Index 
 Zurück 
 Vor 
 Vollständiger Text 
Verfahren : 2010/2656(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadien in Bezug auf das Dokument :

Eingereichte Texte :

RC-B7-0246/2010

Aussprachen :

Abstimmungen :

PV 06/05/2010 - 7.3
CRE 06/05/2010 - 7.3
Erklärungen zur Abstimmung
Erklärungen zur Abstimmung

Angenommene Texte :

P7_TA(2010)0149

Angenommene Texte
PDF 127kWORD 43k
Donnerstag, 6. Mai 2010 - Brüssel
Kirgisistan
P7_TA(2010)0149RC-B7-0246/2010

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 6. Mai 2010 zur Lage in Kirgisistan

Das Europäische Parlament,

–   unter Hinweis auf seine vorangegangenen Entschließungen zu Kirgisistan und Zentralasien, insbesondere auf seine Entschließung vom 12. Mai 2005,

–   unter Hinweis auf seine Entschließung vom 20. Februar 2008 zur Strategie der EU für Zentralasien,

–   unter Hinweis auf die Erklärung der Vizepräsidentin/Hohen Vertreterin, Catherine Ashton, vom 7. und 8. April 2010 zur Lage in Kirgisistan,

–   unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates „Auswärtige Angelegenheiten“ vom 26. April 2010,

–   unter Hinweis auf die Erklärung der EU beim Ständigen Rat der OSZE zur Lage in Kirgisistan vom 22. April 2010,

–   unter Hinweis auf die vom Europäischen Rat am 21./22. Juni 2007 angenommene EU-Strategie für eine neue Partnerschaft mit Zentralasien,

–   unter Hinweis auf das 1999 in Kraft getretene Partnerschafts- und Kooperationsabkommen (PKA) zwischen der EU und Kirgisistan,

–   unter Hinweis auf das regionale Strategiepapier der Europäischen Union betreffend Unterstützung für Zentralasien für den Zeitraum 2007 – 2013,

–   gestützt auf Artikel 110 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,

A.   in der Erwägung, dass es im Interesse der Völker sowohl Zentralasiens als auch der Europäischen Union ist, dass in der gesamten Region sichtbare Fortschritte im Hinblick auf Stabilität, eine Anhebung des Niveaus der demokratischen und menschlichen Entwicklung, Sicherheit für die Menschen und nachhaltiges Wachstum erzielt werden,

B.   in der Erwägung, dass Kirgisistan als Mitglied der OSZE verpflichtet ist, die Grundfreiheiten, die Menschenrechte und die Rechtstaatlichkeit zu achten und die demokratischen Normen der OSZE umzusetzen,

C.   in der Erwägung, dass Kurmanbek Bakijew, der sein Amt erstmals im Juli 2005 nach der sogenannten Tulpenrevolution antrat, im vergangenen Jahr in einer Wahl, die unabhängigen Beobachtern zufolge von massiven Wahlfälschungen überschattet war, für eine weitere Amtszeit als Präsident wiedergewählt wurde; ferner in der Erwägung, dass sich Bakijews Herrschaft – nachdem dieser zunächst erklärt hatte, er fühle sich der Demokratie verpflichtet – als autoritär erwiesen hat,

D.   in der Erwägung, dass kirgisische Truppen am 7. April 2010 mit Schusswaffen, Tränengas und Schockgranaten gegen die protestierende Menge vorgingen, die sich vor dem Amtssitz des Präsidenten in Bischkek versammelt hatte und dann Regierungsgebäude stürmte, um gegen den starken Anstieg der Preise für Strom und Heizung zu demonstrieren, und dabei 80 Menschen ums Leben kamen und mehr als 500 Personen verletzt wurden,

E.   ferner in der Erwägung, dass Präsident Bakijew aus der Hauptstadt fliehen musste und seine Amtsgeschäfte jetzt von einer Übergangsregierung unter dem Vorsitz der Oppositionsführerin Rosa Otunbajewa ausgeübt werden, die eine Verfügung über den Übergang der Macht und eine Anordnung erlassen hat, dass die kirgisische Verfassung einzuhalten ist, und das Parlament aufgelöst hat; des Weiteren in der Erwägung, dass Bakijew versucht hatte, eine Woche nach dem Aufstand die Bedingungen für seinen Rücktritt festzulegen, und anschließend im Rahmen einer von Russland, den Vereinigten Staaten und Kasachstan vermittelten Vereinbarung das Land verlassen und sich nach Kasachstan begeben hat,

F.   in der Erwägung, dass Kirgisistan für die Vereinigten Staaten und Russland von besonderem Interesse ist, da das Land strategisch günstig in der Nähe von Afghanistan und neben dem Ferghana-Tal liegt, das sich geografisch, politisch und wirtschaftlich in der Mitte Zentralasiens befindet; ferner in der Erwägung, dass dem vom US-Militär betriebenen Transitzentrum Manas eine Schlüsselrolle im nördlichen Verteilungsnetz für den Nachschub für die NATO-Truppen in Afghanistan zukommt und auch Russland eine wichtige Militärbasis in Kirgisistan unterhält,

G.   in der Erwägung, dass die Beziehung zwischen der Europäischen Union und Zentralasien angesichts der gemeinsamen Herausforderungen im Bereich Energie, bei der Bekämpfung des Klimawandels, bei der Kontrolle des Drogenhandels und beim Kampf gegen den Terrorismus eine entscheidende Rolle spielt,

H.   in der Erwägung, dass der geopolitische Wettbewerb in dieser Region über ein beachtliches destruktives Potenzial verfügt, sich aber auch in erheblichem Umfang mit den Interessen in Bezug auf Afghanistan und die Ausbreitung des radikalen Islamismus überschneidet – ein Umstand, der Möglichkeiten dafür bietet, diesen Wettbewerb zu verringern und eine Einigung dahingehend zu erzielen, dass eine verbesserte Staatsführung erforderlich ist,

I.   in der Erwägung, dass die Europäische Union stets an ihrer Verpflichtung festhalten muss, in sämtlichen Abkommen mit Drittstaaten die Wahrung der Menschenrechte, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit zu verankern, und demokratische Reformen durch kohärente politische Strategien zu fördern, um ihre Glaubwürdigkeit als regionaler Akteur zu stärken,

J.   in der Erwägung, dass die Präsenz der EU in Kirgisistan, hauptsächlich als Hilfeleisterin, bedeutend ist und die EU in eine vorteilhafte Lage versetzt, wenn es darum geht, eine wichtigere Rolle bei der Unterstützung des Landes zu spielen,

K.   in der Erwägung, dass die Kommission und der Rat dabei sind, die Strategie für Zentralasien zu überarbeiten und einen Bericht vorzubereiten, der dem Europäischen Rat auf seiner Tagung im Juni unterbreitet werden soll,

1.   zeigt sich zutiefst beunruhigt über die Lage in Kirgisistan und spricht den Familien aller Opfer der tragischen Ereignisse sein Mitgefühl aus;

2.   fordert alle Parteien auf, keine Gewalt mehr anzuwenden, Zurückhaltung zu üben und alles zu unternehmen, um einen echten Dialog zur Herstellung von Stabilität aufzunehmen, und die Voraussetzungen für eine friedliche Rückkehr zu einer demokratischen und verfassungsmäßigen Ordnung zu schaffen;

3.   betont, dass aus institutioneller Sicht ein kohärenter und stabiler Verfassungsrahmen von wesentlicher Bedeutung ist, um künftigen sozialen Unruhen vorzubeugen und eine friedliche Zukunft für das kirgisische Volk zu gewährleisten; begrüßt in diesem Zusammenhang die Zusammenarbeit der Übergangsregierung mit der Venedig-Kommission;

4.   nimmt die ersten Maßnahmen der Übergangsregierung zur Wiederherstellung der Demokratie zur Kenntnis, insbesondere das Vorhaben, eine neue Verfassung auszuarbeiten, mit der Bakijews Reform, durch die dem Präsidenten übermäßig viel Macht übertragen wurde, revidiert werden soll;

5.   begrüßt in diesem Zusammenhang die Ankündigung der Übergangsregierung, am 27. Juni 2010 eine Volksabstimmung über die neue Verfassung durchzuführen und für den 10. Oktober 2010 allgemeine Neuwahlen anzuberaumen, um die Demokratie und die politische Rechenschaftspflicht zu stärken; fordert die Übergangsregierung auf, den internationalen Verpflichtungen Kirgisistans nachzukommen und sicherzustellen, dass die Wahlen frei und fair abgehalten werden;

6.   betont, wie wichtig ein aktives Engagement gegenüber der Übergangsregierung ist, um Möglichkeiten der Förderung verantwortungsvoller Staatsführung, der Unabhängigkeit der Justiz und anderer in der Strategie für Zentralasien festgelegter politischer Ziele der EU zu finden und anzuwenden, aber auch um das Engagement und die Tätigkeiten internationaler Finanzierungseinrichtungen zu erleichtern;

7.   fordert eine internationale Untersuchung der Ereignisse unter der Führung der Vereinten Nationen, um Verantwortlichkeiten und Versäumnisse zu ermitteln und den kirgisischen Justizbehörden Unterstützung zu gewähren, und drängt in diesem Zusammenhang die Übergangsregierung, das Amt des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte um Unterstützung zu bitten, um zu gewährleisten, dass die Untersuchungen der Ereignisse vom 6./7. April 2010 gründlich, unparteiisch und glaubwürdig durchgeführt werden;

8.   betont, dass die Tulpenrevolution von 2005 hohe Erwartungen in Bezug auf demokratische Reformen in der kirgisischen Gesellschaft geweckt hat, die nicht erfüllt wurden; fordert den Rat und die Kommission auf, Kohärenz und Durchsetzungsfähigkeit zu zeigen und diese Gelegenheit zu nutzen, um Wege zu finden, wie die Übergangsregierung von Kirgisistan unterstützt und den Behörden dabei geholfen werden kann, demokratische Reformen durchzuführen und das Leben der Menschen zu verbessern und dazu in Zusammenarbeit mit allen Beteiligten und der kirgisischen Zivilgesellschaft die nationale Entwicklung und eine Stärkung der Bürgerinnen und Bürger voranzubringen;

9.   stellt fest, dass der erhebliche Rohstoffmangel und die prekäre Lage Kirgisistans das Land in hohem Maße von auswärtiger Unterstützung abhängig machen; stellt ferner fest, dass in der Nachbarschaft Kirgisistans kaum Beispiele für eine demokratische, gut funktionierende Staatsführung und positive soziale Entwicklung zu finden sind; weist diesbezüglich nachdrücklich darauf hin, dass die internationale Unterstützung von entscheidender Bedeutung sein wird;

10.   weist darauf hin, dass die Entwicklungen in Kirgisistan die regionale Entwicklung und die internationalen Entwicklungen beeinflussen und auch von diesen beeinflusst werden; ist überzeugt, dass es große Schnittmengen bei den Interessen Russlands, der Vereinigten Staaten und anderer gibt, insbesondere in Bezug auf Afghanistan und das Erstarken des radikalen Islams in der Region, einschließlich in Kirgisistan; vertritt die Auffassung, dass dies die Möglichkeit bieten sollte, den geopolitischen Wettbewerb zu begrenzen und nach Synergien zu suchen; bekundet seine Überzeugung, dass ein entsprechender Erfolg umfassende positive Auswirkungen auf die internationalen Beziehungen und auf die internationale Sicherheit hätte;

11.   fordert den von der Vizepräsidentin/Hohen Vertreterin eingesetzten Sonderbeauftragten für Zentralasien auf, die Lage sorgfältig zu beobachten, Unterstützung bereitzustellen und die Wiederaufnahme des Dialogs zwischen allen Teilen der kirgisischen Gesellschaft zu fördern;

12.   fordert die Kommission und den Rat auf, umgehend zu prüfen, inwieweit die Voraussetzungen für die Auflegung eines international koordinierten, umfassenden und neuen Hilfsprogramms für Kirgisistan gegeben sind oder geschaffen werden können und dabei nicht zuletzt zu berücksichtigen, wie ernst das derzeitige Bekenntnis der kirgisischen Übergangsregierung zur Demokratisierung und zu einer ordnungsgemäßen Staatsführung tatsächlich gemeint ist; vertritt die Auffassung, dass im Falle der Schlussfolgerung, dass offensichtlich genügend günstige Voraussetzungen vorhanden sind, die EU bei der Vorbereitung einer internationalen Geberkonferenz für Kirgisistan die Führung übernehmen sollte;

13.   fordert eine umfassende Nutzung des Stabilitätsinstrumentes; hebt hervor, dass Kirgisistan für die Überwindung seiner sozialen und wirtschaftlichen Probleme Unterstützung benötigt; fordert die Kommission auf, Vorschläge auszuarbeiten, damit Mittel des Finanzierungsinstruments für die Entwicklungszusammenarbeit umgewidmet werden können, um sicherzustellen, dass die EU kurz- und mittelfristig angemessen auf die neue Situation in Kirgisistan reagieren kann; hebt hervor, dass der Lösung von Problemen im Bildungs- und Gesundheitswesen sowie bei der Wasserversorgung besonderer Vorrang eingeräumt werden sollte;

14.   fordert nachdrücklich, dass die Unterstützung der Europäischen Union eng mit den Bemühungen zur Bekämpfung von Korruption, mit der Aufstockung der Mittel für Bildung und mit einer Politik zur Verbesserung der Lebensbedingungen verknüpft wird, um günstige Voraussetzungen zum Schutz gegen die Entwicklung von Extremismus zu schaffen;

15.   fordert die Kommission unter Berücksichtigung der gegenwärtigen Situation auf zu prüfen, ob es erforderlich ist, sofortige humanitäre Hilfe zu leisten;

16.   sieht der Überprüfung der Fortschritte, die bei der Umsetzung der EU-Strategie für diese Region erzielt wurden, erwartungsvoll entgegen und fordert mehr Engagement, um sie glaubwürdiger, konkreter und kohärenter zu gestalten;

17.   beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Parlamenten und Regierungen der Mitgliedstaaten, der Übergangsregierung von Kirgisistan, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, dem Generalsekretär der OSZE und dem Generalsekretär des Europarats zu übermitteln.

Rechtlicher Hinweis - Datenschutzbestimmungen