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Verfahren : 2011/2957(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument : B7-0126/2012

Eingereichte Texte :

B7-0126/2012

Aussprachen :

PV 13/03/2012 - 15
CRE 13/03/2012 - 15

Abstimmungen :

PV 14/03/2012 - 9.7
Erklärungen zur Abstimmung
Erklärungen zur Abstimmung
Erklärungen zur Abstimmung

Angenommene Texte :

P7_TA(2012)0080

Angenommene Texte
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Mittwoch, 14. März 2012 - Straßburg
Kinderarbeit im Kakaosektor
P7_TA(2012)0080B7-0126/2012

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 14. März 2012 zu Kinderarbeit im Kakaosektor (2011/2957(RSP))

Das Europäische Parlament,

–  gestützt auf die Artikel 3, 6 und 21 des Vertrags über die Europäische Union,

–  gestützt auf die Artikel 206 und 207 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

–  in Kenntnis der Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) Nr. 182 über das Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit und Nr. 138 über das Mindestalter für die Zulassung zur Beschäftigung sowie des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes,

–  unter Hinweis auf den Abschluss des Internationalen Kakao-Übereinkommens von 2010, insbesondere dessen Artikel 42 und 43,

–  unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zur Frage des Kinderhandels und der Ausbeutung von Kindern in Entwicklungsländern,

–  unter Hinweis auf seine Entschließungen vom 25. November 2010 zu Menschenrechten, Sozial- und Umweltnormen in internationalen Handelsabkommen(1) und zur sozialen Verantwortung von Unternehmen in internationalen Handelsabkommen(2),

–  gestützt auf Artikel 110 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

A.  in der Erwägung, dass Schätzungen der IAO zufolge weltweit mehr als 215 Millionen Kinder arbeiten und Tätigkeiten ausüben, die verboten werden sollten, sowie dass 152 Millionen dieser Kinder jünger als 15 Jahre sind und 115 Millionen eine gefährliche Tätigkeit ausüben;

B.  in der Erwägung, dass für die Zwecke dieser Entschließung Kinderarbeit im Sinne der Definitionen in den IAO-Übereinkommen Nr. 138 über das Mindestalter für die Zulassung zur Beschäftigung und Nr. 182 über das Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit zu verstehen ist;

C.  in der Erwägung, dass das Parlament seine Zustimmung zum Abschluss des Internationalen Kakao-Übereinkommens 2010 geben muss; in der Erwägung, dass die einschlägigen Akteure sich in Bezug auf Kinderarbeit beim Kakaoanbau und bei der Ernte der Kakaobohnen äußerst besorgt geäußert haben;

D.  in der Erwägung, dass 70 % des weltweit produzierten Kakaos in Westafrika angebaut wird, wo etwa 7,5 Millionen Menschen in der Kakaoproduktion, nahezu ausschließlich in kleinen Familienbetrieben, beschäftigt sind, denn 1,5 bis 2 Millionen der Plantagen in Westafrika sind Familienbetriebe; in der Erwägung, dass der Kakaoanbau während der fünfmonatigen Erntezeit sehr arbeitsintensiv ist und die Erzeuger von den Akteuren am heimischen Markt und am Weltmarkt stark unter Druck gesetzt werden, die Arbeitskosten niedrig zu halten, und dass in den arbeitsintensivsten Zeiten alle Familienmitglieder, auch die Kinder, mitarbeiten; in der Erwägung, dass Kinderarbeit mit nicht hinnehmbaren Risiken einhergeht;

E.  in der Erwägung, dass der IAO zufolge nicht alle von Kindern verrichteten Arbeiten als Kinderarbeit eingestuft werden sollten, die es zu beseitigen gilt, sondern dass klar zwischen den zwei Formen unterschieden werden muss, denn die Beteiligung von Kindern oder Jugendlichen an Arbeiten, die ihrer Gesundheit und ihrer persönlichen Entwicklung nicht schaden oder den Schulbesuch nicht verhindern, wird grundsätzlich positiv eingestuft, es sei denn, die übertragenen Aufgaben sind gefährlich oder halten die Kinder vom Schulbesuch ab;

F.  in der Erwägung, dass Studien in Ghana und Côte d'Ivoire nahelegen, dass auf Kakaoplantagen arbeitende Kinder verschiedenen Gefahren ausgesetzt sind; in der Erwägung, dass einige Kinder darüber hinaus möglicherweise dem Kinderhandel zum Opfer gefallen und in andere Landesteile oder in Nachbarländer verschleppt worden sind; in der Erwägung, dass die Kinderarbeit und der Kinderhandel in dieser Region Erscheinungen sind, die weiter untersucht werden müssen, da dazu bisher keine geprüften Daten vorliegen;

G.  in der Erwägung, dass es nicht hinnehmbar ist, dass beim Kakaoanbau und bei der Kakaoernte die schlimmsten Formen der Kinderarbeit vorkommen;

H.  in der Erwägung, dass mit den Programmen und Initiativen zur Bekämpfung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit auf den westafrikanischen Kakaoplantagen in den letzten Jahren große Erfolge erzielt worden sind, dass jedoch aufgrund der riesigen Dimensionen des Sektors noch viel zu tun bleibt; in der Erwägung, dass sich die Lage der Kinder aufgrund neuer Konflikte in der Region und insbesondere in Côte d'Ivoire wieder verschlechtert hat;

I.  in der Erwägung, dass Armut, der Mangel an alternativen Einkommensquellen, der Mangel an oder das Fehlen von außerschulischen Beschäftigungsmöglichkeiten für die Jugend, starre Strukturen und Verhaltensmuster in den Gemeinschaften, fehlender angemessener Rechtsschutz zur Wahrung der Rechte des Kindes und die Tatsache, dass die Schulpflicht für alle Kinder unabhängig von ihrem Geschlecht noch immer nicht eingeführt wurde, abgesehen von Korruption und schlechter Regierungsführung sozioökonomische und politische Faktoren sind, die in einigen Teilen der Welt immer wieder Kindesmisshandlung begünstigen;

J.  in der Erwägung, dass die vorrangige Aufgabe der Regierungen aller betroffenen Länder darin besteht, das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes und die Übereinkommen der IAO Nr. 138 über das Mindestalter für die Zulassung zur Beschäftigung und Nr. 182 über das Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit vollständig umzusetzen;

K.  unter Hinweis auf die von der EU verfolgte Strategie für die soziale Verantwortung von Unternehmen (2011-2014), den „Global Compact“ der Vereinten Nationen, insbesondere dessen Grundsatz Nr. 5 – Abschaffung von Kinderarbeit – und das Harkin-Engel-Protokoll, die einen guten Rahmen für die soziale Verantwortung von Unternehmen im Kakaosektor bieten;

1.  fordert die Staaten, die das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes oder die Übereinkommen der IAO Nr. 138 oder Nr. 182 noch nicht ratifiziert haben, nachdrücklich auf, dies zu tun und die Übereinkommen zügig umzusetzen; vertritt ferner die Auffassung, dass Staaten alle geeigneten Maßnahmen ergreifen sollten, um die Öffentlichkeit stärker für die Misshandlung von Kindern auf dem Arbeitsmarkt zu sensibilisieren und die Tatsache, dass geltende einzelstaatliche und völkerrechtliche Bestimmungen einzuhalten sind, in den Vordergrund zu rücken;

2.  verurteilt Kinderarbeit auf Kakaoplantagen aufs Schärfste;

3.  fordert alle am Kakaoanbau und an der Verarbeitung von Kakaobohnen und Folgeerzeugnissen beteiligten Akteure, das heißt Regierungen, internationale Wirtschaftsakteure, Kakaoproduzenten, Arbeitnehmerorganisationen, nichtstaatliche Organisationen und Verbraucher, auf, ihrer jeweiligen Verantwortung für die Bekämpfung jeglicher Form der Kinderzwangsarbeit und des Kinderhandels gerecht zu werden, Erfahrungen auszutauschen und gemeinsam dafür zu sorgen, dass die Kakaolieferkette nachhaltig gestaltet wird und frei von Kinderarbeit ist;

4.  vertritt die Ansicht, dass wesentliche Änderungen nur mit einer ganzheitlichen und koordinierten Rahmenstruktur erreichbar sind, die bei den Ursachen der Kinderarbeit ansetzt und von den Regierungen, der Wirtschaft, den Händlern, den Erzeugern und der Zivilgesellschaft auf lange Sicht eingerichtet wird;

5.  fordert die Kommission auf, bei allen ihren Initiativen, vor allem jenen im Bereich des Handels, der Entwicklungspolitik (insbesondere bezüglich des Zugangs von Kindern zu Bildung), der Menschenrechte, der Vergabe öffentlicher Aufträge und in Bezug auf die soziale Verantwortung von Unternehmen, für politische Kohärenz zu sorgen sowie den Austausch bewährter Verfahren zwischen jenen Sektoren zu fördern, in denen es Kinderarbeit gibt;

6.  fordert die Kommission nachdrücklich auf, dafür zu sorgen, dass alle Handelsabkommen wirksame Vorschriften, die der Armutsbekämpfung und der Förderung menschenwürdiger Arbeit und sicherer Arbeitsbedingungen dienen, sowie rechtsverbindliche Klauseln zu den international vereinbarten Menschenrechten und Sozial- und Umweltnormen sowie zu deren Durchsetzung und entsprechende Maßnahmen bei Verstößen gegen diese Bestimmungen enthalten;

7.  weist darauf hin, dass das Allgemeine Präferenzsystem der Europäischen Union (APS), das wichtigste handelspolitische Instrument der EU zur Förderung der arbeitsrechtlichen Mindestnormen, derzeit überprüft wird, und dass die Handelspräferenzen, die den begünstigten Ländern im Rahmen dieses Systems gewährt werden, unter bestimmten Umständen zurückgenommen werden können, unter anderem, wenn ein schwerer und systematischer Verstoß gegen die Grundsätze vorliegt, die in einer Reihe der zentralen IAO-Übereinkommen, einschließlich der Übereinkommen Nr. 138 und Nr. 182, verankert sind;

8.  weist darauf hin, dass das Europäische Parlament am 15. Dezember 2011 seine Zustimmung zu einem Protokoll über den Handel mit Textilien im Rahmen des Abkommens über Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und Usbekistan verweigert hat, weil Bedenken bestehen, dass es auf usbekischen Baumwollfeldern Kinderzwangsarbeit gibt, und empfohlen hat, im Rahmen einer Untersuchung durch die EU zu prüfen, ob die Usbekistan im Rahmen des APS gewährten Präferenzen vorübergehend zurückgezogen werden sollten, wenn Beobachter der IAO zu dem Schluss gelangen, dass im Fall Usbekistans ein schwerer und systematischer Verstoß gegen die geltenden Verpflichtungen des Landes vorliegt(3);

9.  begrüßt alle Initiativen, in deren Rahmen viele Akteure – Regierungen, Wirtschaftsakteure, Erzeuger und Zivilgesellschaft – daran arbeiten, die Kinderarbeit zu beseitigen, die Lebensqualität von Kindern und Erwachsenen auf Kakaoplantagen zu verbessern und für einen verantwortungsvollen Kakaoanbau zu sorgen, wie im Falle der jüngsten regionalen Initiative der OECD, des Sekretariats des Sahel- und Westafrika-Clubs (SWAC) und der Internationalen Kakao-Initiative zur Förderung bewährter Verfahren zur Bekämpfung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit auf den westafrikanischen Kakaoplantagen; erinnert daran, dass es bei diesen Initiativen auch entsprechende Folgemaßnahmen geben muss, damit echte Fortschritte erzielt werden; fordert die Regierungen auf, Fair-Trade-Netze in der Kakaowirtschaft und ländlichen Genossenschaften verstärkt zu unterstützen und dafür zu sorgen, dass diese ihre Erzeugnisse direkt, ohne Vermittler und zu fairen Preisen, auf den heimischen Markt und auf den Weltmarkt bringen können; fordert die Kommission auf, entsprechende Maßnahmen zu unterstützen;

10.  unterstützt unter Wahrung der Bestimmungen des IAO-Übereinkommens Nr. 182 über das Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit (auch als „Harkin-Engel-Protokoll“ bekannt) die Ziele des Protokolls über Anbau und Verarbeitung von Kakaobohnen und Folgeerzeugnissen und fordert dessen vollständige Umsetzung;

11.  weist darauf hin, dass das Europäische Komitee für Normung (CEN) unlängst beschlossen hat, einen neuen Projektausschuss einzurichten, der sich mit der Erarbeitung einer zweiteiligen europäischen Norm für rückverfolgbaren, nachhaltig produzierten Kakao befasst; fordert die Kommission auf, die Ausarbeitung eines Legislativvorschlags zur Einführung eines wirksamen Systems zur Rückverfolgung von in Kinderzwangsarbeit hergestellten Waren zu prüfen und gegebenenfalls einen solchen Vorschlag vorzulegen; fordert die Partner im Rahmen des Internationalen Kakao-Übereinkommens auf, sich für Verbesserungen in der Lieferkette und eine stärkere Organisation der Bauern einzusetzen, damit die Abläufe in der gesamten Lieferkette des Kakaosektors rückverfolgbar werden;

12.  fordert die Partner des Internationalen Kakao-Übereinkommens auf, zu prüfen, ob es möglich ist, die Kakaolieferkette durch akkreditierte Dritte überwachen und zurückverfolgen zu lassen;

13.  fordert die Kommission, IAO/IPEC und andere Partner auf, sich weiter um ein besseres Verständnis der wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Verflechtungen in landwirtschaftlichen Gemeinschaften zu bemühen;

14.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, UNICEF, den Ko-Präsidenten der Paritätischen Parlamentarischen Versammlung AKP-EU, der Afrikanischen Union und der IAO zu übermitteln.

(1) Angenommene Texte, P7_TA(2010)0434.
(2) Angenommene Texte, P7_TA(2010)0446.
(3) Angenommene Texte, P7_TA(2011)0586.

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