BERICHT über die Jahresberichte 2015 und 2016 über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit
9.4.2018 - (2017/2010(INI))
Rechtsausschuss
Berichterstatterin: Mady Delvaux
ENTWURF EINER ENTSCHLIESSUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS
zu den Jahresberichten 2015 und 2016 über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union,
– unter Hinweis auf das Protokoll Nr. 1 über die Rolle der nationalen Parlamente in der Europäischen Union,
– unter Hinweis auf das Protokoll Nr. 2 über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit,
– unter Hinweis auf die interinstitutionelle Vereinbarung über bessere Rechtsetzung vom 16. Dezember 2003 und auf die aktuelle Version, die interinstitutionelle Vereinbarung über bessere Rechtsetzung vom 13. April 2016,
– unter Hinweis auf die am 22. Juli 2011 zwischen den zuständigen Dienststellen des Europäischen Parlaments und des Rates vereinbarten praktischen Modalitäten für die Umsetzung von Artikel 294 Absatz 4 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) im Falle der Einigung in erster Lesung,
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 17. Mai 2017 zu dem Jahresbericht 2014 über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit[1] und auf seine Entschließung vom 12. April 2016 zu den Jahresberichten 2012–2013 über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit[2],
– unter Hinweis auf den Jahresbericht 2015 der Kommission über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit (COM(2016)0469) und den Jahresbericht 2016 der Kommission über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit (COM(2017)0600),
– unter Hinweis auf den Jahresbericht 2015 der Kommission über die Beziehungen zwischen der Europäischen Kommission und den nationalen Parlamenten (COM(2016)0471) und den Jahresbericht 2016 der Kommission über die Beziehungen zwischen der Europäischen Kommission und den nationalen Parlamenten (COM(2017)0601),
– unter Hinweis auf alle bisherigen Mitteilungen der Kommission zur Erfordernis einer besseren Rechtsetzung mit dem Ziel, bessere Ergebnisse zum Wohle der EU-Bürger zu erzielen,
– unter Hinweis auf den Beschluss des Präsidenten der Europäischen Kommission vom 14. November 2017 über die Einsetzung einer Task-Force für Subsidiarität, Proportionalität und „Weniger, aber effizienteres Handeln“ (C(2017)7810),
– unter Hinweis auf die Halbjahresberichte der COSAC vom 19. Juni 2014, 14. November 2014, 6. Mai 2015, 4. November 2015, 18. Mai 2016, 18. Oktober 2016 und 3. Mai 2017 über die Entwicklung der Verfahren und Praktiken der parlamentarischen Prüfung in der Europäischen Union,
– unter Hinweis auf die Kooperationsvereinbarung vom 5. Februar 2014 zwischen dem Europäischen Parlament und dem Ausschuss der Regionen,
– unter Hinweis auf den vom Ausschuss der Regionen herausgegebenen jährlichen Subsidiaritätsbericht 2015,
– gestützt auf die Artikel 52 und 132 seiner Geschäftsordnung,
– unter Hinweis auf den Bericht des Rechtsausschusses und die Stellungnahme des Ausschusses für konstitutionelle Fragen (A8‑0141/2018),
A. in der Erwägung, dass 2015 und 2016 die ersten beiden vollständigen Jahre der Amtszeit der Juncker-Kommission waren, die im November 2014 begann; in der Erwägung, dass Präsident Juncker dafür eingetreten ist, die Subsidiarität in den Mittelpunkt des demokratischen Prozesses in Europa zu stellen und zu gewährleisten, dass der Grundsatz der Subsidiarität und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Verlauf des gesamten Rechtsetzungsverfahrens uneingeschränkt eingehalten werden;
B. in der Erwägung, dass die neue Interinstitutionelle Vereinbarung über bessere Rechtsetzung vom 13. April 2016[3] die Verpflichtung der drei Organe umfasst, die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit einzuhalten und umzusetzen;
C. in der Erwägung, dass die Kommission im Jahr 2015 acht begründete Stellungnahmen zu drei Kommissionsvorschlägen erhalten hat; in der Erwägung, dass die Kommission in diesem Jahr insgesamt 350 Anträge erhalten hat;
D. in der Erwägung, dass die Kommission im Jahr 2016 insgesamt 65 begründete Stellungnahmen zu 26 Kommissionsvorschlägen erhalten hat; in der Erwägung, dass diese Zahl gegenüber den acht im Jahr 2015 eingegangenen begründeten Stellungnahmen eine Zunahme um 713 % darstellt und die dritthöchste Anzahl begründeter Stellungnahmen in einem Kalenderjahr seit der Einführung des Subsidiaritätskontrollmechanismus durch den Vertrag von Lissabon im Jahr 2009 ist (nach 84 Stellungnahmen im Jahr 2012 und 70 im Jahr 2013); in der Erwägung, dass die Gesamtzahl der in diesem Jahr bei der Kommission eingegangenen Dokumente deutlich angestiegen ist, und zwar auf 620 Dokumente;
E. in der Erwägung, dass die Kommission am 19. Mai 2015 ein Maßnahmenpaket zur besseren Rechtsetzung mit neuen integrierten Leitlinien für eine bessere Rechtsetzung – einschließlich aktualisierter Orientierungshilfe für die Bewertung der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit im Rahmen der Folgenabschätzung zu neuen Initiativen – verabschiedet hat;
F. in der Erwägung, dass die Kommission im Jahr 2015 die Website „Bürokratieabbau – Ihre Meinung zählt!“[4] und die neue Plattform REFIT (Programm zur Gewährleistung der Effizienz und Leistungsfähigkeit der Rechtsetzung) eingerichtet hat, mit denen Interessenträgern zusätzliche Möglichkeiten der Kommunikation mit der Kommission bezüglich etwaiger Defizite bei den bestehenden Regulierungsmaßnahmen angeboten werden, einschließlich bei Themen im Zusammenhang mit der Subsidiarität bzw. der Verhältnismäßigkeit;
G. in der Erwägung, dass der Wissenschaftliche Dienst des Europäischen Parlaments im Jahr 2015 13 erste Bewertungen, eine Folgenabschätzung von wesentlichen Abänderungen des Parlaments und sechs Ex-post-Bewertungen von Auswirkungen erstellt hat; in der Erwägung, dass er darüber hinaus vier Berichte über die Kosten des Verzichts auf EU-politisches Handeln und zwei Bewertungen des europäischen Mehrwerts erstellt hat; in der Erwägung, dass der Wissenschaftliche Dienst des Europäischen Parlaments im Jahr 2016 36 erste Bewertungen, eine Folgenabschätzung von wesentlichen Abänderungen des Parlaments und 14 Ex-post-Bewertungen von Auswirkungen erstellt hat; in der Erwägung, dass er darüber hinaus sieben Berichte über die Kosten des Verzichts auf EU-politisches Handeln und fünf Bewertungen des europäischen Mehrwerts erstellt hat;
H. in der Erwägung, dass in den Rechtsakten der Union delegierte Befugnisse dann übertragen werden, wenn Flexibilität und Effizienz erforderlich sind, im Rahmen des ordentlichen Rechtsetzungsverfahrens aber nicht gewährleistet werden können; in der Erwägung, dass der Erlass von Vorschriften, die für das vorgesehene Thema wesentlich sind, den Rechtsetzungsinstanzen vorbehalten ist;
I. in der Erwägung, dass Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit im Kontext von Folgenabschätzungen und retrospektiven Bewertungen wesentliche Grundsätze darstellen, anhand derer ermittelt wird, ob die Maßnahmen auf EU-Ebene notwendig sind, ob ihr Ziel nicht durch andere Mittel besser verwirklicht werden kann und ob damit tatsächlich die erwarteten Ergebnisse in Bezug auf Effizienz, Wirksamkeit, Kohärenz, Relevanz und europäischen Mehrwert erzielt werden;
J. in der Erwägung, dass 2014 drei nationale Kammern (das dänische Folketing, die niederländische Tweede Kamer und das britische House of Lords) Berichte mit detaillierten Vorschlägen veröffentlicht haben, wie die Rolle der nationalen Parlamente im Beschlussfassungsverfahren gestärkt werden könnte;
1. erinnert an die Bedeutung der von der Kommission erstellten Jahresberichte über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit; stellt fest, dass die Jahresberichte 2015 und 2016 der Kommission detaillierter und umfassender sind als jene der vorangegangenen Jahre;
2. hebt hervor, dass die Europäische Union im Sinne einer Verringerung des „Demokratiedefizits“ nur tätig werden darf, wenn sie einen Mehrwert schaffen kann;
3. hebt hervor, dass Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit wesentliche Grundsätze sind, welche die Organe der EU bei der Ausübung der Kompetenzen der EU berücksichtigen sollten, um sicherzustellen, dass mit den Maßnahmen der Union ein Mehrwert geschaffen wird; weist erneut darauf hin, dass diese Grundsätze dazu dienen, die Arbeitsweise der Union zu verbessern, indem sichergestellt wird, dass die Maßnahmen auf Unionsebene notwendig sind, dass die Ziele, denen sie dienen, auf Ebene der einzelnen Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden können, dass Art und Inhalt der Maßnahmen nicht über das zur Erreichung der Ziele der Verträge notwendige Maß hinausgehen und dass Maßnahmen stets auf der jeweils am besten geeigneten Regierungs- bzw. Verwaltungsebene getroffen werden; weist darauf hin, dass diese Grundsätze im Sinne EU-feindlicher Ziele missbraucht werden können, und hebt hervor, dass die Organe der EU dieser Gefahr wachsam vorbeugen und entgegenwirken sollten;
4. ruft in Erinnerung, dass Subsidiarität ein wichtiger Grundsatz von Bündnissen und außerdem ein juristisch nicht definierter Begriff ist, der folglich politisch ausgelegt werden sollte;
5. ist der Ansicht, dass der Grundsatz der Subsidiarität nicht dazu herangezogen werden darf, die Befugnisse, die der Union in den Verträgen übertragen werden, restriktiv auszulegen;
6. vertritt die Auffassung, dass alle Überlegungen über Subsidiarität und deren Kontrolle im Zusammenhang mit den immer lauter werdenden Forderungen der Bürger gesehen werden sollten, die verlangen, dass die Union den großen weltweiten Herausforderungen – zum Beispiel den Finanzströmen über Kontinente hinweg, den Sicherheitsbedrohungen, den Migrationsbewegungen und dem Klimawandel – die Stirn bietet;
7. begrüßt, dass in der Erklärung von Rom vom 25. März 2017 auf Subsidiarität eingegangen wurde; ist der Ansicht, dass Subsidiarität bei den Überlegungen über die Zukunft der EU eine herausragende Stellung einnehmen sollte;
8. verweist auf die von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker während seiner Rede zur Lage der Union 2017 angekündigte Initiative zur Einsetzung einer Task-Force für Subsidiarität, Proportionalität und „Weniger, aber effizienteres Handeln“ unter der Leitung von Frans Timmermans, Vizepräsident der Kommission; weist darauf hin, dass das Parlament festgestellt hat, dass eine Mitarbeit in der von der Kommission eingesetzten Task-Force einer Missachtung der institutionellen Rolle und des Rangs des Parlaments als einzigem direkt gewählten Organ der Europäischen Union, das die Bürger auf Unionsebene vertritt und eine politische Kontrolle über die Kommission ausübt, gleichkäme, und dass es daher beschlossen hat, die Einladung zur Mitarbeit in der Task-Force abzulehnen;
9. weist auf die Methodik der Kommission in den Jahresberichten 2015 und 2016 hin, in denen Statistiken genutzt werden, um mehrere von den einzelstaatlichen Parlamenten eingereichte begründete Stellungnahmen zu einem Vorschlagspaket als eine einzige begründete Stellungnahme statt eine begründete Stellungnahme zu jedem einzelnen Vorschlag einzustufen;
10. würdigt, dass die Zahl der 2016 von nationalen Parlamenten eingereichten begründeten Stellungnahmen (65) die dritthöchste in einem Kalenderjahr seit der Einführung des Subsidiaritätskontrollmechanismus im Vertrag von Lissabon war; stellt fest, dass dies gegenüber den acht im Jahr 2015 eingegangenen begründeten Stellungnahmen einen deutlichen Anstieg (+713 %) darstellt; weist außerdem darauf hin, dass die Zahl der im Rahmen des politischen Dialogs bei der Kommission eingegangenen Stellungnahmen deutlich angestiegen ist, nämlich von 350 auf 620; hebt hervor, dass diese Tendenzen zu einer Zeit abnehmender Rechtsetzungstätigkeit aufgekommen sind, was außerdem deutlich macht, dass sich die nationalen Parlamente gegenüber früheren Jahren vermehrt beteiligen; begrüßt das ausgeprägte Interesse der nationalen Parlamente am Beschlussfassungsprozess der EU;
11. begrüßt, dass mehr nationale Kammern (26 von 41 im Jahr 2016 gegenüber 8 im Jahr 2015) begründete Stellungnahmen abgegeben haben; nimmt den deutlichen Unterschied zwischen im Rahmen des politischen Dialogs und im Wege von begründeten Stellungnahmen aktiven Kammern zur Kenntnis; hebt hervor, dass die nationalen Parlamente nach wie vor eher die Inhalte der EU-Rechtsvorschriften beeinflussen als Fälle ermitteln möchten, in denen Subsidiarität ein Problem darstellen kann; stellt fest, dass die Befugnis der nationalen Parlamente, die Einhaltung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit zu überwachen, auch das Recht umfasst, die Rechtsetzungsinstanzen der EU nötigenfalls zum Tätigwerden auf europäischer Ebene aufzufordern;
12. nimmt die Arbeit des Ausschusses zur Folgenabschätzung (IAB) und des im Juli 2015 als dessen Nachfolger eingesetzten Ausschusses für Regulierungskontrolle (RSB) zur Kenntnis; weist darauf hin, dass der IAB und der RSB bei etwa 23 % der Folgenabschätzungen (FA), die sie 2015 geprüft haben, feststellten, dass Verbesserungen betreffend die Subsidiarität bzw. die Verhältnismäßigkeit erforderlich seien; stellt fest, dass im Jahr 2016 der Anteil der FA, die der RSB als unzureichend bewertete, 15 % betrug; begrüßt, dass diese Prozentsätze gegenüber den vorangegangenen Jahren zurückgegangen sind; hebt hervor, dass die Kommission alle betreffenden FA unter Berücksichtigung der Analysen des RSB geprüft hat;
13. stellt fest, dass die Kommission im Zuge der Umsetzung der Agenda für bessere Rechtsetzung robustere interne Instrumente und Verfahren entwickelt hat, die darauf abzielen, dass Verstöße gegen den Grundsatz der Subsidiarität verhindert werden; betont nachdrücklich, das Folgenabschätzungen ein wesentliches Instrument sind, wenn es gilt, die Achtung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit zu gewährleisten und die Rechenschaftspflicht zu fördern; hebt insbesondere die Rolle des RSB hervor und begrüßt, dass Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit nun im Rahmen der Qualitätsprüfung des Ausschusses berücksichtigt werden; hebt jedoch hervor, dass die Unabhängigkeit des RSB zusätzlich gestärkt werden könnte;
14. begrüßt, dass die Kommission im Mai 2015 ein neues Maßnahmenpaket zur besseren Rechtsetzung angenommen hat, um sicherzustellen, dass die Rechtsvorschriften der EU dem öffentlichen Interesse wirksamer dienen und dass mit ihnen die Achtung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit umfassender gewährleistet wird, was wiederum dazu beiträgt, dass der Beschlussfassungsprozess der EU transparenter wird; ist der Auffassung, dass das neue Maßnahmenpaket zur besseren Rechtsetzung ein Instrument sein sollte, mit dem die Europäische Union in ihrem Handeln den Grundsätzen der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit vollständig Rechnung tragen kann; hebt jedoch hervor, dass zwar mit dem Maßnahmenpaket für Prüfungen zur Beurteilung der Einhaltung dieser Grundsätze gesorgt werden sollte, damit die Union nur tätig wird, wenn sie einen Mehrwert schaffen kann, dass es dadurch aber nicht zu unnötigen Verzögerungen bei der Annahme der einschlägigen Rechtsvorschriften kommen sollte;
15. begrüßt die von der Kommission am 24. Oktober 2017 veröffentlichte Mitteilung mit dem Titel „Vollendung der Agenda für bessere Rechtsetzung: bessere Lösungen für bessere Ergebnisse“, in der sie ihre Bemühungen um mehr Transparenz, Legitimität und Rechenschaftspflicht im Zusammenhang mit ihren Tätigkeiten im Bereich der besseren Rechtsetzung darlegt, insbesondere in Bezug auf das Konsultationsverfahren und die Möglichkeiten für Interessenträger, ihre Standpunkte zu Vorschlägen der Kommission zu äußern;
16. begrüßt, dass die Kommission im Jahr 2015 neue Mechanismen für Konsultationen und Rückmeldungen zu neuen politische Initiativen einführte;
17. hält es für geboten, das Erfordernis von Rechtsetzungsinitiativen und deren Folgen für alle wichtigen Bereiche (Wirtschaft, Umwelt und Gesellschaft) im Sinne der Einhaltung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit zu erläutern;
18. unterstützt die Zusage der Kommission, vor der Erwägung potenzieller Änderungen von Rechtsvorschriften Evaluierungen durchzuführen; vertritt in diesem Zusammenhang die Ansicht, dass die Europäische Union und die Behörden der Mitgliedstaaten eng zusammenarbeiten sollten, um eine bessere Überwachung, Messung und Evaluierung der tatsächlichen Auswirkungen der Regulierungsmaßnahmen der EU auf die Bürger, die Wirtschaft, die Gesellschaftsstruktur und die Umwelt sicherzustellen;
19. begrüßt, dass das Europäische Parlament, der Rat und die Kommission 2016 eine neue Interinstitutionelle Vereinbarung über bessere Rechtsetzung unterzeichnet haben; weist erneut darauf hin, dass sich die Kommission verpflichtet hat, in ihren Begründungen zu erklären, inwiefern ihre Vorschläge vor dem Hintergrund der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt sind; begrüßt, dass die Kommission im Rahmen der Interinstitutionellen Vereinbarung über bessere Rechtsetzung zugesagt hat, die Folgenabschätzungen ihrer legislativen und nichtlegislativen Vorschläge den nationalen Parlamenten zur Verfügung zu stellen; ruft in Erinnerung, dass in dieser Vereinbarung auch das Erfordernis größerer Transparenz in Legislativverfahren hervorgehoben wird und dass die nationale Parlamente durch die ihnen übermittelten Informationen in die Lage versetzt werden müssen, ihre in den Verträgen verankerten Vorrechte uneingeschränkt wahrzunehmen;
20. hält die einzelstaatlichen Parlamente dazu an, den Umstand, dass es sich bei ihrem Antrag um eine begründete Stellungnahme gemäß Protokoll Nr. 2 und den Verträgen handelt, und den Legislativvorschlag bzw. die Legislativvorschläge, auf die sie sich bezieht, von vornherein eindeutig anzugeben, die Gründe für die Annahme, dass mit dem Vorschlag gegen das Subsidiaritätsprinzip verstoßen wird, klar anzuführen, eine kurze Zusammenfassung der Argumente beizufügen und die achtwöchige Frist ab dem Datum der Übermittlung des Entwurfs des betreffenden Rechtsakts einzuhalten; weist darauf hin, dass auf diese Weise ermöglicht wird, dass begründete Stellungnahmen von allen beteiligten Institutionen rasch und in angemessener Weise bearbeitet werden;
21. ist der Ansicht, dass sich die Einbeziehung der nationalen Parlamente in die Rechtsetzungsverfahren der EU seit der Annahme des Vertrags von Lissabon durch Kontakte zu anderen nationalen Parlamenten deutlich entwickelt hat; hält die nationalen Parlamente dazu an, die interparlamentarischen Kontakte – auch auf bilateraler Basis – aufrechtzuerhalten und auszubauen, um die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten zu stärken, und dies in Bereichen, in denen die Union einen Mehrwert schaffen kann, mit einer demokratischen europäischen Vision, im Geiste der Solidarität und auf der Grundlage der Rechtsstaatlichkeit und der Grundrechte zu tun; hebt hervor, dass diese Kontakte den Austausch über bewährte Verfahren für die Umsetzung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit erleichtern können;
22. begrüßt, dass das Parlament hinsichtlich der Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsmechanismen zunehmend und regelmäßiger die Funktion eines Partners und einer zwischengeschalteten Stelle für die nationalen Parlamente übernimmt; ist der Auffassung, dass eine Stärkung des politischen Dialogs mit den nationalen Parlamenten dazu beitragen könnte, Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsprüfungen zu rationalisieren, indem die wesentlichen Punkte der Legislativvorschläge besser herausgestellt werden;
23. weist darauf hin, dass im Jahr 2016 14 Kammern von 11 nationalen Parlamenten begründete Stellungnahmen zum Vorschlag für eine Richtlinie zur Änderung der Richtlinie 96/71/EG vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen[5] übermittelten, womit die Schwelle von einem Drittel der Stimmen erreicht wurde, die gemäß Artikel 7 Absatz 2 des Protokolls Nr. 2 zu den Verträgen erforderlich sind, damit das sogenannte Verfahren der „gelben Karte“ eingeleitet wird; weist erneut darauf hin, dass die von den nationalen Parlamenten vorgebrachten Argumente im Parlament mit der Kommission umfassend erörtert wurden; weist darauf hin, dass sich die Kommission im Rahmen der COSAC mit den nationalen Parlamenten ausgetauscht hat; weist darauf hin, dass die Kommission eine Mitteilung veröffentlicht hat, in der sie die Gründe für die Aufrechterhaltung ihres Vorschlags ausführlich darlegte[6]; ist der Ansicht, dass die Kommission entgegen der von einigen nationalen Parlamenten vorgebrachten Bedenken mit den in der Mitteilung angeführten Argumenten ihrer Verpflichtung, ihre Entscheidung zu begründen, vollständig nachgekommen ist;
24. weist darauf hin, dass im Rahmen des politischen Dialogs über den genannten Vorschlag der Kommission sieben nationale Kammern Stellungnahmen übermittelt haben, in denen der Vorschlag weitgehend für mit dem Grundsatz der Subsidiarität vereinbar befunden wurde; stellt fest, dass die Expertengruppe Subsidiarität des Ausschusses der Regionen zu der Ansicht gelangt ist, dass das Ziel des Vorschlags auf EU-Ebene besser umsetzbar sei;
25. weist erneut darauf hin, dass das Verfahren der „gelben Karte“ bisher zweimal (einmal 2012 und einmal 2013) eingeleitet wurde, was gemeinsam mit diesem neuen Verfahren der „gelben Karte“ verdeutlicht, dass das System funktioniert und dass die nationalen Parlamente problemlos und rechtzeitig an der Subsidiaritätsdebatte teilnehmen können, wenn sie das wünschen; ist in jedem Fall der Auffassung, dass ein größeres Bewusstsein für die Rolle der nationalen Parlamente und eine bessere Zusammenarbeit dieser Parlamente untereinander die Ex-ante-Überwachung der Subsidiarität verbessern dürften;
26. weist erneut darauf hin, dass die europäischen Organe begründete Stellungnahmen, die von nationalen Parlamenten oder von Kammern nationaler Parlamente verfasst wurden, gemäß Artikel 7 des Protokolls Nr. 2 zu den Verträgen berücksichtigen sollten; weist darauf hin, dass, einige nationale Parlamente in den Fällen, in denen „gelbe Karten“ ausgegeben wurden, ihre Enttäuschung über die Antworten der Kommission an die nationalen Parlamente zum Ausdruck gebracht haben; stellt jedoch fest, dass die Kommission Verfahren eingerichtet hat, um sicherzustellen, dass sie nationalen Parlamenten zeitnah sachdienliche und politische Antworten auf ihre Bedenken liefert; fordert die Kommission auf, ihre Antworten auf begründete Stellungnahmen systematisch an das Europäische Parlament weiterzuleiten;
27. nimmt die von einigen nationalen Parlamenten vorgeschlagenen Änderungen am Subsidiaritätskontrollmechanismus zur Kenntnis; begrüßt die von der COSAC erzielte Einigung, dass Verbesserungen des Subsidiaritätskontrollmechanismus nicht mit Änderungen der Verträge einhergehen sollten; weist darauf hin, dass für eine Verlängerung der achtwöchigen Frist, innerhalb welcher nationale Parlamente die Möglichkeit haben, eine begründete Stellungnahme vorzulegen, eine Änderung der Verträge oder der dazugehörigen Protokolle erforderlich wäre; weist in diesem Zusammenhang auf das Schreiben des Präsidenten und des Vizepräsidenten der Kommission an die Präsidenten der nationalen Parlamente vom 1. Dezember 2009 betreffend praktische Modalitäten für die Umsetzung des Subsidiaritätskontrollmechanismus hin, in dem die Kommission festhielt, dass der Monat August bei der Ermittlung der in Protokoll Nr. 2 genannten Frist nicht eingerechnet wird, um die Sommerpause der nationalen Parlamente zu berücksichtigen; weist erneut auf den Vorschlag einiger nationaler Parlamente hin, wonach die Kommission auch die Möglichkeit erwägen sollte, die Pause der nationalen Parlamente im Dezember bei der Berechnung der achtwöchigen Frist auszunehmen;
28. betont, dass es für den Erlass von Rechtsakten der Zustimmung einer großen Mehrheit im Rat bedarf, der sich aus den nationalen Ministern aller Mitgliedstaaten, die gegenüber ihren nationalen Parlamenten rechenschaftspflichtig sein sollten, zusammensetzt;
29. stellt fest, dass es bereits eine Reihe von Instrumenten gibt, die es nationalen Parlamenten und Bürgern ermöglichen, an jeder Phase des Rechtsetzungsverfahrens teilzunehmen, wodurch die Überwachung der Einhaltung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit sichergestellt ist; legt daher angesichts der Bemühungen der EU, von ihren Bürgern verstanden zu werden, nahe, die vorhandenen Instrumente in vollem Umfang zu nutzen, es möglichst zu vermeiden, noch komplexere Verwaltungsstrukturen und langwierigere Verfahren zu schaffen, und stets die Wahrung und den Schutz der Rechte und Interessen der Bürger anzustreben; fordert die Mitgliedstaaten auf, Informationskampagnen und einschlägige Seminare zu organisieren, um die Bürger genau über ihre Möglichkeiten, an jeder Phase des Rechtsetzungsverfahrens teilzunehmen, zu informieren;
30. betont, dass Rechtsvorschriften umfassend und verständlich sein sollten, damit die Betroffenen ihre Rechte und Pflichten nachvollziehen können, und dass sie etwa angemessene Bestimmungen betreffend die Berichterstattung, Überwachung und Evaluierung vorsehen, keine unverhältnismäßigen Kosten verursachen und in der Praxis umsetzbar sein sollten;
31. weist darauf hin, dass die Folgenabschätzungen und Fahrpläne der Kommission unbedingt besser zugänglich sein sollten und dass es wichtig ist, an öffentlichen Konsultationen bzw. Konsultationen von Interessenträgern teilzunehmen, die von der Kommission bzw. vom Europäischen Parlament organisiert werden, und über die REFIT-Plattform unter „Bürokratieabbau – Vorschläge“ Vorschläge zu übermitteln; weist in diesem Zusammenhang auf das reibungslose Funktionieren der Website und des Programms zur Gewährleistung der Effizienz und Leistungsfähigkeit der Rechtsetzung (REFIT) hin, das 2016 in Kraft trat;
32. hält es für geboten, dass bestehende Formate für die Zusammenarbeit gestärkt und Optionen für die Verbesserung der IPEX-Plattform gefunden werden, damit die nationalen Parlamente für ihre Rolle bei den Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsprüfungen sensibilisiert und bei der effizienteren Bearbeitung der im Rahmen des Frühwarnsystems übermittelten Informationen unterstützt und ihre Zusammenarbeit und Abstimmung verbessert werden; fordert die nationalen Parlamente auf, Stellungnahmen zu Vorschlägen der Kommission abzugeben, die samt und sonders jederzeit über die interne Datenbank CONNECT eingesehen werden können; weist erneut darauf hin, dass sämtliche Informationen auf der Plattform REGPEX verfügbar sind;
33. fordert die nationalen und regionalen Parlamente auf, ihre Beziehungen mit dem Ausschuss der Regionen auszubauen, der über eine zwölfköpfige Expertengruppe verfügt, die Rechtsetzungsvorschläge im Hinblick auf die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit prüft;
34. begrüßt, dass einige nationale Parlamente Interesse daran gezeigt haben, in europäischen Angelegenheiten eine positivere und proaktivere Rolle zu spielen, indem ein Verfahren der „grünen Karte“ zur Anwendung kommt; stellt fest, dass nationale Parlamente bezüglich der Modalitäten dieses Verfahrens unterschiedliche Ansichten vertreten; ist der Auffassung, dass ein informeller, auf der interparlamentarischen Zusammenarbeit basierender Mechanismus zur Stärkung des politischen Dialogs mit nationalen Parlamenten beitragen kann;
35. stellt in Bezug auf das oben Gesagte fest, dass im Jahr 2015 20 Parlamentskammern die erste „Green-Card“-Initiative zum Thema Lebensmittelverschwendung mitunterzeichnet oder unterstützt haben und dass im Juli 2016 neun Parlamentskammern die zweite „Green-Card“-Initiative mitunterzeichnet haben, um die Kommission aufzufordern, einen Legislativvorschlag zur Umsetzung der Grundsätze der sozialen Verantwortung der Unternehmen auf europäischer Ebene vorzulegen; stellt fest, dass einige der im Rahmen der ersten „Green-Card“-Initiative unterbreiteten Vorschläge in der Folge im überarbeiteten Paket zur Kreislaufwirtschaft, das die Kommission im Dezember 2015 angenommen hat, erörtert wurden; weist daher darauf hin, dass nationale Parlamente im institutionellen Gefüge bereits eine konstruktive Rolle spielen und dass aus heutiger Sicht kein Bedarf besteht, neue institutionelle Strukturen und Verwaltungsstrukturen zu gestalten, durch die das ganze Verfahren unnötig verkompliziert würde;
36. stellt fest, dass im Jahr 2016 einige regionale Parlamente die Kommission direkt über ihre jeweiligen Standpunkte zu bestimmten Vorschlägen der Kommission in Kenntnis gesetzt haben; weist drauf hin, dass die Kommission diese Ansichten berücksichtigt hat, wenn dies angezeigt war; weist erneut darauf hin, dass es nach Artikel 6 des Protokolls Nr. 2 allen nationalen Parlamenten und allen Kammern nationaler Parlamente freisteht, gegebenenfalls regionale Parlamente mit Rechtsetzungsbefugnis zu konsultieren;
37. nimmt die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Subsidiarität und zur Verhältnismäßigkeit aus den Jahren 2015 und 2016 zur Kenntnis; hebt hervor, dass der Gerichtshof klargestellt hat, dass die Einhaltung der Begründungspflicht im Hinblick auf den Grundsatz der Subsidiarität durch die Rechtsetzungsinstanzen der Union nicht nur anhand des Wortlauts des angefochtenen Rechtsakts, sondern auch anhand seines Kontextes und der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen ist und dass die vorgelegten Informationen ausreichend und für die nationalen Parlamente, die Bürger und die Gerichte verständlich sein sollten; hebt darüber hinaus bezüglich der Verhältnismäßigkeit hervor, dass der Gerichtshof bestätigt hat, dass die Rechtsetzungsinstanzen der Union in Bereichen, in denen von ihnen politische, wirtschaftliche und soziale Entscheidungen verlangt werden und in denen sie komplexe Prüfungen durchführen müssen, über ein weites Ermessen verfügen muss;
38. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission zu übermitteln.
- [1] Angenommene Texte, P8_TA(2017)0210.
- [2] Angenommene Texte, P8_TA(2016)0103.
- [3] ABl. L 123 vom 12.5.2016, S. 1.
- [4] http://ec.europa.eu/smart-regulation/refit/simplification/consultation/contributions_de.htm.
- [5] COM(2016)0128.
- [6] Mitteilung der Kommission vom 20. Juli 2016 zu dem Vorschlag für eine Richtlinie zur Änderung der Richtlinie über die Entsendung von Arbeitnehmern – Prüfung des Subsidiaritätsprinzips gemäß dem Protokoll Nr. 2 (COM(2016)0505).
BEGRÜNDUNG
Mit dem vorliegenden Bericht über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit soll die Umsetzung dieser Grundsätze seitens der Organe der Europäischen Union und ihrer Partner im Hinblick auf die Erfüllung der Erwartungen der Bürger und ihrer nationalen Institutionen analysiert werden. Es handelt sich dabei um einen der Berichte, die der Rechtsausschuss jährlich erstellt. Da es seit Beginn der Legislaturperiode zu einem Rückstau bei der Annahme dieser Berichte gekommen ist, wurde beschlossen, die Analysen für 2015 und 2016 zusammenzufassen.
Die Grundsätze der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit sind grundlegende Voraussetzungen für eine reibungslos funktionierende Union. Durch den Vertrag von Lissabon, mit dem sie in Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union verankert wurden, erlangten sie hohen Stellenwert.
Mit dem Grundsatz der Subsidiarität wird die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen der Union und den Mitgliedstaaten geregelt. Außerhalb der Bereiche, die in die ausschließliche Zuständigkeit der EU fallen, darf diese nur tätig werden, wenn sie wirksamer als die Mitgliedstaaten auf nationaler oder lokaler Ebene handeln kann. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dürfen die Maßnahmen, die die EU ergreift, um die in den Verträgen festgelegten Ziele zu verwirklichen, nicht über das erforderliche Maß hinausgehen.
Durch diese Grundsätze wird ein effizienter europäischer Rechtsetzungsprozess unter Wahrung der nationalen Souveränität gewährleistet. Es ist Pflicht des Parlaments, dafür zu sorgen, dass dieses Gleichgewicht bei der Anwendung dieser Grundsätze gewahrt bleibt. Allerdings verzerren europaskeptische Politiker diese Grundsätze schon seit einigen Jahren, um sie als Waffe gegen die europäische Integration zu missbrauchen. In diesem Bericht wird betont, dass diese Grundsätze angewandt werden, damit die Europäische Union gut funktionieren kann, und dass sie ihre Wirksamkeit nicht behindern.
Angesichts der Berichte der Kommission für 2015 und 2016, der Schlussfolgerungen der COSAC, der Arbeit des Ausschusses der Regionen und der Stellungnahmen und Vorschläge der nationalen Parlamente ist festzustellen, dass alle Parteien darum bemüht sind zusammenzuarbeiten. In diesem Bericht wird das zunehmende Interesse verschiedener Interessenträger an der Politik der EU begrüßt.
Insbesondere wird darauf hingewiesen, dass es nationalen Parlamenten dank der neuen Instrumente, die unter anderem im Rahmen des REFIT-Programms eingeführt wurden, seit 2014 möglich ist, in höherem Maß am Rechtsetzungsprozess mitzuwirken. Es wird hervorgehoben, dass die Kommission die Umsetzung ihres gestärkten Programms für bessere Rechtsetzung fortsetzt und dass die Ergebnisse nun sichtbar sind, was im vorangegangenen Jahresbericht – für 2014 – noch nicht der Fall war.
Angesichts der Vielzahl an bestehenden Mechanismen, die es den Bürgern, Interessenträgern und nationalen Parlamenten ermöglichen, an den verschiedenen Phasen des europäischen Rechtsetzungsverfahrens teilzunehmen, wird die Schaffung neuer Mechanismen im vorliegenden Bericht nicht empfohlen. Eine Verkomplizierung des bestehenden Systems ist nicht zielführend; außerdem gehen die Bemühungen in der laufenden Wahlperiode dahin, es zu vereinfachen. Wenn hingegen umfassende Informationen zu den bereits vorhandenen Mechanismen bereitgestellt und diese genutzt würden, würde damit auf jeden Fall zur Einhaltung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit beigetragen.
STELLUNGNAHME des Ausschusses für konstitutionelle Fragen (28.2.2018)
für den Rechtsausschuss
zu den Jahresberichten 2015 und 2016 über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit
(2017/2010(INI))
Verfasser der Stellungnahme: Cristian Dan Preda
VORSCHLÄGE
Der Ausschuss für konstitutionelle Fragen ersucht den federführenden Rechtsausschuss, folgende Vorschläge in seinen Entschließungsantrag zu übernehmen:
1. würdigt, dass die Zahl der von nationalen Parlamenten eingereichten begründeten Stellungnahmen (65) 2016 die dritthöchste in einem Kalenderjahr seit der Einführung des Subsidiaritätskontrollmechanismus im Vertrag von Lissabon war; stellt fest, dass dies gegenüber den acht im Jahr 2015 eingegangenen begründeten Stellungnahmen einen deutlichen Anstieg (+713 %) darstellt; weist außerdem darauf hin, dass die Zahl der im Rahmen des politischen Dialogs bei der Kommission eingegangenen Stellungnahmen von 350 auf 620 deutlich angestiegen ist; hebt hervor, dass diese Tendenzen zu einer Zeit abnehmender Rechtsetzungstätigkeit aufgekommen sind, was außerdem deutlich macht, dass sich die nationalen Parlamente gegenüber früheren Jahren vermehrt beteiligen; begrüßt das ausgeprägte Interesse der nationalen Parlamente am Beschlussfassungsprozess der EU;
2. ruft in Erinnerung, dass Subsidiarität ein wichtiger Grundsatz von Bündnissen und außerdem ein juristisch nicht definierter Begriff ist, der folglich politisch ausgelegt werden sollte;
3. ist der Ansicht, dass der Grundsatz der Subsidiarität nicht dazu herangezogen werden darf, die Befugnisse, die der Union in den Verträgen übertragen werden, restriktiv auszulegen;
4. vertritt die Auffassung, dass alle Überlegungen über Subsidiarität und deren Kontrolle im Zusammenhang mit den immer lauter werdenden Forderungen der Bürger gesehen werden sollten, die verlangen, dass die Union den großen weltweiten Herausforderungen wie zum Beispiel den Finanzströmen über Kontinente hinweg, den Sicherheitsbedrohungen, den Migrationsbewegungen und dem Klimawandel die Stirn bietet;
5. stellt fest, dass 2016 für die Überarbeitung der Entsenderichtlinie (Richtlinie 96/71/EG) das dritte (bzw. das erste unter dem Mandat der aktuellen Kommission) Verfahren der „gelben Karte“ eingeleitet wurde; betont, dass ein größeres Bewusstsein für die Rollen der nationalen Parlamente und eine bessere Zusammenarbeit dieser Parlamente untereinander die Ex-ante-Überwachung der Subsidiarität stärken dürften;
6. begrüßt, dass mehr nationale Kammern (26 von 41 im Jahr 2016 gegenüber 8 im Jahr 2015) begründete Stellungnahmen abgegeben haben; nimmt den deutlichen Unterschied zwischen im Rahmen des politischen Dialogs und im Wege von begründeten Stellungnahmen aktiven Kammern zur Kenntnis; hebt hervor, dass die nationalen Parlamente nach wie vor eher die Inhalte der EU-Rechtsvorschriften beeinflussen als Fälle ermitteln möchten, in denen Subsidiarität ein Problem darstellen kann; stellt fest, dass die Befugnis der nationalen Parlamente mit Blick auf die Kontrolle der Einhaltung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit auch das Recht umfasst, die Rechtsetzungsinstanzen der EU nötigenfalls zum Tätigwerden auf europäischer Ebene aufzufordern;
7. begrüßt, dass das Parlament hinsichtlich der Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsmechanismen zunehmend und regelmäßiger die Funktion eines Partners und einer zwischengeschalteten Stelle für die nationalen Parlamente übernimmt; ist der Auffassung, dass eine Stärkung des politischen Dialogs mit den nationalen Parlamenten dazu beitragen könnte, Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsprüfungen zu rationalisieren, indem die wesentlichen Punkte der Legislativvorschläge besser herausgestellt werden;
8. hält es für geboten, dass bestehende Formate für die Zusammenarbeit gestärkt und Optionen für die Verbesserung der IPEX-Plattform gefunden werden, damit die nationalen Parlamente für ihre Rolle bei den Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsprüfungen sensibilisiert werden, bei der effizienteren Bearbeitung der im Rahmen des Frühwarnsystems übermittelten Informationen unterstützt werden und ihre Zusammenarbeit und Abstimmung verbessert werden;
9. begrüßt, dass Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit – wie in den politischen Prioritäten der Kommission und mit der Annahme des Pakets „Bessere Rechtsetzung“ bescheinigt – in den Mittelpunkt der Beschlussfassung in der EU gestellt wurden; begrüßt die Annahme dieses Pakets, mit dem sichergestellt werden wird, dass die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit durchgängiger und umfassender angewendet werden, was im Gegenzug dazu beitragen wird, dass der Beschlussfassungsprozess der EU transparenter wird; begrüßt, dass die Kommission im Rahmen der Interinstitutionellen Vereinbarung über bessere Rechtsetzung zugesagt hat, die Folgenabschätzungen ihrer legislativen und nichtlegislativen Vorschläge den nationalen Parlamenten zur Verfügung zu stellen; ruft in Erinnerung, dass in dieser Vereinbarung auch das Erfordernis, im Legislativverfahren mehr Transparenz an den Tag zu legen, hervorgehoben wird und dass die den nationalen Parlamenten übermittelten Informationen diese Parlamente in die Lage versetzen müssen, ihre in den Verträgen verankerten Vorrechte uneingeschränkt wahrzunehmen; fordert die Kommission auf, ihre Rechtfertigungen zur Subsidiarität sorgfältiger auszuarbeiten und sich intensiver mit begründeten Stellungnahmen auseinanderzusetzen;
10. stellt fest, dass die Kommission im Zuge der Umsetzung der Agenda für bessere Rechtsetzung robustere interne Instrumente und Verfahren entwickelt hat, die darauf abzielen, dass Verstöße gegen das Subsidiaritätsprinzip verhindert werden; betont nachdrücklich, das Folgenabschätzungen ein wesentliches Instrument zur Gewährleistung der Achtung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit sind und die Rechenschaftspflicht fördern; fordert die Kommission nachdrücklich auf, bei der Ausarbeitung ihrer Folgenabschätzungen gemäß den Leitlinien für eine bessere Rechtsetzung vermehrt auf Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit zu achten; hebt insbesondere die Rolle des Ausschusses für Regulierungskontrolle hervor und begrüßt, dass Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit nun im Rahmen der Qualitätsprüfung des Ausschusses berücksichtigt werden; hebt jedoch hervor, dass die Unabhängigkeit des Ausschusses für Regulierungskontrolle zusätzlich gestärkt werden könnte;
11. weist erneut darauf hin, dass das Frühwarnsystem und insbesondere die achtwöchige Frist für die Einreichung begründeter Stellungnahmen im Rahmen der EU-Verträge flexibler gehandhabt werden müssen, damit die nationalen Parlamente umfassender am Rechtsetzungsprozess der EU teilhaben können, und dass im Falle einer Änderung der Verträge die formelle Verlängerung der Frist in Erwägung gezogen werden muss; hält es außerdem für geboten, dass im Einklang mit den Vorschlägen im Bericht über die Umsetzung der die nationalen Parlamente betreffenden Vertragsbestimmungen weiter über die Einführung eines Mechanismus nachgedacht wird, auf dessen Grundlage der Kommission begründete Stellungnahmen übermittelt werden könnten, die darauf abzielen, sinnvolle Beiträge zu den Maßnahmen der EU zu leisten; ist der Ansicht, dass dies ein sinnvolles und konstruktives Instrument für eine stärkere Beteiligung der nationalen Parlamente am Rechtsetzungsprozess der EU sein könnte;
12. ist in den Fällen, in denen gelbe Karten ausgegeben wurden, mitunter über die Antworten der Kommission an die nationalen Parlamente enttäuscht; ist der Ansicht, dass die Kommission umfassend auf alle von den nationalen Parlamenten vorgebrachten Bedenken eingehen muss; hält es für geboten, dass das Erfordernis von Rechtsetzungsinitiativen und deren Folgen angemessen erläutert werden, was insbesondere für die Bereiche Wirtschaft, Umwelt und Gesellschaft gilt, und dass hierbei die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit eingehalten werden;
13. nimmt die Einsetzung der Taskforce für Subsidiarität, Verhältnismäßigkeit und „Weniger, aber effizienteres Handeln“ zur Kenntnis; merkt an, dass die Taskforce sämtliche Politikbereiche kritisch prüfen wird, damit dafür gesorgt wird, dass die EU nur dann tätig wird, wenn ihr Handeln einen Mehrwert mit sich bringt; ersucht die Kommission, die vorgesehenen Befugnisse und die geplante Arbeitsweise genauer zu beschreiben; sieht dem für den 15. Juli 2018 avisierten Bericht der Taskforce erwartungsvoll entgegen, in dem Empfehlungen dazu enthalten sein sollten, wie die Europäische Union sowohl mit Blick auf die Zuweisung und Wahrnehmung ihrer Befugnisse als auch hinsichtlich der Ermittlung von Möglichkeiten, die regionalen und lokalen Gebietskörperschaften besser in die Politikgestaltung der EU einzubeziehen, den Grundsätzen der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit besser Rechnung tragen kann; ist der Ansicht, dass mit dieser Initiative besser herausgefunden werden kann, ob eine bestimmte Maßnahme von der Union, den Mitgliedstaaten oder den regionalen Behörden angemessen und wirksamer umgesetzt werden kann; hofft, dass die in diesem Rahmen vorgebrachten Vorschläge zügig von der Kommission umgesetzt werden;
14. fordert die nationalen Parlamente auf, Stellungnahmen zu Vorschlägen der Kommission abzugeben, die samt und sonders jederzeit über die interne Datenbank CONNECT eingesehen werden können; fordert die nationalen und regionalen Parlamente mit Nachdruck auf, ihre Beziehungen zum Ausschuss der Regionen auszubauen, der über eine Expertengruppe verfügt, die Rechtsetzungsvorschläge im Hinblick auf die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit prüft; ist der Auffassung, dass ein informeller, auf der interparlamentarischen Zusammenarbeit beruhender Mechanismus zur Stärkung des politischen Dialogs mit den nationalen Parlamenten beitragen kann;
15. betont, dass es für den Erlass von Rechtsakten der Zustimmung einer großen Mehrheit im Rat – zusammengesetzt aus den nationalen Ministern aller EU-Mitgliedstaaten, die gegenüber ihren nationalen Parlamenten rechenschaftspflichtig sein sollten – bedarf;
16. begrüßt, dass in der Erklärung von Rom vom 25. März 2017 auf Subsidiarität eingegangen wurde; ist der Ansicht, dass Subsidiarität bei den Überlegungen über die Zukunft der EU eine herausragende Stellung einnehmen sollte.
ANGABEN ZUR ANNAHME IM MITBERATENDEN AUSSCHUSS
Datum der Annahme |
26.2.2018 |
|
|
|
|
Ergebnis der Schlussabstimmung |
+: –: 0: |
21 1 0 |
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Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Mitglieder |
Mercedes Bresso, Richard Corbett, Pascal Durand, Danuta Maria Hübner, Diane James, Ramón Jáuregui Atondo, Morten Messerschmidt, Maite Pagazaurtundúa Ruiz, Pedro Silva Pereira, Barbara Spinelli, Kazimierz Michał Ujazdowski |
||||
Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellvertreter |
Max Andersson, Enrique Guerrero Salom, Sylvia-Yvonne Kaufmann, Jérôme Lavrilleux, Mairead McGuinness, Cristian Dan Preda, Jasenko Selimovic |
||||
Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellv. (Art. 200 Abs. 2) |
Eleonora Evi, Seán Kelly, Jeroen Lenaers, Ramón Luis Valcárcel Siso |
||||
NAMENTLICHE SCHLUSSABSTIMMUNG IM MITBERATENDEN AUSSCHUSS
21 |
+ |
|
ALDE |
Maite Pagazaurtundúa Ruiz, Jasenko Selimovic |
|
ECR |
Morten Messerschmidt, Kazimierz Michał Ujazdowski |
|
EFDD |
Eleonora Evi |
|
GUE/NGL |
Barbara Spinelli |
|
PPE |
Danuta Maria Hübner, Seán Kelly, Jérôme Lavrilleux, Jeroen Lenaers, Mairead McGuinness, Cristian Dan Preda, Ramón Luis Valcárcel Siso |
|
S&D |
Mercedes Bresso, Richard Corbett, Enrique Guerrero Salom, Ramón Jáuregui Atondo, Sylvia-Yvonne Kaufmann, Pedro Silva Pereira |
|
VERTS/ALE |
Max Andersson, Pascal Durand |
|
1 |
- |
|
NI |
Diane James |
|
0 |
0 |
|
|
|
|
Erläuterungen:
+ : dafür
- : dagegen
0 : Enthaltung
ANGABEN ZUR ANNAHME IM FEDERFÜHRENDEN AUSSCHUSS
Datum der Annahme |
27.3.2018 |
|
|
|
|
Ergebnis der Schlussabstimmung |
+: –: 0: |
19 0 3 |
|||
Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Mitglieder |
Max Andersson, Joëlle Bergeron, Marie-Christine Boutonnet, Kostas Chrysogonos, Rosa Estaràs Ferragut, Enrico Gasbarra, Lidia Joanna Geringer de Oedenberg, Sylvia-Yvonne Kaufmann, António Marinho e Pinto, Emil Radev, Julia Reda, Evelyn Regner, Pavel Svoboda, József Szájer, Axel Voss, Francis Zammit Dimech, Tadeusz Zwiefka |
||||
Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellvertreter |
Luis de Grandes Pascual, Pascal Durand, Angel Dzhambazki, Evelyne Gebhardt, Angelika Niebler, Virginie Rozière, Rainer Wieland |
||||
Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellv. (Art. 200 Abs. 2) |
Mylène Troszczynski |
||||
NAMENTLICHE SCHLUSSABSTIMMUNG IM FEDERFÜHRENDEN AUSSCHUSS
19 |
+ |
|
ALDE |
António Marinho e Pinto |
|
EFDD |
Joëlle Bergeron |
|
GUE/NGL |
Kostas Chrysogonos |
|
PPE |
Rosa Estaràs Ferragut, Luis de Grandes Pascual, Emil Radev, Pavel Svoboda, József Szájer, Rainer Wieland, Francis Zammit Dimech |
|
S&D |
Enrico Gasbarra, Evelyne Gebhardt, Lidia Joanna Geringer de Oedenberg, Sylvia-Yvonne Kaufmann, Evelyn Regner, Virginie Rozière |
|
VERTS/ALE |
Max Andersson, Pascal Durand, Julia Reda |
|
0 |
- |
|
|
|
|
3 |
0 |
|
ECR |
Angel Dzhambazki |
|
ENF |
Marie-Christine Boutonnet, Mylène Troszczynski |
|
Erklärung der benutzten Zeichen:
+ : dafür
- : dagegen
0 : Enthaltungen