Entschließungsantrag - B7-0481/2011Entschließungsantrag
B7-0481/2011

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zu den Bemühungen der EU zur Bekämpfung von Korruption

7.9.2011

eingereicht im Anschluss an die Anfragen zur mündlichen Beantwortung B7‑0419/2011, B7-0420/2011, B7-0422/2011, B7-0423/2011, B7-0424/2011 und B7‑0425/2011
gemäß Artikel 115 Absatz 5 der Geschäftsordnung

Monica Luisa Macovei, Mariya Ivanova Nedelcheva, Manfred Weber, Simon Busuttil, Agustín Díaz De Mera, Salvatore Iacolino, Marietta Giannakou, Jean-Pierre Audy, Roberta Angelilli im Namen der PPE-Fraktion
Hannes Swoboda, Ana Gomes, Claude Moraes, Jens Geier, Rita Borsellino, Rosario Crocetta im Namen der S&D-Fraktion
Renate Weber, Sonia Alfano, Nathalie Griesbeck, Ramon Tremosa i Balcells, Louis Michel, Jan Mulder, Sarah Ludford, Andrea Zanoni, Jens Rohde im Namen der ALDE-Fraktion
Jan Philipp Albrecht, Eva Joly, Judith Sargentini im Namen der Verts/ALE-Fraktion
Dennis de Jong, Søren Bo Søndergaard, Jean-Luc Mélenchon im Namen der GUE/NGL-Fraktion
Timothy Kirkhope im Namen der ECR-Fraktion


Verfahren : 2011/2744(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
B7-0481/2011

B7‑0481/2011

Entschließung des Europäischen Parlaments zu den Bemühungen der EU zur Bekämpfung von Korruption

Das Europäische Parlament,

–   unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss vom 6. Juni 2011 mit dem Titel „Korruptionsbekämpfung in der EU“ (KOM(2011) 308) und den Beschluss der Kommission (K(2011) 3673 endgültig) zur Einführung eines Berichterstattungsmechanismus für die regelmäßige Bewertung der Korruptionsbekämpfung in der EU („Korruptionsbekämpfungsbericht der EU“),

­    unter Hinweis auf die Artikel 67 Absatz 3 und 83 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union und das Stockholmer Programm „Ein offenes und sicheres Europa im Dienste und zum Schutz der Bürger“,

­    unter Hinweis auf seine schriftliche Erklärung 2/2010 zu den Bemühungen der Union zur Bekämpfung der Korruption,

­    unter Hinweis auf den Rahmenbeschluss 2003/568/JI des Rates vom 22. Juli 2003 zur Bekämpfung der Bestechung im privaten Sektor,

­    unter Hinweis auf das EU-Übereinkommen aufgrund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften (ABl. C 316, 27.11.1995) und das EU-Protokoll aufgrund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union zum Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften (ABl. C 313, 23.10.1996), durch die Betrug und Korruption zum Nachteil der finanziellen Interessen der EU unter Strafe gestellt werden,

­    unter Hinweis auf das EU-Übereinkommen aufgrund von Artikel K.3 Absatz 2 Buchstabe c des Vertrags über die Europäische Union über die Bekämpfung der Bestechung, an der Beamte der Europäischen Gemeinschaften oder der Mitgliedstaaten der Europäischen Union beteiligt sind (ABl. C 195, 25.6.1997), durch das Betrug und Korruption ohne Bezug zu den finanziellen Interessen der EU unter Strafe gestellt werden,

–   gestützt auf Artikel 115 Absatz 5 und Artikel 110 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

A. in der Erwägung, dass Korruption ein Bereich besonders schwerer Kriminalität mit grenzüberschreitender Dimension ist und oft Auswirkungen über die EU-Grenzen hinweg und darüber hinaus hat, und in der Erwägung, dass der Europäischen Union generell das Recht zusteht, im Bereich der Korruptionsbekämpfung tätig zu werden;

B.  in der Erwägung, dass die Union gemäß Artikel 67 AEUV verpflichtet ist, ein hohes Maß an Sicherheit zu gewährleisten, auch durch Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung von Kriminalität sowie durch Angleichung der strafrechtlichen Vorschriften, und in der Erwägung, dass in Artikel 83 AEUV Korruption unter den Bereichen besonders schwerer Kriminalität mit grenzüberschreitender Dimension aufgeführt wird;

C. in der Erwägung, dass im Stockholmer Programm (4.1) die Korruption unter den grenzübergreifenden Bedrohungen aufgeführt wird, die weiterhin Herausforderungen für die innere Sicherheit der EU darstellen und ein deutliches und umfassendes Handeln erfordern;

D. in der Erwägung, dass vier von fünf EU-Bürgern der Meinung sind, dass die Korruption in ihrem Mitgliedstaat ein ernstes Problem darstellt (2009 Eurobarometer-Umfrage zur Haltung der Europäer gegenüber Korruption), und dass sich bei der 2008 durchgeführten öffentlichen Konsultation zum Stockholmer Programm 88 % der Befragten dafür ausgesprochen haben, dass die EU verstärkt gegen Korruption vorgehen sollte;

E.  in der Erwägung, dass infolge von Korruptionsdelikten Mittel in Höhe von schätzungsweise 120 Mrd. EUR jährlich (1 % des BIP der EU) ausfallen (KOM(2011) 308);

F.  in der Erwägung, dass Korruption die Rechtsstaatlichkeit untergräbt, zum Missbrauch von EU-Steuergeldern und zu Wettbewerbsverzerrungen führt und in der derzeitigen Wirtschaftskrise eine Rolle gespielt hat,

G. in der Erwägung, dass die wirtschaftliche Erholung von Mitgliedstaaten, die von der Wirtschafts- und Finanzkrise getroffen wurden, durch Korruption, Steuerhinterziehung, Steuerbetrug und sonstige Wirtschaftsverbrechen behindert wird;

H. in der Erwägung, dass Korruption soziale Probleme verursacht, wenn kriminelle Vereinigungen auf Bestechung zurückgreifen, um andere schwerwiegende Straftaten, wie Menschen- und Drogenhandel, zu begehen (KOM(2011) 308);

I.   in der Erwägung, dass es einen Mangel an politischem Willen der politischen Führer und Entscheidungsträger gibt, gegen sämtliche Formen der Korruption vorzugehen, und dass die Umsetzung der Rechtsvorschriften für die Korruptionsbekämpfung in den einzelnen Mitgliedstaaten uneinheitlich und insgesamt nicht zufriedenstellend ist (KOM(2011) 308);

J.   unter Hinweis auf die Tatsache, dass drei Mitgliedstaaten das Strafrechtsübereinkommen des Europarats über die Korruptionsbekämpfung nicht ratifiziert haben, 12 Mitgliedstaaten das diesbezügliche Zusatzprotokoll nicht ratifiziert haben und sieben Mitgliedstaaten das Zivilrechtsübereinkommen über die Korruptionsbekämpfung nicht ratifiziert haben; unter Hinweis auf die Tatsache, dass drei Mitgliedstaaten das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Korruption (UNCAC) noch nicht ratifiziert haben und fünf Mitgliedstaaten die OECD-Konvention gegen die Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr noch nicht ratifiziert haben;

K. in der Erwägung, dass das gegenseitige Vertrauen unter den Mitgliedstaaten ernsthaft untergraben wird, wenn Korruption wahrgenommen wird, wodurch die Zusammenarbeit im Bereich Justiz und Inneres betroffen wird;

L.  in der Erwägung, dass die justizielle Zusammenarbeit in Korruptionsfällen mit grenzüberschreitender Dimension weiterhin kompliziert und verhalten ist;

M. in der Erwägung, dass die Gefahr besteht, dass das Vertrauen in die demokratischen Einrichtungen schwindet und die Rechenschaftspflicht der politischen Führer abgeschwächt wird, wenn man nicht entschlossen und in geeigneter Weise gegen Korruption vorgeht;

N. in der Erwägung, dass sich viele Diktaturen durch Korruption an der Macht halten und ihnen ermöglicht wird, beträchtliche Geldbeträge auf ausländische Bankkonten, auch europäische Konten, zu schleusen; in der Überzeugung, dass die Mitgliedstaaten ihre Bemühungen zur Ermittlung und zum Einfrieren ausländischer gestohlener Vermögenswerte verstärken müssen, damit sie ihren rechtmäßigen Eigentümern zurückgegeben werden können;

1.  begrüßt die Tatsache, das die Kommission am 6. Juni 2011 ihr Paket von Maßnahmen zur Bekämpfung der Korruption[1] verabschiedet hat, zu dem die Mitteilung über die Bekämpfung der Korruption in der EU und ein Beschluss über die Einführung des „Korruptionsbekämpfungsberichts der EU“ gehören;

2.  fordert die Kommission auf, der Bekämpfung von Korruption im Kontext ihrer Sicherheitsagenda für die kommenden Jahre Priorität einzuräumen, auch was die Humanressourcen betrifft, die ihr zugewiesenen werden;

3.  fordert die Kommission auf, sich über ihren Berichterstattungsmechanismus mit dem wichtigsten neuralgischen Punkt der wirksamen Durchsetzung von Rechtsvorschriften zur Korruptionsbekämpfung sowie abschreckender Sanktionen zu befassen, einschließlich derjenigen, die von Strafverfolgungs- und Justizbehörden verhängt werden;

4.  fordert die Kommission auf, sich mit der Umsetzung und Durchsetzung von EU-Rechtsvorschriften zur Korruptionsbekämpfung, einschließlich abschreckender Sanktionen, zu befassen und Schritte zu unternehmen, um auf die Umsetzung und Durchsetzung einschlägiger internationaler und regionaler Rechtsinstrumente zur Korruptionsbekämpfung durch die Mitgliedstaaten hinzuwirken;

5.  fordert die Kommission auf, bei der Umsetzung des Berichterstattungsmechanismus der EU zur Korruptionsbekämpfung dafür zu sorgen, dass unabhängige Sachverständige zu der Sachverständigengruppe und dem Netz von Forschungskorrespondenten gehören, dass alle Sachverständigen nachweislich über ein hohes Niveau von Zuverlässigkeit, Ansehen und Sachverstand verfügen und dass vielfältige Organisationen der Zivilgesellschaft vertreten sind;

6.  ersucht die Kommission, die Herausgabe von Zwischenberichten über die Korruptionsbekämpfung vor 2013 in Betracht zu ziehen, denn in vielen Mitgliedstaaten wird angesichts der derzeitigen Wirtschaftskrise die Befassung mit diesem Thema als vordringlich angesehen;

7.  fordert die Kommission auf, angesichts der grenzüberschreitenden Dimension von Korruption und ihrer Auswirkungen auf den Binnenmarkt auf der Grundlage des Artikels 83 Absatz 1 AEUV tätig zu werden und Mindestvorschriften zur Festlegung von Strafen im Bereich der Korruption festzulegen;

8.  nimmt mit Sorge zur Kenntnis, dass es bei der Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rates zur Bekämpfung der Bestechung im privaten Sektor durch die Mitgliedstaaten keinen Fortschritt gibt; fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, die Bestimmungen dieses Rahmenbeschlusses umzusetzen und durchzusetzen;

9.  fordert den Rat und die Mitgliedstaaten auf, die EU-Übereinkommen von 1995 und 1997, durch die Betrug und Korruption unter Strafe gestellt werden, vollständig umzusetzen;

10. schlägt die Kommission vor, weitere Maßnahmen auf EU-Ebene in Richtung auf eine Harmonisierung von Rechtsvorschriften zum Schutz von Informanten (einschließlich des Schutzes gegen Klagen wegen Verleumdung und Diffamierung) und zur strafrechtlichen Ahndung unrechtmäßiger Bereicherung zu ergreifen;

11. fordert die EU-Institutionen, einschließlich der sonstigen EU-Stellen, und die Mitgliedstaaten auf, für mehr Transparenz durch die Erstellung von Verhaltenskodizes bzw. die Verbesserung bereits bestehender Verhaltenskodizes zu sorgen, die zumindest eindeutige Regeln zu Interessenkonflikten enthalten müssen, und Maßnahmen zur Verhinderung und Bekämpfung von Korruption, die die Politik und die Medien infiltriert, auch dadurch zu ergreifen, dass sie die Transparenz und die Aufsicht über die Finanzierung und die Finanzausstattung verstärken;

12. fordert die Mitgliedstaaten auf, finanzielle und personelle Ressourcen in die Korruptionsbekämpfung zu investieren; betont, dass die Mitgliedstaaten mit Europol, Eurojust und OLAF bei der Ermittlung und Verfolgung von Straftaten im Zusammenhang mit Korruption zusammenarbeiten müssen;

13. fordert die Kommission und Eurojust auf, für einen effizienteren und beschleunigten Austausch von Dokumenten und Informationen zwischen den nationalen Gerichten in Korruptionsfällen mit grenzüberschreitender Dimension zu sorgen;

14. fordert den Rat auf, für das notwendige politische Engagement – an dem es derzeit in einigen Mitgliedstaaten fehlt – für die Bekämpfung von Korruption und die Umsetzung der Maßnahmen zu sorgen, die von der Kommission über ihr Paket von Maßnahmen zur Bekämpfung der Korruption und das weiter gehende Paket zum Schutz der legalen Wirtschaft verabschiedet wurden;

15. fordert den Rat und die Kommission auf, das derzeitige Netz nationaler Kontaktstellen gegen Korruption effizienter zu gestalten, und ersucht die Kommission, das Europäische Parlament über die Tätigkeiten dieses Netzes zu unterrichten;

16. fordert den Rat und die Mitgliedstaaten auf, die Konvention der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) gegen die Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr zu ratifizieren und vollständig umzusetzen; betont die negativen Auswirkungen, die die Bestechung ausländischer Amtsträger auf die Politik der Union in den Bereichen Menschenrechte, Umwelt und Entwicklung hat;

17. ist der Ansicht, dass zur Bekämpfung der Korruption größere Transparenz bei Finanztransaktionen gehört, insbesondere denjenigen, an denen die so genannten Offshore-Länder innerhalb der EU oder sonst wo in der Welt beteiligt sind;

18. ersucht den Rat darum, in Zusammenarbeit mit der Kommission Abkommen mit Drittländern (insbesondere den so genannten Offshore-Ländern) zum Zwecke der Gewährung des Informationsaustausches über Bankkonten und Finanztransaktionen mit Bezug auf EU-Bürger und -Unternehmen in diese Länder abzuschließen;

19. fordert die Kommission auf, die Bekämpfung des Missbrauchs anonymer Mantelgesellschaften in so genannten „Secrecy Jurisdictions“ (Ländern mit strengem Bankgeheimnis), durch den kriminelle Finanzströme ermöglicht werden, zu einem Kernstück der anstehenden Reform der Geldwäscherichtlinie zu machen;

20. fordert die Kommission nachdrücklich auf, für eine vertiefte politische Abstimmung des Berichterstattungsmechanismus zur Korruptionsbekämpfung mit der neuen Betrugsbekämpfungsstrategie und der Gesetzesinitiative zur Einziehung von Erträgen aus Straftaten zu sorgen, die zum weiter gehenden Paket zum Schutz der legalen Wirtschaft gehören;

21. ersucht die Kommission, dem Europäischen Parlament alljährlich über die Umsetzung der EU-Politik zur Korruptionsbekämpfung Bericht zu erstatten und Zwischenberichte zu spezifischen Problemen im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Korruption in der EU vorzulegen, sofern dies sachgerecht und möglich ist;

22. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung der Kommission und dem Rat der Europäischen Union zu übermitteln.