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Verfahren : 2011/2897(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument : B7-0687/2011

Eingereichte Texte :

B7-0687/2011

Aussprachen :

PV 14/12/2011 - 17
CRE 14/12/2011 - 17

Abstimmungen :

PV 15/12/2011 - 9.7
CRE 15/12/2011 - 9.7
Erklärungen zur Abstimmung

Angenommene Texte :

P7_TA(2011)0585

Angenommene Texte
PDF 154kWORD 66k
Donnerstag, 15. Dezember 2011 - Straßburg
Haftbedingungen in der EU
P7_TA(2011)0585B7-0687/2011

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 15. Dezember 2011 zu den Haftbedingungen in der EU (2011/2897(RSP))

Das Europäische Parlament,

–  unter Hinweis auf die Texte der Europäischen Union, die den Schutz der Menschenrechte betreffen, insbesondere Artikel 2, 6 und 7 des Vertrags über die Europäische Union und die Charta der Grundrechte der Europäischen Union, insbesondere deren Artikel 4, 19, 47, 48 und 49,

–  unter Hinweis auf die internationalen Instrumente im Bereich der Menschenrechte und des Verbots von Folter und grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe, insbesondere die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (Artikel 5), den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (Artikel 7), das Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe und dessen Fakultativprotokoll zur Einrichtung eines Systems regelmäßiger Besuche, die von unabhängigen internationalen und nationalen Stellen an Orten, an denen Personen die Freiheit entzogen wird, durchgeführt werden,

–  unter Hinweis auf die Texte des Europarats, welche die Menschenrechte und das Verbot der Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe betreffen, insbesondere das Europäische Übereinkommen über die Menschenrechte und Grundfreiheiten (Artikel 3), die dazugehörigen Protokolle und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), das Europäische Übereinkommen von 1987 zur Verhütung von Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe, mit dem das Europäische Komitee des Europarats zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe eingesetzt wurde, sowie die Berichte dieses Komitees,

–  unter Hinweis auf die Texte, die speziell die Rechte von Personen betreffen, denen die Freiheit entzogen wurde, auf Ebene der Vereinten Nationen insbesondere die Mindestgrundsätze für die Behandlung von Gefangenen und die von der Generalversammlung angenommenen Erklärungen und Grundsätze, auf Ebene des Europarats insbesondere die Empfehlungen des Ministerkomitees, namentlich Empfehlung (2006)2 zu den Europäischen Strafvollzugsgrundsätzen, Empfehlung (2006)13 zu der Anwendung von Untersuchungshaft, den Bedingungen, unter denen sie vollzogen wird, und Schutzmaßnahmen gegen Missbrauch, Empfehlung (2008)11 zu den Europäischen Grundsätzen für die von Sanktionen und Maßnahmen betroffenen jugendlichen Straftäter und Straftäterinnen, Empfehlung (2010)1 über die Grundsätze der Bewährungshilfe des Europarats(1) sowie die von der Parlamentarischen Versammlung angenommenen Empfehlungen,

–  unter Hinweis auf seine Entschließungen vom 18. Januar 1996 zu den schlechten Haftbedingungen in den Gefängnissen der Europäischen Union(2) und vom 17. Dezember 1998 zum Thema „Haftbedingungen in der Europäischen Union: Umwandlungen und Ersatzstrafen“(3) sowie auf seine wiederholten Aufforderungen an die Kommission und den Rat, einen Rahmenbeschluss über die Rechte der Häftlinge vorzuschlagen, wie sie in seiner Empfehlung vom 6. November 2003 mit dem Entwurf einer Empfehlung des Europäischen Parlaments an den Rat über Mindestnormen im Bereich der Verfahrensgarantien in Strafverfahren innerhalb der Europäischen Union(4), in seiner Empfehlung vom 9. März 2004 an den Rat zu den Rechten der Häftlinge in der Europäischen Union(5) und in seiner Entschließung vom 25. November 2009 zum Mehrjahresprogramm 2010–2014 für den Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (Stockholm-Programm)(6) enthalten sind,

–  unter Hinweis auf den Rahmenbeschluss 2002/584/JI des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten(7),

–  unter Hinweis auf den Rahmenbeschluss 2008/909/JI des Rates vom 27. November 2008 über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Urteile in Strafsachen, durch die eine freiheitsentziehende Strafe oder Maßnahme verhängt wird, für die Zwecke ihrer Vollstreckung in der Europäischen Union(8),

–   unter Hinweis auf den Vorschlag vom 29. August 2006 für einen Rahmenbeschluss des Rates über die Europäische Überwachungsanordnung in Ermittlungsverfahren innerhalb der Europäischen Union (KOM(2006)0468),

–  unter Hinweis auf den Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über das Recht auf Rechtsbeistand in Strafverfahren und das Recht auf Kontaktaufnahme bei der Festnahme (KOM(2011)0326),

–  unter Hinweis auf das Grünbuch der Kommission vom 14. Juni 2011 mit dem Titel „Stärkung des gegenseitigen Vertrauens im europäischen Rechtsraum – Grünbuch zur Anwendung der EU-Strafrechtsvorschriften im Bereich des Freiheitsentzugs“ (KOM(2011)0327),

–  unter Hinweis auf die von den Fraktionen ALDE, GUE/NGL, PPE, Verts/ALE und S&D eingereichten Anfragen zur mündlichen Beantwortung zu den Haftbedingungen in der Europäischen Union (O-000252/2011 - B7-0658/2011, O-000253/2011 - B7-0659/2011, O-000265/2011 - B7-0660/2011, O-000266/2011 - B7-0661/2011, O-000283/2011 - B7-0662/2011, O-000284/2011 - B7-0663/2011, O-000286/2011 - B7-0664/2011, O-000287/2011 - B7-0665/2011, O-000296/2011 - B7-0666/2011, O-000297/2011 - B7-0667/2011),

–  gestützt auf die Artikel 115 Absatz 5 und Artikel 110 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

A.  in der Erwägung, dass sich die Europäische Union die Entwicklung eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zum Ziel gesetzt hat, sowie in der Erwägung, dass sie gemäß Artikel 6 des Vertrags über die Europäische Union die Menschenrechte und Grundfreiheiten achtet, was positive Verpflichtungen mit sich bringt, die sie erfüllen muss, wenn das angestrebte Ziel erreicht werden soll;

B.  in der Erwägung, dass Haftbedingungen und Strafvollzug im Wesentlichen in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen, dass jedoch Unzulänglichkeiten wie die Überfüllung der Haftanstalten und eine angeblich schlechte Behandlung von Häftlingen das Vertrauen, auf dem die auf dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung von Urteilen und Gerichtsentscheidungen durch die Mitgliedstaaten beruhende justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen beruhen muss, untergraben kann;

C.  in der Erwägung, dass die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen auf der Achtung von Grundrechtsnormen und auf der notwendigen Annäherung der Rechte von Verdächtigten und Beschuldigten sowie der Verfahrensrechte in Strafverfahren beruhen muss, und zwar als wesentliche Voraussetzung für gegenseitiges Vertrauen zwischen den Mitgliedstaaten im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, insbesondere da die Anzahl derjenigen Personen, welche die Staatangehörigkeit eines Mitgliedstaates besitzen und in einem anderen Mitgliedstaaten inhaftiert sind, infolge einer solchen Zusammenarbeit steigen könnte;

D.  in der Erwägung, dass die Gesamtanzahl der Insassen von Haftanstalten in der EU in den Jahren 2009–2010 bei schätzungsweise 633 909 Personen lag;(9) in der Erwägung, dass in dem Grünbuch der Kommission, aus dem diese Zahl stammt, ein besorgniserregendes Bild gezeichnet wird, zu dem folgende Elemente gehören:

   die Überfüllung der Haftanstalten,(10)
   die Zunahme der Anzahl der Häftlinge,
   die Zunahme der Zahl ausländischer Häftlinge,(11)
   eine hohe Anzahl von Untersuchungshäftlingen,(12)
   Häftlinge mit geistigen und psychischen Störungen,
   zahlreiche Todesfälle und Selbstmorde;(13)

E.  in der Erwägung, dass Artikel 3 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) sowie die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) den Mitgliedstaaten nicht nur negative Verpflichtungen auferlegen, indem ihnen untersagt wird, die Häftlinge unmenschlicher und erniedrigender Behandlung auszusetzen, sondern auch positive Verpflichtungen, indem sie aufgefordert werden zu gewährleisten, dass die Haftbedingungen mit der Menschenwürde vereinbar sind und Verletzungen solcher Rechte gründlich und wirksam untersucht werden;

F.  in der Erwägung, dass in einigen Mitgliedstaaten ein Großteil der Inhaftierten Untersuchungshäftlinge sind; in der Erwägung, dass es sich bei der Untersuchungshaft um eine Maßnahme handelt, die nur ausnahmsweise verhängt werden sollte, und dass eine unverhältnismäßig lange Dauer der Untersuchungshaft der Person schadet sowie die justizielle Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen und den Werten der EU zuwiderlaufen kann;(14) in der Erwägung, dass eine beträchtliche Anzahl von Mitgliedstaaten wiederholt vom EGMR wegen Verletzungen der EMRK im Zusammenhang mit Untersuchungshaft verurteilt wurde;

G.  in der Erwägung, dass ein Problem, auf das die Mitgliedstaaten häufig hinweisen, die fehlenden Mittel zur Verbesserung der Lage in den Haftanstalten sind, sowie in der Erwägung, dass es sich als notwendig erweisen könnte, eine neue Haushaltslinie einzusetzen, um die Mitgliedstaaten dazu anzuhalten, hohen Standards zu genügen;

H.  in der Erwägung, dass die Wahrscheinlichkeit von Rückfällen geringer ist, wenn menschenwürdige Haftbedingungen sowie der Zugang zu Vorbereitungsstrukturen für die Resozialisierung gewährleistet sind;

I.  in der Erwägung, dass der Rat Entschließungen und Empfehlungen zu dem spezifischen Problem der Drogenabhängigkeit und der Verminderung der damit verbundenen Risiken, insbesondere zur Behandlung von Drogenabhängigkeit innerhalb oder außerhalb der Haftanstalten, angenommen hat, die von den Mitgliedstaaten jedoch nicht immer umgesetzt werden;

J.  in der Erwägung, dass nur 16 Mitgliedstaaten das Fakultativprotokoll zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe ratifiziert und weitere sieben es unterzeichnet, aber noch nicht ratifiziert haben;(15)

K.  in der Erwägung, dass einige Mitgliedstaaten für die Mitglieder der nationalen Parlamente und des Europäischen Parlaments das Recht vorsehen, die Haftanstalten zu besichtigen, sowie in der Erwägung, dass das Europäische Parlament gefordert hat, den Mitgliedern des Europäischen Parlaments dieses Recht im gesamten Hoheitsgebiet der EU einzuräumen;(16)

L.  in der Erwägung, dass sich Kinder bei einer Inhaftierung, und insbesondere im Falle von Untersuchungshaft, in einer besonders schutzbedürftigen Lage befinden;

M.  in der Erwägung, dass der Rat am 30. November 2009 einen Fahrplan zur Stärkung der Verfahrensrechte von Verdächtigen oder Beschuldigten in Strafverfahren angenommen hat, der Teil des Stockholmer Programms ist und wichtige Schutzmaßnahmen festlegt, die dazu beitragen werden zu gewährleisten, dass bei den Bemühungen um eine stärkere Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten in Strafsachen die Grundrechte geachtet werden;

N.  in der Erwägung, dass die Kommission – auf ausdrückliche Aufforderung durch den Rat sowie im Einklang mit dem Stockholmer Programm und wiederholten Aufforderungen durch das Parlament – eine Mitteilung mit dem Titel „Stärkung des gegenseitigen Vertrauens im europäischen Rechtsraum – Grünbuch zur Anwendung der EU-Strafrechtsvorschriften im Bereich des Freiheitsentzugs“(17) herausgegeben hat, die den Anstoß zu einem offenen Dialog zwischen den Interessenträgern über Maßnahmen der EU zur Verbesserung der Haftbedingungen gibt, um das gegenseitige Vertrauen in die justizielle Zusammenarbeit zu gewährleisten, den Zusammenhang zwischen den Haftbedingungen und einzelnen EU-Instrumenten wie dem Europäischen Haftbefehl und der Europäischen Überwachungsanordnung hervorhebt und deutlich macht, dass Haftbedingungen, Untersuchungshaft und die Lage von inhaftierten Kindern Themen sind, zu denen die EU Initiativen ergreifen könnte;

1.  begrüßt das Grünbuch der Kommission; äußert seine Besorgnis über die beunruhigende Lage im Hinblick auf die Haftbedingungen in der EU und fordert die Mitgliedstaaten auf, Dringlichkeitsmaßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass die Grundrechte von Häftlingen – und insbesondere die Rechte schutzbedürftiger Personen – geachtet und geschützt werden; ist der Auffassung, dass in allen Mitgliedstaaten gemeinsame Mindestnormen hinsichtlich der Haftbedingungen(18) angewendet werden sollten;

2.  weist erneut darauf hin, dass die Haftbedingungen von entscheidender Bedeutung für die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung von Gerichtsentscheidungen im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts sind, und vertritt die Ansicht, dass eine gemeinsame Vertrauensbasis zwischen den Justizbehörden sowie eine bessere Kenntnis der nationalen Strafrechtssysteme in diesem Zusammenhang von entscheidender Bedeutung sind;

3.  fordert die Kommission und die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte auf, die Lage im Hinblick auf die Haftbedingungen in der EU zu beobachten und die Mitgliedstaaten zu unterstützen, wenn diese sich darum bemühen zu gewährleisten, dass ihre Rechtsvorschriften und Maßnahmen den höchsten einschlägigen Standards(19) entsprechen;

4.  fordert die Kommission und die Organe der EU auf, einen Legislativvorschlag betreffend die Rechte von Personen, denen die Freiheit entzogen wurde – darunter diejenigen, die vom Europäischen Parlament in dessen Entschließungen und Empfehlungen genannt wurden(20) –, vorzulegen, und Mindestnormen für Haftbedingungen sowie eine einheitliche Norm für die Entschädigung von Personen, die zu Unrecht inhaftiert oder verurteilt wurden, zu entwickeln und umzusetzen; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, diesem Thema auch weiterhin hohen Stellenwert beizumessen und dafür angemessene Humanressourcen und finanzielle Mittel bereitzustellen;

5.  bekräftigt wie wichtig es ist, in Haft befindlichen Müttern und ihren Kindern einen besonderen Schutz zu gewähren, was - im besten Interesse des Kindes - alternative Maßnahmen zur Haft einschließt, und ruft die Mitgliedstaaten und die Kommission dazu auf, solche Initiativen aktiv zu fördern und zu unterstützen;

6.  betont, wie wichtig es ist zu gewährleisten, dass die Grundrechte geachtet werden, insbesondere die Rechte auf Verteidigung und auf einen Rechtsbeistand, und dass die Rechte von Verdächtigen oder Beschuldigten, darunter das Recht, keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu erfahren, garantiert werden; verweist in diesem Zusammenhang darauf, wie wichtig der Vorschlag der Kommission betreffend das Recht auf Rechtsbeistand in Strafverfahren und das Recht auf Kontaktaufnahme bei der Festnahme ist;

7.  betont, dass Haftbedingungen, die als schlecht erachtet werden, oder Bedingungen, die den in den Europäischen Strafvollzugsgrundsätzen des Europarats genannten Mindeststandards eventuell nicht genügen, ein Hindernis für die Überstellung von Häftlingen darstellen könnten;

8.  fordert die Mitgliedstaaten auf, angemessene Mittel für die Umstrukturierung und Modernisierung der Haftanstalten vorzusehen, die Rechte der Häftlinge zu schützen, die Häftlinge erfolgreich zu resozialisieren und auf ihre Entlassung und Wiedereingliederung in die Gesellschaft vorzubereiten, die Polizei und das Strafvollzugspersonal in modernen Strafvollzugspraktiken und europäischen Menschenrechtsnormen zu schulen, Häftlinge mit geistigen oder psychologischen Störungen zu überwachen und eine gesonderte Haushaltslinie auf EU-Ebene einzusetzen, um solche Projekte zu fördern;

9.  weist erneut darauf hin, dass die Infrastruktur in den Strafvollzugsanstalten der Mitgliedstaaten verbessert werden muss, d. h. dass die Anstalten mit geeigneter technischer Ausrüstung versehen und räumlich erweitert werden müssen, und dass die Anstalten in funktioneller Hinsicht geeignet sein müssen, die Lebensbedingungen der Häftlinge zu verbessern und gleichzeitig ein hohes Maß an Sicherheit zu gewährleisten;

10.  fordert die Mitgliedstaaten auf, dafür Sorge zu tragen, dass die Untersuchungshaft nur in Ausnahmefällen zur Anwendung kommt, und zwar unter genau festgelegten Voraussetzungen betreffend Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit sowie für einen begrenzten Zeitraum, im Einklang mit den grundlegenden Prinzipien der Unschuldsvermutung und des Rechts, keinen Freiheitsentzug zu erleiden; weist darauf hin, dass die Untersuchungshaft regelmäßig von einer Justizbehörde überprüft werden muss, und dass in grenzübergreifenden Fällen Alternativen wie die Europäische Überwachungsanordnung genutzt werden müssen; fordert die Kommission auf, einen Legislativvorschlag über Mindestnormen in diesem Bereich festzulegen, der sich auf Artikel 82 Absatz 2 Buchstabe b des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), die Charta der Grundrechte der Europäischen Union, die EMRK und die Rechsprechung des EGMR stützt;

11.  weist erneut darauf hin, dass die Mitgliedstaaten ihren Zusagen, die sie auf internationaler und europäischer Ebene im Hinblick auf Bewährungsmaßnahmen und Sanktionen als Alternativen zur Inhaftierung gemacht haben – darunter Beschlüsse, die im Europarat getroffen wurden(21) – nachkommen müssen;

12.  fordert die Mitgliedstaaten auf, die Empfehlungen des Europäischen Komitees zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe umzusetzen, die dieses nach dem Besuch von Orten in den Mitgliedsstaaten, an denen Personen die Freiheit entzogen wird, abgegeben hat;

13.  fordert die Mitgliedstaaten auf, Maßnahmen zu ergreifen, um Selbstmorde in Haftanstalten zu verhindern, und in all denjenigen Fällen, in denen ein Häftling im Gefängnis verstirbt, eine gründliche und objektive Untersuchung durchzuführen;

14.  fordert die Mitgliedstaaten und die Beitrittsländer auf, das Fakultativprotokoll zum Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu unterzeichnen und zu ratifizieren, durch das ein System regelmäßiger Besuche in Haftanstalten durch internationale und nationale Gremien eingeführt und diesen Gremien die Aufgabe übertragen wird, Haftanstalten zu besichtigen und zu inspizieren, Beschwerden von Häftlingen entgegenzunehmen sowie einen öffentlichen Jahresbericht für die jeweiligen Parlamente auszuarbeiten; legt der Europäischen Union nahe, im Rahmen ihrer Politik gegenüber Drittstaaten zur Unterzeichnung und Ratifizierung des Fakultativprotokolls aufzufordern; fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, umfassend mit diesen Gremien zusammenzuarbeiten und sie umfassend zu unterstützen, und zwar auch mit geeigneten Ressourcen und finanziellen Mitteln;

15.  ist der Auffassung, dass Maßnahmen auf EU-Ebene ergriffen werden sollten, damit den Mitgliedern der nationalen Parlamente das Recht eingeräumt wird, Haftanstalten zu besichtigen, und dieses Recht im Hoheitsgebiet der EU ebenso den Mitgliedern des Europäischen Parlaments gewährt wird;

16.  fordert die Kommission auf, die Auswirkungen der Unterschiede im Strafrecht und im Verfahrensrecht auf die Haftbedingungen in den Mitgliedstaaten zu prüfen und entsprechende Vorschläge zu unterbreiten, insbesondere im Hinblick auf alternative Maßnahmen, Maßnahmen im Zusammenhang mit Kriminalisierung und Entkriminalisierung, Untersuchungshaft sowie Gnadengesuche und Straferlass, und zwar vor allem im Zusammenhang mit Migration, Drogenkonsum und jugendlichen Straftätern;

17.  weist erneut darauf hin, dass dafür Sorge getragen werden muss, dass Kinder unter Berücksichtigung ihrer eigenen Interessen behandelt werden, wozu auch gehört, dass sie getrennt von Erwachsenen untergebracht werden und das Recht haben, mit ihrer Familie in Verbindung zu bleiben;

18.  ist der Auffassung, dass jedes Kind, dem die Freiheit entzogen wurde, das Recht auf umgehenden Zugang zu einem Rechts- oder anderen geeigneten Beistand haben und die Rechtmäßigkeit des Freiheitsentzugs vor Gericht oder einer anderen zuständigen Behörde anfechten können sollte;

19.  vertritt die Ansicht, dass die Mitgliedstaaten wirksame und unabhängige nationale Kontrollmechanismen für Haftanstalten und Jugendstrafanstalten umsetzen sollten;

20.  unterstützt die unermüdliche Arbeit und die regelmäßigen Besuche des Europäischen Komitees zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe und des Europäischen Kommissars für Menschenrechte in den Haftanstalten und -einrichtungen der Mitgliedstaaten;

21.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, dem Europarat, der Parlamentarischen Versammlung des Europarats, dem Europäischen Kommissar für Menschenrechte, dem Europäischen Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe, dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, dem Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen, dem Ausschuss der Vereinten Nationen gegen Folter, dem Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen über Folter und dem Hohen Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte zu übermitteln.

(1) Eine ausführliche Liste der Empfehlungen und Resolutionen des Europarats im Bereich des Strafvollzugs ist unter folgender Adresse zu finden: http://www.coe.int/prison.
(2) ABl. C 32 vom 5.2.1996, S. 102.
(3) ABl. C 98 vom 9.4.1999, S. 299.
(4) ABl. C 83 E vom 2.4.2004, S. 180. Ziffer 23: „fordert den Rat und die Kommission auf, die Untersuchung der Haftbedingungen und der Vollzugsanstalten in der Union zu beschleunigen, um einen Rahmenbeschluss über die Rechte von Häftlingen und gemeinsame Mindestnormen zur Gewährleistung solcher Rechte auf der Grundlage von Artikel 6 des EU-Vertrags anzunehmen;“ Siehe dazu auch die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 4. September 2003 zur Lage der Grundrechte in der Europäischen Union (2002) (ABl. C 76 E vom 25.3.2004, S. 412), Ziffer 22: „ist generell der Auffassung, dass es in einem europäischen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts angebracht ist, die europäischen Kapazitäten auch zu mobilisieren, um die Funktionsweise des Polizei- und Gefängnissystems zu verbessern, beispielsweise, … indem ein Rahmenbeschluss über Mindeststandards in Bezug auf die Rechte von Häftlingen in der EU ausgearbeitet wird;“.
(5) ABl. C 102 E vom 28.4.2004, S. 154.
(6) ABl. C 285 E vom 21.10.2010, S. 12.. In Ziffer 112 „plädiert das Europäische Parlament für den Aufbau eines Europäischen Raums des Strafrechts, der auf der Achtung der Grundrechte, dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung und der Notwendigkeit, die Kohärenz nationaler Strafrechtssysteme beizubehalten, basiert und folgende Elemente umfasst: … Mindestnormen für die Haftbedingungen und gemeinsame Rechte von Häftlingen in der Europäischen Union …“.
(7) ABl. L 190 vom 18.7.2002, S. 1.
(8) ABl. L 327 vom 5.12.2008, S. 27.
(9) Die Zahlen sind dem Grünbuch der Kommission zum Freiheitsentzug (KOM(2011)0327) entnommen; weitere Zahlen werden vom Europarat zur Verfügung gestellt; Space 1: http://www.coe.int/t/dghl/standardsetting/cdpc/Bureau%20documents/PC-CP(2011)3%20E%20-%20SPACE%20I%202009.pdf ;Space 2: http://www3.unil.ch/wpmu/space/files/2011/02/Council-of-Europe_SPACE-II-2009-E.pdf
(10) In der EU sind die Haftanstalten im Durchschnitt zu 107,3 % belegt; die Überfüllung betrifft 13 Mitgliedstaaten, wobei auch England, Wales und Schottland betroffen sind; die höchsten Belegungsquoten der Haftanstalten liegen in Bulgarien (155,6 %), Italien (153 %), Zypern (150,5 %), Spanien (136,3 %) und Griechenland (129,6 %) vor.
(11) Der EU-Durchschnitt liegt bei 21,7 %; die höchsten Prozentsätze sind in Luxemburg (69,5 %), Zypern (59,6 %), Österreich (45,8 %), Griechenland (43,9 %) und Belgien (41,1 %) zu verzeichnen.
(12) Der EU-Durchschnitt liegt bei 24,7 %; die höchsten Prozentsätze sind in Luxemburg (47,2 %), Italien (43,6 %) und Zypern (38,4 %) zu verzeichnen.
(13) Aus den Berichten des Europäischen Komitees zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe geht hervor, dass einige schwerwiegende Probleme, wie Misshandlung, unzureichende Infrastruktur in den Vollzugsanstalten, inadäquate Aktivitäten und unzureichende Gesundheitsfürsorge, nach wie vor Bestand haben.
(14) Fahrplan zur Stärkung der Verfahrensrechte von Verdächtigten oder Beschuldigten in Strafverfahren, 2009/C295/01, 30. November 2009.
(15) Bulgarien, Zypern, die Tschechische Republik, Dänemark, Estland, Frankreich, Deutschland, Luxemburg, Malta, die Niederlande, Rumänien, Slowenien, Spanien, Schweden und das Vereinigte Königreich haben das Übereinkommen ratifiziert; Österreich, Belgien, Griechenland, Finnland, Irland, Italien und Portugal haben es unterzeichnet, aber noch nicht ratifiziert. Quelle: http://www.apt.ch/npm/OPCAT0911.pdf.
(16) Siehe beispielsweise die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 17. Dezember 1998 zu den Haftbedingungen in der Europäischen Union: Umwandlungen und Ersatzstrafen, Ziffer 41: „fordert für die Mitglieder des Europäischen Parlaments das Recht, die Haftanstalten und Flüchtlingslager auf dem Gebiet der Europäischen Union zu besuchen und zu inspizieren;“.
(17) KOM(2011)0327; siehe http://ec.europa.eu/justice/policies/criminal/procedural/docs/com_2011_327_de.pdf.
(18) Beispielsweise die vom Europarat angenommenen Europäischen Strafvollzugsgrundsätze.
(19) Beispielsweise die vom Europarat, dem Europäischen Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und dessen einschlägiger Rechtsprechung festgelegten Standards sowie die Stellungnahmen des Menschenrechtsausschusses der Vereinten Nationen, des Ausschusses der Vereinten Nationen gegen Folter und des Sonderberichterstatters der Vereinten Nationen über Folter.
(20) Siehe Ziffer 1 Buchstabe c der Empfehlung vom 9. März 2004.
(21) Beispielsweise die Empfehlung CM/Rec(2010)1 des Ministerkomitees an die Mitgliedstaaten über die Grundsätze der Bewährungshilfe des Europarats.

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