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Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadien in Bezug auf das Dokument :

Eingereichte Texte :

RC-B6-0111/2006

Aussprachen :

PV 16/02/2006 - 14.1
CRE 16/02/2006 - 14.1

Abstimmungen :

PV 16/02/2006 - 15.1

Angenommene Texte :


Ausführliche Sitzungsberichte
Donnerstag, 16. Februar 2006 - Straßburg Ausgabe im ABl.

14.1. Kulturerbe in Aserbaidschan
Protokoll
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  Der Präsident. – Als nächster Punkt folgt die Aussprache über sechs Entschließungsanträge zum Kulturerbe in Aserbaidschan.

 
  
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  Justas Vincas Paleckis (PSE), Verfasser. (LT) Die Zerstörung von Kulturdenkmälern in verschiedenen Teilen der Welt ist in der Regel leider eine Folge oder das Vorspiel im Zusammenhang mit der Ausrottung von Menschen. Daher unterstütze ich die Entschließung und die Auffassung, dass wir Stellung beziehen müssen zur Vernichtung des kulturellen Erbes in Aserbaidschan. In einem Konflikt wie dem zwischen Aserbaidschan und Armenien ist es schwer, nur einer Seite die Schuld zu geben. Kulturdenkmäler werden dort als Folge des Nagorny-Karabach-Konflikts zerstört, der in achtzehn Jahren 25 000 Menschenleben gefordert und eine Million Einwohner zu Flüchtlingen gemacht hat. Weder Aggression, noch Provokation von dieser oder jener Seite noch die Entweihung des kulturellen Erbes werden dazu beitragen, diesen tief verwurzelten Konflikt aufzulösen. Nur wenn sich die Seiten auf Verhandlungen einigen, eine gemeinsame politische Sprachen finden und guten Willen zeigen mit dem Ziel, sich der Europäischen Union anzunähern, können die Flammen gelöscht werden. Jüngsten Umfragen zufolge will der größte Teil der Bevölkerung in beiden Staaten den Konflikt so rasch wie möglich unter Kontrolle bringen. Jene Staaten, die eine aktive Rolle in der Nachbarschaftspolitik der Europäischen Union spielen wollen, müssen einfach das kulturelle Erbe von Minderheiten entsprechend schützen.

 
  
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  Marios Matsakis (ALDE), Verfasser. – (EN) Herr Präsident! Die Zerstörung und Schändung eines Friedhofs durch wen und wo auch immer ist ein barbarischer Akt. Ist ein solcher Friedhof darüber hinaus auch noch ein Denkmal von besonderer archäologischer Bedeutung, dann gehört er zu unserem gemeinsamen Welterbe, und seine Zerstörung stellt obendrein ein Verbrechen an der Menschheit dar.

Der armenische Friedhof in Dschulfa ist ein christlicher Friedhof von außerordentlichem historischem und kulturellem Rang. Unter Missachtung weltweiter Empörung haben aserbaidschanische Regierungen in den letzten Jahren, ob durch Unterlassung oder – was wahrscheinlicher ist – durch Auftragserteilung, die Verantwortung für die systematische Zerstörung dieses Denkmals auf sich geladen. Die eigentlichen Täter bei diesem abscheulichen Akt sind wahrscheinlich aserbaidschanische Streitkräfte und fanatische islamische Zivilisten.

Es ist völlig untragbar, dass der aserbaidschanische Botschafter in Brüssel kürzlich E-Mails an Mitglieder des Europäischen Parlaments sandte, in denen er eine boshafte persönliche Attacke gegen die Verfasser dieser Entschließung reitet und die Integrität und Weisheit dieses Parlaments herabzuwürdigen sucht.

Ich bitte Sie eindringlich, für diese Entschließung zu stimmen und damit gegenüber der Regierung Aserbaidschans in einer ganz unmissverständlichen Botschaft unser Gefühl der Sorge und der Verachtung angesichts der Zerstörung der Grabstätte von Dschulfa zum Ausdruck zu bringen.

 
  
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  Charles Tannock (PPE-DE), Verfasser. (EN) Herr Präsident! Die mutmaßliche Zerstörung der armenischen Grabstätten im mittelalterlichen Dschulfa – in der Geschichte auch als Dschuga bekannt – im Dezember 2005, bei der die „Khatchkars“, herrlich gravierte Kreuzsteine, herausgebrochen wurden, ist eine schwer wiegende Schändung des christlichen europäischen Erbes.

Die aserbaidschanische Regierung behauptet, das Videomaterial, das dies dokumentiert, sei betrügerische armenische Propaganda. Mit wurde jedoch aus unabhängiger Quelle bestätigt, dass es sich um originales Filmmaterial eines britischen Architekten, Steven Sim, eines Experten in der Region, handelt. Warum werden überdies, wenn es gar keine Zerstörung gab, Besuche vor Ort von den Aserbaidschanern verweigert, die seltsamerweise im selben Atemzug feststellen, das könnte das Werk einheimischer Plünderer sein, die Steine für Bauarbeiten bräuchten?

Herr Sim hat nochmals bestätigt, dass der Weg zu der Grabstätte durch ein Gebiet führt, das von der aserbaidschanischen Armee kontrolliert wird, was solch eine Tat ohne offizielle Unterstützung nahezu unmöglich macht und eine eindeutige Verletzung ihrer Sorgfaltspflicht beim Schutz dieser Stätte darstellt.

Seitens der aserbaidschanischen Botschaft wurde ich auch darüber informiert, dass diese Zerstörung nichts sei im Vergleich zur Zerstörung aserbaidschanischer Moscheen. Man hat mir tatsächlich Fotos von zerstörten Moscheen geschickt. Dass 1991 Moscheen im Kriegsgebiet zerstört wurden, ist nicht zu leugnen und uneingeschränkt zu verurteilen, aber die Fotos, die mir übersandt wurden, belegen eine Zerstörung, die vor 15 Jahren geschah und nicht vor drei Monaten. Außerdem gehörte Dschulfa in der Region Nachitschewan niemals zum Kriegsgebiet. An dieser Stelle sei auch darauf hingewiesen, dass die Behörden von Berg-Karabach kürzlich einem Projekt zum Wiederaufbau der in ihrem Gebiet zerstörten Moscheen zugestimmt haben.

Wir befinden uns gegenwärtig an einem kritischen Punkt in den Gesprächen zwischen den beiden Präsidenten Kotscharjan und Alijew im französischen Rambouillet über eine Lösung des Berg-Karabach-Konflikts. Ich halte darum jede weitere planmäßige Zerstörung armenischen Erbes einem dauerhaften Frieden in der Region für abträglich.

 
  
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  Marcin Libicki (UEN), Verfasser. (PL) Herr Präsident! Alle Kulturdenkmäler auf dieser Welt sind zweifellos Teil unseres gemeinsamen Erbes und dürfen nicht politischen Ereignissen und insbesondere Kriegen zum Opfer fallen.

Gestatten Sie mir einige persönliche Anmerkungen. Als ich vor einigen Jahren in Armenien war und all die Denkmäler und Kirchen aus dem frühen Mittelalter sah, die bis heute erhalten geblieben sind, erinnerte mich das an meinen früheren Besuch in Spanien am anderen Ende der christlichen Welt – tausend Kilometer westlich. Ich war beeindruckt, wie ähnlich sich die Denkmäler in diesen beiden Regionen waren.

Sie alle stammen aus dem frühen Mittelalter. Wir tragen für alle Kulturdenkmäler in der Welt die Verantwortung. Dennoch sollten uns die europäischen Denkmäler, die Zeugnis ablegen von der kulturellen Vergangenheit und der Einheit Europas, ganz besonders am Herzen liegen, mögen sie nun im äußersten Osten Armeniens, im Westen Spaniens oder irgendwo dazwischen liegen.

Die Ereignisse, deren Zeugen wir gegenwärtig sind, empfinde ich als besonders schmerzlich, denn die Kulturdenkmäler, die jetzt zerstört werden, sind mehr als nur ein Teil des europäischen Erbes. Sie gehören der ganzen Welt. Aserbaidschan trägt hier eine besondere Verantwortung. Weshalb verweigert Aserbaidschan – wie Herr Tannock vorhin sagte – Besuche vor Ort, um das Ausmaß der Schäden zu beurteilen? Glücklicherweise wissen wir, was im Ergebnis der barbarischen Entscheidungen der Machthaber der Region geschehen ist, denn die Zerstörungen wurden im Film festgehalten.

Der Entschließungsantrag muss angenommen werden, und wir müssen kontrollieren, was dann geschieht. Wir dürfen uns hier nicht auf Worte beschränken, wie ehrenvoll sie auch sein mögen. Den Worten müssen Taten folgen, und wir erwarten von Aserbaidschan entsprechende Maßnahmen.

 
  
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  Marie Anne Isler Béguin (Verts/ALE), Verfasserin. (FR) Herr Präsident! Es muss hier unbedingt hervorgehoben werden, wie bedeutsam das Engagement der Union in der hoch strategischen und eindeutig europäischen Region des Südkaukasus ist, die immer noch unter eingefrorenen Konflikten leidet. Bekanntlich weilt Frau Ferrero–Waldner gegenwärtig zu einem offiziellen Besuch in der Region, doch ich möchte einen Appell an die Abgeordneten und an das Verantwortungsbewusstsein richten.

Während die Europäische Union Aktionspläne mit jedem dieser Länder aushandelt, um die Stabilität der Region zu fördern, befinden sich Armenien und Aserbaidschan seit Kurzem in einer zwar noch anfälligen, aber hoffnungsvollen Phase von Friedensverhandlungen über den Konflikt in Berg-Karabach. Die Präsidenten Aliew und Kotscharian haben sich letzten Sonntag unter der Schirmherrschaft der Minsker Gruppe der OSZE in Rambouillet getroffen. Der Erfolg dieses Prozesses ist vorrangig, denn er kann in der Folge zu einer Lösung der anderen Konflikte führen. Er ist daher eine unabdingbare Voraussetzung für die generelle Stabilisierung dieser Region.

Sind Sie, werte Kolleginnen und Kollegen, angesichts dieser Lage wirklich in Ihrem Inneren davon überzeugt, dass jetzt der richtige Moment ist, um Öl ins Feuer zu gießen, indem wir, wie in den Änderungsanträgen vorgeschlagen, gerade die Absätze streichen, die die Ausgewogenheit der vorgestern von uns allen ausgehandelten gemeinsamen Entschließung sichern? Wir haben im Januar im Bericht Tannock bereits die Zerstörung des Friedhofes von Dschulfar verurteilt und verurteilen sie immer noch. Doch, werte Kolleginnen und Kollegen, wir dürfen das globale Umfeld des eingefrorenen Konflikts zwischen Armenien und Aserbaidschan nicht vergessen, der für Tausende Tote und Flüchtlinge verantwortlich ist und dessen Wunden noch nicht verheilt sind. Wir dürfen auch nicht übersehen, dass 20 % des aserbaidschanischen Gebietes von Armenien als Pufferzone für Berg-Karabach betrachtet werden und dass zahlreiche Bestandteile des kulturellen und religiösen Erbes dieser besetzten Gebiete ebenfalls zerstört worden sind. Es ist höchste Zeit, diese gefährliche Eskalation zu beenden. Die Verantwortung beider Seiten in einem Konflikt verleugnen zu wollen und nur die von einer Seite vorgenommenen Zerstörungen zu erwähnen, wäre nicht verantwortungsvoll und stünde auch vollends im Widerspruch zu unserer Verpflichtung, unsere armenischen und unsere aserbaidschanischen Freunde in ihrem Bestreben nach einer Lösung ihrer Konflikte zu unterstützen.

Des Weiteren wird diese Entschließung zu einer Zeit gesteigerter Spannungen zwischen der moslemischen und der westlichen Welt vorgelegt. Durch fragwürdige Vereinfachungen könnten diese Ereignisse auf eine bloße Auseinandersetzung zwischen der christlichen und der moslemischen Welt reduziert werden. Ich bitte Sie daher eindringlich: Liefern wir den Extremisten aller Art keine Argumente, indem wir für eine Entschließung stimmen, die – falls sie gemäß bestimmten Vorschlägen abgeändert würde – einen unfairen parteilichen Charakter bekäme. Es handelt sich hierbei um eine persönliche Gewissensentscheidung, doch es steht auch die gesamte Glaubwürdigkeit des Europäischen Parlaments und generell das Wirken der Europäischen Union in dieser Region auf dem Spiel.

 
  
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  Erik Meijer (GUE/NGL), Verfasser. (NL) Herr Präsident! Im russischen Zarenreich gehörte Transkaukasien zu den eroberten Regionen an der Peripherie des Imperiums, wo es keine klare Abgrenzung der Siedlungsgebiete der Georgier, Armenier und Aserbaidschaner gab und die Völker nicht in Frieden miteinander lebten, sondern gemeinsam der undemokratischen Herrschaft des russischen Staates unterworfen waren.

Erst in den 20er-Jahren wurden die drei Völker verwaltungsmäßig, mit je einem eigenen Territorium, voneinander getrennt. Dies erwies sich als notwendig, um Frieden, Entwicklung und Stabilität zu sichern, bedeutete aber gleichzeitig, dass bei Konflikten ethnisch gemischte Gebiete einer der beteiligten Gruppen zugewiesen werden mussten. Heute können wir sehen, welche Folgen dies in den Minderheitengebieten Südossetien und Abchasien sowie vor allem in Berg-Karabach und Nachitschewan hatte, die sowohl unter armenischem wie aserbaidschanischem Einfluss stehen.

Die Versuchung ist groß, nicht nur die dem Nachbarvolk zugehörigen Menschen aus solchen Gebieten zu vertreiben, sondern auch ihre historischen Bauwerke, Gebetsplätze und Grabstätten zu vernichten und die Erinnerung an sie für immer auszulöschen. Da eine übergreifende Sowjetunion, die solchen Auswüchsen entgegentreten könnte, heute nicht mehr besteht, ist es noch unerlässlicher geworden, dass das übrige Europa seinen Beitrag zur Sicherstellung einer friedlichen und durch gegenseitigen Respekt gekennzeichneten Koexistenz der Nachbarvölker in den jetzt unabhängigen Staaten leistet.

 
  
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  Ioannis Kasoulides, im Namen der PPE-DE-Fraktion. (EN) Herr Präsident! Für das armenische Volk – die Opfer von Völkermord und massenhafter Vertreibung aus der Heimat – ist das Miterleben der Zerstörung ihres kulturellen Erbes vielleicht das letzte Kapitel seiner völligen Ausrottung. Die aserbaidschanischen Behörden sagen: „Es ist nichts geschehen“. Doch ich weiß, wo Rauch ist, da ist auch Feuer. Dieses völlige Abstreiten erinnert mich an die totale Leugnung des Genozids und an die Behauptung, er sei ein Produkt armenischer Fantasie.

Im Rahmen einer E-Mail-Korrespondenz schrieb mir der politische Berater der aserbaidschanischen Botschaft, ich zitiere: „wir können nicht ausschließen, dass einige arme Bauern von entsprechendem kulturellen Niveau die Steine vom Friedhof heimlich zum Bau oder für damit verbundene Arbeiten verwendet haben könnten“.

Ich kann nicht mit Gewissheit sagen, wer die Täter sind, aber ich bin mir sicher, dass die Verantwortung für den Schutz der Unversehrbarkeit dieser Denkmäler hundertprozentig bei den Aserbaidschanern liegt.

 
  
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  Martine Roure, im Namen der PSE-Fraktion. (FR) In der Stadt Dschulfa in Aserbaidschan befindet sich eine architektonisch einzigartige armenische Nekropole. Sie ist ein Zeugnis der Geschichte dieser Region, die bis in die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts zu über 80 % von Armeniern bewohnt wurde. In der Sowjetzeit verfiel dieser Friedhof, und 1998 begannen die örtlichen Behörden mit seiner Einebnung. Die UNESCO zeigte sich seinerzeit höchst besorgt, was zu einer vorübergehenden Einstellung des Einsatzes der Planierraupen führte. Die Organisation steht weiterhin in Kontakt mit den zuständigen Behörden, um dieses historische Denkmal zu schützen, denn die an diesem Gedenkort verursachten Schäden sind beträchtlich.

Übereinstimmende Hinweise und aktuelle Augenzeugenberichte deuten darauf hin, dass die Zerstörung im Dezember 2005 wieder aufgenommen wurde. Es ist daher notwendig, Aserbaidschan möglichst rasch zu ersuchen, eine Delegation einreisen zu lassen, um an Ort und Stelle einzuschätzen, welche Maßnahmen kurz- und mittelfristig erforderlich sind, um diese historische Stätte zu retten, die zudem eine Gedenk- und eine Kulturstätte ist und zum Kulturerbe eines Volkes gehört.

 
  
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  Urszula Krupa, im Namen der IND/DEM-Fraktion. (PL) Herr Präsident! In der heutigen Aussprache über Menschenrechte und Demokratie geht es um den Schutz des kulturellen Erbes des armenischen Volkes, das von völliger Zerstörung bedroht ist. Armenien mit seinen vier Millionen Einwohnern ist seit 301 A. D. ein christliches Land, und zwar das erste christliche Land der Welt. Das belegen nicht nur historische Dokumente, sondern auch Tausende von Kreuzen auf den „Khatchkars“ genannten Steintafeln, die ebenso wie andere armenische Kulturschätze in Aserbaidschan, Georgien und der Türkei zerstört wurden.

Die „Khatchkars“ – das Wort bedeutet Kreuzstein – sind 0,5 bis 3,5 Meter hoch und aus Basalt. Sie stehen auf einem Quader und sind mit der Vorderseite, in die ein Kreuz gehauen ist, nach Westen ausgerichtet. Die Armenier sahen in den „Khatchkars“ eine schützende Macht, die sie vor Naturkatastrophen bewahrt. Diese Steine wurden zum Gedenken an wichtige Ereignisse errichtet, sie finden sich in sakralen Gebäuden und wurden auch als Grabsteine genutzt, die stets zu Füßen der Verstorbenen aufgestellt wurden.

Vor kurzem wurde ein Friedhof in Dschulfa zerstört. Er stammt aus dem Mittelalter und liegt in dem von Aserbaidschan kontrollierten Gebiet. Die skandalöse Zerstörung und Vernichtung armenischer Kulturdenkmäler nahm im Jahr 1998 ihren Anfang, als 800 dieser von mir beschriebenen Kreuzsteine zerstört wurden. Obwohl dieser Zerstörungsprozess aufgrund der Proteste der UNESCO vorübergehend gestoppt wurde, begann er im Jahr 2002 von neuem. Die frevelhafte Zerstörung des armenischen Kulturgutes geschieht vermutlich mit Zustimmung der aserbaidschanischen Regierung, die Spezialtruppen aussandte, um die Steine mit den armenischen Kreuzen zu zerstören.

Die Armenier sind über Jahrhunderte hinweg verfolgt worden. Sie haben unter den Folgen von Kriegen, Aggression und Okkupation gelitten. Das armenische Volk ist ein christliches Volk mit einem reichen Erfahrungsschatz. Auch die Aseri haben Zerstörung und Leid erfahren, doch kein Konflikt – und das muss unterstrichen werden – kann die Zerstörung eines Kulturerbes rechtfertigen, das das gemeinsame Erbe der ganzen Menschheit ist.

Kultur ist Ausdruck der Kommunikation zwischen Menschen, Ausdruck gemeinsamen Denkens und Handelns. Sie legt Zeugnis ab von der Menschlichkeit und ist ein grundlegendes gemeinsames Gut der Menschengemeinschaft. Wir fordern deshalb dazu auf, unser globales gemeinsames Erbe ungeachtet der Religion und Herkunft zu respektieren.

 
  
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  Ryszard Czarnecki (NI). – (PL) Herr Präsident! Ich erinnere mich meiner Eindrücke von Aserbaidschan, von Baku mit dem gewaltigen Gebäude im Zentrum, dem Hotel, in dem die aus Nagorny Karabach geflohenen Aserbaidschaner kampierten. Das war ein schrecklicher Anblick. Diese Menschen haben dort mehrere Jahre zugebracht. Selbstverständlich denke ich heute auch an sie und nicht nur an die Kulturdenkmäler, über die wir heute zu Recht sprechen.

Ich stimme Herrn Libicki zu, der gesagt hat, dass natürlich die Kulturdenkmäler in allen Teilen der Welt unabhängig von ihrem geographischen Standort geschützt werden müssen. Ich denke aber auch, dass diese Frage von der aserbaidschanischen Regierung als eine Art Ausweichmanöver benutzt wird und ein Versuch ist, vom Mangel an Demokratie, den jüngsten und nicht sehr demokratischen Wahlen und auch vom Verbot der Demonstrations- und Meinungsfreiheit in diesem Land abzulenken.

Es ist lohnenswert, sich für die Erhaltung der Kulturdenkmäler einzusetzen, und es ist richtig, wenn wir das tun. Wir sollten gleichzeitig aber auch die Demokratie in Aserbaidschan unterstützen.

 
  
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  Eija-Riitta Korhola (PPE-DE). – (FI) Herr Präsident! Wir sind heute angetreten, um die fortwährende Gleichgültigkeit Aserbaidschans gegenüber der Welterbekonvention der UNESCO zu verurteilen. Mehr noch, die Zerstörung des Friedhofs von Dschulfa wirft einen Schatten auf die Verpflichtungen des Landes als Mitglied des Europarats. Zwölf Jahre nach dem Ende des Hauptkonflikts zwischen Aserbaidschan und Armenien ist die Situation der armenischen Minderheit in Aserbaidschan nach wie vor sehr instabil, insbesondere was den Respekt vor deren kulturellem Erbe angeht. Die Zerstörung des Friedhofs von Dschulfa kann beispielsweise mit der Zerstörung der Buddha-Statuen in Afghanistan durch die Taliban verglichen werden. Dies ist eine Frage der Achtung vor der Vergangenheit und der Geschichte der Menschheit.

Welchen Sinn kann aber eine Verurteilung dieser Vorkommnisse haben? Wir hegen nach wie vor die Hoffnung, dass eine unparteiische Stelle die Zerstörungen auf dem Friedhof von Dschulfa untersuchen wird und dass die verbliebenen Grabsteine wiederhergestellt werden können. Wir hoffen auch, dass der Protest dazu beitragen wird, künftige Zerstörungen des kulturellen Erbes zu verhindern. Die Verwüstungen auf dem Friedhof von Dschulfa sind ein Verbrechen am Erbe der Menschheit und als solches zu verurteilen. Die Zerstörung dieser einzigartigen christlichen Artefakte stellt einen unersetzlichen Verlust für die Menschheit dar.

(Beifall)

 
  
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  Joe Borg, Mitglied der Kommission. (EN) Herr Präsident! Zunächst möchte ich den Damen und Herren Abgeordneten für ihre Redebeiträge danken. Die Kommission ist über die mutmaßliche Zerstörung von Kunstwerken auf dem Friedhof von Dschulfa in der aserbaidschanischen Autonomen Republik Nachitschewan informiert. Sowohl Armenien als auch Aserbaidschan gaben auf dem 586. Treffen des Ständigen Rates der OSZE am 22. Dezember 2005 eine Erklärung ab, und am 1. Februar 2006 wurde die Frage auch im Europarat diskutiert.

Der Schutz der Stätten des Weltkulturerbes in Drittländern gehört nicht in den Zuständigkeitsbereich der Kommission. Wir haben jedoch Verständnis für den armenischen Appell an die UNESCO, möglichst rasch eine Mission nach Nachitschewan zu entsenden.

Die Kommission ist sich wohl bewusst, dass Geschehnisse wie die Zerstörung auf dem Dschulfa-Friedhof, wenn sie denn von unabhängigen Quellen bestätigt werden, mit dem seit langem währenden Konflikt um Berg-Karabach, der seit Anfang der 1990er Jahre Misstrauen und Zerstörung verursacht und auf armenischer wie auf aserbaidschanischer Seite Opfer gefordert hat, im Zusammenhang stehen und symptomatisch für ihn sind.

Die Kommission wird auch weiterhin alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel nutzen, um die Parteien zu einer raschen Beilegung des Konflikts zu veranlassen und, wenn man dann hoffentlich zu einem Friedensabkommen gelangt, beim Wiederaufbau und der Wiederherstellung der Region Hilfe leisten.

Der Konflikt um Berg-Karabach ist besonders jetzt nicht hinzunehmen, da sowohl Armenien als auch Aserbaidschan Teil der Europäischen Nachbarschaftspolitik sind, deren vorrangiges Ziel es ist, Vertrauen in der Südkaukasusregion aufzubauen, indem die regionale Zusammenarbeit in möglichst vielen Bereichen gefördert und ein Beitrag zu Frieden, Stabilität und Wohlstand an den Grenzen einer erweiterten Europäischen Union geleistet wird.

Das ist ein ehrgeiziges Ziel, das wir uns zu erreichen bemühen und wozu auch die Umsetzung der Aktionspläne gehört, über die die Kommission gegenwärtig mit Armenien, Aserbaidschan und Georgien diskutiert. In diesen Dokumenten fordern wir die drei Länder des Südkaukasus zu einer Reihe von Schritten auf, um sich an Europa anzunähern. Die Dokumente decken ein ganz breites Themenspektrum ab, darunter die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Bildung und Kultur sowie des Schutzes des kulturellen Erbes.

Die Umsetzung der ENP-Aktionspläne wird von der Kommission aufmerksam überwacht werden, und der daraus entstehende Nutzen wird natürlich von ihrer erfolgreichen Verwirklichung abhängen.

 
  
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  Der Präsident. – Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet im Anschluss an die Aussprache statt.

 
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