ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zur Umsetzung des Goldstone-Berichts
3.3.2010
gemäß Artikel 110 Absatz 2 der Geschäftsordnung
Kyriacos Triantaphyllides, Patrick Le Hyaric, Bairbre de Brún, Willy Meyer, Ilda Figueiredo im Namen der GUE/NGL-Fraktion
Siehe auch den gemeinsamen Entschließungsantrag RC-B7-0136/2010
B7‑0146/2010
Entschließung des Europäischen Parlaments zur Umsetzung des Goldstone-Berichts
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf die Charta der Vereinten Nationen,
– unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte aus dem Jahr 1948,
– unter Hinweis auf die Vierte Genfer Konvention zum Schutz von Zivilpersonen in Kriegszeiten vom 12. August 1949,
– unter Hinweis auf die Resolution 1860 (2009) der Vereinten Nationen,
– unter Hinweis auf das Gutachten des Internationalen Gerichtshofs über die rechtlichen Folgen des Baus einer Mauer in den besetzten palästinensischen Gebieten,
– unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zum Nahen Osten,
– unter Hinweis auf den am 15. September 2009 veröffentlichten Bericht der UN-Erkundungsmission zum Gaza-Konflikt unter Leitung von Richter Goldstone,
– gestützt auf Artikel 110 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass Israel die palästinensischen Gebiete seit 1967 besetzt hält, und nach der Vierten Genfer Konvention für den humanitären Schutz der gesamten unter der Besatzung lebenden Zivilbevölkerung verantwortlich ist,
B. in der Erwägung, dass der Staat Israel (nach dem Gutachten des Internationalen Gerichtshofs) zur Einstellung seiner Verstöße gegen das Völkerrecht verpflichtet ist,
C. in der Erwägung, dass 8 000 Palästinenser in israelischen Gefängnissen gefangen gehalten werden,
D. in der Erwägung, dass Israel die politische Strategie verfolgt, die Palästinenser durch maßlose bürokratische Hürden, Beeinträchtigungen ihres Alltagslebens, die Unterbrechung der Wasserversorgung und die fortdauernde Zerstörung von Wohnhäusern aus Ost-Jerusalem zu vertreiben,
E. in der Erwägung, das Israel seine Politik der Kolonialisierung der palästinensischen Gebiete fortsetzt, indem fortwährend neue Siedlungen gebaut und bestehende Siedlungen ausgebaut werden, Palästinensern ihr Grund und Boden weggenommen wird und gezielt auf die faktische Veränderung der demographischen Verhältnisse hingearbeitet wird,
F. in der Erwägung, dass Israel den Bau der Mauer fortgesetzt, auf diese Weise palästinensische Gebiete abgeriegelt, Enklaven geschaffen und damit vor Ort für eine neue Sachlage gesorgt hat,
G. in der Erwägung, dass Israel damit immer wieder gegen das Völkerrecht verstößt, was vom Internationalen Gerichtshof bestätigt wird, in dessen Gutachten zur Problematik der Mauer Israel die Verpflichtung auferlegt wird, unverzüglich die Bauarbeiten zur Errichtung der Mauer in den besetzten palästinensischen Gebieten sowie in Ost-Jerusalem und seiner Umgebung einzustellen, die dort bereits errichteten Konstruktionen abzureißen und alle diesbezüglichen Rechtsvorschriften und Regelungen aufzuheben oder außer Kraft zu setzen; in der Erwägung, dass Israel damit fortfährt, die besetzten Gebiete abzuriegeln und Grenzposten zu errichten, um die Bewegungsfreiheit der Palästinenser einzuschränken und ihnen den Zugang zu verwehren, wodurch das Alltagsleben der Palästinenser stark beeinträchtigt und ihre Lebensgrundlage gefährdet wird,
H. in der Erwägung, dass Israel am 27. Dezember 2008 eine groß angelegte Militäroffensive gegen die palästinensische Bevölkerung in Gaza gestartet hat, die erst am 18. Januar 2009 endete und auch auf die Zivilbevölkerung und Teile der Zivilinfrastruktur ausgerichtet war, sowie in der Erwägung, dass es sich dabei nicht um den ersten gegen das palästinensische Volk gerichteten Verstoß Israels gegen internationale Menschenrechtsnormen und das humanitäre Völkerrecht handelte,
I. in der Erwägung, dass bei dieser Militäroffensive neben 13 Israelis mehr als 1 400 Palästinenser ums Leben kamen, es sich bei der überwiegenden Mehrheit der Opfer um Zivilisten, darunter viele Frauen und Kinder, handelt und Tausende palästinensische Zivilisten verwundet wurden; in der Erwägung, dass Tausende Wohnhäuser sowie Schulen, Krankenhäuser, öffentliche Verwaltungsgebäude, Straßen und grundlegende Infrastruktur Ziel der israelischen Militäroffensive waren und während der Offensive zerstört wurden; in der Erwägung, dass in demselben Zeitraum infolge der von Gaza auf den Süden Israels abgefeuerten Raketen und Granaten vier Israelis ums Leben kamen und hunderte verletzt wurden;
J. in der Erwägung, dass auch Hamas und anderen Gruppierungen gegen israelische und palästinensische Zivilisten gerichtete Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht anzulasten sind,
K. in der Erwägung, dass es Beweise dafür gibt, dass Israel vorsätzlich Angriffe auf die Zivilbevölkerung verübt und Waffen und Munition eingesetzt hat, die eigentlich verboten sein sollten und – wie Weißer Phosphor – spezifische Verletzungen verursachen und hohe Opferzahlen fordern,
L. in der Erwägung, dass der Präsident des UN-Menschenrechtsrates im Anschluss an den Krieg in Gaza und infolge der Vorwürfe wegen schwerwiegender Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung im April 2009 eine UN-Erkundungsmission eingesetzt und damit beauftragt hat, alle Verstöße gegen internationale Menschenrechtsnormen und das humanitäre Völkerrecht festzustellen, die möglicherweise vor, während, nach oder im Zusammenhang mit dem militärischen Vorgehen im Zeitraum vom 27. Dezember 2008 bis zum 18. Januar 2009 in Gaza begangen wurden,
M. in der Erwägung, dass Richter Goldstone, der Leiter der UN-Erkundungsmission zum Gaza-Konflikt, dem UN-Menschenrechtsrat am 29. September 2009 seinen Bericht vorlegte, in dem festgestellt wird, dass Israel in Gaza gegen internationale Menschenrechtsnormen und das humanitäre Völkerrecht verstoßen und seinen Verpflichtungen nach der Vierten Genfer Konvention zuwidergehandelt hat sowie dass es sich bei diesen Verstößen um Verbrechen handelt, die vor den Internationalen Strafgerichtshof gebracht werden sollten,
N. in der Erwägung, dass Israel die Zusammenarbeit mit der Erkundungsmission verweigert und den Bericht aufs heftigste zurückgewiesen hat, sowie in der Erwägung, dass die palästinensischen Behörden einen internen palästinensischen Untersuchungsausschuss eingesetzt haben,
O. in der Erwägung, dass in Artikel 1876 der Schlussbemerkungen des Berichts der Erkundungsmission festgestellt wird, dass die Mission bei der Wahrnehmung ihres Mandats ausschließlich das allgemeine Völkerrecht, internationale Menschenrechtsnormen sowie das humanitäre Völkerrecht und neben den Verpflichtungen, die Staaten und nichtstaatlichen Akteuren darin auferlegt werden, vor allem die darin für Individuen verankerten Rechte und Ansprüche als Grundlage herangezogen hat; in der Erwägung, dass das in keiner Weise bedeutet, dass die Situation Israels als Besatzungsmacht der Lage der unter der Besatzung lebenden palästinensischen Bevölkerung oder der diese vertretenden Gremien gleichgesetzt wird, sondern dass die Unterschiede in Bezug auf die Macht und die Stärke, Unheil zu stiften oder Schutz zu gewähren – sowie im Falle von Verstößen das Recht durchzusetzen –, offensichtlich sind und ein Vergleich damit schlicht unmöglich und zudem unnötig ist, dass im Hinblick auf den Schutz der Opfer im Einklang mit dem Völkerrecht jedoch dafür gesorgt werden muss, dass allen die gleiche Aufmerksamkeit und Unterstützung zuteil wird,
P. in der Erwägung, dass einige der im UN-Menschenrechtsrat vertretenen EU-Mitgliedstaaten den Bericht und die Resolution der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen zurückgewiesen haben,
Q. in der Erwägung, dass in der Frage, ob der Bericht auf die Tagesordnung der UN-Generalversammlung oder des UN-Sicherheitsrats gesetzt werden soll, keine Einigung erzielt werden konnte,
R. in der Erwägung, dass der Gaza-Streifen weiterhin abgeriegelt ist, wodurch es der internationalen Gemeinschaft unmöglich ist, beim Wiederaufbau Gazas zu helfen; in der Erwägung, dass die humanitäre Lage ein Jahr nach dem Krieg einer humanitären Katastrophe gleichkommt,
S. in der Erwägung, dass das palästinensische Volk das Recht hat, sich frei für eine politische Ordnung und ein Wirtschaftssystem zu entscheiden und in einem eigenen Staat in Frieden, Freiheit und Sicherheit zu leben; in der Erwägung, dass das israelische Volk das Recht auf ein Leben in Frieden und Sicherheit hat; in der Erwägung, dass beide Völker Anspruch darauf haben, dass ihnen im Einklang mit dem Völkerrecht Gerechtigkeit widerfährt,
1. begrüßt den Bericht der UN-Erkundungsmission zum Gaza-Konflikt; fordert, dass die Mitgliedstaaten der EU sich die Ergebnisse des Berichts umgehend zu eigen machen und dass die Empfehlungen des Berichts umgesetzt werden; betont, dass diese Ergebnisse und Empfehlungen die Bemühungen um ein auf der Zwei-Staaten-Lösung basierendes Friedensabkommen möglicherweise wesentlich beeinflussen werden, und vertritt die Auffassung, dass die Übernahme von Verantwortung für das Geschehene zu einer friedlichen Beilegung des Nahostkonflikts beitragen kann; fordert die EU auf, nicht hinzunehmen, dass Israel keine Verantwortung für die gegen die palästinensische Zivilbevölkerung verübten Verbrechen übernimmt;
2. fordert das Ende der Besetzung der palästinensischen Gebiete (Westjordanland und Gaza) durch Israel;
3. verurteilt Angriffe gegen die Zivilbevölkerung unabhängig davon, welche Seite sie verübt;
4. fordert die Freilassung aller palästinensischen Gefangenen, die zurzeit unrechtmäßig von Israel gefangen gehalten werden;
5. verurteilt die Politik der israelischen Regierung gegenüber dem palästinensischen Volk;
6. verurteilt die an der Zivilbevölkerung in Gaza verübten Verbrechen des israelischen Militärs, insbesondere die Angriffe auf und die Tötung von Zivilisten, Kollektivstrafen und den Einsatz von Waffen und Stoffen, die eigentlich verboten sein sollten;
7. verurteilt die Zerstörung von Infrastruktur in Gaza – insbesondere von für Lebensmittelproduktion und –versorgung, medizinische Versorgung und Bildung notwendiger Infrastruktur – durch die israelische Armee sowie die Abriegelung von Gebieten und die Einschränkung der Bewegungsfreiheit, die zu einer weiteren Verschlechterung der humanitären Lage in Gaza geführt haben;
8. bedauert, dass Israel die Zusammenarbeit mit der Mission sowie die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses verweigert; fordert Israel auf, der jüngsten Aufforderung des UN-Generalsekretärs, ernsthafte Ermittlungen durchzuführen, nachzukommen; begrüßt die Einsetzung eines internen palästinensischen Untersuchungsausschusses und erwartet nun dessen Ergebnisse;
9. fordert die Hamas auf, sich mit den einschlägigen Ergebnissen des Goldstone-Berichts zu befassen, ihrer Verantwortung nachzukommen und sich auf einen politischen Dialog mit allen Seiten einzulassen;
10. betont, dass die innerpalästinensische Wiederaussöhnung eine wesentliche Rolle spielt, und unterstreicht in diesem Zusammenhang die Notwendigkeit einer dauerhaften geographischen Verbindung zwischen Gazastreifen und Westjordanland sowie deren friedlicher und dauerhafter politischer Wiedervereinigung;
11. fordert die EU-Mitgliedstaaten auf, die Präsentation des Berichts in der UN-Generalversammlung zu unterstützen und folglich dafür zu sorgen, dass der Bericht dem Internationalen Strafgerichtshof vorgelegt wird, damit die Schuldigen für die vorstehend genannten Verbrechen zur Rechenschaft gezogen werden;
12. hebt hervor, dass die Politik der Europäischen Union und anderer internationaler Akteure, die Israel bei seinen fortgesetzten und anhaltenden Verstößen gegen das Völkerrecht und das humanitäre Völkerrecht jahrzehntelang straffrei gewähren ließen, versagt hat; fordert den Rat, die Mitgliedstaaten und die Kommission auf, aus dieser Tatsache endlich die notwendigen Schlüsse zu ziehen; fordert die EU-Mitgliedstaaten auf, die Präsentation des Berichts in der UN-Generalversammlung zu unterstützen;
13. fordert, die Aufwertung des Assoziierungsabkommens EU–Israel aufgrund der Verstöße Israels auszusetzen; bekräftigt, dass der Ausbau der Beziehungen zwischen der EU und Israel unumstößlich an die Achtung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts (das Ende der humanitären Krise in Gaza und den besetzten palästinensischen Gebieten, echte Zusagen für ein umfassendes Friedensabkommen) gebunden sein muss;
14. fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, Israel nicht länger mit Waffen zu beliefern;
15. vertritt die Ansicht, dass den Verbrechen gegen die palästinensische Bevölkerung dadurch ein Ende gesetzt werden kann, dass Verantwortung übernommen wird;
16. setzt sich dafür ein, dass die gerechte und friedliche Klärung der Palästina-Frage auf dem Verhandlungsweg und auf der Grundlage der Zwei-Staaten-Lösung aktiv unterstützt wird, ein unabhängiger, überlebensfähiger palästinensischer Staat in den Grenzen von 1967 mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt entsteht und eine umfassende Regelung für alle palästinensischen Flüchtlinge auf der Grundlage der UN-Resolution 194 zustande kommt;
17. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, dem UN-Generalsekretär, dem Nahost-Quartett, der israelischen Regierung, dem Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde, der Knesset und dem Palästinensischen Legislativrat zu übermitteln.