ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zum Abschluss des umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommens (CETA) zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits
8.2.2017 - (2017/2525(RSP))
gemäß Artikel 123 Absatz 2 der Geschäftsordnung
Gianni Pittella, Sorin Moisă im Namen der S&D-Fraktion
B8-0143/17
Entschließung des Europäischen Parlaments zum Abschluss des umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommens (CETA) zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf das vorgeschlagene Übereinkommen zwischen Kanada und der Europäischen Union über ein umfassendes Wirtschafts- und Handelsabkommen (CETA),
– unter Hinweis auf den Vorschlag für einen Beschluss des Rates über den Abschluss des umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommens zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits,
– unter Hinweis auf die gemeinsame Erklärung auf dem 16. Gipfeltreffen EU–Kanada vom 30. Oktober 2016,
– unter Hinweis auf das Gemeinsame Auslegungsinstrument zum umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommen (CETA) zwischen Kanada und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten vom 27. Oktober 2016,
– unter Hinweis auf die 38 Erklärungen für das Ratsprotokoll vom 27. Oktober 2016,
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 8. Juni 2011 zu den Handelsbeziehungen zwischen der EU und Kanada[1],
– unter Hinweis auf den Abschlussbericht der handelsbezogenen Nachhaltigkeitsprüfung der Verhandlungen über das CETA vom Juni 2011,
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission mit dem Titel „Handel für alle – Hin zu einer verantwortungsbewussteren Handels- und Investitionspolitik“ (COM(2015)0497),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 28. Juni 2016 zu einer auf die Zukunft ausgerichteten innovativen Strategie für Handel und Investitionen[2],
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 8. Juli 2015 über die transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft[3],
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 25. November 2010 zu Menschenrechten, Sozial- und Umweltnormen in internationalen Handelsabkommen[4],
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 25. November 2010 zur sozialen Verantwortung von Unternehmen in internationalen Handelsabkommen[5],
– gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), insbesondere auf Artikel 207 Absatz 3, Artikel 218 und Artikel 168 sowie auf Artikel 191, der sich auf den Grundsatz der Vorsorge bezieht,
– gestützt auf Artikel 123 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass die sieben Jahre dauernden Verhandlungen zwischen der EU und Kanada über ein umfassendes Wirtschafts- und Handelsabkommen (CETA) im Oktober 2014 abgeschlossen wurden und die endgültige Unterzeichnung am 30. Oktober 2016 stattfand;
B. in der Erwägung, dass das CETA das erste umfassende Wirtschaftsabkommen der EU mit einem hochindustrialisierten Wirtschaftsland des Westens ist, das EU-Ausführern neue Exportchancen eröffnet, die der Beschäftigung und dem Wachstum in der EU zugutekommen könnten; in Erwägung der Gefahr, dass bestimmte sensible Bereiche beeinträchtigt werden könnten;
C. in der Erwägung, dass die EU und Kanada gleichgesinnte Partner mit gemeinsamen Grundwerten sind, zu denen die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit, die Achtung der Menschenrechte, der Schutz von Gesundheit und Sicherheit und der Umweltschutz ebenso zählen wie kulturelle und sprachliche Vielfalt und Medienfreiheit und -pluralismus, die allesamt in der CETA-Präambel genannt werden;
D. in der Erwägung, dass aufgrund des CETA 98,6 % der kanadischen Zolltarifpositionen und 98,7 % der Zolltarifpositionen der EU abgeschafft und die Zölle auf Industrieerzeugnisse zu 100 % abgebaut werden; in der Erwägung, dass nach dem Inkrafttreten des CETA Kanada 90,9 % seiner und die EU 93,8 % ihrer landwirtschaftlichen Zolltarifpositionen abschaffen wird, wobei es für einige sensible Erzeugnisse Zollkontingente gibt oder diese vollkommen ausgeschlossen sind und die EU ihre Einfuhrkontingente für Schweinefleisch und hormonfreies Rindfleisch erhöht; in der Erwägung, dass die kanadischen Provinzen im Rahmen des CETA erstmals ihre Beschaffungsmärkte für ausländische Bieter öffnen, wodurch sich der EU insgesamt mehr Chancen bieten; in der Erwägung, dass es durch das CETA möglich wird, bei öffentlichen Aufträgen Umwelt- und Beschäftigungskriterien anzuwenden;
E. in der Erwägung, dass durch das CETA die Arbeitskräftemobilität verbessert wird, indem es Unternehmen leichter gemacht wird, vorübergehend Mitarbeiter aus der EU nach Kanada und von Kanada in die EU zu entsenden, und indem Vereinbarungen über die gegenseitige Anerkennung gefördert werden, dank deren Fachkräfte sowohl in der EU als auch in Kanada tätig sein können;
F. in der Erwägung, dass anhaltende Kritik und die Skepsis der Öffentlichkeit gegenüber dem Vorgehen bei Handelsabkommen bewirkt haben, dass weitere Handelsabkommen der EU mittlerweile transparenter geworden sind, sodass die Unterlagen besser zugänglich sind, regelmäßig Bericht über den Verhandlungsstand erstattet wird und die Kommunikation besser geworden ist; in der Erwägung, dass immer noch Verbesserungsbedarf besteht; in der Erwägung, dass die Verhandlungen über das CETA ein Beleg dafür sind, dass nicht mehr hinter verschlossenen Türen über Handelsabkommen verhandelt werden kann;
G. in der Erwägung, dass das Parlament Kanadas und das Europäische Parlament die Verhandlungen regelmäßig und aktiv überwacht und gestaltet sowie im Laufe des gesamten Verfahrens Ideen und Bedenken vorgetragen haben, die auf den Rückmeldungen und der Einbeziehung von Bürgern, Gewerkschaften, KMU und anderen zivilgesellschaftlichen Gruppen beruhten;
H. in der Erwägung, dass zivilgesellschaftliche Organisationen in die Erörterung der in diesem Abkommen behandelten Aspekte der nachhaltigen Entwicklung durch das zivilgesellschaftliche Forum im Rahmen des CETA einbezogen werden, und in der Erwägung, dass bei der Zusammensetzung zivilgesellschaftlicher Foren stets darauf hingewirkt werden muss, dass die einschlägigen Interessengruppen und sonstigen interessierten Kreise ausgewogen vertreten sind; in der Erwägung, dass das CETA eines der ersten Handelsabkommen der EU ist, in dessen Rahmen jede Partei verpflichtet ist, Einlassungen der Öffentlichkeit zu Problemen der nachhaltigen Entwicklung, die mit dem Abkommen zusammenhängen, in Betracht zu ziehen;
I. in der Erwägung, dass freier und gerechter Handel in erheblichem Maße zum Wohlstand beiträgt und als Instrument zur bewussten Förderung von sozialer Gerechtigkeit und nachhaltiger Entwicklung in der EU und der ganzen Welt eingesetzt werden kann; in der Erwägung, dass sich der EU und den Mitgliedstaaten dank CETA die Chance eröffnen könnte, in ihren Handelsabkommen weiter auf die Förderung anspruchsvoller gemeinsamer EU-Normen insbesondere in den Bereichen Arbeitnehmerrechte, Umweltschutz, Verbraucherrechte und öffentliches Wohlfahrtswesen hinzuwirken; in der Erwägung, dass im CETA zwar kein auf Sanktionen beruhendes Verfahren für Beschwerden gegen Verstöße vorgesehen ist, aber beide Parteien übereingekommen sind, diesbezüglich im Rahmen einer frühzeitigen Überprüfung Abhilfe zu schaffen;
J. in der Erwägung, dass der Freihandel als wesentlicher Aspekt der Globalisierung im Mittelpunkt der öffentlichen Debatte steht und dass die Zivilgesellschaft Bedenken über die möglichen negativen Auswirkungen des CETA auf die Verbraucher sowie darüber geäußert hat, dass die Konzerne am stärksten davon profitieren könnten; in der Erwägung, dass mit unterschiedlichen Methoden durchgeführte Untersuchungen zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen, was die Auswirkungen des CETA auf die Schaffung von Arbeitsplätzen anbelangt; in der Erwägung, dass die bestehenden Instrumente, mit denen Arbeitnehmer in der EU, die ihren Arbeitsplatz globalisierungsbedingt verlieren, dabei unterstützt werden können, sich auf die neuen Chancen und Veränderungen einzustellen, die sich z. B. aus bilateralen Handelsabkommen wie dem CETA ergeben, weiter verbessert und mit zusätzlichen Verfahren flankiert werden müssen, mit denen negativen Auswirkungen vorgegriffen werden kann;
K. in der Erwägung, dass mit dem CETA die Fähigkeit der EU und der Mitgliedstaaten gewahrt bleibt, eigene Gesetze und Vorschriften zu erlassen und anzuwenden, um berechtigte Gemeinwohlziele wie öffentliche Gesundheit, Sozialdienstleistungen, Bildung, Sicherheit, Umweltschutz, öffentliche Sittlichkeit, Sozial- und Verbraucherschutz, Schutz von Privatsphäre und Datenschutz sowie Förderung der kulturellen Vielfalt zu verfolgen; in der Erwägung, dass die EU und Kanada besonderes Augenmerk darauf gelegt haben, dass der Wortlaut des CETA und des Gemeinsamen Auslegungsinstruments in der Tat ausdrücklich ihrer gemeinsamen Auffassung Rechnung trägt, wonach die Regierungen und Parlamente weder daran gehindert werden sollten noch je daran gehindert werden, berechtigte Gemeinwohlziele zu verfolgen;
L. in der Erwägung, dass im CETA die Rechte der Mitgliedstaaten anerkannt werden, auf allen Ebenen öffentliche Dienste in Bereichen wie staatliches Gesundheitswesen, Bildung, Sozialdienste, Wohnungsbau und Wasserversorgung zu definieren und zu erbringen; in der Erwägung, dass sich die EU und die Mitgliedstaaten das Recht vorbehalten, Maßnahmen in Bezug auf Dienste zu erlassen oder zu ändern, die mit öffentlichen Mitteln gefördert oder anderweitig öffentlich unterstützt werden; in der Erwägung, dass das Europäische Parlament bereits in seiner Entschließung vom 8. Juni 2011 die Ansicht vertreten hat, dass die Anwendung des Konzepts der sogenannten Negativliste als Ausnahme zu betrachten ist und nicht als Präzedenzfall für künftige Handelsverhandlungen dienen darf; in der Erwägung, dass das Allgemeine Übereinkommen der WTO über den Handel mit Dienstleistungen (GATS) auf dem Konzept der Positivliste beruht;
M. in der Erwägung, dass beständig bezweifelt wird, ob ein Verfahren zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen zwei etablierten Demokratien erforderlich ist; in der Erwägung, dass im CETA ursprünglich ein fallweise zur Anwendung kommendes Verfahren privater Schiedsgerichte (das sogenannte Verfahren für die Beilegung von Investor-Staat-Streitigkeiten, ISDS) enthalten war, das harsche öffentliche Kritik auf sich zog, da es mit ihm nicht möglich gewesen wäre, den Schutz von Investoren und die Gewährleistung des Rechts und der Fähigkeit der EU und der Mitgliedstaaten, im öffentlichen Interesse regelnd tätig zu werden, in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen, und da es intransparent war und keine Gewähr für die Unabhängigkeit und fachliche Kompetenz der Schiedsrichter bot;
N. in der Erwägung, dass das Europäische Parlament unter Federführung der S&D-Fraktion und in Anbetracht der Bedenken, die die Zivilgesellschaft und die Öffentlichkeit gegen das ISDS hegten, forderte, davon Abstand zu nehmen, woraufhin die Kommission im September 2015 vorschlug, ISDS durch die Investitionsgerichtsbarkeit zu ersetzen; in der Erwägung, dass die Investitionsgerichtsbarkeit im Rahmen des CETA einen wesentlichen Fortschritt bei der Beilegung von Investitionsstreitigkeiten darstellt, da hiermit für die Einrichtung eines ständigen Gerichts mit Richtern, die nach dem Zufallsprinzip mit der jeweiligen Rechtssache befasst werden, und einer ständigen Rechtsbehelfsinstanz, die Festlegung strenger Vorschriften über Interessenskonflikte und eines vom Präsidenten des Internationalen Gerichtshofs durchsetzbaren Verhaltenskodex gesorgt wird; in der Erwägung, dass so rasch wie möglich vor der endgültigen Notifikation über das Inkrafttreten des CETA gemäß Artikel 30.7 Absatz 2 weitere Aspekte der Investitionsgerichtsbarkeit verbessert werden müssen, z. B. die Ernennung und die Honorare der Richter, umfassende Regeln für ethisches Verhalten und ein Sanktionsverfahren für Verstöße gegen diese Regeln;
O. in der Erwägung, dass durch das CETA einige wesentliche Bestimmungen über Investitionsschutz verbessert worden sind; in der Erwägung, dass bessere Transparenzbestimmungen angemessene Gewähr dafür bieten, dass Streitigkeiten nicht mehr hinter verschlossenen Türen beigelegt werden; in der Erwägung, dass durch die überarbeiteten Bestimmungen über den Investitionsschutz und die Investitionsgerichtsbarkeit gemäß dem CETA die acht bilateralen Investitionsabkommen zwischen den Mitgliedstaaten und Kanada ersetzt werden, die einerseits in der Vergangenheit aufgrund mangelnder Transparenz und unzureichender Garantien für das Recht von Staaten, Rechtsvorschriften zu erlassen, Anlass zu Besorgnis boten und die andererseits das überaus gefährliche ISDS umfassen;
P. in der Erwägung, dass der ursprünglich lediglich in der Präambel des CETA vorhandene ausdrückliche Verweis darauf, dass Staaten das Recht haben, Regelungen zu erlassen, auch in den Abschlusstext aufgenommen wurde, um die Gefahr des lähmenden Effekts auf die Rechtsetzung zu bannen, die sich darin äußert, dass Regierungen sich gezwungen sehen, von legitimen staatlichen Maßnahmen und von dem Erlass von Regelungen zur Verwirklichung legitimer Gemeinwohlziele in Bereichen wie Schutz der öffentlichen Gesundheit, Sicherheit, Umweltschutz, Schutz der öffentlichen Sittlichkeit, Sozial- und Verbraucherschutz und Förderung der kulturellen Vielfalt abzusehen;
Q. in der Erwägung, dass sich die belgische Regierung verpflichtet hat, den Gerichtshof der Europäischen Union darum zu ersuchen, dass er die Vereinbarkeit des ICS mit EU-Recht prüft;
R. in der Erwägung, dass davon auszugehen ist, dass die Kommission förmlich um das Mandat ersuchen wird, die Verhandlungen über den multilateralen Investitionsgerichtshof bis Ende 2017 aufzunehmen; in der Erwägung, dass die nationalen Parlamente dies bei ihrer Beurteilung des CETA in den kommenden Jahren berücksichtigen werden; in der Erwägung, dass das Europäische Parlament eine zentrale Rolle dabei spielen muss, den Standpunkt der EU im Laufe der Verhandlungen festzulegen;
S. in der Erwägung, dass die EU und Kanada im CETA ihr gemeinsames Ziel bekräftigt haben, gemeinsam mit anderen Handelspartnern einen multilateralen Investitionsgerichtshof mit Rechtsbehelfsinstanz einzurichten; in der Erwägung, dass die EU und Kanada am 13. Dezember 2016 mit Vertretern von Drittländern zusammenkamen, um gemeinsam die Einrichtung eines einzigen ständigen multilateralen Gremiums vorzuschlagen, das über Investitionsstreitigkeiten befindet, und sich damit weiter von dem fallweise zur Anwendung kommenden Verfahren für die Beilegung von Investor-Staat-Streitigkeiten entfernten, das derzeit in den rund 3 200 Investitionsabkommen, die in Kraft sind, vorgesehen ist; in der Erwägung, dass in diesem Zusammenhang auch die Möglichkeit geprüft werden sollte, dass andere Akteure das multilaterale Gremium für Klagen gegen Investoren nutzen;
T. in der Erwägung, dass Kanada zugesagt hat, sich unablässig und nachhaltig um die Ratifizierung und Umsetzung aller grundlegenden Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) zu bemühen, nachdem es im Laufe der Verhandlungen über CETA drei IAO-Übereinkommen ratifiziert hatte; in der Erwägung, dass Kanada ein internes Verfahren zur Ratifizierung des Übereinkommens Nr. 98 über das Vereinigungsrecht und das Recht auf Kollektivverhandlungen eingeleitet, aber noch nicht abgeschlossen hat;
U. in der Erwägung, dass 145 bislang größtenteils ungeschützte europäische geografische Angaben auf dem kanadischen Markt geschützt werden und dass die Möglichkeit besteht, dies auf neue geografische Angaben auszudehnen, um einige der namhaftesten Erzeugnisse der EU zu schützen, KMU mehr Chancen zu eröffnen und den Verbraucherschutz zu wahren; in der Erwägung, dass das CETA nicht mit einer Änderung der EU-Rechtsvorschriften hinsichtlich der Risikobewertung und Zulassung, Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit genetisch veränderter Lebensmittel verbunden ist; in der Erwägung, dass die Verwendung genetisch veränderter Organismen (GVO) oder die Anwendung chemische Behandlungsverfahren in der EU weiterhin umstritten ist;
V. in der Erwägung, dass im Gemischten CETA-Ausschuss, dessen Vorsitz gemeinsam vom kanadischen Minister für internationalen Handel und von dem für Handel zuständigen Kommissionsmitglied geführt wird, Vertreter beider Partner zusammenkommen, um die Umsetzung und Anwendung des Abkommens zu überwachen und zu unterstützen und die Arbeit aller Sonderausschüsse und anderen im Rahmen des CETA eingesetzten Gremien zu überwachen; in der Erwägung, dass die Organe der EU durch seine Beschlüsse weder ausdrücklich noch stillschweigend verpflichtet werden dürfen, EU-Rechtsvorschriften zu erlassen oder zu ändern; in der Erwägung, dass die Vorrechte des Europäischen Parlaments gemäß den EU-Verträgen uneingeschränkt gewahrt bleiben müssen; in der Erwägung, dass es dem Europäischen Parlament in angemessener Weise möglich sein muss, die Umsetzung des CETA und insbesondere die Beschlüsse des Gemischten Ausschusses zu kontrollieren;
1. vertritt die Auffassung, dass die EU-Handelspolitik zur Schaffung von hochwertigen Arbeitsplätzen, zu nachhaltiger Entwicklung und zur Wahrung der EU-Standards, zum Schutz der öffentlichen Dienstleistungen und zur Einhaltung demokratischer Verfahren beitragen und gleichzeitig die Möglichkeiten für Ausfuhren der EU erweitern muss; sieht in den Zielsetzungen des CETA die Grundlage für die Schaffung einer fortschrittlichen Agenda für den Welthandel auf der Grundlage der von der EU und Kanada vertretenen gemeinsamen Werte wie etwa des Schutzes der Menschenrechte und hoher Normen in den Bereichen Verbraucherschutz, Schutz von Arbeitnehmern und Umweltschutz; hebt hervor, dass Kanada und die EU übereingekommen sind, nicht den Schutz der Arbeitsnehmer oder den Umweltschutz aufzuweichen, um den Handel zu fördern oder Investitionen anzuziehen;
2. äußert sein Bedauern darüber, dass im Wortlaut des CETA nicht deutlich festgehalten ist, dass die Vorschriften des Abkommens nicht für bestehende öffentliche Dienstleistungen sowie Dienstleistungen, die möglicherweise künftig entwickelt werden, gelten; begrüßt jedoch die von allen Vertragsparteien eingegangenen Verpflichtungen, dass die EU und die Regierungen ihrer Mitgliedstaaten auf allen Ebenen weiterhin das Recht haben werden, öffentliche Dienstleistungen etwa in den Bereichen Gesundheit, Bildung, Soziales, Wohnungswesen und Wasserversorgung zu definieren, zu erbringen und zu regulieren; weist darauf hin, dass die Staaten durch das CETA nicht zur Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen gezwungen und auch nicht daran gehindert werden, Dienstleistungen, die in der Vergangenheit privatisiert wurden, wieder in den Besitz der öffentlichen Hand zu bringen, unter öffentliche Verwaltung zu stellen oder in anderer Form wieder unter staatliche Kontrolle zu bringen; vertritt die Auffassung, dass prinzipiell die Verwendung einer Positivliste wie in den GATS stets vorzuziehen ist;
3. verweist auf die im CETA enthaltenen Verpflichtungserklärungen, Handel und nachhaltige Entwicklung zu fördern, zu denen auch die Verpflichtungserklärungen gehören, die Rechte der Arbeitnehmer und die Umwelt möglichst umfassend zu schützen; nimmt mit Bedauern zur Kenntnis, dass im CETA kein auf Sanktionen beruhendes Verfahren vorgesehen ist; erwartet vom CETA jedoch konkrete Ergebnisse, damit ein optimaler Nutzen für die Arbeitnehmer und die Umwelt bewirkt wird; fordert beide Vertragsparteien daher auf, sich bis Mitte 2017 auf einen Vorschlag zur Verbesserung der tatsächlichen Durchsetzbarkeit der Vorschriften des CETA zu Handel, Arbeit und Umwelt, insbesondere durch Einführung eines angemessenen Sanktionsverfahrens, zu einigen; hebt hervor, dass Interessenvertreter, etwa Gewerkschaften, Arbeitnehmerorganisationen und Umweltorganisationen, ein großes Interesse daran haben müssen, die Umsetzung von CETA zu bewerten und zu überprüfen, insbesondere mit Hilfe des zivilgesellschaftlichen Forums und der innerstaatlichen Beratungsgruppen; betont, dass Bewertung und Überprüfung der Arbeits- und Umweltnormen nicht auf die Kapitel beschränkt werden sollten, die sich ausdrücklich mit diesen Themen befassen, sondern sich querschnittsartig mit diesen Bereichen und anderen Bereichen des Abkommens mit Bezug zu Arbeits- und Umweltnormen wie Investitionen, Handel mit Dienstleistungen, Zusammenarbeit in Regulierungsfragen und Vergabe öffentlicher Aufträge befassen sollten; fordert die Mitgliedstaaten auf, dementsprechende Änderungen der Vorschriften zu Handel und nachhaltiger Entwicklung uneingeschränkt zu unterstützen;
4. weist darauf hin, dass Kanada das Verfahren zur Ratifizierung des IAO-Übereinkommens Nr. 98 zum Vereinigungsrecht und zum Recht auf Kollektivverhandlungen weiter vorantreibt; erklärt, dass die wichtigsten Grundsätze dieses Übereinkommens bereits im kanadischen Arbeitsrecht niedergelegt sind; erwartet jedoch, dass das gesamte Übereinkommen unverzüglich ratifiziert wird, und fordert den Rat auf, die endgültige Notifizierung über das Inkrafttreten von CETA gemäß Artikel 30.7 Absatz 2 erst dann zu übermitteln, wenn Kanada das Ratifizierungsverfahren des IAO-Übereinkommens Nr. 98 abgeschlossen hat;
5. weist darauf hin, dass der von der EU verfolgte und in den EU-Verträgen festgelegte Grundsatz der Vorsorge weiterhin gilt und dass dadurch das Recht der EU und der Mitgliedstaaten geschützt wird, ihre grundlegenden Prinzipien über die Regulierungstätigkeit anzuwenden; misst der Erklärung der Kommission zum Schutz des Vorsorgegrundsatzes im CETA (Erklärung 7 der Erklärungen, die in das Ratsprotokoll aufzunehmen sind) und insbesondere der Aussage, dass das „CETA keine Bestimmungen enthält, die eine Anwendung des Vorsorgegrundsatzes in der Europäischen Union, wie er im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union festgelegt ist, verhindern“, größte Bedeutung bei; betont nachdrücklich, dass bei Einfuhren aus Kanada in die EU stets sämtliche EU-Normen geachtet werden müssen; weist darauf hin, dass die Zusammenarbeit in Regulierungsfragen gemäß dem CETA freiwillig erfolgen kann; betont, dass der interne Rechtsetzungsprozess in der EU, der auch die angemessene Konsultation der Interessenträger in der EU umfasst, durch die Zusammenarbeit keinesfalls untergraben werden darf und dass die in den EU-Verträgen festgelegten Befugnisse des Parlaments dadurch unter keinen Umständen beeinträchtigt werden dürfen;
6. weist darauf hin, dass im CETA Investitionsschutznormen festgelegt sind und ein ausdrücklicher Verweis darauf enthalten ist, dass die Staaten das Recht haben, Regelungen zu erlassen, um in Bereichen wie Schutz der öffentlichen Gesundheit, Sicherheit, Umweltschutz, Schutz der öffentlichen Sittlichkeit, Sozialschutz, Verbraucherschutz sowie Förderung und Schutz der kulturellen Vielfalt legitime politische Ziele zu erreichen; weist darauf hin, dass die Vertragsparteien des CETA ausdrücklich klarstellen, dass die Tatsache, dass eine Vertragspartei Regelungen in einer Art und Weise trifft, die sich auf eine Investition negativ auswirkt oder die Gewinnerwartungen eines Investors beeinträchtigt, keinen Verstoß gegen die Investitionsschutznormen darstellt und folglich auch keine Entschädigung erforderlich macht; hebt jedoch hervor, dass die Gefahr einer abschreckenden Wirkung des CETA auf die Rechtsetzung nicht vollständig gebannt wurde; fordert die Kommission auf, die verbindlichen Auslegungen der Investitionsschutznormen erforderlichenfalls vollumfänglich zu nutzen, damit sich die Absicht der EU und Kanadas, das CETA solle nicht dazu führen, dass ausländische gegenüber einheimischen Investoren begünstigt werden, in der Auslegung tatsächlich widerspiegelt, wie in dem Gemeinsamen Auslegungsinstrument festgelegt;
7. fordert die uneingeschränkte Einbeziehung des Europäischen Parlaments in alle Phasen der Einrichtung der Investitionsgerichtsbarkeit und in die künftigen Überprüfungen dieses Systems, unter anderem im Hinblick auf die Ernennung der Richter für das Gericht und die Rechtsbehelfsinstanz, im Hinblick auf die Gewährleistung ihrer Unabhängigkeit und Befähigung sowie im Hinblick auf die Kontrolle organisatorischer Aspekte wie der Vergütung der Richter; fordert, dass Kommission und Rat dafür sorgen, dass das Parlament an der Festlegung der klaren Verhaltensregeln für die Kandidaten für das Amt als Mitglied des Gerichts oder der Rechtsbehelfsinstanz sowie an dem Sanktionsmechanismus für Verstöße gegen die Verhaltensregeln mitwirkt, damit die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit uneingeschränkt geachtet wird; bedauert, dass die Einrichtung der Investitionsgerichtsbarkeit unter Klärung aller genannten Fragen nicht abgeschlossen wurde, bevor der Wortlaut des CETA dem Europäischen Parlament zur Zustimmung übermittelt wurde; fordert die Mitgliedstaaten auf, das Vorgehen in Bezug auf die Umsetzung der Investitionsgerichtsbarkeit uneingeschränkt zu unterstützen;
8. weist darauf hin, dass sich die belgische Regierung verpflichtet hat, den Europäischen Gerichtshof darum zu ersuchen, die Vereinbarkeit der Investitionsgerichtsbarkeit mit dem Unionsrecht zu prüfen; fordert, dass das Parlament auf der Grundlage von Artikel 141 Absatz 4 der Geschäftsordnung schriftliche Stellungnahmen zu dieser künftigen Rechtssache einreicht;
9. begrüßt, dass Kanada das Ziel einer multilateralen Lösung für den Investitionsschutz vollständig übernommen hat und nun in enger Zusammenarbeit mit der EU dazu beiträgt, erfolgreich gegen die Inkohärenz und die Fragmentierung vorzugehen, die bei den Tausenden unterschiedlichen internationalen Investitionsabkommen bestehen, die derzeit in Kraft sind; ist der Auffassung, dass die im Rahmen des CETA vereinbarte neue Investitionsgerichtsbarkeit ein erster Schritt auf dem Weg zu diesem Ziel ist, und fordert, dass die Zeit bis zum vollständigen Inkrafttreten des Abkommens, in der das neue System nicht vorläufig angewandt wird, genutzt wird, um alle Maßnahmen zu ergreifen, die erforderlich sind, um die unbedingte Unabhängigkeit der öffentlich bestellten Richter zu gewährleisten und für angemessene Ethikregeln zu sorgen;
10. fordert die Kommission auf, es regelmäßig über die vorläufige Anwendung des CETA unterrichten, indem sie jährlich einen ausführlichen Umsetzungsbericht veröffentlicht, damit sichergestellt wird, dass mit dem CETA wirklich dazu beigetragen wird, menschenwürdige Arbeitsplätze zu schaffen, die Arbeitnehmerrechte zu stärken und die Umwelt zu schützen; fordert die Kommission erneut auf, dass sie spezielle Indikatoren festlegt, um dafür zu sorgen, dass die Umsetzung von Abkommen wie dem CETA ebenso überwacht wird wie die Auswirkungen des Abkommens auf die Leistungsfähigkeit der verschiedenen Wirtschaftszweige und -bereiche in der EU im Hinblick auf deren jeweilige Marktanteile;
11. weist darauf hin, dass einige sensible landwirtschaftliche Erzeugnisse wie Rind- und Schweinefleisch über Zollkontingente auch unter das CETA fallen; verweist auf die Studie der Kommission mit dem Titel „Kumulierte wirtschaftliche Auswirkungen künftiger Handelsabkommen auf die Landwirtschaft in der EU“, in der darauf hingewiesen wird, dass diese Erzeugnisse überaus sensibel sind und geschützt werden müssen; geht davon aus, dass in der EU-Handelspolitik den Befindlichkeiten örtlicher Erzeuger und landwirtschaftlicher Familienbetriebe größte Aufmerksamkeit zuteilwird;
12. weist erneut darauf hin, dass viele Entwicklungsländer in den Genuss von Zollpräferenzen seitens der EU und Kanadas kommen; fordert die Kommission daher auf, etwaige Auswirkungen des CETA auf Entwicklungsländer – zumal im Hinblick auf den Wegfall von Präferenzen, die Verlagerung von Handelsströmen und die Verwirklichung der Ziele der nachhaltigen Entwicklung durch diese Länder – genau zu beobachten und ihm regelmäßig Bericht darüber zu erstatten; fordert die Kommission auf, dass sie Initiativen unterstützt, die darauf abzielen, Entwicklungsländer in die weltweiten Wertschöpfungsketten einzubeziehen und sie an den Chancen teilhaben zu lassen, die das CETA eröffnet, indem von einschlägigen entwicklungspolitischen Instrumenten wie der Handelshilfe Gebrauch gemacht wird;
13. fordert von der EU und Kanada, dass sie sich gemeinsam verpflichten, bei handelsbezogenen Umweltfragen im Rahmen des CETA und vor allem im Hinblick auf die Umsetzung des Übereinkommens von Paris zusammenzuarbeiten und die Federführung zu übernehmen; fordert die Kommission auf, dass sie das Überprüfungsverfahren anwendet, um genauer zu bestimmen, wie im Rahmen des CETA insbesondere mit Blick auf die Zielvorgaben für Treibhausgasemissionen, z. B. mittels eines auf Sanktionen beruhenden Verfahrens, konkret zusammengearbeitet werden kann;
14. vertritt die Auffassung, dass die wesentlichen Normen für die Transparenz von Steuerregelungen verbindlich und die Richtschnur für die Handelspolitik und die Handelsabkommen der EU sein sollten; fordert die Kommission auf, in Handels- und Partnerschaftsabkommen Klauseln über verantwortungsvolles Handeln im Steuerwesen aufzunehmen, die sich insbesondere auf die Einhaltung der entsprechenden Empfehlungen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) für das Steuerwesen (d. h. der Initiative zur Bekämpfung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung) beziehen und mit denen sichergestellt wird, dass Unternehmen und Intermediäre Handels- und Partnerschaftsabkommen weder für Steuerumgehung bzw. -hinterziehung noch für Geldwäsche missbrauchen können;
15. fordert, dass ihm in der bevorstehenden interinstitutionellen Vereinbarung über internationale Verhandlungen uneingeschränkte Befugnisse zur Prüfung der Umsetzung des CETA verliehen werden, und zwar insbesondere durch Beschluss des Gemischten Ausschusses;
16. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten sowie der Bundesregierung und dem Parlament Kanadas und den Regierungen und Parlamenten der Provinzen und Territorien Kanadas zu übermitteln.
- [1] ABl. C 380E vom 11.12.2012, S. 20.
- [2] Angenommene Texte, P8_TA(2016)0299.
- [3] Angenommene Texte, P8_TA(2015)0252.
- [4] ABl. C 99E vom 3.4.2012, S. 31.
- [5] ABl. C 99E vom 3.4.2012, S. 101.