Gemeinsamer Entschließungsantrag - RC-B8-0576/2017Gemeinsamer Entschließungsantrag
RC-B8-0576/2017

GEMEINSAMER ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zur Bekämpfung von sexueller Belästigung und sexuellem Missbrauch in der EU

25.10.2017 - (2017/2897(RSP))

eingereicht gemäß Artikel 123 Absätze 2 und 4 der Geschäftsordnung
anstelle der Entschließungsanträge der Fraktionen:
ECR (B8-B8-0576/2017)
Verts/ALE (B8-B8-0577/2017)
S&D (B8-B8-0578/2017)
GUE/NGL (B8-B8-0579/2017)
ALDE (B8-B8-0580/2017)
PPE (B8-B8-0582/2017)

Agnieszka Kozłowska-Rajewicz im Namen der PPE-Fraktion
Gianni Pittella, Costas Mavrides, Evelyn Regner, Nicola Caputo, Karoline Graswander-Hainz, Nicola Danti, Simona Bonafè, Clara Eugenia Aguilera García, Elena Valenciano, Brando Benifei, Soledad Cabezón Ruiz, Cécile Kashetu Kyenge, Claudia Țapardel, Sergio Gutiérrez Prieto, Inés Ayala Sender, Iratxe García Pérez, Maria Arena, Hugues Bayet, Vilija Blinkevičiūtė, Biljana Borzan, Udo Bullmann, Nessa Childers, Mady Delvaux, Mary Honeyball, Edouard Martin, Julie Ward, Christine Revault d’Allonnes Bonnefoy, Maria Noichl, Tonino Picula, Dietmar Köster im Namen der S&D-Fraktion
Arne Gericke im Namen der ECR-Fraktion
Beatriz Becerra Basterrechea, Martina Dlabajová, Hilde Vautmans, Ivo Vajgl, Renate Weber, Ivan Jakovčić, Fredrick Federley, Frédérique Ries, Maite Pagazaurtundúa Ruiz, Nils Torvalds, Yana Toom, Kaja Kallas, Ulrike Müller, Gerben-Jan Gerbrandy, Matthijs van Miltenburg, Cecilia Wikström, Johannes Cornelis van Baalen, Jan Huitema, Louis Michel, Dita Charanzová, Catherine Bearder, Sophia in 't Veld, Angelika Mlinar, Izaskun Bilbao Barandica, Filiz Hyusmenova im Namen der ALDE-Fraktion
Malin Björk, Ángela Vallina, Paloma López Bermejo, Stefan Eck, Sabine Lösing, Kateřina Konečná, Jiří Maštálka, Nikolaos Chountis, Marie-Pierre Vieu, Marie-Christine Vergiat, Tania González Peñas, Merja Kyllönen, Miguel Urbán Crespo, Josu Juaristi Abaunz, Curzio Maltese, Marina Albiol Guzmán, Eleonora Forenza, Patrick Le Hyaric, Dimitrios Papadimoulis, Kostadinka Kuneva, Martina Anderson, Matt Carthy, Lynn Boylan, Liadh Ní Riada, Maria Lidia Senra Rodríguez, Javier Couso Permuy, Stelios Kouloglou, Xabier Benito Ziluaga, Estefanía Torres Martínez im Namen der GUE/NGL-Fraktion
Ska Keller, Ulrike Lunacek, Philippe Lamberts, Max Andersson, Jan Philipp Albrecht, Bodil Valero, Karima Delli, Pascal Durand, Michael Cramer, Josep-Maria Terricabras, Alyn Smith, Julia Reda, Jordi Solé, Klaus Buchner, Marco Affronte, Florent Marcellesi, Linnéa Engström, Judith Sargentini, Helga Trüpel, Jill Evans, Igor Šoltes, Ernest Urtasun, Terry Reintke, Monika Vana, Molly Scott Cato, Bart Staes, Benedek Jávor, Bronis Ropė, Margrete Auken, Rebecca Harms, Heidi Hautala, Ian Hudghton, Yannick Jadot, Eva Joly, Tamás Meszerics, Michel Reimon, Michèle Rivasi, Indrek Tarand, Claude Turmes im Namen der Verts/ALE-Fraktion
Daniela Aiuto, Isabella Adinolfi im Namen der EFDD-Fraktion


Verfahren : 2017/2897(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
RC-B8-0576/2017
Eingereichte Texte :
RC-B8-0576/2017
Angenommene Texte :

Entschließung des Europäischen Parlaments zur Bekämpfung von sexueller Belästigung und sexuellem Missbrauch in der EU

(2017/2897(RSP))

Das Europäische Parlament,

–   gestützt auf die Artikel 2 und 3 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) und die Artikel 8, 10, 19 und 157 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV),

–  unter Hinweis auf die Charta der Grundrechte der Europäischen Union, die im Dezember 2009 mit dem Vertrag von Lissabon in Kraft trat[1], insbesondere auf die Artikel 20, 21, 23, und 31,

–  unter Hinweis auf den Bericht der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) mit dem Titel „Gewalt gegen Frauen“[2] von 2014,

–  unter Hinweis auf die Richtlinie 2006/54/ΕG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (Neufassung)[3],

–  unter Hinweis auf die Richtlinie 2004/113/EG des Rates vom 13. Dezember 2004 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, in der Belästigung und sexuelle Belästigung definiert und verurteilt werden[4],

–  unter Hinweis auf den vom Europäischen Institut für Gleichstellungsfragen veröffentlichten Bericht zum Gleichstellungsindex,

–  unter Hinweis auf das Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen vom 3. Dezember 2015 mit dem Titel „Strategic engagement for gender equality 2016–2019“ (Strategisches Engagement für die Gleichstellung der Geschlechter 2016–2019) (SWD(2015)0278),

–  unter Hinweis auf die Erklärung des Dreiervorsitzes im Rat der Europäischen Union (Estland, Bulgarien und Österreich) zur Gleichbehandlung von Männern und Frauen vom Juli 2017,

–  unter Hinweis auf die Erklärung der Vereinten Nationen von 1993 über die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen,

–  unter Hinweis auf die Erklärung und die Aktionsplattform von Peking, die am 15. September 1995 auf der vierten Weltfrauenkonferenz angenommen wurden, sowie auf die entsprechenden Abschlussdokumente – das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau und sein Fakultativprotokoll –, die im Rahmen der Sondertagungen der Vereinten Nationen Peking +5 (2000), Peking +10 (2005), Peking +15 (2010) und Peking +20 (2015) angenommen wurden,

–  unter Hinweis auf die Richtlinie 2012/29/EU vom 25. Oktober 2012 über Mindeststandards für die Rechte, die Unterstützung und den Schutz von Opfern von Straftaten sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2001/220/JI[5] („Opferschutzrichtlinie“),

–  unter Hinweis auf die Rahmenvereinbarung zu Belästigung und Gewalt am Arbeitsplatz, die 2007 zwischen dem EGB, BUSINESSEUROPE, der UEAPME und dem CEEP geschlossen wurde,

–  unter Hinweis auf den 2015 veröffentlichten Bericht des Europäischen Netzes nationaler Gleichbehandlungsstellen (EQUINET) mit dem Titel „The Persistence of Discrimination, Harassment and Inequality for Women. The Work of Equality Bodies informing a new European Commission Strategy for Gender Equality (Anhaltende Diskriminierung, Belästigung und Ungleichbehandlung von Frauen. Der Beitrag von Gleichstellungsstellen zu einer neuen Strategie der Kommission zur Gleichstellung der Geschlechter),

–  unter Hinweis auf das Übereinkommen von Istanbul zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, insbesondere auf die Artikel 2 und 40[6] und auf seine Entschließung vom 12. September 2017 zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über den Abschluss des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt durch die Europäische Union[7],

–  unter Hinweis auf seine Entschließungen vom 20. September 2001 zu Mobbing am Arbeitsplatz[8], vom 26. November 2009 zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen[9], vom 5. April 2011 zu den Prioritäten und Grundzügen einer neuen EU-Politik zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen[10], vom 15. Dezember 2011 zu der Halbzeitüberprüfung der Strategie der Europäischen Union für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz 2007–2012[11] (2011/2147(INI)), vom 25. Februar 2014 mit Empfehlungen an die Kommission zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen[12], auch auf die den Empfehlungen beiliegende Bewertung des europäischen Mehrwerts, und vom 24. November 2016 zum Beitritt der EU zum Übereinkommen von Istanbul zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen[13],

–  unter Hinweis auf seine Entschließungen vom 14. März 2017 zur Gleichstellung von Frauen und Männern in der Europäischen Union 2014–2015[14], vom 10. März 2015 zum Fortschritt bei der Gleichstellung von Frauen und Männern in der EU 2013[15] und vom 24. Oktober 2017 zu legitimen Maßnahmen zum Schutz von Hinweisgebern, die aus Gründen des öffentlichen Interesses handeln[16],

–   unter Hinweis auf Artikel 12a des Statuts der Beamten der Europäischen Union und die Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Europäischen Union,

–  unter Hinweis auf den im September 2017 veröffentlichten Leitfaden für Mitglieder des Europäischen Parlaments mit dem Titel „Vermeidung von Belästigung am Arbeitsplatz“ und den Aktionsplan, den die Verwaltung des Europäischen Parlaments zu dieser wichtigen Frage aufgelegt hat,

A.  in der Erwägung, dass die Gleichstellung der Geschlechter ein in den Verträgen und in der Charta der Grundrechte verankerter Grundwert der EU ist und die EU sich dazu verpflichtet hat, diesen Wert in alle ihre Maßnahmen einzubinden;

B.  in der Erwägung, dass die EU eine Wertegemeinschaft ist, die sich auf Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte gründet, und dass diese Grundsätze in den ersten Artikeln des EUV und in den Kriterien für die EU-Mitgliedschaft als ihre grundlegenden Prinzipien und Ziele verankert sind;

C.  in der Erwägung, dass sexuelle Belästigung im EU-Recht definiert ist als „jede Form von unerwünschtem Verhalten sexueller Natur, das sich in verbaler, nicht verbaler oder physischer Form äußert und das bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen und Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird“[17];

D.   in der Erwägung, dass sexuelle Belästigung eine Form von Gewalt gegen Frauen und Mädchen und die extremste Form geschlechtsbezogener Diskriminierung ist, die jedoch weiter fortbesteht; in der Erwägung, dass aus der 2014 veröffentlichten EU-weiten Studie der FRA mit dem Titel „Gewalt gegen Frauen“ hervorgeht, dass jeder dritten Frau als Erwachsener körperliche oder sexuelle Gewalt widerfahren ist; in der Erwägung, dass fast 55 % der Frauen in der EU schon einmal sexuell belästigt wurden; in der Erwägung, dass 32 % aller Opfer in der EU angegeben haben, dass es sich bei dem Täter um einen Vorgesetzten, Kollegen oder Kunden gehandelt habe; in der Erwägung, dass 75 % der Frauen in ausbildungspflichtigen Berufen oder gehobenen Führungspositionen schon einmal sexuell belästigt wurden; in der Erwägung, dass 61 % der im Dienstleistungssektor beschäftigten Frauen schon einmal sexuell belästigt wurden; in der Erwägung, dass in der EU-28 20 % der jungen Frauen zwischen 18 und 29 Jahren schon einmal Opfer von Cybermobbing waren; in der Erwägung, dass jede zehnte Frau schon einmal unter Verwendung neuer Technologie sexuell belästigt oder gestalkt wurde;

E.  in der Erwägung, dass sexuelle Belästigung und Mobbing den Behörden sehr oft nicht gemeldet werden, weil das soziale Bewusstsein für dieses Problem nach wie vor recht schwach ausgeprägt ist, die Möglichkeiten für die Opferbetreuung unzureichend sind und dieses Problem als gesellschaftlich heikles Thema gilt, obwohl es offizielle Verfahren gibt, um dagegen am Arbeitsplatz und in anderen Bereichen vorzugehen;

F.  in der Erwägung, dass sexuelle Gewalt und Belästigung am Arbeitsplatz Probleme sind, die in den Bereich Gesundheit und Sicherheit fallen und demnach als solche behandelt und verhindert werden sollten;

G.  in der Erwägung, dass die Diskriminierung aus Gründen des Geschlechts, der Rasse oder der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung nach dem EU-Recht verboten ist;

H.  in der Erwägung, dass sexuelle Gewalt und Belästigung dem Grundsatz der Gleichstellung und der Gleichberechtigung der Geschlechter zuwiderlaufen und Formen der geschlechtsspezifischen Diskriminierung sind und demnach im Zusammenhang mit Beschäftigung, auch beim Zugang zu Beschäftigung, Berufsausbildung und beruflicher Beförderung verboten sind;

I.  in der Erwägung, dass das Fortbestehen von Geschlechterstereotypen, Sexismus, sexueller Belästigung und Missbrauch eine europa- und weltweit auftretende strukturelle und weit verbreitete Erscheinung ist, die Opfer und Täter der unterschiedlichsten Altersgruppen, Bildungs-, Einkommens- und Gesellschaftsschichten betrifft und für das Opfer körperliche, sexuelle, emotionale und psychische Folgen hat; in der Erwägung, dass die ungleichen Machtverhältnisse zwischen Mann und Frau, Geschlechterstereotype und Sexismus einschließlich sexistischer Hassreden sowohl offline als auch online die Hauptursachen aller Formen von Gewalt gegen Frauen sind und zur Unterdrückung und Diskriminierung von Frauen durch Männer sowie dazu geführt haben, dass Frauen ihre Entwicklungsmöglichkeiten nicht voll ausschöpfen können;

J.  in der Erwägung, dass die Aktionsplattform von Peking Gewalt gegen Frauen als unter anderem körperliche, sexuelle und psychische Gewalt definiert, die innerhalb der Gemeinschaft stattfindet, und zwar auch durch Vergewaltigung, sexuellen Missbrauch, sexuelle Belästigung und Einschüchterung am Arbeitsplatz, in Bildungseinrichtungen und anderswo[18];

K.  in der Erwägung, dass geschlechtsbezogene Gewalt nach der Opferschutzrichtlinie als eine Form der Diskriminierung und als eine Verletzung der Grundrechte des Opfers gilt und Gewalt in engen Beziehungen, sexuelle Gewalt (einschließlich Vergewaltigung, sexueller Übergriffe und sexueller Belästigung), Menschenhandel, Sklaverei und andere schädliche Praktiken wie Zwangsehen, Verstümmelung weiblicher Geschlechtsorgane und sogenannte „Ehrenverbrechen“ einschließt; in der Erwägung, dass weibliche Opfer geschlechtsbezogener Gewalt und ihre Kinder wegen des bei dieser Art der Gewalt bestehenden hohen Risikos von sekundärer und wiederholter Viktimisierung, Einschüchterung und Vergeltung oft besondere Unterstützung und besonderen Schutz benötigen[19];

L.  in der Erwägung, dass die Mitgliedstaaten gemäß dem EU-Recht für die Einrichtung einer Gleichstellungsstelle sorgen müssen, die den Opfern von Belästigung und sexueller Belästigung unabhängig Hilfe leistet, unabhängige Untersuchungen durchführt, unabhängige Berichte veröffentlicht und in Bezug auf Beschäftigung und Berufsausbildung, den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen sowie für Selbstständige Beratung anbietet;

M.  in der Erwägung, dass sexuelle Belästigung und Missbrauch – vorrangig von Männern gegen Frauen – europa- und weltweit auftretende strukturelle und weit verbreitete Erscheinungen sind, die Opfer und Täter der unterschiedlichsten Altersgruppen, Bildungs‑, Einkommens- und Gesellschaftsschichten betreffen und mit den ungleichen Machtverhältnissen zwischen Frauen und Männern in unserer Gesellschaft zusammenhängen;

N.  in der Erwägung, dass jeder Einzelne in der Gesellschaft für die Gleichstellung der Geschlechter mitverantwortlich ist und sowohl Männer als auch Frauen aktiv dazu beitragen müssen; in der Erwägung, dass sich die Behörden dafür einsetzen sollten, dass an Männer und jüngere Generationen gerichtete Bildungs- und Sensibilisierungkampagnen organisiert werden, damit Männer und Jungen als Partner einbezogen werden und es schrittweise gelingt, alle Formen von geschlechtsbezogener Gewalt zu verhindern und zu beseitigen und die Position von Frauen zu stärken;

O.  in der Erwägung, dass Frauen in der Europäischen Union nicht in gleichem Maße vor geschlechtsbezogener Gewalt, sexueller Belästigung und Missbrauch geschützt sind, weil in den Mitgliedstaaten unterschiedliche Maßnahmen und Rechtsvorschriften greifen, sowie in der Erwägung, dass Frauen im Rahmen der Justizsysteme nicht genügend Unterstützung erhalten; in der Erwägung, dass das Opfer den Täter bei Fällen geschlechtsbezogener Gewalt oft kennt und häufig in einem Abhängigkeitsverhältnis zu ihm steht, sodass es zusätzlich davor zurückschreckt, den Übergriff anzuzeigen;

P.  in der Erwägung, dass das Übereinkommen von Istanbul zwar von allen Mitgliedstaaten unterzeichnet, aber nur von 15 Mitgliedstaaten ratifiziert wurde; in der Erwägung, dass die Mitgliedstaaten durch den Beitritt der EU zu diesem Übereinkommen nicht davon entbunden sind, das Übereinkommen auf der nationalen Ebene zu ratifizieren; in der Erwägung, dass in Artikel 40 des Übereinkommens von Istanbul festgelegt ist, dass „[d]ie Vertragsparteien [...] die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen [treffen], um sicherzustellen, dass jede Form von ungewolltem sexuell bestimmtem verbalem, nonverbalem oder körperlichem Verhalten mit dem Zweck oder der Folge, die Würde einer Person zu verletzen, insbesondere wenn dadurch ein Umfeld der Einschüchterung, Feindseligkeit, Erniedrigung, Entwürdigung oder Beleidigung geschaffen wird, strafrechtlichen oder sonstigen rechtlichen Sanktionen unterliegt“;

Q.  in der Erwägung, dass im politischen Leben unverhältnismäßig häufig Frauen von Gewalt und Belästigung betroffen sind; in der Erwägung, dass derartige Gewalt einen Verstoß gegen die Menschenrechte und Grundfreiheiten darstellt, und zwar auch gegen die Verpflichtung sicherzustellen, dass Frauen ungehindert als politische Vertreter agieren und teilhaben können,

R.  in der Erwägung, dass sexuelle Belästigung in Artikel 12a des Statuts der Beamten der Europäischen Union sowie in den Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Europäischen Union definiert ist;

S.  in der Erwägung, dass sexuelle Belästigung oder sexistisches Verhalten keine harmlosen Erscheinungen sind; ferner in der Erwägung, dass die Bagatellisierung sexueller Belästigung oder sexueller Gewalt durch sprachliche Verharmlosung ein Zeichen für sexistische Einstellungen gegenüber Frauen ist und dass damit in den Beziehungen zwischen Männern und Frauen Botschaften der Dominanz und Kontrolle kommuniziert werden, die die Würde, die Unabhängigkeit und die Freiheit von Frauen beeinträchtigen;

T.  in der Erwägung, dass das Parlament besondere Strukturen und interne Regelungen vorgesehen hat, um auf sexuelle Belästigung im Parlament reagieren zu können, und zwar in Form des Beratenden Ausschusses für Beschwerden von akkreditierten parlamentarischen Assistenten über Mitglieder des Europäischen Parlaments wegen Belästigung, und dass es für andere förmliche Verfahren in Bezug auf Mitarbeiter der Verwaltung des Parlaments und der Fraktionen einen Beratenden Ausschuss „Mobbing und Mobbing-Prävention am Arbeitsplatz“ gibt, dessen Aufgabe es ist, etwaige Vorfälle zu beurteilen und sexueller Belästigung und Missbrauch vorzubeugen;

U.  in der Erwägung, dass Politiker als gewählte Vertreter der Bürger besondere Verantwortung dafür tragen, bei der Prävention und Bekämpfung von sexueller Belästigung in der Gesellschaft ein Beispiel zu setzen;

Null Toleranz und Bekämpfung von sexueller Belästigung und sexuellem Missbrauch in der EU

1.  verurteilt nachdrücklich sämtliche Formen von sexueller Gewalt, körperlicher Belästigung oder Mobbing und bedauert, dass diese Erscheinungen so bedenkenlos toleriert werden, zumal es sich dabei eigentlich um einen systembedingten Verstoß gegen die Grundrechte und um einen schweren Straftatbestand handelt, der auch als solcher geahndet werden muss; betont, dass der Straflosigkeit ein Ende gesetzt werden muss, indem die Täter strafrechtlich verfolgt werden;

2.  fordert mit Nachdruck, dass der für sexuelle Belästigung und Missbrauch geltende Rechtsrahmen wirksam umgesetzt wird, und fordert die EU-Mitgliedstaaten sowie öffentliche und privatwirtschaftliche Unternehmen in diesem Zusammenhang auf, weitere Maßnahmen zu treffen, um sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz und anderswo wirksam zu verhindern und zu beseitigen; hebt hervor, dass die Rechtsverfahren, die eigens als Handhabe gegen Fälle der sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz vorgesehen wurden, auch zur Anwendung kommen sollten;

3.  begrüßt Initiativen wie die Bewegung #MeToo, die sich dafür einsetzen, dass Fälle von sexueller Belästigung und Gewalt gegen Frauen angezeigt werden; unterstützt entschlossen alle Frauen und Mädchen, die an der Kampagne teilgenommen haben, einschließlich jener, die ihre Peiniger öffentlich angeprangert haben;

4.  fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die ordnungsgemäße Umsetzung der EU-Richtlinien zum Verbot von Belästigung aufgrund des Geschlechts und sexueller Belästigung entsprechend zu überwachen und sicherzustellen, dass die EU-Mitgliedstaaten die Personaldecke der für die Überwachung im Hinblick auf diskriminierende Praktiken zuständigen Gleichstellungsstellen aufstocken und dafür sorgen, dass diese Stellen ein klares Mandat und entsprechende Mittel erhalten, um die drei Bereiche Beschäftigung, Selbständigkeit und Zugang zu Gütern und Dienstleistungen abdecken zu können;

5.  fordert die Kommission auf, die bestehenden bewährten Verfahren zur Bekämpfung sexueller Belästigung am Arbeitsplatz zu beurteilen, auszutauschen und zu vergleichen und die Ergebnisse dieser Bewertung zu verbreiten, damit die Mitgliedstaaten wissen, mit welchen Maßnahmen sie möglicherweise erreichen können, dass sich Unternehmen, Sozialpartner und Einrichtungen im Bereich berufliche Bildung dafür engagieren, alle Formen der geschlechtsbezogenen Diskriminierung, gerade in Bezug auf Belästigung und sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, zu verhindern;

6.  hebt hervor, dass Männern, was das Engagement für einen Wandel und die Beseitigung aller Formen von Belästigung und sexueller Gewalt betrifft, eine zentrale Rolle zukommt, weil sie die Umstände und Strukturen bekämpfen müssen, durch die die dafür ursächlichen Verhaltensweisen – auch nur passiv – begünstigt werden, und gegen jegliches Fehlverhalten oder unangemessene Verhalten vorgehen müssen; fordert die Mitgliedstaaten auf, Männer aktiv in Sensibilisierungs- und Präventionskampagnen einzubeziehen;

7.  ist der Ansicht, dass es für die Bekämpfung von sexueller Belästigung auch entscheidend ist, sich mit Problemen wie der zu seltenen Meldung von Vorfällen und dem sozialen Stigma zu befassen, am Arbeitsplatz Verfahren zur Rechenschaftslegung vorzusehen, Männer und Jungen aktiv bei der Gewaltprävention einzubeziehen und gegen neu aufkommende Formen der Gewalt, beispielsweise im Cyberraum, vorzugehen;

8.  ist beunruhigt darüber, dass die Belästigung von Frauen im Internet und insbesondere in den sozialen Medien – angefangen von unerwünschten Kontaktanfragen, über das sogenannte Trollen und Cyber-Mobbing bis hin zu sexueller Belästigung und Vergewaltigungs- und Morddrohungen – in unserer digitalen Gesellschaft zunehmend um sich greift und dadurch auch neue Formen der Gewalt gegen Frauen und Mädchen entstehen, wie Cyber-Mobbing, Cyber-Belästigung, die Verwendung erniedrigender Bilder im Internet und die Verbreitung privater Fotos und Videos in den sozialen Medien ohne Zustimmung der Betroffenen;

9.  fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, dafür Sorge zu tragen, dass Finanzierungsinstrumente für Programme zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen in Anspruch genommen werden können, um für das Problem zu sensibilisieren und zivilgesellschaftliche Organisationen bei der Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen, einschließlich sexueller Belästigung, zu unterstützen;

10.  fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Ratifizierung des Übereinkommens von Istanbul zu beschleunigen; fordert die Mitgliedstaaten auf, das Übereinkommen von Istanbul vollständig umzusetzen, auch indem sie ein System zur Erhebung aufgeschlüsselter Daten einrichten, in dem Angaben nach Alter und Geschlecht der Täter sowie nach dem Verhältnis zwischen Opfer und Täter aufgeschlüsselt werden, wobei auch Fälle sexueller Belästigung erfasst werden;

11.  fordert die Kommission auf, einen Vorschlag für eine Richtlinie gegen alle Formen von Gewalt gegen Frauen und Mädchen und geschlechtsbezogene Gewalt vorzulegen; bekräftigt seine an die Kommission gerichtete Forderung, eine umfassende EU-Strategie gegen alle Formen von geschlechtsbezogener Gewalt, einschließlich sexueller Belästigung und sexuellen Missbrauchs gegen Frauen und Mädchen, vorzulegen;

12.  fordert den Rat auf, die Überleitungsklausel anzuwenden, indem ein einstimmiger Beschluss über die Anerkennung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen (und anderer Formen geschlechtsbezogener Gewalt) als Kriminalitätsbereich gemäß Artikel 83 Absatz 1 AEUV erlassen wird;

13.  fordert eine stärkere Berücksichtigung von Frauen bei Entscheidungsprozessen, in Gewerkschaften und für Führungspositionen von öffentlichen und privaten Einrichtungen bzw. Unternehmen; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, zusammen mit nichtstaatlichen Organisationen, Sozialpartnern und Gleichstellungsstellen die wichtigen Maßnahmen zur Aufklärung über die Rechte der Opfer sexueller Belästigung und geschlechtsspezifischer Diskriminierung zu verstärken; hebt hervor, dass die Mitgliedstaaten, Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften verstärkt für sexuelle Belästigung sensibilisieren und Frauen dabei unterstützen und ermutigen müssen, Vorfälle unverzüglich zu melden;

14.  betont, wie wichtig gezielte Kampagnen zur Schulung und Aufklärung über bestehende offizielle Verfahren für die Meldung sexueller Belästigung am Arbeitsplatz und über die Rechte der Opfer sind, wenn es darum geht, den Grundsatz der Würde am Arbeitsplatz durchzusetzen und darauf hinzuwirken, dass die Nulltoleranzpolitik zur Norm wird;

Sexuelle Belästigung in Parlamenten sowie im Europäischen Parlament

15.  verurteilt die Fälle sexueller Belästigung, die in den Medien enthüllt wurden, aufs Schärfste und bekundet seine nachdrückliche Unterstützung für die Opfer sexueller Belästigung und sexuellen Missbrauchs; betont, dass sich die Organe der EU, wenn sie ernst genommen werden wollen, entschlossen jeglicher Form der geschlechtsbezogenen Diskriminierung oder jeglicher Handlung, die die Gleichstellung der Geschlechter beeinträchtigt, entgegenstellen müssen;

16.  fordert seinen Präsidenten und die Verwaltung des Parlaments auf,

–  die jüngsten Medienberichte über sexuelle Belästigung und sexuellen Missbrauch im Europäischen Parlament dringend und gründlich zu prüfen, die Mitglieder unter Achtung der Privatsphäre der Opfer über die Ergebnisse dieser Prüfung zu informieren und geeignete Maßnahmen zur Verhütung neuer Fälle vorzuschlagen;

–  die Zusammensetzung der zuständigen Gremien zu überprüfen und gegebenenfalls so zu ändern, dass ihre Unabhängigkeit und ein ausgewogenes Verhältnis von Frauen und Männern sichergestellt ist, den Beratenden Ausschuss für Beschwerden von akkreditierten parlamentarischen Assistenten über Mitglieder des Europäischen Parlaments wegen Belästigung und den Beratenden Ausschuss für Mobbing und Mobbing-Prävention am Arbeitsplatz in Bezug auf ihre Arbeitsgrundlagen zu stärken und zu unterstützen sowie die von ihnen geleistete wichtige Arbeit zu würdigen;

–  die Satzungen dahingehend zu überarbeiten, dass in den für Belästigung und Mobbing zuständigen beratenden Ausschüssen auch Praktikanten mitwirken können, das Interesse an den positiven Maßnahmen der Ausschüsse steigt und Interessenkonflikte der Mitglieder dieser wichtigen Ausschüsse vermieden werden; Fälle förmlich zu untersuchen, über die Fälle vertraulich Buch zu führen und auf bestmöglichem Wege für eine Nulltoleranzpolitik auf allen Ebenen des Organs zu sorgen;

–  eine Arbeitsgruppe unabhängiger Sachverständiger einzusetzen, deren Auftrag darin besteht, zu prüfen, wie der Stand der Dinge in Bezug auf sexuelle Belästigung und Missbrauch im Europäischen Parlament ist, eine Bewertung des bestehenden Beratenden Ausschusses für Beschwerden von akkreditierten parlamentarischen Assistenten über Mitglieder des Europäischen Parlaments wegen Belästigung und des Beratenden Ausschusses für Mobbing und Mobbing-Prävention durchzuführen und entsprechende Änderungen vorzuschlagen;

–  Opfer bei innerhalb des Europäischen Parlaments eingeleiteten Verfahren und/oder bei der örtlichen Polizei aufgenommenen Ermittlungen uneingeschränkt zu unterstützen, bei Bedarf Notfall- oder Schutzmaßnahmen zu ergreifen und Artikel 12a des Statuts der Beamten der Europäischen Union uneingeschränkt zur Anwendung zu bringen und in diesem Zusammenhang dafür zu sorgen, dass Fälle restlos aufgeklärt und Disziplinarmaßnahmen getroffen werden;

–  sicherzustellen, dass im Interesse der Prävention und der Unterstützung ein starker und wirksamer Aktionsplan gegen sexuelle Belästigung umgesetzt wird und für die Belegschaft und alle Mitglieder teilnahmepflichtige Schulungen zum Thema Respekt und Würde am Arbeitsplatz stattfinden, damit die Nulltoleranzpolitik wirklich zur Norm wird; sich bei allen Mitgliedern und Dienststellen der Verwaltung umfassend für Sensibilisierungskampagnen einzusetzen, wobei ein besonderer Schwerpunkt auf Gruppen liegt, die sich, wie Praktikanten, akkreditierte parlamentarische Assistenten und Vertragsbedienstete, in einer besonders exponierten Lage befinden;

–  zur Unterstützung und Beratung von Opfern nach dem Vorbild der Kommission ein auf die Strukturen des Parlaments zugeschnittenes institutionelles Netz von Vertrauenspersonen einzurichten;

17.  fordert alle Kollegen auf, die Opfer zu unterstützen und sie zu ermutigen, ihre Stimme zu erheben und Fälle von sexueller Belästigung über die verbesserten offiziellen Verfahrenswege innerhalb der Parlamentsverwaltung zu melden und/oder bei der Polizei anzuzeigen;

18. ist entschlossen, interne Regeln für Hinweisgeber zu erlassen, damit die Rechte und Interessen von Hinweisgebern gewahrt sind, und für Hinweisgeber, sollten sie im Zusammenhang mit der Meldung von Missständen nicht ordnungsgemäß und fair behandelt werden, entsprechende Rechtsbehelfe vorzusehen;

19.  empfiehlt, dass der Europäische Bürgerbeauftragte der Hochrangigen Gruppe des Parlaments für die Gleichstellung der Geschlechter und Vielfalt – unter gebührender Beachtung des Beschlusses des Europäischen Parlaments über die Regelungen und allgemeinen Bedingungen für die Ausübung der Aufgaben des Bürgerbeauftragten – zu Beschwerden über im Parlament bestehende Missstände im Zusammenhang mit Gleichstellungsfragen jährlich Informationen vorlegt;

20.  fordert die Mitgliedstaaten auf, zu prüfen, wie der Stand der Dinge in Bezug auf sexuelle Belästigung und Missbrauch in den jeweiligen nationalen Parlamenten ist, mit entsprechenden Maßnahmen aktiv gegen Missstände vorzugehen und am Arbeitsplatz der Abgeordneten und Mitarbeiter den Grundsatz Respekt und Würde umzusetzen sowie entsprechend durchzusetzen; fordert, dass die Umsetzung dieses Grundsatzes überwacht wird;

21.  fordert die Mitgliedstaaten auf, Abgeordnete im Kontakt mit der Öffentlichkeit vor allem, wenn sie Opfer sexueller Beschimpfungen und geschlechtsbezogener Gewaltandrohungen – auch über das Internet – sind, durch entsprechende Schutzmaßnahmen zu unterstützen;

22.  fordert, dass mit anderen Einrichtungen und Organisationen, wie UN Women, dem Europarat, den EU-Organen und im Bereich Gleichstellung tätigen Akteuren, auf allen Ebenen ein Austausch bewährter Verfahren stattfindet;

23.  fordert alle Politiker auf, bei der Prävention und Bekämpfung sexueller Belästigung in den Parlamenten und darüber hinaus als verantwortungsvolle Vorbilder ein Beispiel zu setzen;

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24.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten und der Parlamentarischen Versammlung des Europarats zu übermitteln.