Entschließungsantrag - B7-0484/2010Entschließungsantrag
B7-0484/2010

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zum Zustand des Jordan unter besonderer Berücksichtigung des Gebiets an seinem Unterlauf

1.9.2010

eingereicht im Anschluss an die Anfrage zur mündlichen Beantwortung B7‑0452/2010
gemäß Artikel 115 Absatz 5 der Geschäftsordnung

Hélène Flautre, Nicole Kiil-Nielsen, Margrete Auken im Namen der Verts/ALE-Fraktion

Siehe auch den gemeinsamen Entschließungsantrag RC-B7-0484/2010

Verfahren : 2010/2775(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
B7-0484/2010
Eingereichte Texte :
B7-0484/2010
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Angenommene Texte :

B7‑0484/2010

Entschließung des Europäischen Parlaments zum Zustand des Jordan unter besonderer Berücksichtigung des Gebiets an seinem Unterlauf

Das Europäische Parlament,

–   unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zum Nahen Osten,

–   unter Hinweis auf das Abkommen betreffend die Gesetze und Gebräuche des Landkriegs vom Oktober 1907 und Artikel 55 zur Nutzung der natürlichen Ressourcen durch den besetzenden Staat, dessen Rechte und Pflichten,

–   unter Hinweis auf die Vierte Genfer Konvention von 1949 und Artikel 49, in dem die Umsiedlung von Teilen einer Bevölkerung eines Staates in das Hoheitsgebiet eines anderen besetzen Staates untersagt wird,

–   unter Hinweis auf das am 16. November 1972 unterzeichnete UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt,

–   unter Hinweis auf den Friedensvertrag zwischen dem Staat Israel und dem Haschemitischen Königreich Jordanien von 1994,

–   unter Hinweis auf das israelisch-palästinensische Interimsabkommen über das Westjordanland und den Gazastreifen von 1995 (Oslo-Abkommen II) und insbesondere Artikel 12 (Umweltschutz) und 40 (Wasser und Abwässer) von dessen Anhang III,

–   unter Hinweis auf die jordanische Wasserstrategie 2008-2022,

–   unter Hinweis auf die anlässlich des Pariser „Mittelmeer-Gipfels“ abgegebene Gemeinsame Erklärung vom 13. Juli 2008,

–   unter Hinweis auf den Bericht der Weltbank mit dem Titel „Assessment of Restrictions on Palestinian Water Sector Development“ vom April 2009,

–   unter Hinweis auf den Bericht von Amnesty International mit dem Titel „Troubled Water – Palestinians Denied Fair Access to Water“ vom Oktober 2009,

–   unter Hinweis auf die Empfehlung des Ad-hoc-Ausschusses für Energie, Umwelt und Wasser der Parlamentarischen Versammlung Europa-Mittelmeer zur Lage im Jordantal vom 14. März 2010,

–   gestützt auf Artikel 115 Absatz 5 und Artikel 110 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

A. in der Erwägung, dass der Jordan und insbesondere dessen Unterlauf eine Kulturlandschaft von universeller Bedeutung von großem historischem, symbolischem, religiösem, ökologischem, landwirtschaftlichem und wirtschaftlichem Interesse im Nahen Osten und darüber hinaus ist,

B.  in der Erwägung, dass Misswirtschaft und mangelnde Kontrollen zu einer gravierenden Verschmutzung des Jordan geführt haben und dass geschätzte 98 % der 1,3 Milliarden Kubikmeter umfassenden Süßwasserressourcen des Unterlaufs pro Jahr umgeleitet werden, um den inländischen und landwirtschaftlichen Wasserbedarf zu decken, sowie in der Erwägung, dass derzeit im Unterlauf des Jordan nur noch ungereinigte Abwässer, Abflüsse aus Stauanlagen, salzhaltiges Wasser und Ablaufwasser aus der Landwirtschaft fließen,

C.  in der Erwägung, dass im Unterlauf des Jordan wegen der Umleitung von Süßwasserressourcen und der Verklappung verunreinigter Abwässer in den Strom 50 % der Artenvielfalt verlorengegangen sind,

D. in der Erwägung, dass neue Kläranlagen, mit denen die derzeit im Unterlauf des Jordan verzeichneten verunreinigten Abwässer entfernt werden sollen, Ende 2011 in Betrieb genommen werden sollen und dass bis Ende 2011 wahrscheinlich weite Teile des Jordan austrocknen werden, wenn parallel zum Betrieb dieser Anlagen keine vernünftigen und nachhaltigen Wasserbewirtschaftungspraktiken entwickelt und keine Süßwasserressourcen eingeleitet werden,

E.  in der Erwägung, dass jährlich 400-600 Millionen Kubikmeter Wasser notwendig sind, um den Unterlauf des Jordan zu sanieren,

F.  in der Erwägung, dass das Tote Meer weltweit ein einzigartiges Ökosystem aufweist und dass der Jordan der vorrangige Zufluss des Toten Meeres ist und der dramatisch zurückgegangene Zustrom aus dem Unterlauf des Jordan bereits der vorrangige Grund für ein kontinuierliches Absinken des Wasserspiegels des Toten Meeres und eine Verringerung der Fläche des Toten Meeres um ein Drittel in weniger als 50 Jahren ist,

G. in der Erwägung, dass die Beschädigung oder das Verschwinden jeglichen Bestandteils des Kultur- oder Naturerbes eine nachteilige Verarmung des Erbes aller Nationen weltweit bedeutet,

H. in der Erwägung, dass im Rahmen des Konzepts für die Wasserzuführung für das Rote und das Tote Meer vorgeschlagen wird, einen Kanal zu errichten, der das Rote Meer mit dem Toten Meer verbinden, dazu beitragen soll, das Tote Meer zu sanieren, und Strom und Trinkwasser für Israelis, Jordanier und Palästinenser liefern soll, sowie in der Erwägung, dass dieses Projekt, bei dem sulfatreiches Wasser aus dem Roten Meer mit kalziumreichem Wasser aus dem Toten Meer gemischt würde, von mehreren Sachverständigen in Frage gestellt wurde, da es gravierende Konsequenzen für die einzigartigen natürlichen und ökologischen Merkmale des Toten Meeres haben könnte, und in der Erwägung, dass die Weltbank an einer Durchführbarkeitsstudie arbeitet, mit der die technischen, wirtschaftlichen, finanziellen, ökologischen und sozialen Dimensionen des vorgeschlagenen Konzepts für die Wasserzuführung bewertet werden sollen,

I.   in der Erwägung, dass im Friedensvertrag zwischen dem Staat Israel und dem Haschemitischen Königreich Jordanien beide Parteien der integrierten Entwicklung des Jordangrabens große Bedeutung beimaßen und übereinkamen, entlang der gemeinsamen Grenzen mit Blick auf die ökologische Sanierung des Jordan sowie den Umweltschutz der Wasserressourcen des Flusses und des Toten Meeres zusammenzuarbeiten,

J.   in der Erwägung, dass israelische, jordanische und palästinensische Gemeinden vor Ort, die hinsichtlich der Wasserversorgung denselben Herausforderungen gegenüberstehen, inzwischen zusammenarbeiten, um den Unterlauf des Jordan zu retten, und dass mit einer aktiven Zusammenarbeit zwischen den Regierungen, den Gemeinden vor Ort und den Organisationen der Zivilgesellschaft in den betreffenden Ländern und besetzten Gebieten ein großer Beitrag zu den Friedensbemühungen in der Region geleistet werden kann,

K. in der Erwägung, dass die palästinensische Bevölkerung im Westjordanland mit einer gravierenden Wasserknappheit konfrontiert ist und dass die WHO bereits gewarnt hat, dass eine schlechte Wasserversorgung auf Trinkwasser zurückzuführende Krankheiten bei einer wachsenden Zahl von Palästinensern verursacht, sowie in der Erwägung, dass die palästinensischen Landwirte durch den Mangel an Wasser für Bewässerungszwecke stark beeinträchtigt werden, wohingegen diese Methode in hohem Maße von Israel und den israelischen Siedlern im Westjordanland praktiziert wird, ferner in der Erwägung, dass ausreichende Wasserressourcen eine der wichtigsten Vorbedingungen für einen künftigen existenzfähigen palästinensischen Staat ebenso wie ein wichtiger Aspekt der Sicherheit des Staates Israel sind,

L.  in der Erwägung, dass mit EU-Finanzmitteln zu den Bestrebungen beigetragen wurde, die ökologischen Herausforderungen, die im Gebiet des Unterlaufs des Jordan gegeben sind, zu meistern,

1.  verweist auf die Schädigung des Jordan und insbesondere von dessen Unterlauf und verleiht diesbezüglich seinen gravierenden Bedenken Ausdruck;

2.  fordert die angrenzenden Länder auf, den Jordan zu sanieren, indem sie Maßnahmen entwickeln und durchführen, die sich auf ausgewogene, vernünftige und nachhaltige Praktiken der Wasserbewirtschaftung konzentrieren, insbesondere unter Beachtung des inländischen und landwirtschaftlichen Wasserbedarfs, der Wassererhaltung und der Bewirtschaftung der Abwässer und landwirtschaftlichen und industriellen Abflüsse, und sicherzustellen, dass eine adäquate Menge an Süßwasser in den Unterlauf des Jordan fließt;

3.  fordert die Regierungen Israels und Jordaniens sowie die Palästinensische Behörde auf, Kooperationsbereitschaft zu zeigen, um den Unterlauf des Jordan zu retten, und mit Unterstützung der Europäischen Union eine Kommission für das Jordanbecken einzusetzen, die als trilaterales Kooperationsforum, das auch anderen angrenzenden Ländern offenstünde, dienen würde;

4.  fordert Israel und Jordanien auf, uneingeschränkt die Verpflichtungen aus ihrem Friedensabkommen einzuhalten, die die Sanierung des Jordan sowie den Schutz der Wasserressourcen des Flusses und des Toten Meeres betreffen;

5.  begrüßt die Initiative des israelischen Umweltministeriums, einen Gesamtplan für die Landschaftsentwicklung in der Region am Unterlauf des Jordan auszuarbeiten; fordert die jordanische Regierung und die Palästinensische Behörde auf, ähnliche Initiativen zu ergreifen, um Gesamtpläne für die Sanierung der Abschnitte des Flusses zu beschließen, die durch ihre jeweiligen Hoheitsgebiete fließen, vorausgesetzt, Israel gestattet der Palästinensischen Behörde den Zugang zum Unterlauf des Jordan gemäß den einschlägigen Resolutionen des UN-Sicherheitsrates und dem Völkerrecht; stellt fest, dass derartige Gesamtpläne eine Grundlage für einen umfassenden regionalen Plan zur Sanierung und zum Schutz der Region am Unterlauf des Jordan werden könnten; nimmt zur Kenntnis, dass die Palästinensische Behörde plant, den im Johnston-Plan von 1955 angedachten West-Ghor-Kanal für die Bewässerung der angrenzenden palästinensischen Gebiete des besetzten Westjordanlands zu errichten;

6.  weist darauf hin, dass im Rahmen des Konzepts für die Wasserzuführung für das Rote und das Tote Meer nicht gegen die Schädigung des Jordan vorgegangen würde;

7.  stellt fest, dass jegliche nachhaltige Lösung zur Sanierung und Erhaltung des einzigartigen natürlichen Umfelds der Region am Unterlauf des Jordan auf einem integrierten Entwicklungsansatz basieren muss, wobei wirtschaftliche, ökologische, energiebezogene und touristische Projekte zu berücksichtigen sind, und betont in diesem Zusammenhang, wie wichtig es ist, die Gemeinden vor Ort umfassend in die Beschlussfassung einzubeziehen;

8.  begrüßt die Anwendung zahlreicherer und fortschrittlicherer Wasserbewirtschaftungsmethoden und –technologien in der Region am Unterlauf des Jordan, insbesondere in Israel, und empfiehlt einen Transfer dieser Methoden und Technologien in alle Länder der Region; unterstreicht diesbezüglich die Bedeutung der Wasserrahmenrichtlinie und ihrer allmählichen Umsetzung in die Rechtsvorschriften der Länder der Region; fordert die internationale Gemeinschaft, darunter auch die Europäische Union, auf, ihre Bemühungen im Hinblick auf die Bereitstellung weiterer finanzieller und technischer Unterstützung für Projekte in diesem Bereich auszuweiten;

9.  fordert den Rat, die Kommission und die EU-Mitgliedstaaten auf, der Lage am Jordan im Rahmen ihrer bilateralen und multilateralen Beziehungen zu den angrenzenden Ländern mehr Priorität einzuräumen und weiterhin finanzielle und technische Unterstützung im Hinblick auf die Sanierung des Flusses und insbesondere des Unterlaufs des Jordan zu liefern, auch im Rahmen der Initiative für die Mittelmeerunion;

10. ist gleichzeitig der Ansicht, dass ein klarer und konkreter Verweis auf den Sanierungsprozess in der Region in die ENP-Aktionspläne mit Israel, Jordanien und der Palästinensischen Behörde aufgenommen werden sollte; empfiehlt der Kommission nachdrücklich, eine gemeinsame Studie zum Jordan in Auftrag zu geben;

11. begrüßt die Zusammenarbeit zwischen israelischen, jordanischen und palästinensischen Gemeinden vor Ort, die hinsichtlich der Wasserversorgung in der Region am Unterlauf des Jordan denselben Herausforderungen gegenüberstehen, und betont erneut, wie wichtig vertrauensbildende Maßnahmen im Hinblick auf einen gerechten und dauerhaften Frieden im Nahen Osten sind; begrüßt außerdem die aktive Rolle von nichtstaatlichen Organisationen, darunter der „Freunde der Erde Mittlerer Osten“, im Rahmen von Maßnahmen zur Rettung des Jordan und fordert die internationale Gemeinschaft, einschließlich der Europäischen Union, auf, deren Aktivitäten weiterhin zu unterstützen;

12. betont erneut, dass die Frage der Wasserbewirtschaftung und insbesondere einer gerechten Wasserverteilung, die den Bedürfnissen aller in der Region lebenden Völker gleichermaßen Rechnung trägt, für die Nachhaltigkeit des Friedens und der Stabilität im Nahen Osten entscheidend ist, und unterstreicht die Notwendigkeit einer umfassenden Strategie in Bezug auf die wesentlichen Herausforderungen im Zusammenhang mit der Wasserversorgung in der Region;

13. fordert Israel auf, auch durch die Verringerung administrativer Restriktionen den Zugang der im Westjordanland lebenden Palästinenser zu Wasserressourcen im Einklang mit deren Ansprüchen im Rahmen des Oslo-Abkommens II und dem Völkerrecht auszuweiten sowie die Nutzung verbesserter Wasserbewirtschaftungsmethoden und –technologien, auch in Bezug auf die Abwasserbehandlung in der Region, zu erleichtern;

14. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, der Hohen Vertreterin der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, dem Sondergesandten des Nahost-Quartetts, der Knesset und der israelischen Regierung, dem Parlament und der Regierung von Jordanien, dem Parlament und der Regierung des Libanon, dem Präsidenten der Palästinensischen Behörde, dem Palästinensischen Legislativrat und dem Parlament und der Regierung Syriens zu übermitteln.