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Verfahren : 2014/2547(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadien in Bezug auf das Dokument :

Eingereichte Texte :

RC-B7-0138/2014

Aussprachen :

Abstimmungen :

PV 06/02/2014 - 9.5
CRE 06/02/2014 - 9.5

Angenommene Texte :

P7_TA(2014)0098

Angenommene Texte
PDF 130kWORD 28k
Donnerstag, 6. Februar 2014 - Straßburg
Lage in der Ukraine
P7_TA(2014)0098RC-B7-0138/2014

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 6. Februar 2014 zur Lage in der Ukraine (2014/2547(RSP))

Das Europäische Parlament,

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 12. Dezember 2013 zu den Ergebnissen des Gipfeltreffens von Vilnius und zur Zukunft der Östlichen Partnerschaft, vor allem in Bezug auf die Ukraine(1),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 23. Oktober 2013 zu dem Thema „Europäische Nachbarschaftspolitik: für eine Vertiefung der Partnerschaft“ – Stellungnahme des Europäischen Parlaments zu den Berichten für 2012(2),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 12. September 2013 zum Druck Russlands auf Staaten der Östlichen Partnerschaft im Zusammenhang mit dem anstehenden Gipfeltreffen der Östlichen Partnerschaft in Vilnius(3),

–  unter Hinweis auf die auf dem Gipfeltreffen zur Östlichen Partnerschaft am 29. November 2013 in Vilnius abgegebene gemeinsame Erklärung,

–  unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 20. Januar 2014 zur Ukraine,

–  unter Hinweis auf den Rücktritt von Ministerpräsident Asarow und seiner Regierung am 28. Januar 2014,

–  unter Hinweis auf die gemeinsame Erklärung der Ministerpräsidenten der Länder der Visegrád-Gruppe vom 29. Januar 2014 zur Ukraine,

–  unter Hinweis auf das Partnerschafts- und Kooperationsabkommen (PKA) zwischen der Europäischen Union und der Ukraine, das am 1. März 1998 in Kraft getreten ist, und auf das neue Assoziierungsabkommen, das am 30. März 2012 paraphiert wurde,

–  unter Hinweis auf das Gipfeltreffen EU-Russland vom 28. Januar 2014,

–  gestützt auf Artikel 110 Absätze 2 und 4 seiner Geschäftsordnung,

A.  in der Erwägung, dass die Demonstrationen, die infolge des Beschlusses von Präsident Janukowytsch, das Assoziierungsabkommen mit der EU nicht zu unterzeichnen, vor mehr als zwei Monaten begannen, in der Hauptstadt bis heute fortgesetzt werden und sich die Unzufriedenheit auf andere – auch im Osten der Ukraine gelegene – Städte ausbreitet; in der Erwägung, dass sich der Volksaufstand in der Ukraine auf die meisten Oblaste ausgeweitet und die Bevölkerung die Verwaltungssitze in diesen Oblasten unter ihre Kontrolle gebracht hat;

B.  in der Erwägung, dass die Lage in den vergangenen Wochen immer rascher eskaliert ist und die Menschen im Anschluss an die brutalen Übergriffe der Bereitschaftspolizei Berkut auf Demonstranten, Menschenrechtsaktivisten und Journalisten auf die Straße gegangen sind, um die Demokratie und die bürgerlichen Freiheiten zu verteidigen;

C.  in der Erwägung, dass die Staatsorgane der Ukraine trotz des internationalen Drucks die Politik der Einschüchterung, Repression, Folter und Gewalt gegen Demonstranten fortsetzen, wobei über 2 000 Personen verletzt, viele entführt und mindestens sechs getötet wurden;

D.  in der Erwägung, dass die Verabschiedung einer Reihe von gegen die Proteste gerichteten Gesetzen am 16. Januar 2014 durch die Regierungsmehrheit, mit denen die Meinungs- und die Versammlungsfreiheit erheblich eingeschränkt wurden, internationale Empörung sowie gewalttätige Zusammenstöße in Kiew hervorgerufen hat, in deren Folge Todesfälle zu beklagen waren;

E.  in der Erwägung, dass eine gewaltsame Niederschlagung der Proteste wie auch die Verhängung des Ausnahmezustands als kriminelle Handlung und Verletzung der Grundrechte mit weitreichenden internationalen Konsequenzen gelten werden;

F.  in der Erwägung, dass sich eine Ad-hoc-Delegation des Europäischen Parlaments vom 28. bis 30. Januar 2014 in Kiew aufgehalten hat, dort mit den Staatsorganen, Vertretern der Bewegung Euromajdan, der politischen Opposition und Kirchenoberhäuptern zusammengekommen ist und sich ein gründliches und umfassendes Bild von der Lage in der Ukraine machen konnte;

1.  würdigt die demokratische Gesinnung und das Durchhaltevermögen der Bevölkerung der Ukraine nach zwei Monaten mutiger Proteste, auf die die Staatsmacht mit brutaler Gewalt reagiert hat, und bekundet dem Einsatz der Bevölkerung für eine freie, demokratische und unabhängige Ukraine und ihre europäische Perspektive seine uneingeschränkte Solidarität und Unterstützung;

2.  erklärt sich zutiefst besorgt über die schwere politische Krise in der Ukraine und die gewaltsamen Zusammenstöße in Kiew und anderen Städten des Landes; fordert nachdrücklich eine politische Lösung der Krise und weist darauf hin, dass eine wirklich demokratische Debatte über die Mittel und Wege zur Überwindung der Konfrontation und der Spaltungen in der Ukraine geführt werden muss;

3.  verurteilt die Eskalation der Gewalt gegen friedliche Bürger, Journalisten, Studenten, Aktivisten der Zivilgesellschaft, Oppositionspolitiker und Geistliche auf das Schärfste und bekundet den Familien der Opfer der Gewalt in der Ukraine sein aufrichtiges Mitgefühl; fordert die Staatsorgane der Ukraine auf, die Bürgerrechte und Grundfreiheiten der Bevölkerung uneingeschränkt zu achten und unverzüglich Maßnahmen zu ergreifen, um der Straffreiheit ein Ende zu setzen und Ermittlungen gegen die Verantwortlichen für die Gewalt gegenüber friedlichen Demonstranten einzuleiten und sie zu bestrafen;

4.  fordert auch die Demonstranten auf dem Majdan auf, auf Gewalt zu verzichten und durch friedliches Handeln die Rechtmäßigkeit ihres Anliegens zu wahren, und fordert alle Oppositionsführer auf, auch künftig von grundloser Gewalt abzusehen und die Proteste friedlich fortzuführen;

5.  erklärt sich besorgt über die übertriebene Anwendung von Gewalt durch die Sicherheitskräfte und die Tituschky sowie über die gewalttätigen Aktionen von Ultranationalisten;

6.  fordert insbesondere, dass Präsident Janukowytsch dem schändlichen Einsatz der Bereitschaftspolizei Berkut und anderer Sicherheitskräfte, die mit Provokationen, Entführungen, Schikanierung, Folter, Prügel und Erniedrigungen gegen Unterstützer der Bewegung Euromajdan vorgehen, sowie willkürlichen Festnahmen und der häufigen Praxis der überlangen Dauer der Untersuchungshaft ein Ende setzt; erklärt sich zutiefst besorgt über Berichte über Folter und hebt die internationalen Verpflichtungen der Ukraine in diesem Zusammenhang hervor; weist auf den aktuellen Fall Dmytro Bulatow – den Anführer der Bewegung Automajdan – hin, der entführt und gefoltert wurde;

7.  fordert Präsident Janukowytsch auf, die Beendigung dieser Maßnahmen anzuordnen, und fordert, dass alle illegal festgehaltenen Demonstranten und politischen Gefangenen, auch Julija Tymoschenko, sofort und bedingungslos freigelassen und politisch rehabilitiert werden; fordert die Einrichtung eines unabhängigen Untersuchungsausschusses unter der Leitung eines anerkannten internationalen Gremiums, beispielsweise des Europarats, um allen seit Beginn der Demonstrationen begangenen Menschenrechtsverletzungen nachzugehen;

8.  bekräftigt die Bereitschaft der EU, das Assoziierungsabkommen und das vertiefte und umfassende Freihandelsabkommen mit der Ukraine zu unterzeichnen, sobald die politische Krise beigelegt ist und die einschlägigen Voraussetzungen erfüllt sind, wie sie vom Rat „Auswärtige Angelegenheiten“ am 10. Dezember 2012 festgelegt wurden und denen sich das Europäische Parlament in seiner Entschließung vom 13. Dezember 2012 angeschlossen hat;

9.  begrüßt den Beschluss der Werchowna Rada über die Aufhebung der gegen die Proteste gerichteten Gesetze und dessen Unterzeichnung durch Präsident Janukowytsch als positiven Schritt zu einer politischen Lösung der Krise; bedauert jedoch, dass durch das Amnestiegesetz, das am 29. Januar 2014 ohne die Zustimmung der Opposition angenommen wurde, Opfer zu Geiseln gemacht wurden; ist der Ansicht, dass eine bedingungslose Freilassung von Demonstranten die Gespräche in hohem Maße begünstigen und die Gesellschaft befrieden würde;

10.  fordert den Präsidenten und die Regierung auf, sich aufrichtig an einem inklusiven Dialog mit der Opposition, der Zivilgesellschaft und den Demonstranten auf dem Majdan zu beteiligen, um die angespannte und polarisierte Lage zu entschärfen und zu ermitteln, wie die derzeitige Krise in Politik und Gesellschaft in der Ukraine mit friedlichen Mitteln beigelegt werden kann;

11.  erinnert Präsident Janukowytsch daran, dass er gegenüber der Bevölkerung der Ukraine und der internationalen Gemeinschaft dafür verantwortlich ist, von repressiven Maßnahmen Abstand zu nehmen, die aktuelle politische Krise beizulegen und das Recht auf friedlichen Protest zu achten;

12.  fordert, dass die EU ihre Vermittlungstätigkeit fortsetzt und sich für einen Prozess einsetzt, in dessen Verlauf eine Deeskalation und ein konstruktiverer politischer Dialog in der Ukraine bewirkt werden, eine Beilegung der Krise in die Wege geleitet wird und das vollständig zerstörte Vertrauen allmählich wieder aufgebaut wird; betont, dass ein derartiger Dialog transparent sein sollte und dass die Bewegung Euromajdan und die Zivilgesellschaft umfassend in den Dialog einbezogen werden sollten;

13.  vertritt aufgrund von Forderungen zahlreicher gewöhnlicher Bürger der Ukraine sowie von Aktivisten und Politikern die Auffassung, dass durch das tatkräftige Engagement von Mitgliedern des Europäischen Parlaments in Kiew eine weitere Eskalation der Krise verhindert werden könnte, und fordert in diesem Zusammenhang die Errichtung einer ständigen Mission des Europäischen Parlaments in der Ukraine, die zum Abbau der Spannungen und zur Erleichterung des Dialogs zwischen den Parteien beitragen soll; beauftragt die Konferenz der Präsidenten, diese Mission so rasch wie möglich einzurichten;

14.  fordert die Organe der EU und die Mitgliedstaaten auf, unverzüglich Maßnahmen zu treffen, und zwar unter anderem, stärkeren diplomatischen Druck auszuüben und personenbezogene gezielte Maßnahmen – wie Reisebeschränkungen und das Einfrieren von Vermögenswerten und Eigentum – gegen alle Amtsträger und Parlamentarier der Ukraine und ihre Geldgeber aus der Wirtschaft (die Oligarchen), die für die Übergriffe auf und den Tod von Demonstranten verantwortlich sind, vorzubereiten, und die Bemühungen um eine Beendigung von Geldwäsche und Steuerhinterziehung durch ukrainische Unternehmen und Geschäftsleute bei europäischen Banken zu verstärken;

15.  fordert die EU, die USA, den IWF, die Weltbank, die EBWE und die EIB auf, die Ausarbeitung eines langfristig angelegten Pakets konkreter finanzieller Unterstützungsmaßnahmen fortzusetzen, mit dem der Ukraine bei der Bewältigung ihrer sich verschlechternden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lage geholfen und Wirtschaftshilfe bereitgestellt wird, damit die Regierung die erforderlichen tiefgreifenden und umfassenden Reformen der Wirtschaft der Ukraine einleiten kann;

16.  begrüßt und unterstützt die derzeitigen Anstrengungen der Europäischen Union und der Vereinigten Staaten, ein Paket mit umfangreichen Unterstützungsmaßnahmen für die Ukraine zu schnüren, das einer vertrauenswürdigen neuen Übergangsregierung angeboten werden sollte, um die gegenwärtig angespannte Situation in Bezug auf die Zahlungsfähigkeit des Landes zu lindern;

17.  ist der Ansicht, dass eine der zentralen Maßnahmen zur Beilegung der Krise in der Ukraine darin besteht, die Verfassung von 2004 wieder in Kraft zu setzen, die 2010 vom Verfassungsgericht unrechtmäßig und unter Umgehung des Parlaments der Ukraine aufgehoben wurde, sowie eine Übergangsregierung einzusetzen und Neuwahlen auszuschreiben;

18.  fordert die Organe der EU und die Mitgliedstaaten auf, sich zu einer weitgehenden Öffnung gegenüber der Gesellschaft der Ukraine zu bekennen, indem insbesondere rasch eine Einigung über eine kostenfreie Regelung zur Erteilung von Visa erzielt und letztendlich ein Abkommen über die Aufhebung der Visumpflicht geschlossen wird; erachtet es als geboten, die Visumgebühr für junge Menschen aus der Ukraine sofort drastisch zu senken sowie die Forschungszusammenarbeit zu intensivieren, den Jugendaustausch auszuweiten und mehr Stipendien zur Verfügung zu stellen;

19.  vertritt die Auffassung, dass weitere Anstrengungen unternommen werden sollten, um die Ukraine über die Energiegemeinschaft vollständig in den EU-Energiemarkt einzubeziehen; betont, dass es einzig und allein dem ukrainischen Volk obliegt, ohne Einmischung aus dem Ausland darüber zu entscheiden, welche geopolitische Ausrichtung das Land wählt und welchen internationalen Übereinkommen und Gemeinschaften die Ukraine sich anschließt;

20.  fordert Russland auf, eine konstruktive Haltung einzunehmen sowie das souveräne Recht seiner Nachbarstaaten, frei über ihre Zukunft zu entscheiden, nicht länger durch Vergeltungsmaßnahmen und ungebührlichen Druck zu untergraben; fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, gegenüber Russland geschlossen aufzutreten, um die auf Europa gerichteten Bestrebungen der Staaten der Östlichen Partnerschaft zu unterstützen, die sich aus freien Stücken entschieden haben, ihre Beziehungen zur EU zu vertiefen; betont, dass politische, wirtschaftliche und sonstige Zwangsmaßnahmen gegen die Schlussakte von Helsinki verstoßen und dem Budapester Memorandum von 1994 zur Sicherheit der Ukraine zuwiderlaufen; weist darauf hin, dass sowohl die EU als auch die Russland Verantwortung dafür tragen, konkret zu Frieden und Wohlstand in den gemeinsamen Nachbarstaaten beizutragen, was sowohl der EU als auch Russland zugutekommt; bekräftigt seine Überzeugung, dass bei der Verwirklichung dieses Ziels die Zusammenarbeit der einzige erfolgversprechende Weg ist;

21.  unterstützt die weitergehende Einbindung der Zivilgesellschaft in die Reformen der jeweiligen Länder; fordert eine verstärkte interparlamentarische Zusammenarbeit mit der Parlamentarischen Versammlung Euronest; begrüßt die Einbeziehung der Konferenz der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften in die Östliche Partnerschaft;

22.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, der Vizepräsidentin der Kommission / Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, den Mitgliedstaaten, dem Präsidenten der Ukraine, der Regierung der Ukraine, der Werchowna Rada, der Parlamentarischen Versammlung Euronest, der Parlamentarischen Versammlung des Europarats und der Parlamentarischen Versammlung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa zu übermitteln.

(1) Angenommene Texte, P7_TA(2013)0595.
(2) Angenommene Texte, P7_TA(2013)0446.
(3) Angenommene Texte, P7_TA(2013)0383.

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