Entschließungsantrag - B7-0189/2014Entschließungsantrag
B7-0189/2014

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zu der Lage im Irak

19.2.2014 - (2014/2565(RSP))

eingereicht im Anschluss an eine Erklärung der Vizepräsidentin der Kommission/Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik
gemäß Artikel 110 Absatz 2 der Geschäftsordnung

Charles Tannock, Struan Stevenson im Namen der ECR-Fraktion

Siehe auch den gemeinsamen Entschließungsantrag RC-B7-0188/2014

Verfahren : 2014/2565(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
B7-0189/2014
Eingereichte Texte :
B7-0189/2014
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Angenommene Texte :

B7‑0189/2014

Entschließung des Europäischen Parlaments zu der Lage im Irak

(2014/2565(RSP))

Das Europäische Parlament,

–       unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zum Irak,

–       unter Hinweis auf das Partnerschafts- und Kooperationsabkommen zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Irak andererseits, sowie unter Hinweis auf seine Entschließung vom 17. Januar 2013 zum Partnerschafts- und Kooperationsabkommen zwischen der EU und dem Irak[1],

–       unter Hinweis auf das gemeinsame Strategiepapier der Europäischen Kommission für den Irak (2011−2013),

–       unter Hinweis auf die Angaben der Vereinten Nationen zur Zahl der Todesopfer im Irak für Januar, die am 1. Februar 2014 veröffentlicht wurden,

–       unter Hinweis auf den von der Hilfsmission der Vereinten Nationen für Irak (UNAMI) am 20. Januar 2014 veröffentlichten halbjährlichen Bericht über die Menschenrechte,

–       unter Hinweis auf die Erklärungen der Vizepräsidentin der Kommission/Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik zur Gewalt im Irak, von denen die letzte vom 5. Februar 2014 stammt,

–       unter Hinweis auf die am 22. Januar 2014 veröffentlichte gemeinsame Erklärung der Leiterin der Delegation der Europäischen Union im Irak und des Sonderbeauftragten des Generalsekretärs der Vereinten Nationen für den Irak anlässlich des Starts des Programms für den Kapazitätsaufbau in den für Menschenrechte zuständigen Ausschüsse im Repräsentantenrat des Irak und im irakischen Hochkommissariats für Menschenrechte,

–       unter Hinweis auf den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte von 1966, zu dessen Vertragsparteien der Irak gehört,

–       unter Hinweis auf die Erklärung der Vereinten Nationen von 1981 über die Beseitigung aller Formen von Intoleranz und Diskriminierung aufgrund der Religion oder der Überzeugung,

–       unter Hinweis auf die Erklärung des Generalsekretärs der Vereinten Nationen, Ban Ki‑moon, vom 1. September 2013 zu den Todesfällen im Lager Ashraf,

–       unter Hinweis auf die Erklärung des Generalsekretärs der Vereinten Nationen, Ban Ki‑moon, vom 29. Juli 2013, in der er die politischen Führungskräfte auffordert, eine Eskalation der Situation im Irak zu verhindern,

–       unter Hinweis auf das Ergebnis des ersten Treffens des Unterausschusses für Menschenrechte und Demokratie des Kooperationsrates EU-Irak, das am 11. November 2013 stattfand,

–       unter Hinweis auf die im Weltbericht 2014 von Human Rights Watch getroffenen Feststellungen zum Irak,

–       gestützt auf Artikel 110 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

A.     in der Erwägung, dass der Irak weiterhin großen politischen, sicherheitsrelevanten und sozioökonomischen Herausforderungen gegenübersteht, die − verbunden mit einer politischen Zersplitterung und Gewalt − die Aussichten auf Frieden, Wohlstand und einen wahrhaften Übergang zur Demokratie gefährden;

B.     in der Erwägung, dass laut den jüngsten Angaben der UNAMI im Januar 2014 durch Terrorakte und Gewalttaten 733 Iraker getötet und weitere 1 229 verletzt wurden; in der Erwägung, dass es sich bei 618 der Todesopfer um Zivilisten handelte; in der Erwägung, dass die Zahl der Menschen, die in der Provinz Anbar getötet oder verletzt wurden, bei diesen Angaben nicht berücksichtigt wurde; in der Erwägung, dass laut den Angaben, die die UNAMI vom Direktorat für Gesundheit in Anbar erhalten hat, bis zum 27. Januar 2014 in Anbar 138 Zivilisten getötet und 598 verletzt wurden;

C.     in der Erwägung, dass nach Angaben der UNAMI 2013 im Irak etwa 7 818 Zivilisten getötet und 17 981 verletzt wurden; in der Erwägung, dass 2013 im Irak so viele Menschen getötet wurde wie seit fünf Jahren nicht mehr;

D.     in der Erwägung, dass sich die Situation im Irak laut Human Rights Watch mit der Zunahme der religiösen Spannungen weiter verschlechtert; in der Erwägung, dass Terroristen täglich Anschläge auf Zivilisten verüben und hierbei Selbstmordanschläge, Autobomben und Ermordungen immer häufiger vorkommen; in der Erwägung, dass die Regierung des Irak auf friedliche Proteste mit Gewalt reagiert und als Reaktion auf die sich verschlechternde Sicherheitslage drakonische Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus ergriffen hat;

E.     in der Erwägung, dass die Gewalt in den westlichen Provinzen des Irak zugenommen hat und es dabei zu einer Reihe heftiger Zusammenstöße und einer umfangreichen Mobilisierung der irakischen Sicherheitskräfte kam;

F.     in der Erwägung, dass die Gewalt gegen Zivilisten zu erheblichen sozioökonomischen Problemen wie weitverbreiteter Armut, hoher Arbeitslosigkeit, wirtschaftlichem Stillstand und einem Mangel an öffentlichen Dienstleistungen geführt hat; in der Erwägung, dass Tausende von Menschen infolge von Gewalt und Armut vertrieben wurden;

G.     in der Erwägung, dass nach Schätzungen des UNHCR 140 000 Iraker vor den Kämpfen in der Provinz Anbar im Westen des Irak geflohen sind;

H.     in der Erwägung, dass im Rahmen der zunehmenden Gewalt auch die Minderheiten im Irak nach wie vor Ziel von Terroristen sind; in der Erwägung, dass auch Journalisten angegriffen und getötet werden, Ziel von Mordanschlägen oder Opfer von Einschüchterungen sind;

I.      in der Erwägung, dass die Regierung des Irak am 6. Februar 2014 ihren nationalen Aktionsplan zur Resolution 1325 des VN-Sicherheitsrates (2014−2018), die Frauen, Frieden und Sicherheit zum Gegenstand hat, eingeleitet hat;

J.      in der Erwägung, dass die weltweite Kampagne „16 Tage Aktivismus gegen geschlechtsspezifische Gewalt“ im ganzen Irak auf ein großes Echo stieß und dass die internationale Gemeinschaft, die irakische Regierung und andere eine Reihe von Veranstaltungen organisiert und so signalisiert haben, dass die Öffentlichkeit den Wandel unterstützt; in der Erwägung, dass der Entwurf für ein Personenstandsgesetz, mit dem die Rechte der Frau durch eine Senkung des Heiratsalters und eine Änderung des Sorge- und Erbschaftsrechts eingeschränkt worden wären, vom irakischen Parlament abgelehnt wurde;

K.     in der Erwägung, dass die irakische Regierung Berichten zufolge Tausende von Frauen illegal festhält und viele von ihnen gefoltert oder misshandelt werden oder inhaftiert sind, ohne dass gegen sie Anklage erhoben wird;

L.     in der Erwägung, dass die irakischen Behörden nach wie vor die Todesstrafe anwenden, einschließlich in Form von Massenhinrichtungen; in der Erwägung, dass 2013 etwa 200 Menschen hingerichtet wurden, wodurch der Irak zu den Ländern mit der höchsten Hinrichtungsrate zählt; in der Erwägung, dass sowohl der irakische Justizminister als auch der Minister für Menschenrechte in diesem Zeitraum ihre Unterstützung für die Anwendung der Todesstrafe im Irak öffentlich bekräftigt haben; in der Erwägung, dass die EU-Missionsleiter in Bagdad im Oktober eine Erklärung zum Welttag gegen die Todesstrafe mitunterzeichnet haben, in der große Sorge über die Anwendung der Todesstrafe im Irak zum Ausdruck gebracht und die Regierung des Irak aufgefordert wurde, ein Moratorium zu verhängen;

M.    in der Erwägung, dass die irakische Verfassung allen Bürgerinnen und Bürgern Gleichheit vor dem Gesetz zusichert und ebenso die administrativen, politischen, kulturellen und bildungsspezifischen Rechte der verschiedenen Nationalitäten garantiert;

N.     in der Erwägung, dass in dem Partnerschafts- und Kooperationsabkommen zwischen der EU und dem Irak und insbesondere in der Menschenrechtsklausel betont wird, dass sich der politische Dialog zwischen der EU und dem Irak auf Menschenrechte und den Ausbau demokratischer Institutionen konzentrieren sollte;

1.      verurteilt aufs Schärfste die jüngsten Terrorakte im Irak, die neue religiöse Unruhen in dem Land auszulösen drohen und zu einer Ausbreitung der Gewalt in der gesamten Region führen könnten; spricht den Familienangehörigen und Freunden der Getöteten und Verletzten sein Beileid aus;

2.      zeigt sich zutiefst besorgt über die Auswirkungen, die die Gewalt auf das Leben der normalen irakischen Bürger hat; ist außerdem zutiefst besorgt über die Verschärfung des Konflikts in der Provinz Anbar, die zu Dutzenden Toten und der Vertreibung von Tausenden von Familien geführt hat;

3.      erkennt die Herausforderungen an, die sich durch die Sicherheitslage im Irak stellen, fordert die politischen, religiösen und zivilen Führungskräfte jedoch dennoch auf, dringend zusammenzuarbeiten, um die Gewalt zu beenden und den Weg in Richtung Frieden, Aussöhnung und Stabilität durch eine inklusive Politik, die auf der Achtung der Menschenrechte und des Rechtsstaats beruht, zu fördern;

4.      fordert die Regierung des Irak und die Regionalregierungen innerhalb des Irak auf, sämtliche Gewalttaten zu verurteilen und umfassende, zügige und unabhängige Ermittlungen durchzuführen, um die Verantwortlichen vor Gericht zu bringen;

5.      weist darauf hin, dass die Regierung des Irak im Rahmen der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verpflichtet ist, die Menschenrechte und Grundfreiheiten aller Menschen ohne Unterschied der Rasse, des Geschlechts, der Sprache oder der Religion zu achten und zu wahren;

6.      stellt mit Sorge fest, dass mit dem Konflikt in Syrien verbundene Gewalt auf den Irak übergreift;

7.      zeigt sich besorgt angesichts der willkürlichen Festnahmen, die nach Artikel 4 des irakischen Gesetzes zur Bekämpfung des Terrorismus vorgenommen werden, sowie der zahlreichen Berichte über die Misshandlung von Gefangenen; wiederholt seine Forderung nach einem Moratorium für die Todesstrafe;

8.      verurteilt den Angriff aufs Schärfste, den die irakischen Streitkräfte am 1. September 2013 auf das Lage Ashraf verübt haben, bei dem 52 iranische Flüchtlinge getötet und sieben Bewohner entführt wurden; verurteilt die angebliche geheime Entsorgung der 52 Leichen durch die irakische Regierung; unterstützt nach wie vor die Forderung der Vereinten Nationen, eine Untersuchung des Angriffs einzuleiten; ist besorgt über die unlängst erfolgten Angriffe aus das Lager Liberty, in dem mehr als 3 000 Mitglieder und Familien der Volksmudschahidin, der wichtigsten iranischen Oppositionsgruppe, leben;

9.      fordert, dass die nationale Parlamentswahl im Irak, die für April 2014 angesetzt ist, in freier, fairer und friedlicher Weise durchgeführt wird und damit dem irakischen Volk dabei geholfen wird, sein Streben nach mehr Demokratie Wirklichkeit werden zu lassen;

10.    nimmt mit Sorge die jüngsten im Irak verübten Anschläge auf Journalisten sowie die von den irakischen Sicherheitskräften vorgenommenen Festnahmen von Menschen zur Kenntnis, die über politisch sensible Themen berichtet haben; ist besorgt, dass diese Form der Gewalt und Einschüchterung eine freie und faire Berichterstattung über die anstehende Parlamentswahl verhindern könnte; fordert die irakischen Behörden auf, diese Anschläge und Einschüchterungsmaßnahmen zu untersuchen und die Verantwortlichen vor Gericht zu bringen;

11.    ist zutiefst und zunehmend besorgt über die Misshandlung von Frauen, zu der es Berichten zufolge im Irak und auch innerhalb des Strafrechtssystems kommt; erklärt sich außerdem besorgt angesichts der Gewalt und Einschüchterungsversuche gegenüber gefährdeten Minderheiten und fordert die irakische Regierung auf, diese Vorfälle zu untersuchen und die Verantwortlichen juristisch zu belangen;

12.    ist zutiefst besorgt angesichts der Gewalt gegen religiöse Minderheiten im Irak und fordert die religiösen Führer sowie die Regierung des Landes zur Zusammenarbeit auf, um religiös motivierte Gewalt und das damit verbundene Misstrauen zu beenden und so die Religionsfreiheit zu fördern und das irakische Volk zu vereinen;

13.    begrüßt die Veranstaltung anlässlich der Weltwoche der interreligiösen Harmonie, die am 1. Februar 2014 in Bagdad stattfand und an der die religiösen Führer verschiedener Gemeinschaften sowie Vertreter der Jugend und der Zivilgesellschaft und Iraker aus verschiedenen Gemeinschaften und unterschiedlichen Glaubens teilnahmen; hofft, dass eine solche Veranstaltung zu mehr Engagement über die Religionen und Gemeinden hinweg führt, um so zum Aufbau von sozialem Zusammenhalt und größerer Harmonie trotz der religiösen und kulturellen Diversität beizutragen;

14.    begrüßt den Start der nationalen Strategie für die Lehrerausbildung am 26. Januar 2014, die auf einer Zusammenarbeit zwischen der UNESCO und der Regierung des Irak beruht und die die Aus- und Fortbildung von Lehrern als ein Mittel zur Verbesserung der Lernmöglichkeiten im ganzen Land voranbringen wird;

15.    betont sein unumstößliches Bekenntnis zur Achtung der Menschenrechte als wesentlichem Element des Aufbaus einer starken Demokratie und zur Bekämpfung von Terrorismus und Gewalt; ist ferner fest davon überzeugt, dass weder Folter noch die Todesstrafe ein wirksames Abschreckungsmittel gegen Terrorismus darstellen;

16.    bekräftigt erneut sein Engagement, die irakische Bevölkerung bei der Wahrung und Förderung der Menschenrechte zu unterstützen und ihr dabei zu helfen, ihren Wunsch nach einem demokratischen, wohlhabenden und sicheren Land zu verwirklichen;

17.    beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung der Vizepräsidentin der Kommission/Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, dem Rat, der Kommission, dem EU-Sonderbeauftragten für Menschenrechte, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, der Regierung und dem Repräsentantenrat des Irak, der Regionalregierung von Kurdistan, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen und dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen zu übermitteln.