Gemeinsamer Entschließungsantrag - RC-B6-0387/2008Gemeinsamer Entschließungsantrag
RC-B6-0387/2008

GEMEINSAMER ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

3.9.2008

eingereicht gemäß Artikel 115 Absatz 5 der Geschäftsordnung von
anstelle der Entschließungsanträge folgender Fraktionen: zu den Tötungen von Albinos in Tansania

Verfahren : 2008/2625(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
RC-B6-0387/2008
Eingereichte Texte :
RC-B6-0387/2008
Angenommene Texte :

Entschließung des Europäischen Parlaments zu den Tötungen von Albinos in Tansania

Das Europäische Parlament,

–  unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu schweren Menschenrechtsverletzungen,

–  unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1948,

–  unter Hinweis auf die Afrikanische Charta der Menschenrechte und der Rechte der Völker vom 27. Juni 1981,

–  unter Hinweis auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes, das völkerrechtlich verbindlich ist und ohne Ausnahmen Anwendung findet,

–  unter Hinweis auf die Erklärung der Vereinten Nationen vom 18. Dezember 1982 zu den Rechten von Minderheiten,

–  gestützt auf Artikel 115 Absatz 5 seiner Geschäftsordnung,

A.  in der Erwägung, dass nach Angaben von nichtstaatlichen Organisationen und Medienberichten seit März 2008 mindestens 25 Albinos, darunter auch Kinder, im Gebiet des Viktoriasees getötet und verstümmelt wurden, insbesondere in Mwanza, Shinyanga und Mara, wo besonders viele Albinos leben,

B.  in der Erwägung, dass die drei genannten Regionen nicht nur für das Töten von Albinos, sondern auch für das Töten von Menschen berüchtigt sind, die für Hexen oder Zauberer gehalten werden; in der Erwägung, dass oft schon Gerüchte einen ausreichenden Grund für den aufgebrachten Pöbel darstellen, eine der Hexerei verdächtige Person zu töten,

C.  in der Erwägung, dass nach Angeben der staatlichen Stellen von Tansania die Tötungen von Albinos das Werk organisierter Banden sind, die von Hexendoktoren angeworben werden,

D.  in der Erwägung, dass nach Berichten der Medien in Daressalam 173 Personen in Zusammenhang mit den Tötungen von Albinos in Tansania verhaftet wurden, darunter auch etliche Hexendoktoren und ihre Kunden,

E.  in der Erwägung, dass nach Angaben der tansanischen Polizei abgetrennte Körperteile und das Blut von Albinos von Hexendoktoren an Bergleute und Fischer verkauft werden, in deren Glauben diese Körperteile Glück, Gesundheit und Wohlstand bescheren,

F.  in der Erwägung, dass diese Tötungen zu Angst und Besorgnis unter den Albinos geführt haben, die sich nun keineswegs mehr sicher fühlen und Aufenthalte, Spaziergänge oder Reisen ohne Begleitung aus Angst vor möglichen Gefahren vermeiden,

G.   in der Erwägung, dass 36 % der Bevölkerung Tansanias unterhalb der Armutsgrenze lebt; in der Erwägung, dass der Zugang zu medizinischer Versorgung nur wenigen vorbehalten ist und die Bevölkerung daher üblicherweise bei Hexendoktoren und traditionellen Heilern Hilfe sucht,

H.  in der Erwägung, dass Albinos eine Minderheit sind und die Diskriminierung von Albinos im gesamten Afrika südlich der Sahara ein schwerwiegendes Problem darstellt; in der Erwägung, dass weltweit 20 000 Menschen von Albinismus betroffen sind,

I.  in der Erwägung, dass laut einer Studie des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP) beinahe die Hälfte aller Eltern von Albino-Kindern deren Geburt als Grund zur Scham empfinden; in der Erwägung, dass Albino-Frauen von den anderen Frauen diskriminiert werden und Frauen, die Albino-Babys zur Welt bringen, oft verspottet, ausgegrenzt und bei der Arbeit diskriminiert werden; in der Erwägung, dass dem Bericht zufolge zwei Drittel der Eltern angaben, dass spezielle medizinische Eingriffe an Albino-Kindern kostspielig seien, und die Hälfte von ihnen angaben, ihre Kinder würden an schweren Sehstörungen leiden; in der Erwägung, dass jedoch 83 % angaben, dass die schulischen Leistungen ihrer Kinder jenen von anderen Kindern durchaus entsprechen,

1.  verurteilt aufs Schärfste die Tötungen von Albinos in Tansania und den spekulativen Handel mit ihren Körperteilen;

2.   begrüßt, dass der Präsident Tansanias, Jakaya Kikwete, die Morde an den Albinos verurteilt und versprochen hat, alle Anstrengungen darauf zu konzentrieren, diesen Verbrechen ein Ende zu setzen; betont, dass diesen Worten nun Taten folgen müssen;

3.   beglückwünscht Präsident Jakaya Kikwete zu seiner Entscheidung, Al-Shymaa Kway-Geer als erste Vertreterin der Albino-Minderheit als Abgeordnete in das Parlament zu berufen, nicht zuletzt aufgrund ihrer Entschlossenheit, die Diskriminierung, der sie und andere Albinos ausgesetzt sind, zu bekämpfen;

4.   unterstützt und begrüßt die von der tansanischen Regierung bislang ergriffenen Maßnahmen, wie etwa die Erhebung des zahlenmäßigen Anteils von Albinos an der Bevölkerung und die Einrichtung eines polizeilichen Begleitdienstes für Albino-Kinder; befürwortet die Forderung der tansanischen Parlamentsabgeordneten nach weiteren Maßnahmen seitens der Regierung, um das Problem an der Wurzel zu packen und jeglicher Form der Diskriminierung von Albinos ein Ende zu setzen;

5.   fordert die staatlichen Stellen, die Behörden auf lokaler Ebene und die Zivilgesellschaft Tansanias auf, im Interesse des Schutzes aller Albinos zusammenzuarbeiten; legt der Regierung Tansanias dringend nahe, umgehend Maßnahmen zu ergreifen, indem sie die Gesellschaft sensibilisiert und entsprechende Aufklärung über Albinismus leistet; vertritt die Auffassung, dass derlei Maßnahmen vornehmlich in den ländlichen Regionen ergriffen werden sollten, wo die Menschen im Allgemeinen weniger gebildet sind und eher zu Aberglauben neigen;

6.   begrüßt die Verhaftung von 173 Verdächtigen im Zusammenhang mit der Tötung von Albinos in Tansania; legt den Behörden dringend nahe, zügig vorzugehen und die Täter vor Gericht zu bringen;

7.  nimmt mit Bedauern zur Kenntnis, dass sich die Enthüllungsjournalistin Vicky Ntetema aufgrund von Todesdrohungen verstecken muss, nachdem sie aufgedeckt hatte, dass nicht nur Hexendoktoren, sondern auch die Polizei in die Tötungen verwickelt sind; fordert die Behörden Tansanias mit Nachdruck auf, bezüglich dieser Anklage eingehende und unparteiische Ermittlungen einzuleiten;

8.   würdigt und unterstützt die Arbeit der „Albino Association of Tanzania“, die Hilfe für die Albino-Gemeinschaft leistet; fordert die Kommission auf, diesen Verband aktiv zu unterstützen und seinen Appell an Akademiker, religiöse Führer und Menschenrechtsaktivisten mitzutragen, mit dem die Öffentlichkeit dafür sensibilisiert werden soll, dass das Töten von Albinos weder gesellschaftlich noch moralisch tragbar ist;

9.  fordert die Kommission auf, die Bemühungen des UNDP um die Förderung und den Schutz von Albinos in Afrika zu unterstützen;

10.  ist der Ansicht, dass die wirksamste Art, die Rechte der tansanischen Albinos zu schützen, darin besteht, ihnen im Rahmen von integrationspolitischen Maßnahmen einen gleichberechtigten Zugang zu qualitativ hochwertiger Bildung und medizinischer Versorgung sowie ausreichenden sozialen und rechtlichen Schutz zu gewähren;

11.  fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Regierung Tansanias, die nichtstaatlichen Organisationen und die Zivilgesellschaft bei der Formulierung von Maßnahmen zu unterstützen, die den Bedürfnissen und Rechten von Albinos Rechnung tragen und auf Nichtdiskriminierung, sozialer Integration und dem gleichberechtigten Zugang zum Arbeitsmarkt basieren;

12.  fordert eine bessere Ausbildung des medizinischen Personals sowie Workshops für Lehrer und Eltern, damit die Motivation entsteht, Albino-Kinder von der Sonne fernzuhalten, zumal viele von ihnen noch vor dem 30. Lebensjahr an Hautkrebs sterben;

13.  drängt darauf, dass die Kommission und die Mitgliedstaaten alles in ihrer Macht Stehende unternehmen, um zu gewährleisten, dass die für die medizinischen Versorgung bereitgestellten Mittel die Ärmsten der Armen in Tansania erreichen; betont, dass der Zugang zu medizinischer Versorgung in ländlichen und entlegenen Gebieten dringend notwendig ist;

14.  fordert die Kommission und den Rat auf, die Menschenrechtslage von Albinos in Tansania genau zu überwachen;

15.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Mitgliedstaaten, der Afrikanischen Union, der Regierung und dem Parlament Tansanias, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, den Ko-Präsidenten der Paritätischen Parlamentarischen Versammlung AKP-EU und dem AKP-Rat zu übermitteln.