert die tschechische Ratspräsidentschaft auf, als vorrangige Aufgabe die Aushandlung einer EU-weiten Übereinkunft mit den belarussischen Regierungsstellen anzustreben, die Kindern die Reise von Belarus in einen Mitgliedstaat der EU gestattet, der solche Erholungs- und Kurmaßnahmen anbietet;

11.  fordert den Rat und die Kommission auf, die selektive Anwendung des Europäischen Nachbarschafts- und Partnerschaftsinstruments[1] und des Europäischen Instruments für Demokratie und Menschenrechte[2] auf Belarus zu prüfen, indem sie der Zivilgesellschaft in Belarus verstärkt Unterstützung zukommen lassen, und insbesondere die Finanzhilfe für die unabhängigen Medien, die NRO und die im Ausland studierenden belarussischen Studenten zu erhöhen; begrüßt die finanzielle Unterstützung, die die Kommission der im Exil tätigen „Europäischen Humanistischen Universität“ in Vilnius (Litauen)gewährt; fordert den Rat und die Kommission auf, von der belarussischen Regierung als Zeichen des guten Willens und der Änderung zum Positiven zu verlangen, dass sie es der in Vilnius im Exil ansässigen „Europäischen Humanistischen Universität“ ermöglicht, rechtmäßig nach Belarus zurückzukehren und sich unter angemessenen Bedingungen für ihre künftige Entwicklung wieder in Minsk niederzulassen; fordert den Rat und die Kommission auf, dem unabhängigen belarussischen Fernsehsender Belsat finanzielle Unterstützung zu gewähren;

12.  fordert den Rat und die Kommission auf, Maßnahmen zu prüfen, um das Geschäftsklima, Handel, Investitionen, Energie- und Verkehrsinfrastruktur sowie die grenzübergreifende Zusammenarbeit zwischen der EU und Belarus zu verbessern und auf diese Weise zu Wohlergehen und Wohlstand der Bürger von Belarus und dazu beizutragen, dass diese in der Lage sind, mit der EU zu kommunizieren und ungehindert in die EU zu reisen; fordert die Kommission in diesem Zusammenhang auf, eine gemeinsame Erklärung Kommission–Belarus zu Fragen der Energie in die endgültige Fassung zu bringen, damit sie als Grundlage für die Weiterentwicklung der energiepolitischen Zusammenarbeit dienen kann, die unter anderem den Transport von Kohlenwasserstoffen und Reformen im Energiesektor abdeckt;

13.  bekundet seine Besorgnisse über den Beginn der Arbeiten zur Errichtung eines Kernkraftwerks unmittelbar an der Grenze zur EU, wenn es sich bei der Anlage um das russische Modell vom Typ Tschernobyl handelt, das für die EU unvertretbar ist und die finanzielle Unterstützung der EU für Belarus in Frage stellen kann;

14.  ist besorgt über Berichte, dass die Präsidenten von Belarus und Russland bei ihrem Treffen in Moskau am 22. Dezember 2008 die gesamte Bandbreite von militärisch-politischen Vereinbarungen über die Stärkung der Zusammenarbeit zwischen den belarussischen und den russischen Streitkräften und insbesondere die Vereinbarung über das einheitliche Luftverteidigungssystem erörterten, das den Aussagen von Präsident Lukaschenko zufolge Ende Januar zur Unterzeichnung bereit sein wird;

15.  fordert den Rat und die Kommission auf, die Beteiligung der Europäischen Investitionsbank an Investitionen in die belarussische Infrastruktur für den Energietransport zu prüfen; unterstreicht die Bedeutung der Beteiligung von europäischen Unternehmen am Prozess der Privatisierung in Belarus;

16.  bedauert den Beschluss der belarussischen Regierungsstellen, Mitgliedern des Europäischen Parlaments und nationalen Parlamentariern in den letzten Jahren wiederholt Einreisevisa zu verweigern; fordert die belarussischen Regierungsstellen auf, keine weiteren Hindernisse zu schaffen, die die Delegation des Europäischen Parlaments für die Beziehungen zu Belarus am Besuch des Landes hindern; glaubt, dass als Gegenleistung für die Aufhebung der Visumsperre für belarussische Regierungsvertreter eine Zusage von der belarussischen Regierung gegeben werden sollte, dass sie europäischen Abgeordneten den uneingeschränkten Zugang zu ihrem Hoheitsgebiet gewährt und ihnen die Freiheit einräumt, mit Vertretern der Zivilgesellschaft und politischen Gruppen zusammenzutreffen;

17.  fordert die belarussischen Regierungsstellen auf, die Religionsfreiheit zu achten; verurteilt die Tatsache, dass europäische Bürger – darunter Priester – wiederholt aus Belarus ausgewiesen werden;

18.  begrüßt den Willen der belarussischen Nation, die Unabhängigkeit des Landes und die territoriale Integrität zu wahren;

19.  verurteilt die Tatsache, dass Belarus das einzige Land in Europa ist, in dem – im Widerspruch zu europäischen Werten – noch immer die Todesstrafe gilt;

20.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Parlamenten und Regierungen der Mitgliedstaaten, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, den Parlamentarischen Versammlungen der OSZE und des Europarates, dem Sekretariat der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten sowie dem Parlament und der Regierung von Belarus zu übermitteln.