Entschließungsantrag - B7-0142/2012Entschließungsantrag
B7-0142/2012

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zu Kasachstan (2012/2553(RSP))

7.3.2012

eingereicht im Anschluss an eine Erklärung der Vizepräsidentin der Kommission/Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik
gemäß Artikel 110 Absatz 2 der Geschäftsordnung

Liisa Jaakonsaari, Ana Gomes im Namen der S&D-Fraktion

Siehe auch den gemeinsamen Entschließungsantrag RC-B7-0135/2012

Verfahren : 2012/2553(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
B7-0142/2012
Eingereichte Texte :
B7-0142/2012
Aussprachen :
Angenommene Texte :

B7‑0142/2012

Entschließung des Europäischen Parlaments zu Kasachstan (2012/2553(RSP))

Das Europäische Parlament,

–   unter Hinweis auf die in Artikel 21 des Vertrags über die Europäische Union festgelegten allgemeinen Bestimmungen über das auswärtige Handeln der Union sowie auf das in Artikel 218 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union festgelegte Verfahren zum Abschluss internationaler Übereinkünfte,

–   unter Hinweis auf die EU-Strategie für Zenralasien,

–   unter Hinweis auf das 1999 in Kraft getretene Partnerschafts- und Kooperationsabkommen zwischen der EG und Kasachstan, insbesondere dessen Artikel 2 im Abschnitt allgemeine Grundsätze,

–   unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates zu Kasachstan vom 24. Mai 2011,

–   unter Hinweis auf die Erklärungen zu Kasachstan im Ständigen Rat der OSZE vom 3. November und 22. Dezember 2011 und vom 19. Januar, 26. Januar und 9. Februar 2012 sowie auf die Erklärungen der Hohen Vertreterin/Vizepräsidentin Catherine Ashton vom 17. Dezember 2011 zu den Ereignissen im Bezirk Shanaosen und vom 17. Januar 2012 zu den Parlamentswahlen in Kasachstan vom 15. Januar 2012,

–   unter Hinweis auf die Erklärung zu den vorläufigen Erkenntnissen und den Schlussfolgerungen der Wahlbeobachtungsmission unter Führung der OSZE und des ODIHR, die die Parlamentswahlen vom 15. Januar 2012 beobachtete,

–   unter Hinweis auf die Erklärung des OSZE-Vertreters für Medienfreiheit vom 25. Januar 2012 zur Lage der Medien in Kasachstan,

–   unter Hinweis auf die Erklärung des Direktors des OSZE-Büros für demokratische Institutionen und Menschenrechte vom 1. Februar 2012 zum gewaltsamen Vorgehen gegen die Opposition in Kasachstan,

–   unter Hinweis auf seine Entschließung zur vom 15. Dezember 2011 zur EU-Strategie für Zentralasien, insbesondere deren Ziffern 64-68 zu Kasachstan,

–   unter Hinweis auf Ziffer 23 seiner Entschließung vom 16. Februar 2012 zum Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen,

–   gestützt auf Artikel 110 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

A. in der Erwägung, dass sowohl die EU als auch Kasachstan von einer engeren Zusammenarbeit stark profitieren könnten und das Europäische Parlament dieses Ziel unterstützt, wobei die wirtschaftliche Zusammenarbeit jedoch unbedingt mit der politischen Zusammenarbeit einhergehen und auf dem politischen Willen beruhen muss, gemeinsame Werte umzusetzen und aufrechtzuerhalten;

B.  in der Erwägung, dass im Juni 2011 Verhandlungen über ein neues verstärktes Abkommen zwischen der EU und Kasachstan aufgenommen wurden, das das derzeitige Partnerschafts- und Kooperationsabkommen ersetzen soll;

C. in der Erwägung, dass am 16. Dezember 2011 bei Unruhen in der Stadt Shanaosen in Westkasachstan zahlreiche Menschen getötet und noch viele mehr verwundet wurden; in der Erwägung, dass nach Angaben der Behörden 17 Menschen gestorben sind, dass die Zahl der Opfer nach Aussagen von Augenzeugen jedoch viel höher gewesen sein muss;

D. in der Erwägung, dass Ölarbeiter ein halbes Jahr zuvor für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen in Streik getreten waren, dass es jedoch stattdessen zu Massenentlassungen gekommen war und zahlreiche Familien in große Schwierigkeiten geraten waren, ihren Lebensunterhalt zu sichern; in der Erwägung, dass gewerkschaftliche Aktivitäten stark unterdrückt worden waren, Frust und Wut aufgekommen waren und die Demonstrationen am 16. Dezember mit Gewalt beantwortet wurden, unter anderem durch den Beschuss fliehender, offensichtlich unbewaffneter Demonstranten durch die Sicherheitskräfte, was in einem Videoclip auf Youtube dokumentiert wurde und worüber auch in den Nachrichten verlässlicher Medien berichtet wurde;

E.  in der Erwägung, dass die tatsächlichen Geschehnisse am 16. Dezember in Shanaosen weiterhin im Unklaren bleiben; in der Erwägung, dass anfänglich die Kommunikationsverbindungen von den Behörden unterbrochen wurden und dann der Zugang zur Stadt unter einem bis zum 31. Januar 2012 andauernden Ausnahmezustand kontrolliert wurde; in der Erwägung, dass die Einschüchterung und die gewaltsamen Angriffe auf unabhängige Medien, gepaart mit einem Klima der Angst unter den Bürgern, die weitere Aufklärung der Ereignisse behindern;

F.  in der Erwägung, dass die für die Erschießungen und die anderen gewalttätigen Aktionen verantwortlichen Personen zur Rechenschaft gezogen werden müssen; in der Erwägung, dass Ermittlungen durch die Behörden allein nicht ausreichen werden, um Vertrauen zu schaffen, und dass die Behörden zwar erklärt haben, sie stünden einer Übernahme bestimmter Aufgaben durch internationale Akteure offen gegenüber, jedoch noch keine offizielle Einladung dazu ausgesprochen haben;

G. in der Erwägung, dass verschiedenen Berichten zufolge Inhaftierte gefoltert und misshandelt wurden; in der Erwägung, dass diesbezüglich auch glaubwürdige Untersuchungen mit anschließenden geeigneten gerichtlichen Schritten erforderlich sind;

H. in der Erwägung, dass sich die Menschenrechtssituation in Kasachstan lange vor den Ereignissen Mitte Dezember merklich verschlechtert hatte und dass dies immer noch andauert, was aus den Erklärungen im Ständigen Rat der OSZE und den jüngsten Erklärungen des OSZE-Vertreters für Medienfreiheit und des Direktors des OSZE-Büros für demokratische Institutionen und Menschenrechte deutlich wurde;

I.   in der Erwägung, dass in den vor kurzem verabschiedeten Gesetzen zu Religion, Massenmedien und nationaler Sicherheit allesamt Bestimmungen enthalten sind, die die antiliberalen Ausprägungen des politischen Systems in Kasachstan weiter stärken und den erklärten Demokratiesierungsbestrebungen des Landes widersprechen;

J.   in der Erwägung, dass das Amtsgericht Aktau Natalia Sokolova, die Rechtsanwältin der Ölarbeiter, für schuldig befand, „sozialen Unfrieden gestiftet“ und „aktiv an illegalen Versammlungen teilgenommen“ zu haben, und sie zu 6 Jahren Haft verurteilte;

K. in der Erwägung, dass die internationale Wahlbeobachtungsmission unter Führung der OSZE und des ODIHR am 15. Januar 2012 die Auffassung vertreten hat, dass die Parlamentswahlen nicht den Grundprinzipien demokratischen Wahlen genügten;

L.  in der Erwägung, dass in den letzten beiden Monaten die Oppositionsparteien Alga und Azat sowie unabhängige Medien wie die Zeitungen Vzglyad, Golos Republik und Respublika und der Fernsehsender Stan TV Zielscheibe zunehmender Repressionen waren, wobei unter anderem der Führer der Alga-Partei Wladimir Koslow und der Vzglyad-Chefredakteur Igor Vinyavski festgenommen wurden;

M. in der Erwägung, dass die Tatsache, dass Wladimir Koslow kurz nach seiner Rückkehr von Sitzungen im Europäischen Parlament festgenommen wurde, dem Europäischen Auswärtigen Dienst der EU zusätzlichen Grund zur Sorge gibt und deutlich macht, wie wichtig es ist, dass das Parlament in der Lage ist, einen Dialog mit einer großen Bandbreite von Akteuren in den Partnerländern der EU zu führen, ohne dass dies irgendwelche nachteiligen Folgen für unsere Gesprächspartner hat;

1.  bekundet den Angehörigen der Personen, die bei den Ereignissen in der Provinz Mangistau in Westkasachstan getötet wurden bzw. seither vermisst werden, sein tiefes Mitgefühl;

2.  verurteilt die Gewalt in Shanaosen, bei der unter anderem Sicherheitskräfte auf Demonstranten schossen; unterstreicht, wie wichtig es ist, dass die dafür Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden und dass alle Gerichtsverfahren offen und transparent verlaufen;

3.  fordert eine unabhängige internationale Untersuchung der Ereignisse;

4.  bekundet seine Absicht, als Teil seiner Beziehungen zu Kasachstan den Dialog mit Akteuren der Zivilgesellschaft im Einklang mit seinen Praktiken in den Beziehungen zu anderen Drittländern fortzuführen; erwartet, dass dieser Dialog respektiert wird, und weist darauf hin, dass ihm durchaus am Wohle seiner Gesprächspartner gelegen ist;

5.  vertritt die Auffassung, dass die schlechte Handhabung des Arbeitskampfs im Ölsektor in Westkasachstan der Hauptgrund für die zunehmende Unzufriedenheit der Bevölkerung vor den Geschehnissen Mitte Dezember 2011 war; ist davon überzeugt, dass die Anerkennung des Rechts der Arbeitnehmer auf Organisation in Wort und Tat, gegenseitiger Respekt zwischen Gewerkschaftsvertretern, Arbeitgebern und Behörden, die Wiedereinstellung entlassener Arbeitnehmer bzw. neue Arbeitsplätze für die Betroffenen, die Unterstützung von Familien, die schwer unter den Folgen der jüngsten Ereignisse leiden, und die Schaffung von Vertrauen in die Strafverfolgungsbehörden der Schlüssel für die Erreichung von sozialem Frieden und dauerhafter Stabilität sind;

6.  begrüßt, dass der Menschenrechtsaktivist Jewgeni Schowtis vor kurzem freigelassen wurde;

7.  bedauert, dass es sonst nur wenige Ausnahmen von der negativen Entwicklung im Menschenrechtsbereich in Kasachstan gibt, die schon seit geraumer Zeit besteht und sich zuletzt verschärft hat;

8.  legt der kasachischen Regierung nahe, der negativen Entwicklung im Menschenrechtsbereich Einhalt zu gebieten und sie umzukehren; betont, dass die Fortschritte bei den Verhandlungen über das neue verstärkte Partnerschafts- und Kooperationsabkommen zwischen der EU und Kasachstan von Fortschritten bei den politischen Reformen abhängen;

9.  fordert die kasachische Regierung auf, das gewaltsame Vorgehen gegen die politische Opposition und die unabhängigen Medien im Lande einzustellen und alle Personen, die aus offenbar politischen Gründen inhaftiert wurden, einschließlich des Führers der Alga-Partei Wladimir Koslow, des Chefredakteurs der Zeitung Vzglyad Igor Vinyavski und der Rechtsanwältin der streikenden Ölarbeiter Natalia Sokolova sowie alle in den jüngsten Erklärungen im Ständigen Rat der OSZE erwähnten Personen, die sich immer noch in Haft befinden, freizulassen;

10. legt der kasachischen Regierung nahe, die Achtung der Versammlungsfreiheit, der Vereinigungsfreiheit, der freien Meinungsäußerung und der Religionsfreiheit rasch zu verbessern und dabei auf den Empfehlungen der Vertreter und Gremien der OSZE aufzubauen und besonderes Augenmerk auf die internationalen Verpflichtungen Kasachstans und die Zusagen zu richten, die gegeben wurden, bevor der Beschluss gefasst wurde, Kasachstan 2010 den OSZE-Vorsitz zu geben; verweist auf den gut vorbereiteten nationalen Aktionsplan für Menschenrechte, der 2009 angenommen wurde, und drängt die kasachische Regierung, ihn uneingeschränkt umzusetzen;

11. ist davon überzeugt, dass die kasachische Regierung und die kasachische Bevölkerung von einer solchen Maßnahme enorm profitieren würden, nicht zuletzt mit Blick auf die Stabilität, die Sicherheit und eine erneute Verbesserung des internationalen Ansehens des Landes;

12. hofft, dass sich rasch eine eindeutig positive gesellschaftliche Entwicklung Kasachstans einstellen wird, und ist stets bereit, tatkräftige Hilfe zu leisten, sobald dies geschehen ist;

13. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung der Hohen Vertreterin/Vizepräsidentin, dem Rat, der Kommission, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, der Regierung und dem Parlament der Republik Kasachstan und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa zu übermitteln.