Gemeinsamer Entschließungsantrag - RC-B7-0541/2012Gemeinsamer Entschließungsantrag
RC-B7-0541/2012

GEMEINSAMER ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zur Krise in der Stahlindustrie

10.12.2012 - (2012/2833(RSP))

eingereicht gemäß Artikel 115 Absatz 5 und Artikel 110 Absatz 4 der Geschäftsordnung
anstelle der Entschließungsanträge der Fraktionen:
PPE (B7‑0541/2012)
S&D (B7‑0542/2012)

Amalia Sartori, Herbert Reul, Roberta Angelilli, Jean-Pierre Audy im Namen der PPE-Fraktion
Patrizia Toia, Alejandro Cercas, Pervenche Berès, Silvia-Adriana Ţicău im Namen der S&D-Fraktion


Verfahren : 2012/2833(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
RC-B7-0541/2012
Eingereichte Texte :
RC-B7-0541/2012
Aussprachen :
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Angenommene Texte :

Entschließung des Europäischen Parlaments zur Krise in der Stahlindustrie

(2012/2833(RSP))

Das Europäische Parlament,

–   gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, der auf dem EGKS-Vertrag basiert,

–   unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zur Stahlindustrie und zur Umstrukturierung, Verlagerung und Schließung von Unternehmen in der EU,

–   gestützt auf die Charta der Grundrechte der Europäischen Union und die Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer,

–   unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 2. Februar 2011 mit dem Titel „Grundstoffmärkte und Rohstoffe: Herausforderungen und Lösungsansätze“ (COM(2011)0025),

–   unter Hinweis auf die Strategie Europa 2020,

–   in Kenntnis der Mitteilung der Kommission vom 10. Oktober 2012 an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen mit dem Titel „Eine stärkere europäische Industrie bringt Wachstum und wirtschaftliche Erholung“ (COM(2012)0582),

–   unter Hinweis auf die Anfrage an die Kommission betreffend die Stahlindustrie der EU (O‑000184/2012 – B7-0368/2012),

–   gestützt auf Artikel 115 Absatz 5 und Artikel 110 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,

A. in der Erwägung, dass der Kohle- und Stahlsektor nach dem Auslaufen des EGKS-Vertrags den Bestimmungen des EU-Vertrags unterliegt;

B.  in der Erwägung, dass eines der Ziele der Europäischen Union darin besteht, die verarbeitende Industrie zu unterstützen, ihre Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit zu gewährleisten sowie ihre Anpassung an die sich ändernden Marktbedingungen in europäischen und außereuropäischen Ländern zu ermöglichen, da sie für Wachstum und Wohlstand in Europa wesentlich ist;

C. in der Erwägung, dass die europäische Stahlindustrie unter einem Nachfrageeinbruch leidet, was fortwährende Verluste in Bezug auf Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit verursacht;

D. in der Erwägung, dass die Stahlindustrie strategische Bedeutung für die Volkswirtschaften in der EU hat und dass es im Interesse der gesamten Europäischen Union ist, die Sektoren zu erhalten, die ihre industrielle Struktur ausmachen, und die Energieversorgungssicherheit durch eine heimische Produktion sicherzustellen;

E.  in der Erwägung, dass eine wettbewerbsfähige europäische Stahlindustrie das Rückgrat der Entwicklung und Wertschöpfung für viele wichtige Industriesparten wie Kraftfahrzeugtechnik, Bauwesen und Maschinenbau bildet;

F.  in der Erwägung, dass sich die Stahlindustrie mit erheblichen Herausforderungen konfrontiert sieht, nämlich einem Nachfrageeinbruch, starkem Wettbewerb durch Einfuhren aus Drittländern mit anderen Vorschriften und Standards, schwierigem Zugang zu Rohstoffen und höheren Kosten, die zu Umstrukturierung, Unternehmensfusionen und Arbeitsplatzverlusten geführt haben;

G. in der Erwägung, dass die Zahl der Erwerbstätigen in der Stahlindustrie von 1 Million 1970 auf ca. 369 000 2012 gesunken ist und dass die Zahl der Erwerbstätigen in nachgelagerten Industriesparten in die Millionen geht;

H. in der Erwägung, dass sich die Stahlexporte der Europäischen Union den von der Kommission veröffentlichten Daten zufolge 2010 auf 33,7 Mio. Tonnen (im Wert von 32 Mrd. EUR) beliefen, wobei die größten Absatzmärkte für EU-Stahlexporte die Türkei, die USA, Algerien, die Schweiz, Russland und Indien waren, während die Stahlimporte der Europäischen Union sich 2010 auf 26,8 Mio. Tonnen (im Wert von 18 Mrd. EUR) beliefen, wobei die wichtigsten Lieferländer Russland, die Ukraine, China, die Türkei, Südkorea, die Schweiz und Serbien waren;

I.   in der Erwägung, dass die gegenwärtige Krise riesige soziale Probleme für die betroffenen Arbeitnehmer und Regionen verursacht und dass die umstrukturierenden Unternehmen sozial verantwortlich handeln sollten, da die Erfahrung zeigt, dass eine erfolgreiche Umstrukturierung ohne ausreichenden sozialen Dialog nicht möglich ist;

J.   in der Erwägung, dass Hochtechnologie-Industrien – für die der Stahlsektor ein Beispiel ist – als Modell technologischen Know-hows gelten und daher erhalten werden müssen, indem unverzügliche Maßnahmen ergriffen werden, um ihre Standortverlagerung in Länder außerhalb der EU zu verhindern;

1.  fordert die Kommission auf, auf kurze Sicht ein klares Bild von der Situation betreffend die in der europäischen Stahlindustrie verzeichneten bedeutenden Veränderungen zu vermitteln; betont, dass die Kommission die weitere Entwicklung sorgfältig überwachen muss, um das industrielle Erbe Europas und die betreffenden Arbeitskräfte zu erhalten;

2.  weist darauf hin, dass die Kommission nach dem Auslaufen des EGKS-Vertrags berechtigt ist, sich mit den wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der Entwicklungen in der europäischen Stahlindustrie zu befassen, und fordert die Kommission auf, die positive Erfahrung der EGKS zu berücksichtigen und ein Dreiergremium (Gewerkschaften, Vertreter der Industrie und Kommission) einzurichten, um die Weiterentwicklung der europäischen Stahlindustrie zu fördern sowie vorausschauendes Handeln, Konsultation und Information der Arbeitnehmer sicherzustellen und dafür zu sorgen, dass die rechtlichen Anforderungen der Richtlinie über Europäische Betriebsräte[1] umfassend beachtet werden;

3.  fordert die Kommission auf, intensiv über strategische mittel- und langfristige Initiativen zur Unterstützung und zum Erhalt der Stahlindustrie und ihrer nachgelagerten Sektoren nachzudenken;

4.  fordert die Kommission auf, der Industriepolitik größere Bedeutung beizumessen, um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie auf dem Weltmarkt wieder zu stärken und so gleiche Wettbewerbsbedingungen zu gewährleisten und gleichzeitig hohe soziale und ökologische Standards in der EU sicherzustellen und auf Reziprozität in Drittländern hinzuwirken;

5.  ist der Ansicht, dass der wirtschaftliche Wiederaufschwung in Europa auch von einer stärkeren verarbeitenden Industrie abhängt; weist darauf hin, dass Stahl bei der Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit strategischer nachgelagerter Industriesparten eine entscheidende Rolle spielt, die unter einer weniger starken europäischen Stahlindustrie leiden und von Einfuhren aus Drittländern abhängig und damit anfällig würden;

6.  begrüßt die Initiative der Kommission, bis Juni 2013 einen Europäischen Aktionsplan für die Stahlindustrie zu entwickeln, betont jedoch, dass dieser möglichst bald vorgelegt werden muss;

7.  fordert die Kommission auf, ihre Entscheidung zu überdenken, die vorherige Überwachung von Einfuhren bestimmter Stahlerzeugnisse und –rohre nicht über den 31. Dezember 2012 hinaus aufrechtzuerhalten, wie in der Verordnung (EU) Nr. 1241/2009[2] der Kommission vom 16. Dezember 2009 vorgeschrieben, und diese Regelung in den Aktionsplan aufzunehmen;

8.  fordert die Kommission auf, in ihren Aktionsplan die Mobilisierung aller verfügbaren EU-Instrumente einzubeziehen, einschließlich einer intensiveren Nutzung von Forschung, Entwicklung und Innovation (FEI), insbesondere im Hinblick auf Energie- und Ressourceneffizienz, gezielter Investitionen der Europäischen Investitionsbank, einer aktiven Politik für Weiterbildung, Neuqualifizierung und Umschulung von Arbeitnehmern und der potenziellen Nutzung von EU-Finanzinstrumenten wie dem Europäischen Sozialfonds und dem Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung, sofern notwendig, sowie weiterer Anreize, um die Industrie bei Investitionen und Modernisierung zu unterstützen;

9.  vertritt die Auffassung, dass in einem entsprechenden Aktionsplan auch geprüft werden sollte, wie die hohen Energie- und Rohstoffkosten bewältigt und gemindert werden könnten, die die Wettbewerbsfähigkeit der Stahlindustrie gefährden; betont in diesem Zusammenhang, dass Energie- und Ressourceneffizienz erhebliche Kosteneinsparungen bewirken können, und begrüßt in diesem Kontext die europäische öffentlich-private Partnerschaft SPIRE, fordert aber dessen ungeachtet die Kommission und die Stahlindustrie selbst auf, weiterhin die verfügbaren Möglichkeiten zu prüfen, die Gründung von Unternehmenskonsortien zu fördern und angesichts der gegenwärtigen und künftigen Beschränkung von Rohstofflieferungen ein Kreislauf-Produktionssystem mit dem Ziel der Wiedergewinnung und -verwendung von Schrott voranzutreiben;

10. fordert die Kommission auf, die Stahlindustrie im Rahmen ihrer regelmäßigen Überprüfung der bestehenden staatlichen Beihilferegeln zu berücksichtigen und die Umsetzbarkeit der Einführung einer Qualitätszertifizierung für Stahlerzeugnisse zu prüfen;

11. fordert die Kommission auf, Umstrukturierungen oder Standortverlagerungen zu überwachen und auf Einzelfallbasis sicherzustellen, dass sie unter strikter Einhaltung des Wettbewerbsrechts der Union vollzogen werden; vertritt die Auffassung, dass der potenzielle Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung ebenfalls überwacht werden sollte;

12. begrüßt Projekte wie das ULCOS (Energieeinsparung und extrem niedrige CO2-Emission in der Stahlerzeugung)-Konsortium, das als Beispiel für eine innovative Forschungs- und Entwicklungsinitiative mit dem Ziel dient, einen Beitrag zur weiteren Reduzierung der CO2-Emissionen in der Stahlindustrie zu leisten, und unterstreicht, dass kontinuierlich in Forschung und Innovation investiert werden muss, die für die Wiederbelebung und Erneuerung dieses Sektors von entscheidender Bedeutung sind;

13. fordert die Kommission auf, aufmerksam die Entwicklungen in den Niederlassungen in Florange, Lüttich, Terni, Galați, Schifflange, Piombino, Câmpia Turzii, Rodange, Oțelu Roşu, Triest, Schlesien, Reşiţa, Targoviste, Călăraşi, Hunedoara, Buzău, Braila, Borlänge, Luleå, Oxelösund und anderswo zu überwachen, deren weitere Existenz in ihrer derzeitigen Form gefährdet ist, um sicherzustellen, dass die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Stahlindustrie und ihre Bedeutung als Beschäftigungssektor nicht gefährdet werden;

14. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung der Kommission, dem Rat und den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.