Entschließung des Europäischen Parlaments vom 20. Mai 2015 zu der delegierten Richtlinie der Kommission vom 30. Januar 2015 zur Änderung ‑ zwecks Anpassung an den technischen Fortschritt – des Anhangs III der Richtlinie 2011/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich einer Ausnahme für Cadmium für Anwendungen in allgemeinen Beleuchtungen und Display-Beleuchtungen (C(2015)00383 – 2015/2542(DEA))
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf die delegierte Richtlinie (C(2015)00383) der Kommission ,
– gestützt auf Artikel 290 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,
– unter Hinweis auf die Richtlinie 2011/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2011 zur Beschränkung der Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten, insbesondere auf Artikel 4, Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe a und Artikel 22(1),
– gestützt auf Artikel 105 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass gemäß Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 2011/65/EU zur Beschränkung der Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten („RoHS-Richtlinie“) unter anderem die Verwendung von Cadmium in Elektro- und Elektronikgeräten (siehe die Liste in Anhang II der RoHS-Richtlinie) beschränkt ist;
B. in der Erwägung, dass Anhang III der RoHS-Richtlinie Ausnahmen von den Beschränkungen des Artikels 4 Absatz 1 vorsieht;
C. in der Erwägung, dass in Anhang III Nummer 39 eine Ausnahme für „Cadmium in farbkonvertierenden II‑VI‑basierten LEDs (< 10 μg Cd je mm2 Licht emittierende Fläche) zur Verwendung in Halbleiter-Beleuchtungen oder Display-Systemen“ aufgeführt ist, deren Gültigkeit am 1. Juli 2014 abgelaufen ist;
D. in der Erwägung, dass Artikel 5 die Anpassung der Anhangs III an den wissenschaftlichen und technischen Fortschritt durch Aufnahme bzw. Streichung von Ausnahmen vorsieht;
E. in der Erwägung, dass die Kommission mitgeteilt hat, sie habe im Dezember 2012 einen Antrag auf Erneuerung der Ausnahme 39 und im Mai 2013 einen entsprechenden Antrag auf Gewährung einer enger gefassten, spezifischeren Ausnahme für cadmiumhaltige Quantenpunkte in Display-Systemen erhalten;
F. in der Erwägung, dass gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe a Ausnahmen in Anhang III aufgenommen werden, sofern durch diese Aufnahme der durch die Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 gewährte Schutz von Umwelt und Gesundheit nicht abgeschwächt wird und wenn eine der folgenden Bedingungen erfüllt ist: ihre Beseitigung oder Substitution durch eine Änderung der Gerätegestaltung oder durch Werkstoffe und Bauteile, die keine der in Anhang II aufgeführten Werkstoffe oder Stoffe erfordern, ist wissenschaftlich oder technisch nicht praktikabel; die Zuverlässigkeit von Substitutionsprodukten ist nicht gewährleistet; die umweltschädigenden, gesundheitsschädigenden und die Sicherheit der Verbraucher gefährdenden Gesamtauswirkungen der Substitution überwiegen voraussichtlich die Gesamtvorteile für die Umwelt, die Gesundheit und die Sicherheit der Verbraucher;
G. in der Erwägung, dass durch die delegierte Richtlinie der Kommission der Geltungszeitraum der Ausnahme 39 bis zum 30. Juni 2017 verlängert und diese Ausnahme in Ausnahme 39a umnummeriert sowie eine neue, spezifischere Ausnahme 39b eingeführt wird, die sich auf „Cadmium in cadmiumhaltigen Halbleiter-Nanokristall-Quantenpunkten zur Wellenlängenwandlung in Anwendungen in Display-Beleuchtungen (< 0,2 µg Cd je mm2 Bildschirmfläche)“ bezieht und deren Gültigkeit am 30. Juni 2018 abläuft;
H. in der Erwägung, dass sowohl die Verlängerung der Gültigkeit der Ausnahme 39 als auch die neue Ausnahme 39b Cadmium-Quantenpunkte betreffen, eine spezifische Bezugnahme auf Quantenpunkte jedoch nur in Ausnahme 39b gegeben ist;
I. in der Erwägung, dass die Verlängerung der Ausnahme 39 zwei verschiedene Anwendungen von cadmiumhaltigen Quantenpunkten betrifft, nämlich zum einen die Verwendung in Halbleiter-Beleuchtungen (nachfolgend „Beleuchtungen“), zum anderen Display-Systeme;
J. in der Erwägung, dass die neue Ausnahme 39b nur Display-Beleuchtungen betrifft;
K. in der Erwägung, dass die Kommission ausdrücklich feststellt, dass LEDs mit (cadmiumhaltigen und cadmiumfreien) Quantenpunkten für Beleuchtungen (Leuchten) noch nicht verfügbar sind, und einräumt, dass deren positive Umweltauswirkungen daher noch nicht nachgewiesen werden konnten; in der Erwägung, dass die Kommission dennoch die Gültigkeit der allgemeinen Ausnahme für cadmiumhaltige Quantenpunkte in Beleuchtungsanwendungen bis zum 30. Juni 2017 verlängert hat, damit die Beleuchtungsindustrie die Gewährung einer spezifischen Ausnahme beantragen kann, zumal sich derartige Anwendungen bereits in der Vorproduktionsphase befinden sollen;
L. in der Erwägung, dass das Fazit der unabhängigen Berater, die die Anwendungen im Auftrag der Kommission bewertet haben, lautet, die bereitgestellten Informationen ließen nicht den Schluss zu, dass eine Ausnahme für Beleuchtung derzeit gerechtfertigt sei, und dass sie sich daher ausdrücklich dagegen ausgesprochen haben(2);
M. in der Erwägung, dass sich durch die informellen Informationen, die von der Kommission am 12. Mai 2015 verbreitet wurden, die Sachlage nicht ändert, da kein Nachweis über die Verfügbarkeit derartiger Produkte auf dem Binnenmarkt vorgelegt und keine Bewertung ihrer Eigenschaften anhand der Bedingungen des Artikels 5 Absatz 1 Buchstabe a vorgenommen wurde;
N. in der Erwägung, dass kein einschlägiges Beleuchtungsprodukt verfügbar war und der Antragsteller daher nicht nachweisen konnte, dass eine der Bedingungen des Artikels 5 Absatz 1 Buchstabe a für die Verwendung von cadmiumhaltigen Quantenpunkten in Beleuchtungen erfüllt ist; in der Erwägung, dass es daher nicht gerechtfertigt ist, die Gültigkeit der Ausnahme für Beleuchtungen zu verlängern;
O. in der Erwägung, dass eine derartige Ausnahme in der Zukunft angebracht sein kann, aber nur auf der Grundlage einer ordnungsgemäßen Bewertung gewährt werden darf, die bislang noch nicht durchgeführt wurde;
P. in der Erwägung, dass die Kommission in ihrer delegierten Richtlinie darüber hinaus eine neue, spezifische Ausnahme für cadmiumhaltige Quantenpunkte in Display-Systemen mit der Begründung gewährt hat, sie würden bereits in Displays verwendet, sie hätten aufgrund ihres niedrigen Energieverbrauchs tatsächlich eine positive Gesamtwirkung, und cadmiumfreie Quantenpunkte seien technisch noch nicht verfügbar;
Q. in der Erwägung, dass die unabhängigen Berater, die die Anwendungen im Auftrag der Kommission bewertet haben, im April 2014 empfahlen, eine spezifische Ausnahme für cadmiumhaltige Quantenpunkte in Displays für einen kürzeren als den beantragten Zeitraum zu gewähren (bis zum 30. Juni 2017, also ein Jahr kürzer als der von der Kommission beschlossene Zeitraum), und zwar aufgrund der Erkenntnis, dass Anwendungen, die zu einer Verringerung des Cadmiumgehalts führen, und cadmiumfreie Substitutionsprodukte sich in der letzten Stufe der Forschung befinden; in der Erwägung, dass die Empfehlung – anders gesagt – darauf beruhte, dass es seinerzeit keine cadmiumfreien Quantenpunkte in Displays gab;
R. in der Erwägung, dass jedoch seither bedeutsame Marktentwicklungen eingetreten sind; in der Erwägung, dass einerseits 2015 einer der weltweit führenden Fernsehgerätehersteller eine ganze Produktlinie neuer Fernsehgeräte auf dem Unionsmarkt in Verkehr gebracht hat und dass diese Geräte mit cadmiumfreien Quantenpunkten ausgestattet und in großen Einzelhandelsmärkten in mehreren Mitgliedstaaten (zumindest in Deutschland, Großbritannien und Belgien) erhältlich sind;
S. in der Erwägung, dass andererseits offenbar auch keine Fernsehgeräte mit cadmiumhaltigen Quantenpunkten auf dem Unionsmarkt mehr erhältlich sind und dass es schwierig ist, einen Händler zu finden, bei dem das einzige Notebook erhältlich ist, dessen Bildschirm mit cadmiumhaltigen Quantenpunkten ausgestattet ist;
T. in der Erwägung, dass die Energieeinspareigenschaften cadmiumfreier Quantenpunkte wahrscheinlich mit den entsprechenden Eigenschaften cadmiumhaltiger Quantenpunkte vergleichbar sein dürften; in der Erwägung, dass gemäß den Angaben im Zusammenhang mit dem Umweltzeichen beim Vergleich von Fernsehgeräten gleicher Größe Bildschirme mit cadmiumfreien Quantenpunkten einen geringeren Energieverbrauch aufwiesen als Geräte mit cadmiumhaltigen Quantenpunkten; in der Erwägung, dass Branchenangaben zufolge die Tests der Farbleistung nach Maßgabe der einschlägigen Norm ergeben haben, dass die Farbleistung von Bildschirmen mit cadmiumfreien Quantenpunkten gleich gut oder gar besser ist als bei Geräten mit cadmiumhaltigen Quantenpunkten;
U. in der Erwägung, dass die Kommission die Gewährung der neuen, spezifischen Ausnahme hauptsächlich damit begründet, cadmiumfreie Quantenpunkte seien technisch noch nicht verfügbar;
V. in der Erwägung, dass diese Begründung offenkundig unrichtig ist, da cadmiumfreie Quantenpunkte nicht nur technisch verfügbar sind, sondern inzwischen eine ganze Produktlinie von Fernsehgeräten mit dieser Technologie in großem Umfang auf dem Unionsmarkt erhältlich ist und von bekannten großen Einzelhändlern angeboten wird;
W. in der Erwägung, dass sich durch die informellen Informationen, die von der Kommission am 12. Mai 2015 verbreitet wurden, die Sachlage nicht ändert; in der Erwägung, dass die von der Kommission aufgeführten Beispiele für Produkte mit Bildschirmen mit cadmiumhaltigen Quantenpunkten entweder derzeit nicht (Fernsehgerät von TCL mit einer Bildschirmdiagonale von 55 Zoll) oder nur in den USA erhältlich sind (Notebook von ASUS, Fernsehgeräte von Sony) oder nur Produkte betreffen, deren Markteinführung ansteht (Konka, Philips, AOC);
X. in der Erwägung, dass weder in Bezug auf die Verlängerung der Gültigkeit der jetzigen Ausnahme 39 noch in Bezug auf die Gewährung der neuen Ausnahme 39b die Bedingungen des Artikels 5 Absatz 1 Buchstabe a erfüllt sind und diese Maßnahmen daher nicht gerechtfertigt sind; in der Erwägung, dass relativ kurze Zeiträume bis zum Ablauf der Gültigkeit nicht als Rechtfertigung für die Nichteinhaltung der Bedingungen des Artikels 5 Absatz 1 Buchstabe a angeführt werden können;
Y. in der Erwägung, dass gemäß Artikel 5 Absatz 5 der RoHS-Richtlinie die Ausnahme 39 so lange gültig bleibt, bis die Kommission über den Antrag auf Erneuerung entschieden hat;
Z. in der Erwägung, dass gemäß Artikel 5 Absatz 6 der RoHS-Richtlinie in dem Fall, dass ein Antrag auf Erneuerung einer Ausnahme abgelehnt oder eine Ausnahme widerrufen wird, die Ausnahme frühestens zwölf Monate und spätestens 18 Monate nach dem Datum der Entscheidung ausläuft;
AA. in der Erwägung, dass durch die Ablehnung der delegierten Richtlinie cadmiumhaltige Quantenpunkte folglich nicht etwa verboten werden, sondern lediglich eine neue Bewertung veranlasst wird; in der Erwägung, dass keine Marktverzerrungen gegeben sind, da die geltende Ausnahme bis zu ihrem Widerruf gültig bleibt, wobei anschließend eine zusätzliche Übergangsfrist gewährt wird;
AB. in der Erwägung, dass bedeutsame neue Entwicklungen eingetreten sind, was die Erhältlichkeit von Produkten mit cadmiumfreien Quantenpunkten im Handel betrifft, sodass eine neue Bewertung erforderlich ist;
1. erhebt Einwände gegen die delegierte Richtlinie der Kommission;
2. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung der Kommission zu übermitteln und sie davon in Kenntnis zu setzen, dass die delegierte Richtlinie nicht in Kraft treten kann;
3. vertritt die Auffassung, dass die delegierte Richtlinie der Kommission weder in Bezug auf die Ausnahme 39a noch auf die Ausnahme 39b des Anhangs III der Richtlinie 2011/65/EU die Bedingungen des Artikels 5 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie 2011/65/EU erfüllt;
4. ist insbesondere der Ansicht, dass eine veraltete Sachlage als Begründung für die Ausnahme 39b herangezogen wurde, was die Ersetzbarkeit von Cadmium in Quantenpunkten anbelangt; fordert daher, die geltende Ausnahme 39 des Anhangs III der Richtlinie 2011/65/EU nach Maßgabe der Bedingungen des Artikels 5 Absatz 1 Buchstabe a jener Richtlinie einer raschen Neubewertung zu unterziehen, um danach diese Ausnahme aufzuheben;
5. fordert die Kommission auf, einen neuen delegierten Rechtsakt vorzulegen, in dem dem Standpunkt des Parlaments Rechnung getragen wird;
6. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat sowie den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.
Öko-Institut, Fraunhofer, Eunomia (2014): Assistance to the Commission on technological socio-economic and cost-benefit assessment related to exemptions from the substance restrictions in electrical and electronic equipment (S. 89) – http://rohs.exemptions.oeko.info/fileadmin/user_upload/RoHS_IX/20140422_RoHS2_Evaluation_Ex_Requests_2013-1-5_final.pdf