Entschließungsantrag - B7-0245/2011Entschließungsantrag
B7-0245/2011

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zur Anwendung von sexueller Gewalt in Konflikten in Nordafrika und im Nahen Osten

4.4.2011

eingereicht im Anschluss an eine Erklärung der Kommission
gemäß Artikel 110 Absatz 2 der Geschäftsordnung

Britta Thomsen, Véronique De Keyser, Emine Bozkurt, Richard Howitt, Ana Gomes, Maria Eleni Koppa im Namen der S&D-Fraktion

Siehe auch den gemeinsamen Entschließungsantrag RC-B7-0244/2011

Verfahren : 2011/2661(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
B7-0245/2011
Eingereichte Texte :
B7-0245/2011
Abstimmungen :
Angenommene Texte :

B7‑0245/2011

Entschließung des Europäischen Parlaments zur Anwendung von sexueller Gewalt in Konflikten in Nordafrika und im Nahen Osten

Das Europäische Parlament,

–   unter Hinweis auf seine Entschließung vom 26. November 2009 zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen,

–   unter Hinweis auf seine Entschließung vom 17. Januar 2008 zur Lage in der Demokratischen Republik Kongo und zu Vergewaltigung als Kriegsverbrechen[1],

–   unter Hinweis auf seine Entschließung vom 25. November 2010 zum 10. Jahrestag der Resolution 1325 (2000) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen zu Frauen, Frieden und Sicherheit,

–   unter Hinweis auf seine Entschließung vom 17. Februar 2011 zur Lage in Ägypten,

–   unter Hinweis auf seine Entschließung vom 10. März 2011 zu den südlichen Nachbarländern der EU, insbesondere Libyen,

–   unter Hinweis auf die Erklärung der Hohen Vertreterin Catherine Ashton im Namen der Europäischen Union zum Internationalen Tag für die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen (25. November 2010),

–   unter Hinweis auf die Erklärung der Hohen Vertreterin Catherine Ashton im Namen der Europäischen Union zum Weltfrauentag am 8. März 2011

–   unter Hinweis auf die Bestimmungen der Rechtsinstrumente der Vereinten Nationen im Bereich der Menschenrechte, insbesondere der Frauenrechte, wie z. B. der Charta der Vereinten Nationen, der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte sowie des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, der Konvention zur Unterbindung des Menschenhandels und der Ausnutzung der Prostitution anderer, des Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) und des dazugehörigen Fakultativprotokolls, des Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe sowie des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge von 1951 und den Grundsatz der Nichtzurückweisung (Non-refoulement),

–   unter Hinweis auf andere Instrumente der Vereinten Nationen betreffend Gewalt gegen Frauen, wie z. B. die Erklärung von Wien und das Aktionsprogramm vom 25. Juni 1993, angenommen von der Weltkonferenz über Menschenrechte (A/CONF. 157/23), und die Erklärung vom 20. Dezember 1993 über die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen (A/RES/48/104),

–   unter Hinweis auf die Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 12. Dezember 1997 zur Verbrechensverhütung und Strafrechtspflege zur Beseitigung der Gewalt gegen Frauen (A/RES/52/86), vom 18. Dezember 2002 über die Wege zur Bekämpfung von Verbrechen gegen Frauen wegen verletzter Ehre (A/RES/57/179) und vom 22. Dezember 2003 zur Beseitigung der häuslichen Gewalt gegen Frauen (A/RES/58/147),

–   unter Hinweis auf die Berichte der Sonderberichterstatter des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte über Gewalt gegen Frauen und die Allgemeine Empfehlung Nr. 19 des Ausschusses für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau (11. Tagung, 1992),

–   unter Hinweis auf die Erklärung von Peking und die Aktionsplattform, die von der Vierten Weltfrauenkonferenz am 15. September 1995 beschlossen wurden, sowie unter Hinweis auf seine Entschließungen vom 18. Mai 2000 zu den Folgemaßnahmen im Anschluss an die Aktionsplattform von Peking und vom 10. März 2005 zu Folgemaßnahmen zur Vierten Weltfrauenkonferenz – Aktionsplattform (Peking+10)[2] und vom 25. Februar 2010 zu den Folgemaßnahmen im Anschluss an die Aktionsplattform von Peking (Peking+15),

–   unter Hinweis auf die Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 19. Dezember 2006 zur Verstärkung der Bemühungen zur Beseitigung aller Formen der Gewalt gegen Frauen (A/RES/61/143) und die Resolutionen 1325 und 1820 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen über Frauen, Frieden und Sicherheit,

–       unter Hinweis auf das 1998 angenommene Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs und insbesondere die Artikel 7 und 8, worin Vergewaltigung, sexuelle Sklaverei, Zwangsprostitution, erzwungene Schwangerschaft und Zwangssterilisation und jede Form sexueller Gewalt als Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen definiert und mit Formen von Folter und schweren Kriegsverbrechen gleichgestellt werden, gleichgültig ob diese Akte während eines internationalen oder internen Konflikts, systematisch oder nicht systematisch begangen werden,

–   gestützt auf Artikel 110 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

A. in der Erwägung, dass Frauen sich an den Aufständen für mehr Demokratie, Rechte und Freiheiten in Nordafrika und dem Nahen Osten aktiv beteiligt haben,

B. in der Erwägung, dass die herrschenden Regime in Libyen und Ägypten in dem Konflikt, der durch diese Revolutionen ausgelöst wurde, sexuelle Gewalt, die sich gegen Frauen richtet und diese vor allem verwundbar machen soll, als Waffe einsetzen,

C. in der Erwägung, dass sexuelle Gewalt anscheinend als systematische Methode zur Einschüchterung und Herabwürdigung von Frauen benutzt wird, auch in Flüchtlingslagern, wo das entstandene Machtvakuum zu einer Verschlechterung der Situation in Bezug auf die Rechte von Frauen und Mädchen führen kann,

D. in der Erwägung, dass die libysche Juristin Iman al-Obeidi, die Reportern in einem Hotel in Tripolis berichtete, sie sei von einer Gruppe von Soldaten vergewaltigt und misshandelt worden, am 26. März an einem unbekannten Ort inhaftiert wurde und nun von den Männern, die sie der Vergewaltigung beschuldigt, wegen Verleumdung angeklagt wird,

E.  in der Erwägung, dass in Ägypten Demonstrantinnen berichten, sie seien Jungfräulichkeitstests durch das Militär unterzogen worden, nachdem sie am 9. März 2011 auf dem Tahrir-Platz verhaftet und danach gefoltert und vergewaltigt worden waren, wobei die Jungfräulichkeitstests in Anwesenheit männlicher Soldaten durchgeführt und fotografiert wurden.

F.  in der Erwägung, dass einige ägyptische Frauen vor Militärgerichte gestellt werden sollen, weil ihre Jungfräulichkeitstests negativ verlaufen seien,

1.  fordert die Kommission und die Regierungen der Mitgliedstaaten auf, die Anwendung von sexueller Gewalt, die der Einschüchterung dient und sich gegen Frauen in Libyen und Ägypten richtet, nachdrücklich zu verurteilen;

2.  empfiehlt, dass eine unabhängige Untersuchung eingeleitet wird und dass die Täter im Sinne der Vorgaben des Internationalen Strafgerichtshofs zur Verantwortung gezogen werden, insbesondere was die Untersuchung der von Gaddafi begangenen Verbrechen betrifft, wobei alle Sicherheits- und Streitkräfte eindeutig angewiesen werden müssen, dass Folter sowie sonstige Misshandlungen, einschließlich erzwungener Jungfräulichkeitstests, nicht mehr toleriert und umfassend untersucht werden sowie die für derartige Handlungen Verantwortlichen vor Gericht gestellt und die mutigen Frauen, die solche Misshandlungen gemeldet haben, vor Repressalien geschützt werden müssen;

3.  betont, dass jeder Mensch die Möglichkeit haben sollte, seine Meinung zur demokratischen Zukunft seines Landes zu äußern, ohne inhaftiert, gefoltert oder einer erniedrigenden und diskriminierenden Behandlung ausgesetzt zu werden;

4.  ist der festen Überzeugung, dass der Wandel, der sich in Nordafrika und im Nahen Osten vollzieht, zur Beendigung der Diskriminierung von Frauen und zu ihrer gleichberechtigten und uneingeschränkten Mitwirkung in der Gesellschaft im Einklang mit dem Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) beitragen muss;

5.  hebt hervor, dass die Rechte der Frauen in den neuen demokratischen und rechtlichen Strukturen dieser Gesellschaften generell geschützt werden müssen, und fordert in diesem Zusammenhang eine Frauenquote von 25 % für Parlaments- und Regierungsmitglieder sowie ihre Vertretung bei der Bildung der Verfassungsausschüsse vor einer Ausweitung ihrer Rolle in den künftigen Strukturen der Länder;

6.  unterstreicht die Rolle, die Frauen in Revolutionen und im Demokratisierungsprozess spielen können, hebt jedoch die spezifischen Gefahren hervor, denen Frauen möglicherweise ausgesetzt sind, und betont, dass ihre Rechte unterstützt und geschützt werden müssen;

7.  hebt hervor, dass Gender Mainstreaming in der Europäischen Nachbarschaftspolitik (ENP), die sich unverbrüchlich auf die Menschenrechte stützen sollte, verankert werden muss, und unterstreicht, dass als integraler Bestandteil des Demokratisierungsprozesses die Erfahrungen der EU in Bezug auf geschlechterspezifische Gewalt und Gleichstellung aktiv weitergegeben werden müssen;

8.  betont, wie wichtig es ist, Gender Mainstreaming durchzuführen und spezifische Maßnahmen zu unterstützen, um einen wirksamen und systematischen Ansatz in Bezug auf die Gleichstellung von Frauen und Männern in den ENP-Ländern zu erreichen; fordert die Regierungen und die Zivilgesellschaft dringend auf, die soziale Integration von Frauen zu verbessern, den Analphabetismus bei Frauen zu bekämpfen und die Beschäftigung von Frauen zu fördern, um eine adäquate Vertretung von Frauen auf allen Ebenen zu gewährleisten, wobei darüber hinaus Bildung für Frauen und Mädchen Vorrang haben sollte, einschließlich der Bildung und Sensibilisierung in Bezug auf ihre Rechte, und entscheidende Faktoren für die Teilhabe von Frauen wirtschaftliche Unabhängigkeit und positive Vorbilder sind, die durch die Förderung von Unternehmertum, möglicherweise mit Mikrokrediten, geschaffen werden können;

9.  fordert die HV/VP, den EAD und die Kommission auf, bei ihren Gesprächen mit den südlichen ENP-Ländern die politischen Prioritäten der EU – Abschaffung der Todesstrafe, Achtung der Menschenrechte, einschließlich der Menschenrechte von Frauen, Achtung der Grundfreiheiten und Ratifizierung einer Reihe von Instrumenten des Völkerrechts, einschließlich des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs und des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge aus dem Jahr 1951 – ganz oben auf ihre Tagesordnung zu setzen;

10. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission und der Vizepräsidentin der Kommission/Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik zu übermitteln.