Entschließungsantrag - B8-0465/2016Entschließungsantrag
B8-0465/2016

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zur Lage in Polen

11.4.2016 - (2015/3031(RSP))

eingereicht im Anschluss an Erklärungen des Rates und der Kommission
gemäß Artikel 123 Absatz 2 der Geschäftsordnung

Syed Kamall, Ryszard Antoni Legutko, Anna Elżbieta Fotyga, Tomasz Piotr Poręba, Ryszard Czarnecki, Karol Karski, Jadwiga Wiśniewska, Sławomir Kłosowski, Edward Czesak, Janusz Wojciechowski, Stanisław Ożóg, Zbigniew Kuźmiuk, Zdzisław Krasnodębski, Roberts Zīle, Czesław Hoc, Marek Jurek im Namen der ECR-Fraktion

Verfahren : 2015/3031(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
B8-0465/2016
Eingereichte Texte :
B8-0465/2016
Aussprachen :
Angenommene Texte :

B8-0465/2016

Entschließung des Europäischen Parlaments zur Lage in Polen

(2015/3031(RSP))

Das Europäische Parlament,

–  gestützt auf Artikel 5 des EU-Vertrags und Artikel 6 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

–  unter Hinweis auf die Verfassung der Republik Polen, insbesondere auf die Artikel 2, 10, 190, 194, 195 und 197,

–  unter Hinweis auf das Gesetz vom 25. Juni 2015 über den Verfassungsgerichtshof und die späteren Änderungen daran,

–  unter Hinweis auf die Entschließungen, die der Sejm der Republik Polen am 25. November 2015 zur mangelnden rechtlichen Bindungswirkung der am 8. Oktober 2015 vom Sejm verabschiedeten Entschließungen zur Wahl der Richter des Verfassungsgerichtshofs annahm,

–  unter Hinweis auf die Geschäftsordnung des Sejms der Republik Polen,

–  unter Hinweis auf die Stellungnahme Nr. 833/2015 der Europäischen Kommission für Demokratie durch Recht (Venedig-Kommission) zu Änderungen an dem Gesetz vom 25. Juni 2015 über den polnischen Verfassungsgerichtshof,

–  unter Hinweis auf die Stellungnahme CDL-STD(1997)020 der Venedig-Kommission,

–  gestützt auf Artikel 123 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

A.  in der Erwägung, dass die amtierende polnische Regierung über das stärkste demokratische Mandat in der Geschichte des Landes seit dem Zusammenbruch des Kommunismus verfügt;

B.  in der Erwägung, dass die Änderungen an dem am 25. Juni 2015 von der Vorgängerregierung verabschiedeten Gesetz über den Verfassungsgerichtshof vorgenommen wurden, um fünf Richterposten zu besetzen, die normalerweise erst nach der demokratischen Wahl vom 25. Oktober 2015 frei geworden wären, was einer Änderung der Zusammensetzung des Gerichtshofs im letzten Moment gleichkommt;

C.  in der Erwägung, dass nach Artikel 21 des Gesetzes über den Verfassungsgerichtshof von 2015 alle zu Richtern am Verfassungsgerichtshof gewählten Personen auf jeden Fall einen Amtseid vor dem Präsidenten ablegen müssen, um Richter am Verfassungsgerichtshof werden zu können;

D.  in der Erwägung, dass das polnische Parlament am 19. November und 22. Dezember 2015 das Gesetz über den Verfassungsgerichtshof von 2015 änderte und im Einklang mit Artikel 197 der polnischen Verfassung eine Geschäftsordnung für die Prüfung der Vereinbarkeit mit der Verfassung erließ;

E.  in der Erwägung, dass die Vermutung der Verfassungsmäßigkeit eines ordnungsgemäß verabschiedeten Rechtsakts ein verfassungsrechtliches Grundprinzip ist, das erforderlich ist, um bei der Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit jedes einzelnen Rechtsakts Rechtsstaatlichkeit zu gewährleisten;

F.  in der Erwägung, dass gemäß Artikel 122 Absatz 3 der polnischen Verfassung nur der Präsident der Republik Polen beantragen kann, einen Rechtsakt vor Inkrafttreten auf Vereinbarkeit mit der Verfassung prüfen zu lassen;

G.  in der Erwägung, dass Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs unbedingt nach ordnungsgemäßem Verfahren angenommen werden müssen, was eine unabdingbare Voraussetzung dafür ist, dass eine Entschließung von Verfassungsrichtern als Entscheidung im Sinne von Artikel 190 der polnischen Verfassung gelten kann und entsprechend amtlich veröffentlicht wird;

H.  in der Erwägung, dass Polen die Venedig-Kommission ersucht hat, die Bestimmungen des neuen Rechtsakts, in dem die Regeln für Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs festgelegt sind, zu überprüfen;

I.  in der Erwägung, dass die Stellungnahme Nr. 833/2015 der Venedig-Kommission dem Sejm der Republik Polen am 11. März 2016 vorgelegt wurde;

1.  betont, dass die Änderungen an dem am 25. Juni 2015 verabschiedeten Gesetz über den Verfassungsgerichtshof und die Wahl der fünf Richter am 8. Oktober 2015, mithin kurz vor der Parlamentswahl vom 25. Oktober 2015, eine Ursache für die aktuelle Auseinandersetzung um den Verfassungsgerichtshof sind;

2.  hebt hervor, dass sich die Vorgängerregierung die überwältigende Mehrheit von 14 der 15 Verfassungsrichter gesichert und damit sowohl gegen den elementaren Grundsatz des Gerichtspluralismus als auch gegen die Empfehlungen der Venedig-Kommission von 1997 verstoßen hat, denen zufolge eine Regierungspartei nicht in der Lage sein sollte, alle Richter nach Belieben zu ernennen;

3.  hebt hervor, dass die Annullierung dieser Ernennungen durch das neue Parlament im Rahmen des ordentlichen Selbstkorrekturverfahrens vorgenommen wurde, und betont, dass es keine Gründe gibt, einem neugewählten Parlament das Recht abzusprechen, im Rahmen des genannten Verfahrens über die Korrektheit einer vorherigen Parlamentsentscheidung zu befinden;

4.  weist darauf hin, dass durch die von der Regierung der Partei Recht und Gerechtigkeit vorgenommenen Änderungen an dem am 25. Juni 2015 verabschiedeten Gesetz über den Verfassungsgerichtshof das Verfahren für eine konkrete Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit vereinfacht werden sollte, transparente Regeln für eine politische, abstrakte Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit geschaffen werden sollten und zugleich der uneingeschränkte Ermessensspielraum des

5.  betont, dass die Entschließung des Verfassungsgerichtshofs vom 9. März 2016 statt von mindestens 13 nur von zwölf Richtern erörtert und angenommen wurde, womit offenkundig gegen das nach polnischen Recht geltende Verfahren und Artikel 197 der Verfassung verstoßen wurde, dem gemäß der Verfassungsgerichtshof seiner Geschäftsordnung nach dem Statut entsprechen muss; hebt überdies hervor, dass gemäß Artikel 7 der Verfassung die Regierung dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit verpflichtet ist und keine Entschließungen veröffentlichen darf, bei deren Verabschiedung offenkundig gegen das vorgeschriebene Verfahren verstoßen wurde;

6.  begrüßt die Entscheidung des Marschalls des Sejms der Republik Polen, eine für Vertreter aller politischen Parteien offene Sachverständigengruppe zu benennen, deren Aufgabe die Ausarbeitung von Empfehlungen für die künftige Parlamentsarbeit und die weitestgehende Umsetzung der Empfehlungen der Venedig-Kommission in dem fraglichen Systembereich ist, und ist zudem der Überzeugung, dass der Verfassungsgerichtshof möglichst transparent arbeiten und möglichst weiten Teilen der Bevölkerung zugänglich sein sollte;

7.  betont, dass der Vorsitzende der Venedig-Kommission klar zum Ausdruck gebracht hat, dass die Reform des Verfassungsgerichtshofs eine innerpolnische Angelegenheit ist und von den zuständigen einzelstaatlichen Stellen behandelt werden sollte; hebt hervor, dass ein solches Vorgehen dem Subsidiaritätsprinzip gemäß Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union entspricht;

8.  betont in diesem Zusammenhang, dass die Frage nur dann angemessen gelöst werden kann, wenn alle Beteiligten auf der politischen Bühne Polens verantwortungsbewusst handeln und zu einem Kompromiss gelangen;

9.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung der Kommission, dem Rat, den Mitgliedstaaten, dem Europarat und der Europäischen Kommission für Demokratie durch Recht zu übermitteln.