Entschließungsantrag - B7-0348/2011Entschließungsantrag
B7-0348/2011

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zu dem anstehenden Gipfeltreffen EU-Russland in Nischni Nowgorod am 9. und 10. Juni 2011

6.6.2011

eingereicht im Anschluss an eine Erklärung der Vizepräsidentin der Kommission/Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik
gemäß Artikel 110 Absatz 2 der Geschäftsordnung

Kristiina Ojuland, Leonidas Donskis, Marielle De Sarnez, Ivo Vajgl, Graham Watson, Ramon Tremosa i Balcells, Anneli Jäätteenmäki, Marietje Schaake im Namen der ALDE-Fraktion

Siehe auch den gemeinsamen Entschließungsantrag RC-B7-0347/2011

Verfahren : 2011/2716(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
B7-0348/2011
Eingereichte Texte :
B7-0348/2011
Angenommene Texte :

B7‑0348/2011

Entschließung des Europäischen Parlaments zu dem anstehenden Gipfeltreffen EU-Russland in Nischni Nowgorod am 9. und 10. Juni 2011

Das Europäische Parlament,

–   unter Hinweis auf das derzeit geltende Partnerschafts- und Kooperationsabkommen (PKA) zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Russischen Föderation andererseits[1] sowie auf die 2008 eingeleiteten Verhandlungen über ein neues Abkommen zwischen der EU und Russland,

–   unter Hinweis auf das in der Gemeinsamen Erklärung im Anschluss an das 11. Gipfeltreffen EU-Russland vom 31. Mai 2003 in Sankt Petersburg dargelegte Ziel der Europäischen Union und Russlands, einen gemeinsamen Wirtschaftsraum, einen gemeinsamen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, einen gemeinsamen Raum der äußeren Sicherheit und einen gemeinsamen Raum der Forschung und Bildung, der auch kulturelle Aspekte umfasst, aufzubauen (die „vier gemeinsamen Räume“),

–   unter Hinweis auf seine früheren Berichte und Entschließungen zu Russland und zu den Beziehungen EU-Russland, insbesondere auf seine Entschließungen vom 17. Februar 2011 zur Rechtsstaatlichkeit, vom 17. Juni 2010 zum Gipfeltreffen EU-Russland, vom 12. November 2009 zu den Vorbereitungen auf das Gipfeltreffen EU-Russland am 18. November 2009 in Stockholm, vom 17. September 2009 zur Ermordung von Menschenrechtsaktivisten in Russland[2] und vom 17. September 2009 zu externen Aspekten der Energieversorgungssicherheit[3],

–   unter Hinweis auf die Menschenrechtskonsultationen zwischen der EU und Russland, deren jüngste Sitzung am 4. Mai 2011 stattgefunden hat,

–   unter Hinweis auf das anstehende Gipfeltreffen EU-Russland in Nischni Nowgorod am 9. und 10. Juni 2011,

–   gestützt auf Artikel 110 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

A. in der Erwägung, dass sich die Europäische Union nach wie vor um eine Vertiefung und den Ausbau der Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Russland bemüht, was sich in der Verpflichtung der EU zeigt, sich nachdrücklich um die Aushandlung eines neuen Rahmenabkommens für den Ausbau der Beziehungen zwischen der EU und Russland zu bemühen,

B.  in der Erwägung, dass die Europäische Union und Russland tiefe und umfassende Beziehungen aufgebaut haben, insbesondere in den Bereichen Energie, Wirtschaft und Unternehmen, und in der Weltwirtschaft nunmehr miteinander verflochten und aufeinander angewiesen sind,

C. in der Erwägung, dass die Beziehungen EU-Russland in den vergangenen Jahren von einer Reihe von Herausforderungen gekennzeichnet sind, insbesondere in Bezug auf die Besorgnis über Demokratie und Menschenrechte in Russland, über die Unabhängigkeit der Justiz, über eine unzulässige Kontrolle der Medien, über die Unfähigkeit der russischen Polizei und Justizbehörden, die für die Ermordung von Journalisten Verantwortlichen zu ermitteln, über repressive Maßnahmen gegen die Opposition, über die selektive Anwendung von Gesetzen durch die Behörden und über die Fairness von Wahlen,

D. in der Erwägung, dass sich Russland als Mitglied des Europarats den von diesem unterstützten Grundsätzen der Demokratie, der Achtung der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit verpflichtet hat, und in der Erwägung, dass sich für Russland als Mitglied in der OSZE und als ständiges Mitglied des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen ein ähnliches Engagement und ähnliche Verpflichtungen ergeben,

E.  in der Erwägung, dass sich Russland um einen Beitritt zur WTO beworben hat und die Verhandlungen nahezu abgeschlossen sind,

F.  in der Erwägung, dass der Vertrag von Lissabon darauf abzielt, die Europäische Union mehr denn je in die Lage zu versetzen, in den Außenbeziehungen mit einer Stimme zu sprechen, auch in ihren Beziehungen zu Russland, und eine einheitliche Politik auf der Grundlage von Solidarität und Achtung der Werte der EU umzusetzen, obwohl Russland dazu neigt, sich auf bilaterale Beziehungen zu einigen der EU-Mitgliedstaaten zu konzentrieren,

1.  bekräftigt seine umfassende Zusage, die Beziehungen zwischen der EU und Russland auszubauen und zu vertiefen, nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in einem breiteren politischen Rahmen, und zur Bewältigung weltweiter Herausforderungen zusammenzuarbeiten;

2.  verleiht seiner Hoffnung Ausdruck, dass auf dem Gipfeltreffen Fortschritte in den Verhandlungen über ein neues Abkommen zwischen der EU und Russland erzielt werden, und bekräftigt seine Unterstützung für ein umfassendes Abkommen, in dem nicht nur auf die wirtschaftliche Zusammenarbeit eingegangen wird, sondern das auch die Bereiche Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Achtung der Menschenrechte und der Grundrechte umfasst und die Grundlage für eine konstruktive und vertiefte Zusammenarbeit auf allen Gebieten bildet;

3.  begrüßt, dass auf dem Gipfeltreffen in Nischni Nowgorod insbesondere die Wirtschafts- und Finanzkrise, die Partnerschaft für Modernisierung, Angelegenheiten im Zusammenhang mit dem Beitritt Russlands zur WTO, die Zusammenarbeit in der Energiepolitik und die Liberalisierung der Visumregelung behandelt werden, betont jedoch, dass auf dem Gipfeltreffen auch auf regionalpolitische Angelegenheiten und Fragen zu Rechtsstaatlichkeit und Demokratie in Russland eingegangen werden sollte;

4.  hebt hervor, dass das Gipfeltreffen zu einem entscheidenden Zeitpunkt im Hinblick auf die Vorbereitungen auf die Wahlen zur Staatsduma im Dezember stattfindet, und weist darauf hin, dass sich die Registrierung politischer Parteien und von Kandidatenlisten bei den vorhergehenden Wahlen als äußerst wichtig erwiesen haben; fordert deshalb die EU-Vertreter auf dem Gipfeltreffen auf, den russischen Gastgebern zu verdeutlichen, wie wichtig demokratische Regeln und ein funktionierendes Mehrparteiensystem sind; hofft, dass Russland internationalen Beobachtern Zugang zu den Wahlen im Dezember gewährt und die Beobachter auch in der Zeit vor dem Wahlkampf einreisen lässt;

5.  fordert die russischen Behörden auf, dafür zu sorgen, dass alle politischen Kräfte auf fairer Grundlage an den Wahlen zur Staatsduma im Dezember teilnehmen können und dass ein wirklicher, freier und fairer Wahlkampf mit gleichberechtigtem Zugang zu den Medien und ohne unzulässige Einmischung der staatlichen Stellen durchgeführt werden kann; betont, dass es nicht hinnehmbar ist, Druck auf Kandidaten oder potenzielle Kandidaten auszuüben oder in irgendeiner anderen Weise die freie demokratische Willensbildung zu behindern;

6.  hofft, dass auf dem Gipfeltreffen dazu beigetragen werden kann, im Anschluss an die bilaterale Vereinbarung zwischen der EU und Russland vom Dezember 2010 über die Unterstützung des Beitritts Russlands zur WTO die noch offenen diesbezüglichen Fragen zu lösen, betont, dass eine WTO-Mitgliedschaft Russland dabei helfen wird, mehr Auslandsinvestitionen anzuziehen und seine Wirtschaft zu diversifizieren, und zwar durch einen Regelungsrahmen, durch den das Vertrauen der Investoren gestärkt wird; fordert die EU-Vertreter auf, gegen protektionistische Maßnahmen der russischen Seite zu protestieren, für die häufig der Gesundheitsschutz als Grund angeführt wird;

7.  unterstützt den laufenden Dialog über Visumangelegenheiten zwischen der EU und Russland wie mit anderen Ländern der Östlichen Partnerschaft, betont, dass visumfreies Reisen das Ziel bleiben muss, hebt jedoch hervor, dass die gegenwärtigen Anforderungen an die Registrierung von Ausländern in Russland dem Geist des bereits geltenden Abkommens zur Erleichterung der Ausstellung von Visa zuwiderlaufen; weist darauf hin, dass die EU und Russland die geschlossenen Abkommen vollständig umsetzen müssen;

8.  äußert große Besorgnis über die Rechtsstaatlichkeit in Russland und über die offenkundigen Mängel des Justizsystems des Landes; stellt fest, dass bei den Ermittlungen zum Tod von Sergei Magnizki keinerlei Fortschritte erzielt wurden, äußert nochmals seine Besorgnis über die zahlreichen Justizmängel im Fall Chodorkowski und anderen Fällen; fordert die russischen Behörden auf, Justiz- und Verwaltungsreformen zur Stärkung der Rechtsstaatlichkeit in Russland voranzutreiben und der Einflussnahme der Politik auf die Justiz ein Ende zu setzen;

9.  bedauert, dass entgegen den Verpflichtungen Russlands, als Mitglied des Europarats die Versammlungsfreiheit zu gewährleisten, friedliche Zusammenkünfte von Bürgern nach wie vor verboten oder gewaltsam aufgelöst werden, darunter auch im sechsten Jahr nacheinander die Gay-Pride-Parade in Moskau, und zwar unter Missachtung des endgültigen Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom April 2011, in dem Russland auferlegt wird, solche Versammlungen zu genehmigen, bedauert, dass der Europäische Auswärtige Dienst sich geweigert hat, die Organisatoren der Parade öffentlich zu unterstützen, und fordert die EU-Vertreter auf, auf dem Gipfeltreffen deutlich zu machen, dass die EU solche Verbote missbilligt;

10. begrüßt, dass auf dem Gipfeltreffen energiepolitische Fragen und die Energieversorgungssicherheit behandelt werden, und bekräftigt seine Forderung, die Grundsätze der Energiecharta und des dazugehörigen Transitprotokolls vollständig in das neue Abkommen zwischen der EU und Russland zu integrieren; begrüßt die Vereinbarung über einen verbesserten Frühwarnmechanismus vom Februar 2001 und die Vereinbarung über die Einrichtung eines Erdgasbeirats und hofft, dass diese Maßnahme um Vereinbarungen über den gleichberechtigten Zugang zu Märkten und Infrastrukturinvestitionen ergänzt wird;

11. fordert den Rat und die Kommission auf, in den Bereichen Klimawandel und erneuerbare Energiequellen mit der russischen Seite gleichberechtigt zusammenzuarbeiten;

12. fordert erneut eine Intensivierung des Menschenrechtsdialogs zwischen der EU und Russland und wiederholt seine Forderung, diesen Prozess so zu öffnen, dass das Europäische Parlament und die Staatsduma effizient daran mitwirken können; weist die Kommission und den Rat auf den vom Europäischen Parlament im Haushaltsplan 2011 angenommenen Vorschlag hin, in Verbindung mit den zweimal jährlich stattfindenden Gipfeltreffen EU-Russland einen Meinungsaustausch der Zivilgesellschaft zwischen der EU und Russland zu veranstalten;

13. fordert den Rat und die Kommission auf, ihre Anstrengungen zu verdoppeln, um die Probleme beim Überschreiten der Grenze zwischen der EU und Russland zu lösen, konkrete Vorhaben einzuleiten und das neue Nachbarschafts- und Partnerschaftsinstrument sowie die Mittel aus dem INTERREG-Fonds vollständig für die länderübergreifende Zusammenarbeit zu nutzen, und fordert Russland auf, sich umfassend an der EU-Strategie für den Ostseeraum zu beteiligen, insbesondere im Hinblick auf die Verbesserung des Schutzes der Meeresumwelt und den Umweltschutz in der empfindlichen Ostsee;

14. fordert die EU-Vertreter auf, auf dem Gipfeltreffen jede sich bietende Gelegenheit zu nutzen, um die Besorgnis der EU über eine Reihe internationaler Angelegenheiten, bei denen eine konstruktive Zusammenarbeit Russlands von entscheidender Bedeutung ist, zum Ausdruck zu bringen; stellt fest, dass insbesondere die offenen Fragen in Transnistrien, Georgien und im Südkaukasus gelöst werden müssen, dass angesichts der Haltung Russlands in der internationalen Politik aber auch eine verstärkte Zusammenarbeit in allen internationalen Angelegenheiten erforderlich ist;

15. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung der Vizepräsidentin der Kommission / Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik und den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten und der Russischen Föderation zu übermitteln.