Index 
 Zurück 
 Vor 
 Vollständiger Text 
Verfahren : 2004/2125(INL)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadien in Bezug auf das Dokument :

Eingereichte Texte :

A6-0052/2006

Aussprachen :

PV 03/04/2006 - 12
CRE 03/04/2006 - 12

Abstimmungen :

PV 04/04/2006 - 8.7
Erklärungen zur Abstimmung

Angenommene Texte :

P6_TA(2006)0122

Ausführliche Sitzungsberichte
Montag, 3. April 2006 - Straßburg Ausgabe im ABl.

12. Öffentlichkeit der Tagungen des als Gesetzgeber zusammentretenden Rates – Zugang zu den Dokumenten der Organe – (Aussprache)
Protokoll
MPphoto
 
 

  Der Präsident. – Als nächster Punkt folgt die gemeinsame Aussprache über

- den Bericht von David Hammerstein Mintz im Namen des Petitionsausschusses über den Sonderbericht des Europäischen Bürgerbeauftragten an das Europäische Parlament im Anschluss an den Entwurf einer Empfehlung an den Rat der Europäischen Union im Zusammenhang mit der Beschwerde 2395/2003/GG betreffend den Öffentlichkeitsgrad von Tagungen des Rates, die er in seiner Eigenschaft als Gesetzgeber abhält (2005/2243(INI) (A6-0056/2006), und

- den Bericht von Michael Cashman im Namen des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres mit Empfehlungen an die Kommission zum Zugang zu den Dokumenten der Organe (2004/2125(INI) (A6-0052/2006).

 
  
MPphoto
 
 

  David Hammerstein Mintz (Verts/ALE), Berichterstatter.(ES) Herr Präsident! Zunächst möchte ich der österreichischen Präsidentschaft für ihr Mitwirken in dieser Angelegenheit danken, und insbesondere geht mein Dank an Kommissarin Wallström, die großen Enthusiasmus und Einsatz in Bezug auf die Transparenz und deren Durchsetzung bewiesen hat.

Weiterhin möchte ich die Initiative von Herrn Cashman zur Regulierung des Zugangs der Öffentlichkeit zu den Dokumenten der Institutionen erwähnen, ein Bericht, der parallel zu diesem erarbeitet wurde, der aber in die gleiche Richtung geht.

Der Rat hat zurzeit ein Glaubwürdigkeitsproblem. Die politischen Führer der Mitgliedstaaten unterstützen zwar Artikel 1.2 des Vertrags über die Europäische Union und haben den Vertrag über eine Verfassung für Europa unterzeichnet, der festlegt, dass die Beschlüsse des Rates so transparent, offen und bürgernah wie möglich gefasst werden müssen.

Doch die Realität ist ganz anders. Der Rat weigert sich, seine Gesetzgebungstagungen für die Öffentlichkeit und die Medien zu öffnen. Der Europäische Bürgerbeauftragte hat Recht, wenn er sagt, dass wir es mit einem Fall von Missstand in der Verwaltungstätigkeit zu tun haben und der Rat keinen stichhaltigen Grund genannt habe, warum er die Türen zu seinen Beratungen nicht öffnet.

Um das Interesse der einfachen Bürger und ihr Engagement für die Europäische Union zu erhöhen und in Anbetracht der derzeitigen Verfassungskrise, muss Europa mutige und einfallsreiche Schritte unternehmen, um die europäischen Themen allen Bürgerinnen und Bürgern näher zu bringen. Das muss damit beginnen, dass man seine Türen für die politische Debatte öffnet; der Rat will das jedoch nicht. Wenn Millionen von Europäern im Fernsehen verfolgen könnten, wie die Minister offen über europäische Themen diskutieren, beispielsweise die Energiekrise, die Dienstleistungsrichtlinie, die Speicherung personenbezogener Daten oder die Stammzellenforschung, könnten wir viel mehr Interesse an den europäischen Fragen wecken und der Lethargie von Millionen Europäern ein Ende setzen, die sehr wenig Anteil an europäischen Angelegenheiten nehmen. Die Öffentlichkeit ist auf streng nationale Debatten fixiert.

Dieser Bericht, der vom Petitionsausschuss angenommen wurde, unterstützt voll und ganz die Empfehlung des Europäischen Bürgerbeauftragten, der den Standpunkt vertreten hat, der Grundsatz der Transparenz müsse nicht nur auf die Diskussionen des Rates, sondern auf alle Fälle, in die das Europäische Parlament involviert ist, Anwendung finden, einschließlich der Konsultationen und Themen im Zusammenhang mit den individuellen Rechten und Freiheiten und den im dritten Pfeiler enthaltenen Fragen.

Im Oktober veröffentlichte der Europäische Bürgerbeauftragte einen Bericht, in dem er den Rat aufforderte, die Ablehnung der öffentlichen Gestaltung seiner Gesetzgebungsberatungen zu überdenken. Dazu ersuchte der Bürgerbeauftragte den Rat, seine Geschäftsordnung zu ändern, um seine Debatten für die Medien und die Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Dennoch und trotz der Empfehlungen des britischen Vorsitzes, hat der Rat keine Schritte unternommen, um seine Geschäftsordnung so zu ändern, dass sie zur Transparenz beiträgt.

Die Führer der Mitgliedstaaten können deshalb in Brüssel weiterhin das Gegenteil von dem äußern, was sie ihren Wählern zu Hause sagen. Die Folgen dieser von uns angestrebten Öffnung könnten für den Rat tief greifend sein und würden seinen Charakter ändern. Die Minister müssten in Anwesenheit der Medien und unter den Augen von Millionen von Menschen sprechen. Dies wäre der beste Weg, um die europäische Demokratie sichtbar zu machen und uns selbst aus der gegenwärtigen Lethargie und Langeweile zu befreien.

Der Rat könnte mit einem Pilotprogramm beginnen, das Millionen von Menschen vor den Fernsehkameras erläutern würde, wie die Beschlüsse gefasst werden und welches Verfahren angewendet wird. Ich möchte dem Ratsvorsitz und der Kommission folgende Frage stellen: Sind Sie bereit, konkrete Initiativen vorzuschlagen, um die Debatten und die Beschlussfassung des Rates transparent zu machen? Wenn nicht jetzt, wann dann?

Die Bürgerinnen und Bürger und das Europäische Parlament ersuchen den Rat, an die Öffentlichkeit zu treten. Jetzt ist der Rat am Zug. Bitte öffnen Sie Ihre Türen. Wir Europäer wollen teilhaben.

 
  
MPphoto
 
 

  Michael Cashman (PSE), Berichterstatter.(EN) Herr Präsident! Ich möchte mich voll und ganz den Ausführungen von Herrn Hammerstein Mintz anschließen. Ich war der erste Berichterstatter über die Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten und erinnere mich noch gut an die erregten Debatten nicht nur hier im Parlament, sondern auch im Rat und im Rahmen des Trilogs, als wir uns für die damals bahnbrechende Verordnung einsetzten. Ich kann den heftigen Widerstand – und hier möchte ich einige der alten EU-15-Länder beim Namen nennen – vonseiten Frankreichs, Spaniens, Italiens, Deutschlands und Österreichs nicht vergessen. Erfreulicherweise kann ich feststellen, dass der österreichische Ratsvorsitz seine Haltung nunmehr geändert hat; ich habe das erwähnt, weil es zeigt, wie viel wir erreicht haben.

Offenheit und Transparenz können auf vielfältige Weise erzielt werden. Die nordischen Länder haben ein wunderbares Beispiel gegeben, jedoch stehen einige andere Mitgliedstaaten dieser Frage auch recht skeptisch gegenüber, obwohl wir von der Transparenz nichts zu befürchten haben dürften. Was ist zu befürchten, wenn wir unsere Entscheidungen für eine externe Prüfung öffnen? Was hat ein Mitgliedstaat zu befürchten, wenn er seinem eigenen Parlament erklärt, weshalb ein Minister so und nicht anders abgestimmt hat?

Mein Bericht enthält einige Empfehlungen, und ich fordere die Kommission auf, etwas zu unternehmen. Uns ist bewusst, dass die Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 nicht das Endziel darstellt, sondern lediglich der Beginn einer langen – zugegebenermaßen kulturellen – Auseinandersetzung für Offenheit und Transparenz in den drei Institutionen ist. Wir haben unterschiedliche Traditionen. Deshalb habe ich eine weitere Überprüfung der Verordnung gefordert. Diese Überprüfung war in der ursprünglichen Empfehlung enthalten, und es gibt einige Bereiche in Bezug auf die Umsetzung der Verordnung, die jetzt, nach einigen Jahren, anhand der mit ihrer Durchführung gemachten Erfahrungen wesentlich verbessert werden könnten.

Wir müssen uns erneut mit der Definition legislativer und nichtlegislativer Dokumente im Zusammenhang mit dem Zugang der Öffentlichkeit zu den Dokumenten befassen, um sicherzustellen, dass alle Organe offen und transparent arbeiten. Der Zugang zu Dokumenten ist kein Geschenk, er ist ein Recht. Das ist besonders wichtig, wenn Parlament und Rat als Legislativorgane tätig werden. Eine verstärkte interinstitutionelle Zusammenarbeit und eine stärkere Anwendung des Mitentscheidungsverfahrens erfordern insbesondere aufseiten des Rates eine größere Offenheit. Die Bürgerinnen und Bürger müssen sehen können, was von den Ministern der nationalen Regierungen in ihrem Namen vereinbart wird, so dass diese von ihnen und den Oppositionsparteien zur Verantwortung gezogen werden können.

Wir müssen uns mit der Art und Weise befassen, wie die Bedingungen definiert werden, unter denen spezifische Dokumente vollständig oder teilweise als vertraulich eingestuft werden können. Diese Regelungen sollten legitime Einschränkungen in Bezug auf besondere, eindeutig definierte Gründe enthalten, jedoch nicht allgemein ausgelegt werden, was im Wesentlichen dazu führen würde, der Öffentlichkeit den Zugang zu diesen Dokumenten zu verwehren.

Lassen Sie mich mit der Feststellung enden: Wir haben uns in der Auseinandersetzung zwischen 1999 und Mai 2001 mit der Annahme der Verordnung durchgesetzt. Wir haben uns immer wieder für eine Überprüfung der internen Regeln der Institutionen dahingehend eingesetzt, dass insbesondere der Rat, wenn in seiner Eigenschaft als Gesetzgeber tätig wird, öffentlich tagen und abstimmen sollte. Diese Auseinandersetzung ging zu unseren Gunsten aus. Ich weiß, dass sich die Vizepräsidentin ganz persönlich für die Frage der Offenheit und Transparenz einsetzt. Auch das Hohe Haus setzt sich dafür ein, doch das reicht nicht. Eine wunderbare Gelegenheit wird sich am 9. Mai, dem Europatag, bieten. Lassen Sie uns den Europatag nutzen und den Bürgerinnen und Bürgern mitteilen, wie wir ihr Recht verbessern werden zu erfahren, was in ihrem Namen getan wird.

Der Widerstand gegen die Europäisierung ist im Steigen begriffen – nicht zuletzt in den zehn neuen Staaten, die vor zwei Jahren zu uns gestoßen sind. Vielfach haben die Regierungen, die ihr Land der Familie der Europäischen Union zugeführt haben, darunter zu leiden: Sie werden nicht wieder gewählt. Wir würden den Gegnern der Europäisierung in die Hände spielen, wenn wir auch weiterhin verheimlichen, was wir hinter verschlossenen Türen tun. Stellen wir uns den Europa-Gegnern entgegen. Unterstützen wir unsere Organe. Lassen Sie uns das feiern, was wir tun. Lassen Sie uns diese Überprüfung von Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 voranbringen – nicht zögerlich, sondern voller Enthusiasmus.

 
  
MPphoto
 
 

  Margot Wallström, Vizepräsidentin der Kommission. (SV) Herr Präsident! Lassen Sie mich zunächst dem Europäischen Parlament und natürlich den Berichterstattern, Herrn Mintz und Herrn Cashman, zu zwei sehr wichtigen Berichten gratulieren. Wenn ich mit der Transparenz im Rat beginnen darf, so unterstützt die Kommission voll und ganz öffentliche Tagungen des Rates. Bereits im Oktober haben wir in unserem Plan D erklärt, dass die Ratssitzungen für die Öffentlichkeit geöffnet werden sollten, wenn der Rat als Mitgesetzgeber handelt, und dass wir diese Initiative des Rates unterstützen.

Meiner Überzeugung nach würden öffentliche Tagungen des Rates die Glaubwürdigkeit der EU sowie das Interesse der Bürger an der Union verstärken. Ich weiß um den prinzipiellen Konsens zwischen unseren Organen in dieser Frage, und nun ist es an den Mitgliedstaaten, zu agieren und Ergebnisse vorzulegen. Ferner glaube ich, dass dies auch ein effektives Mittel ist, um die gegenseitigen Schuldzuweisungen zu beenden. Somit handelt es sich hier also um eine bedeutungsvolle Frage.

Offenheit hat auch mit dem Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten und der Verordnung 1049/2001 zu tun. Obwohl diese Vorschrift formal gesehen nur das Parlament, den Rat und die Kommission betrifft, so wird sie dennoch auch auf viele weitere Einrichtungen angewandt. Die verschiedenen Büros und Agenturen der EU – man kann sagen, die meisten Einrichtungen der EU – haben freiwillig entsprechende Vorschriften im Hinblick auf den Zugang zu Dokumenten angenommen. Wie Berichterstatter Cashman ganz richtig sagte, haben die europäischen Institutionen damit in bemerkenswert kurzer Zeit – und in hohem Maße auch dank des Europäischen Parlaments – ein Niveau an Transparenz erreicht, das im Vergleich zu vielen Mitgliedstaaten sehr hoch ist.

Damit ist nicht gesagt, dass die Dinge nicht noch besser werden können. Sie können und sie müssen es. 2003 hat die Kommission eine Untersuchung im Hinblick auf die Umsetzung der Verordnung in den ersten Jahren durchgeführt. Unseren Evaluierungsbericht haben wir 2004 veröffentlicht. Zu diesem Zeitpunkt war die Verordnung erst zwei Jahre lang in Kraft und hatte gut funktioniert, so dass es keine unmittelbare Notwendigkeit einer Überarbeitung gab, ebenso wenig wie eine rechtliche Verpflichtung dazu. Aus diesem Grund hielt die Kommission es für besser, die Ratifizierung des Verfassungsvertrags abzuwarten, ehe sie weitere Schritte unternahm. Die Verfassung fordert neue Vorschriften auf diesem Gebiet.

Wir wissen ja nun alle, wie es um den Verfassungsvertrag bestellt ist. Unterdessen hat auch der Europäische Gerichtshof verschiedene Vorschläge zu den Regelungen über den Zugang zu Dokumenten unterbreitet. Die Kommission hielt es daher nun für einen geeigneten Zeitpunkt, mit einer Überprüfung der Verordnung zu beginnen. Die Entscheidung dafür ist Teil der breit angelegten Europäischen Transparenzinitiative, die wir im November vergangenen Jahres in der Kommission beschlossen haben.

Der Bericht Cashman kommt daher zeitlich genau richtig, denn wir untersuchen gegenwärtig, wie wir die Vorschriften über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten verbessern können. Die Kommission – und ich kann Ihnen versichern, auch ich persönlich – werden die Empfehlungen des Berichts genauestens in Augenschein nehmen.

Eine der Schlussfolgerungen, die die Kommission in ihrem Evaluierungsbericht im Januar 2004 gezogen hat, war, dass die Verordnung in erster Linie von EU-Profis, Lobbyisten, Beratern und Anwaltskanzleien und weniger von der Öffentlichkeit genutzt wurde. Das wollen wir ändern, und wir müssen noch viel mehr tun, um die Bürger zu erreichen. Hier geht es in erster Linie um den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten, um ihr Recht auf Information. Das ist ein weiteres Argument dafür, dass wir vor einer Änderung der Rechtsvorschriften eine öffentliche Konsultation befürworten. Die Kommission plant eine solche Konsultation für den Zeitraum von Juli bis Oktober dieses Jahres und wird danach Ende dieses Jahres oder Anfang des nächsten einen konkreten Vorschlag unterbreiten.

Ohne näher auf die einzelnen Empfehlungen des Berichts einzugehen, möchte ich einige Klarstellungen vornehmen. In Empfehlung 2 ist von einer größeren Transparenz des Legislativverfahrens sowie von einer eindeutigeren Abgrenzung zwischen legislativen Dokumenten und Verwaltungsdokumenten die Rede. Das ist ein äußerst interessanter Vorschlag, den wir uns genau anschauen werden. Diese Empfehlung betrifft auch das Amtsblatt und dessen elektronische Veröffentlichung. Unsere Organe hatten bereits 2004 gemeinsam beschlossen, diese Frage näher zu untersuchen, und das Amt für Veröffentlichungen hat bereits einen Bericht über die Zukunft des Amtsblatts herausgegeben.

In Empfehlung 3 geht es um vertrauliche Dokumente. Hier müssen wir sehr darauf achten, dass wir verschiedene Dinge nicht durcheinander bringen. Vertraulichkeit an sich bedingt keine generelle Ausnahme vom Recht auf Zugang zu Dokumenten. Die Ablehnung, ein vertrauliches Dokument herauszugeben, muss genau so gut begründet werden wie bei allen anderen Dokumenten. Das Verfahren ist dasselbe, und auch die Pflichten der jeweiligen Einrichtung sind dieselben. Diese Empfehlung betrifft außerdem den Zugang des Europäischen Parlaments zu vertraulichen Informationen. Auch hier besteht die Gefahr der Verwechslung der Dinge. Die Rechte des Parlaments auf diesem Gebiet werden nicht durch die Verordnung geregelt, sondern durch Anhang 1 des Rahmenabkommens zwischen der Kommission und dem Parlament. Dieses Rahmenabkommen funktioniert unserer Ansicht nach gut.

Die Empfehlung 5 enthält meiner Meinung nach mehrere äußerst interessante und nützliche Vorschläge für anwenderfreundliche Register und Datenbanken. Diese Vorschläge bedürfen keiner Gesetzgebung, da sie praktische Details und Maßnahmen betreffen. Der mit der Verordnung eingesetzte interinstitutionelle Ausschuss ist im November 2005 zum letzten Mal zusammengetreten und hat die Ernennung einer Arbeitsgruppe beschlossen, die sich mit diesen Fragen beschäftigt. Eine Lösung ist also vielleicht näher als wir denken.

Abschließend möchte ich betonen, dass die Kommission sich in der Frage des Zugangs der Öffentlichkeit zu Dokumenten sehr engagiert. Wir haben mit einer Überprüfung der Verordnung begonnen und sind dabei, auch viele der im Bericht aufgeworfenen Punkte näher zu untersuchen. Wir hoffen auf weitere Unterstützung seitens des Europäischen Parlaments und haben hohe Erwartungen im Hinblick auf die öffentliche Konsultation, die wir von Juli bis Oktober durchführen werden. Beim Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten geht es um Überprüfungsmöglichkeiten und Glaubwürdigkeit und letztendlich um Demokratie. Darum ist es wichtig, dass wir die gute Zusammenarbeit fortsetzen und der Öffentlichkeit zuhören.

(Beifall)

 
  
MPphoto
 
 

  Andreas Schwab, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – Herr Präsident, Frau Kommissarin, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal möchte ich gerne für die PPE-DE-Fraktion im Petitionsausschuss dem Berichterstatter Hammerstein Mintz und auch dem Kollegen Cashman für ihre Arbeit und die daraus resultierenden Berichte herzlich danken. Sie leisten in der Tat einen erheblichen Beitrag dazu, dass die Bereitschaft seitens des Europäischen Parlaments, Europa transparenter zu gestalten, nicht bezweifelt werden kann.

Wenn Sie mir erlauben, möchte ich kurz etwas über die Vorgeschichte zum Bericht Hammerstein Mintz sagen. Es war so, dass wir uns mit den Freundinnen und Freunden der Jungen Union über die Frage unterhalten haben, wie es eigentlich passieren kann, dass wir in der nationalen Öffentlichkeit so oft Nachrichten über bestimmte Entscheidungen erhalten, die dann den Europäischen Institutionen angelastet werden, obwohl der Rat – der heute Abend ja auch sehr prominent besetzt ist – an diesen Entscheidungen paritätisch mitgewirkt hat. Darüber entstand die Idee, im Zusammenhang mit dem Konvent, dann über Elmar Brok an den Europäischen Bürgerbeauftragten heranzutreten und zu versuchen, einmal die europäische Rechtslage, die ja auch vom Rat mitentschieden wurde, in diesen Zusammenhang einzubringen.

Wer viel von Bürgernähe spricht und davon, dass die EU demokratischer werden sollte, der sollte natürlich auch aktiv mithelfen, dass dies Realität wird. Dem Ansehen Europas, in diesem Falle aber vor allem jenem des Rates und der Europäischen Union insgesamt, wäre damit ein großer Dienst erwiesen.

Ich glaube, dass wir ungeachtet der einzelnen Themen, die die Kollegen Cashman und Hammerstein Mintz angesprochen haben, bei der Kommission und im Parlament weniger Handlungsbedarf haben, was Transparenz und Offenheit angeht, sehr wohl aber beim Ministerrat. Natürlich ist die Arbeitsweise des Ministerrates in gewisser Weise schwieriger, weil die Konstanz verschiedener Dinge nicht so gegeben ist wie im Parlament oder in der Kommission. Dennoch glaube ich, dass man gerade bei so einer Debatte – ohne der österreichischen Präsidentschaft zu nahe treten zu wollen – doch verlangen können müsste, dass wir sie mit sehr viel mehr Seriosität angehen. Es kann zweifellos nicht jeder Wunsch nach Information befriedigt werden, aber die Grundzüge der Transparenz sollten schon gelten. Vielleicht können Sie das ja in Ihrem Gremium entsprechend weiterleiten.

 
  
MPphoto
 
 

  Michael Cashman, im Namen der PSE-Fraktion. (EN) Herr Präsident! Ich möchte das Hohe Haus zwar nicht aufhalten, indem ich zwei wertvolle Minuten seiner Zeit in Anspruch nehme, doch möchte ich auf die äußerst wertvolle Arbeit von Herrn Hammerstein Mintz verweisen. Er hat mit uns allen sehr eng zusammengearbeitet, und ich möchte ihm im Namen der PSE-Fraktion mitteilen, dass ihm die volle Unterstützung meiner Fraktion gewiss ist.

Wenn Sie gestatten – ich habe versäumt, meiner verehrten Kollegin, Frau Cederschiöld, zu danken, mit der ich neben anderen sehr eng bei meinem Bericht zusammengearbeitet habe. Ich danke dem Hohen Haus für seine Geduld.

 
  
MPphoto
 
 

  Chris Davies, im Namen der ALDE-Fraktion. (EN) Herr Präsident! Die Öffentlichkeit betrachtet das europäische Beschlussfassungsverfahren mit großer Skepsis. Das ist auch nicht verwunderlich, wenn Minister zusammenkommen, um hinter verschlossenen Türen Gesetze zu verabschieden. Das muss nicht sein. Möglicherweise gelingt es uns niemals, die Europäische Union vollkommen zu machen, aber wir können sie zumindest besser machen. Der Bürgerbeauftragte hat uns große moralische Autorität verliehen und hat der parteiübergreifenden Kampagne in diesem Haus, die eine erstaunliche Unterstützung genießt, mehr moralisches Gewicht verliehen. Was mein Heimatland betrifft, so ist es gelungen, die proeuropäischen Liberalen und die antieuropäischen Mitglieder der Independence Party des Vereinigten Königreichs für eine gemeinsame Sache in einer Plattform zu vereinigen – ein einzigartiges Ereignis.

Das ist auf ein einfaches Prinzip zurückzuführen: Gesetze sollten nicht im Geheimen verabschiedet werden. Minister sollten ihre Meinung sagen, ehrlich und öffentlich, so dass die Bürger erfahren, was sie tun, und die nationalen Parlamente sie in die Pflicht nehmen können.

Bei der Unterzeichnung des Verfassungsvertrags haben sich alle Staats- und Regierungschefs diesem Grundsatz verpflichtet – der Rat soll öffentlich tagen, wenn er Rechtsakte aushandelt. Aber es bedarf keiner Änderung des Vertrags, lediglich einer Änderung der Geschäftsordnung des Rates: nicht einmal 25 Ja-Stimmen, sondern lediglich 13 – eine einfache Mehrheit – können die ziemlich grundlegende Änderung und die Einführung dieses Grundsatzes herbeiführen.

Der britische Ratsvorsitz hat nette Worte dazu gesagt, sich aber am Ende gedrückt.

(Einwurf von Herrn Cashman: Nein!)

Okay, sie haben die Geschäftsordnung nicht geändert, Michael, so sieht die Wahrheit aus.

Der österreichische Ratsvorsitz hat nun die Möglichkeit, daran etwas zu ändern. Als ich diese Frage der österreichischen Außenministerin im Januar stellte, hat sie geantwortet: Wir werden tun, was wir können, aber uns ist auch klar, dass dies eine heikle Angelegenheit ist. Weshalb ist dies heikel? Hier geht es um Offenheit und Transparenz, ein grundlegendes europäisches Prinzip, dem sich jeder Staats- und Regierungschef verpflichtet hat.

Ich erwarte, dass der österreichische Ratsvorsitz jetzt die Initiative ergreift und sie zur Abstimmung stellt. Wenn die Realität so aussieht, dass einige Mitgliedstaaten – beispielsweise Frankreich – hinter den Kulissen versuchen, diese Initiative zu blockieren, dann sollten wir sie beim Namen nennen, damit sie ihrer Bevölkerung und den Bürgern Europas Rechenschaft ablegen können.

(Beifall)

 
  
MPphoto
 
 

  Johannes Voggenhuber, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Was ist Demokratie? Was immer für Antworten im Laufe der europäischen Geschichte über die Jahrhunderte hervorgebracht wurden – es gibt keine einzige, in der die Öffentlichkeit der Gesetzgebung nicht als ein grundlegendes Bauprinzip von Demokratie bezeichnet wird, ohne die es Demokratie nicht gibt. Der Rat der Europäischen Union leistet sich diese Missachtung eines grundlegenden Prinzips. Er hat die Stirn, das als seine eigene Angelegenheit zu bezeichnen, als seine eigene politische Entscheidung, und die vertragliche Verpflichtung zu Öffentlichkeit und Transparenz mit einem unerhörten Zynismus zurückzuweisen, indem er sagt: Dieses Transparenzgebot gilt für eine künftige Union.

Das ist für das Europäische Parlament zwangsläufig unerträglich. Dieser Bericht berührt den innersten Kern der Vertrauenskrise in der europäischen Bürgerschaft. Je mehr ich mich mit diesem Missstand beschäftige – und er war mir, mit Erfolg, ein Hauptanliegen im Konvent –, desto mehr erscheint mir der Rat als das schwarze Loch der Demokratie. Er ist das Demokratiedefizit.

Das Parlament sollte alles tun, damit das hier nicht zu einer Alibiaktion zur Bewahrung unseres besseren Gewissens wird. Wir sind die direkt gewählte Vertretung der europäischen Bürgerinnen und Bürger, und wir haben diese Sache zu unserer zu machen. Mein Vorschlag geht weit über diesen Bericht, für den ich mich sehr bedanke, hinaus: Wir als Parlament, als Vertreter der Bürgerschaft Europas, sollten dem Rat ein Ultimatum bis Ende dieses Jahres stellen. Wenn der Rat dann nicht dieses Grundprinzip der Demokratie achtet und seine Geschäftsordnung ändert und die Öffentlichkeit der Gesetzgebung herstellt, sollte dieses Haus alle Gesetzesvorhaben des Rates zurückweisen, die nicht öffentlich beraten und beschlossen wurden.

 
  
MPphoto
 
 

  Erik Meijer, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (NL) Herr Präsident! Obgleich in der Europäischen Union wahrscheinlich die Kommission und das Parlament die meiste Aufmerksamkeit auf sich ziehen, übt letztendlich der Rat die größte Macht aus. Dort werden die Vetos eingelegt, und dort bestehen die Möglichkeiten, das zu verzögern, was Kommission und Parlament beschlossen haben. Dort treiben die Regierungen der Mitgliedstaaten ihren Tauschhandel, dort werden undurchsichtige Geschäftsinteressen geschützt, und dort ist die Geheimniskrämerei am größten. Die vorgeschlagene Verfassung, die im vergangenen Jahr von der Wählerschaft in Frankreich und den Niederlanden abgelehnt wurde, hätte an der mächtigen Rolle des Rates als Regierung und Senat in einem nichts geändert.

Zu den wesentlichen Demokratiedefiziten der Union zählt die Tatsache, dass der Rat hinter verschlossenen Türen tagt. In der Praxis können sich die Mitglieder dieses Hauses und der einzelstaatlichen Parlamente daher unmöglich sicher sein, dass die Minister ihrer Mitgliedstaaten so abstimmen, wie sie es zugesagt haben. Ein treffendes Beispiel dafür ist die Abstimmung über die Softwarepatente vor einem Jahr, anlässlich der entweder der niederländische oder der dänische Minister ihre Parlamente über ihr eigenes Abstimmungsverhalten angelogen haben. Die demokratische Kontrolle über die Beschlussfassung wird so unmöglich. Wir sollten nicht auf eine Verfassung warten, um die Öffentlichkeit der Tagungen des Rates – sämtlicher Sitzungen und nicht nur der, die er in seiner Eigenschaft als Gesetzgeber abhält – herzustellen. Weitere Verzögerungen sind gleichbedeutend mit der bewussten Aushöhlung der parlamentarischen Demokratie.

 
  
MPphoto
 
 

  Marcin Libicki, im Namen der UEN-Fraktion. (PL) Herr Präsident! Es ist mir eine große Freude, auf der heutigen Sitzung das Wort ergreifen zu können, denn wir sprechen über zwei Dokumente, die vom Parlament, den Abgeordneten dieses Parlaments und einem herausragenden Mitglied des von mir geleiteten Petitionsausschusses, Herrn Hammerstein Mintz, ausgearbeitet wurden, und außerdem über einen Bericht von Herrn Cashman im Namen des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres. Herr Cashman ist stellvertretender Vorsitzender und herausragendes Mitglied des Petitionsausschusses.

Ein Ausgangspunkt der Debatte ist der Bericht des Europäischen Bürgerbeauftragten, Professor Diamandouros, über den Öffentlichkeitsgrad der Arbeit des Rates. Die Arbeit von Professor Diamandouros ist ebenfalls eng mit unserem Ausschuss verbunden. Indem ich hier im Namen der Fraktion für das Europa der Nationen, aber auch als Vorsitzender des Petitionsausschusses das Wort ergreife, möchte ich meiner großen Genugtuung darüber Ausdruck geben, dass ich über diese drei hervorragenden Dokumente sprechen kann. Ich möchte die Verfasser, Herrn Hammerstein Mintz und Herrn Cashman, zu ihrer ausgezeichneten Arbeit beglückwünschen.

Wir sprechen heute über Offenheit. Mitunter ist zu hören – obwohl das heute nicht der Fall war –, dass nicht alles öffentlich sein muss, dass es Verhandlungen, Gespräche, Vorbereitungsarbeiten gebe. Dem stimmen wir auch zu. Solche Verhandlungen, Gespräche und Vorbereitungsarbeiten müssen hinter den Kulissen stattfinden. Wir fordern keine Offenheit in dem Sinne, dass wir belauschen können, was die Minister mit ihren Kollegen in ihren Büros oder vor den Tagungen des Rates besprechen. Wenn der Rat jedoch mit seinen Debatten beginnt, wollen wir wissen, worüber gesprochen wird und wer welchen Standpunkt vertritt.

Es gibt mindestens drei Gründe, eine solche Offenheit zu verlangen. Der erste Grund ist der, dass wir einfach ein Recht auf die Wahrheit haben und deshalb wissen wollen, was die Wahrheit ist. Zweitens haben wir ein Recht auf Kontrolle. Wir haben ein Recht auf Kontrolle als einzelne Mitglieder des Europäischen Parlaments und als Europäisches Parlament insgesamt, und wir haben dieses Recht auch als Angehörige und Bürger der Europäischen Union. Unsere Kolleginnen und Kollegen Abgeordneten in den Parlamenten der Mitgliedstaaten, deren Minister im Rat das Wort ergreifen, haben ebenfalls ein Recht zu wissen, worum es geht. Mit anderen Worten: Sowohl die europäische Öffentlichkeit als auch die Öffentlichkeit in den einzelnen Mitgliedstaaten hat das Recht zu erfahren, was im Rat vor sich geht.

Eine Frage liegt dem Petitionsausschuss ganz besonders am Herzen, nämlich die Annäherung der europäischen Institutionen an die Bürger. Wenn wir von einer Vertrauenskrise in den europäischen Institutionen sprechen, könnten wir mit einer solchen Offenheit der Debatten diese Krise überwinden. Wir wollen also, dass in Europa Vertrauen herrscht, ein Vertrauen, auf das – und ich freue mich sehr, das sagen zu können – der Petitionsausschuss und seine beiden herausragenden Mitglieder, die diese Berichte verfasst haben, hinarbeiten.

 
  
MPphoto
 
 

  Jens-Peter Bonde, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (DA) Herr Präsident, es gibt eine ganz einfache Methode, um in der EU für Transparenz zu sorgen, nämlich die Umkehrung der bisherigen Verfahrensweise in dem Sinne, dass alle Sitzungen und Dokumente frei zugänglich sind, solange nicht etwas anderes beschlossen wird. So handhaben wir die Dinge hier im Europäischen Parlament, und die anderen Institutionen können durchaus von uns lernen. Unsere Ausschusssitzungen zur Vorbereitung von Rechtsakten sind öffentlich. Warum können nicht die entsprechenden Beratungen in den 300 halbgeheimen Arbeitsgruppen des Rates ebenso transparent sein. Warum will uns die Kommission nicht sagen, wer an den 3000 geheimen Arbeitsgruppen mitwirkt?

Beim Konvent erhielt der Vorschlag zur Umkehrung der Verfahrensweise 200 der 220 möglichen Unterschriften. Kein anderer Vorschlag fand eine derartige Resonanz, denn ihm stimmten alle Abgeordneten der nationalen Parlamente, sämtliche Abgeordnete des Europäischen Parlaments bis auf einen sowie 23 von 28 Regierungen zu. Zur Umsetzung ist nicht einmal eine Änderung des Vertrages erforderlich. Sie kann durch eine einfache Änderung der Geschäftsordnung erfolgen. Sowohl die Kommission als auch der Rat können den Vorschlag durch einen einfachen Mehrheitsbeschluss annehmen, d. h. es werden die Stimmen von 13 der 25 Kommissare und 13 der 25 im Rat vertretenen Länder benötigt. Herr Barroso und Herr Schüssel, geben Sie Ihrem Herzen einen Stoß und leiten Sie die Dinge in die Wege, damit die Bürger der notwendigen grenzüberschreitenden Zusammenarbeit wieder mit Achtung begegnen.

 
  
MPphoto
 
 

  Charlotte Cederschiöld (PPE-DE).(SV) Herr Präsident! Zunächst möchte ich Herrn Cashman herzlich für seine langjährige konstruktive Mitarbeit an dem Ziel der Verbesserung der Transparenz danken. Das Europäische Parlament ist stets die treibende Kraft gewesen, aber fairerweise muss ich auch anerkennen, dass Kommission und Rat in letzter Zeit ebenfalls zu dem wirklich erheblichen Qualitätssprung beigetragen haben, den wir in den letzten fünf Jahren verzeichnen konnten. Wir haben in der EU jetzt ein Legislativverfahren, das wesentlich transparenter ist als das in den meisten nationalen Parlamenten, das Parlament meines Landes eingeschlossen.

Ziel dieser Überprüfung ist es, für alle drei Institutionen die gleichen Regeln aufzustellen. Dabei hoffe ich natürlich, dass dieses Verfahren auf die nationalen Gremien abfärben wird. Die Rechtsvorschriften müssen so formuliert sein, dass sie von der Mehrzahl der Institutionen, seien es nun solche der EU oder solche der Mitgliedstaaten, angewendet werden können. Das Parlament ergreift diese Transparenzinitiative, um die demokratische Kontrolle zu verstärken und dort Klarstellungen anzubringen, wo die Rechtsvorschriften nicht eindeutig sind. Die Protokolle der Tagungen des Rates müssen veröffentlicht werden, wenn der Rat als Mitgesetzgeber handelt, was nicht bedeuten muss, dass alle Tagungen des Ausschusses der Ständigen Vertreter öffentlich sein müssen.

Ebenso wie im Konzertierungsverfahren sollte ein gewisser Verhandlungsspielraum garantiert werden. Transparenz sollte allerdings dort Anwendung finden, wo die eigentlichen Beschlüsse über die gesetzlichen Vorschriften gefasst werden. Ein genereller Zugang der Öffentlichkeit zu Rechtsgutachten würde eine Einschränkung des politischen Handlungsspielraums bedeuten oder die Qualität der Gutachten senken. Die mit einer bestimmten Frage beschäftigten Abgeordneten sollten jedoch in gewissen Fällen die Möglichkeit zur Einsicht in die Rechtsgutachten erhalten, nachdem sie sich schriftlich zum gleichen Stillschweigen verpflichtet haben, wie alle anderen Beteiligten.

Ein klar abgegrenzter und starker Datenschutz ist eine Voraussetzung für größere Transparenz. Die entsprechenden Rechte – Transparenz und Datenschutz – ergänzen und verstärken einander. Unter dem Siegel der Vertraulichkeit weitergegebene Informationen müssen respektiert werden. Auch darf es auf diesem Gebiet keine rückwirkenden Maßnahmen geben. Ich bin überzeugt davon, dass wir einen fairen und ausgewogenen Vorschlag bekommen werden, wenn die Kommission ihre Arbeit abgeschlossen hat. Ich habe volles Vertrauen in Frau Wallström. Hinsichtlich des Zugangs der Bürgerinnen und Bürger zu Dokumenten müssen die Dinge noch weiterentwickelt werden. Außerdem muss der Rat den Bürgern und dem demokratischen Prozess Achtung entgegenbringen. Hier bleibt noch viel zu tun.

(Beifall von verschiedenen Seiten)

 
  
MPphoto
 
 

  Alexandra Dobolyi (PSE). (HU) Ich möchte dem Kommissar dafür danken, dass er sich zusammen mit dem Europäischen Parlament so nachdrücklich dafür einsetzt, dass die Sitzungen des Rates öffentlich erfolgen. Mir bleibt nur zu wiederholen, was meine Vorredner hier zum Ausdruck gebracht haben, denn alle haben sich zur gleichen Frage geäußert: Die parlamentarische Gesetzgebung ist ein fundamentaler Grundsatz der modernen Demokratie, die mit gesetzgebender und vollziehender Gewalt ausgestattet ist. Zwar gibt es in Mitgliedstaaten der Europäischen Union Kammern des Parlaments, die – wie das britische Oberhaus – nicht direkt von den Bürgern gewählt werden, doch treffen auch diese Kammern ihre Entscheidungen in aller Öffentlichkeit.

Leider bildet der Rat eine Ausnahme von diesem fundamentalen Grundsatz. Innerhalb des demokratischen Systems der Europäischen Union ist er das einzige gesetzgebende Organ weltweit, das seine Entscheidungen hinter verschlossenen Türen trifft. Der Ausschluss der Öffentlichkeit und die Geheimnistuerei tragen nicht gerade zur Glaubwürdigkeit der Europäischen Union bei. Bei der Erörterung eines besonders interessanten und kontroversen Themas wäre der Meinungsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten transparenter und allgemeinverständlicher, wenn der Rat die gesetzgeberische Debatte in einem frühen Stadium des Verfahrens öffentlich durchführen würde. Deshalb begrüße ich insbesondere den ausgezeichneten Bericht von David Hammerstein, die Vorschläge von Michael Cashman und den einschlägigen Bericht des Europäischen Bürgerbeauftragten und möchte ihnen für die geleistete Arbeit danken. Ich möchte Sie alle daran erinnern, dass entsprechend dem ersten Artikel des Vertrags über die Europäische Union die Entscheidungen möglichst offen und möglichst bürgernah zu treffen sind.

 
  
MPphoto
 
 

  Anneli Jäätteenmäki (ALDE).(FI) Herr Präsident! Nach den EU-Verträgen müssen Beschlüsse so öffentlich wie möglich und so bürgernah wie möglich gefasst werden. Keines dieser Grundprinzipien findet in der Praxis Anwendung, und das trägt zweifellos nicht zum Ansehen der EU bei. Es ist nicht hinnehmbar, dass sich das wichtigste Recht setzende Organ der EU, der Rat, nach wie vor hinter verschlossenen Türen trifft, wenn es als Gesetzgeber agiert. Ich versuche mir einmal vorzustellen, was passieren würde, wenn ein nationales Parlament eines Mitgliedstaates seine Türen schließen würde, wenn es sich daran macht, Gesetze zu erlassen – das Parlament wäre verpflichtet, dies zu missbilligen. In der EU jedoch ist es immer noch möglich, Rechtsvorschriften auf undemokratische Art und Weise zu erlassen.

Eine größere Transparenz würde es einfacher machen, das Europäische Parlament wie auch die nationalen Parlamente zu überwachen, und sie würde die öffentliche Debatte zu Fragen im Zusammenhang mit der EU deutlich verbessern. Es ist heutzutage für nationale Parlamente und die Öffentlichkeit sehr schwierig, Entscheidungen, die von den Ministern des eigenen Landes im Rat getroffen werden, nachzuvollziehen und zu überwachen. Das ist in der Tat nicht länger hinnehmbar: Transparenz ist ein Teil der Demokratie.

Es gibt zurzeit Menschen in der EU, die sagen, dass der Verfassungsvertrag schnell ratifiziert werden sollte. Ich halte es allerdings für viel wichtiger, dass die EU die Transparenz fördert und dass alle EU-Organe, in erster Linie natürlich der Rat, ihr Äußerstes in dieser Hinsicht unternehmen. Auf diese Weise könnte dieses schwarze Loch der Demokratie gefüllt werden und Transparenz würde zu einer Maxime bei der Rechtsetzung auf der EU-Ebene werden.

 
  
  

VORSITZ: MARIO MAURO
Vizepräsident

 
  
MPphoto
 
 

  Carl Schlyter (Verts/ALE).(SV) Herr Präsiden! Ich danke den Berichterstattern für ihre konstruktive Arbeit. Mir gefällt der Vorschlag von Herrn Voggenhuber, dass wir uns weigern sollten, an einer undemokratischen Beschlussfassung mitzuwirken. Wo sind die Vertreter des Rates? Haben sie Probleme, sich so spät am Abend wach zu halten? Das kommt, weil sie sich in ihren Räumen einschließen. Wenn sie ihre Räume öffnen würden, hätten sie genügend Sauerstoff, der bis zum Abend reicht und ihnen die Kraft geben würde, an diesen Aussprachen teilzunehmen. Warum öffnen Sie die Türen nicht? Suchen Politiker nicht sonst jede Gelegenheit zu einem Fernsehauftritt? Ich frage mich, warum der Rat sich diese Gelegenheit entgehen lässt. Wie die gesamte europäische Bevölkerung würde auch ich gerne wissen, was er treibt. Dabei ließe sich die Situation ganz leicht beheben: Öffnen Sie die Türen, damit wir sehen, was vor sich geht. Ich vertraue darauf, dass Frau Wallström die EU in das 21. Jahrhundert führen und den Rat aus seinem Schlaf, in den er im 20. Jahrhundert gefallen ist, wecken wird. Wir müssen den Rat auch daran erinnern, dass die inzwischen öffentlichen Tagungen sich nicht in einstündige formale Beratungen mit anschließendem vierstündigem Arbeitsessen verwandeln dürfen, denn dann bliebe von der Transparenz nichts als eine Schimäre. Hoffen wir also, dass der Rat beim Essen schnell ist, seine Beschlüsse aber öffentlich und über einen längeren Zeitraum fasst.

 
  
MPphoto
 
 

  Carlos Coelho (PPE-DE).(PT) Frau Wallström, meine Damen und Herren! Wir glauben, dass das Recht auf Zugang zu Dokumenten eines des wichtigsten Rechte der Bürger Europas ist.

Die EU hat immer mehr Dokumente für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Doch es sind etliche Probleme aufgetreten, insbesondere in Bezug auf die unzureichende Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 1049/01. Darum hat das Parlament zu Recht wiederholt betont, dass diese Verordnung geändert werden muss, um sie zu verbessern und die EU-Rechtsvorschriften im Bereich der Transparenz zu stärken.

Wir haben das getan, weil der Ansatz, dass die Bürger zum europäischen Aufbauwerk gehören und sich damit identifizieren, unbedingt bekräftigt werden muss. Damit das geschehen kann, muss der Entscheidungsprozess auf transparenten, offenen Verhandlungen und einer sachgerechten Zusammenarbeit zwischen den Institutionen ohne unerwünschte Verschwiegenheit beruhen. Diese geänderte Verordnung sollte ferner die Rechtsgrundlage für die Einführung von Regelungen, guter Verwaltungspraktiken und interinstitutioneller Vereinbarungen sein, die eine bessere redaktionelle Qualität von Legislativtexten und die Zugänglichkeit endgültiger Legislativtexte gewährleisten.

Ich stimme Herrn Cashman, der wieder einmal ausgezeichnete Arbeit geleistet hat, von ganzem Herzen zu, wenn er sagt, dass der Umstand, dass das Parlament keine eindeutige Rechtsgrundlage für den Zugang zu geheimen EU-Informationen hat, dem demokratischen Grundsatz zuwiderläuft, auf den sich die Union gründet.

Es ist auch bedauerlich, dass die Organe keine gemeinsame Linie über die Art der Verwaltung, der gemeinsamen Nutzung sowie der Speicherung der verschiedenen Dokumententypen verfolgen. Ohne Zweifel hat es Verbesserungen gegeben, aber nach wie vor fehlt es an einer Koordinierung zwischen den Organen, vor allem in Bezug auf Dokumente im Zusammenhang mit den interinstitutionellen Verfahren. Außerdem sollte es klare Regeln für den Zugang zu Verwaltungsdokumenten geben.

Herr Präsident, abschließend komme ich auf einen Punkt, der besonders mich als Vorsitzender des nichtständigen Ausschusses zur Untersuchung der CIA-Flüge betrifft. Ich möchte mein Bedauern darüber zum Ausdruck bringen, dass der Punkt des Zugangs zu Dokumenten, die von den Mitgliedstaaten als vertraulich eingestuft und dem Rat zur Verfügung gestellt werden, gestrichen wurde.

 
  
MPphoto
 
 

  Roger Knapman (IND/DEM). – (EN) Herr Präsident! Vermutlich ist das überhaupt das erste Mal, dass die UK Independence Party hilfreich ist, und so ist es gut, dass ich meinen einminütigen Redebeitrag halten kann. Wir haben wiederholt den Rat wegen des Mangels an Transparenz verurteilt. Das Rezept ist ganz einfach: Änderung der Geschäftsordnung, wie Herr Hammerstein Mintz in seinem Bericht dargelegt hat. Ein solcher Schritt würde zweifelsohne sicherstellen, dass es in Zukunft den britischen Bürgern nicht verborgen bleibt, wenn britische Minister sich nicht an das halten, was sie vor solchen Treffen versprochen haben.

Aber es gibt noch mehr. Die Kommission bleibt auch weiterhin die nicht gewählte Regierung der EU, die ohne jegliches demokratisches Mandat Gesetze verfasst und diktiert. Dieses Parlament peitscht nach wie vor in grotesker Weise eine Abstimmung nach der anderen durch zweifelhaftes Handheben durch. Vor allem wird die demokratische Ablehnung der gescheiterten EU-Verfassung in Frankreich und Holland von Rat, Kommission und Parlament völlig missachtet. Wir sollten aufhören, die übrige Welt in Sachen Demokratie belehren zu wollen. Öffnen wir die Türen des Rates wie auch der Kommission!

 
  
MPphoto
 
 

  Inés Ayala Sender (PSE).(ES) Herr Präsident! Ich beglückwünsche Herrn Hammerstein und die Kommissarin herzlich zu ihren Anstrengungen, endlich die Tagungen des Rates zu demokratisieren, die Türen der Beratungen zu öffnen, in denen Gesetze verabschiedet werden, ohne dass die Bürgerinnen und Bürger alle notwendigen Informationen erhalten.

Ich muss bemerken, dass in meinem Land, in Spanien, das für die europäische Verfassung gestimmt hat, dies eines der Argumente war, die bei den Bürgerinnen und Bürgern die größte Akzeptanz fanden: die Möglichkeit, die Tagungen des Rates demokratisch zu gestalten und Zugang zu allen diesen Informationen zu erlangen.

Daher unterstütze ich die Vorschläge des Berichterstatters, insbesondere im Hinblick auf die Veröffentlichung sämtlicher Informationen, einschließlich aller, die die aufeinander folgenden Ratspräsidentschaften betreffen, im Internet und in allen Amtssprachen der Gemeinschaft, ohne jegliche Einschränkung in der Kommunikation.

Es wäre wenig hilfreich, alle Informationen zu veröffentlichen, jene Türen zu öffnen, aber das nur in zwei oder drei Sprachen, wie es einige Institutionen derzeit anscheinend anregen. Die Transparenz erfordert auch, dass die übermittelten Informationen verstanden werden, und zwar von allen Bürgerinnen und Bürgern. Daher müssen wir an alle Institutionen, die für die demokratische Transparenz des Rates sind, den Appell richten, alles in ihren Kräften Stehende zu tun, um diese Transparenz in sämtlichen Sprachen zu gewährleisten.

 
  
MPphoto
 
 

  Bill Newton Dunn (ALDE). – (EN) Herr Präsident! Ich möchte eingangs ein paar Worte zu Herrn Knapmans absurden Bemerkungen sagen. Er erklärte, die Kommission sei eine nicht gewählte Regierung. Natürlich ist jedem zweifelsohne bekannt, dass es sich in keiner Weise um eine Regierung handelt. Möchten Sie, dass sie gewählt wird? Wollen Sie ein föderatives Europa mit einer gewählten Regierung? Also was wollen Sie, Herr Knapman? Dann gebraucht er diese lächerliche Formulierung: Die Kommission „diktiert“ Gesetze. Sie diktiert überhaupt nichts: Sie erhält ihre Befugnisse vom Rat und vom Parlament. Sagen Sie der britischen Öffentlichkeit einfach nur die Wahrheit – das ist alles, worum wir bitten. So weit zu Herrn Knapman.

Die ALDE-Fraktion unterstützt voll und ganz diese Berichte. Wir wollen mehr Offenheit. Unter dem britischen Ratsvorsitz haben wir hart gekämpft, um Herrn Blair zu überzeugen, dass etwas getan werden muss. Wie üblich machte er große Worte und Versprechen, doch im Ministerrat wurde unter dem britischen Ratsvorsitz sehr wenig gehandelt. Und das ist äußerst bedauerlich. Wir wollen, dass der Rat öffentlich über Gesetze entscheidet. Es ist nicht zu übersehen: Nur Nordkorea und Beijing verhalten sich so wie der Ministerrat in Brüssel. Das muss sich ändern, wenn wir wollen, dass die Bürgerinnen und Bürger verstehen, was in Europa geschieht.

Zweitens wollen wir, dass im Rahmen des Legislativverfahrens verfasste Rechtsgutachten der Öffentlichkeit bekannt gemacht werden, also nicht nur den Ausschüssen des Parlaments, sondern der Bevölkerung, die wir vertreten.

Meine Redezeit ist um. Wir werden alle dafür stimmen – ich hoffe, auch Herr Knapman.

 
  
MPphoto
 
 

  Alexander Stubb (PPE-DE). – (EN) Herr Präsident! Nachdem ich sechs Jahre lang in der finnischen Vertretung und im finnischen Außenministerium – mit anderen Worten im Rat – und drei Jahre in der Kommission als Beamter tätig war, weiß ich nicht genau, ob ich eher eine Belastung oder eine Bereicherung für die Diskussion bin – vermutlich eine Belastung, und ich wende mich damit an Pekka Shemeikka und alle seine Freunde im Rat!

Ich möchte einige Bemerkungen machen. Erstens befassen wir uns hier mit zwei gesonderten, aber eng miteinander verwobenen Fragen: Zugang zu Dokumenten und Offenheit im Rat. Wenn Herr Cashman entschuldigt, werde ich mich auf Letzteres konzentrieren. Ich habe manchmal das Gefühl, dass wir in der Aussprache doch etwas heuchlerisch sind, denn wenn wir uns nationale Parlamente ansehen, dann herrscht in vielen Ausschüssen niemals Offenheit. Wir sind wesentlich offener als nationale Parlamente, und dass sollten wir nicht vergessen.

Mein zweiter Punkt betrifft die Öffnung der Ratstagungen. Das ist eine lange Geschichte. Sie beginnt mit dem Bericht Trumpf-Piris im Jahre 1999, dann folgten mehrere Schlussfolgerungen des Rates 2001, die Verfassung 2004 und ein Beschluss des Rates 2005. Die Geschichte nimmt kein Ende, aber wir begreifen sie nicht. Meiner Meinung nach ist es eine großartige Idee, die Ratstagungen öffentlich zu machen. Uns allen ist bekannt, dass Minister die EU als Sündenbock benutzen. Zuerst klopfen sie einander auf die Schulter während der Ratstagung mit den Worten: „Ein guter Kompromiss“; fünf Minuten später treten sie vor ihre einheimischen Medien und erklären: „Wir konnten nichts machen“. Wir brauchen Offenheit im Rat, wenn er Beschlüsse fast, und je früher wir das tun, desto besser.

Eine ganz andere Frage ist, dass ich – nachdem ich hunderte von Stunden auf Ratstagungen zugebracht habe – sagen kann, dass es sich vermutlich um die langweiligsten Tagungen handelt, die man sich vorstellen kann. Offenheit würde die Debatte im Rat beleben, weil viele oftmals nur hinkommen und vorbereitete Dokumente vorlesen. Es ist wirklich langweilig, und wenn sie öffentlich werden, würde es doch etwas besser werden.

Meine nächste Bemerkung betrifft Coreper. Seien wir ehrlich: Ich glaube nicht, dass Coreper jemals für die Öffentlichkeit zugänglich sein wird, und ich denke nicht, dass dies unbedingt schlecht ist.

Ich möchte mit einem unrealistischen Vorschlag abschließen, der dem von Herrn Voggenhuber ähnelt. Wir müssten Tagungen haben, bei denen der Rat zusammenkommt, ohne dass Assistenten daneben sitzen, und die vollständig öffentlich sind. Das wäre ein wahrhaft offener und transparenter Rat, und den brauchen wir.

 
  
MPphoto
 
 

  Proinsias De Rossa (PSE). – (EN) Herr Präsident! Eine lebhafte, öffentliche, politische Debatte über konkrete Fragen ist die Grundlage für die Schaffung eines europäischen politischen Raums. Wenn eines unserer gesetzgebenden Organe hinter verschlossenen Türen tagt und Beschlüsse fasst, verweigern wir die Schaffung und Herausbildung dieses politischen Raums.

Ich unterschätze nicht die Probleme, die mit der Information von 450 Millionen Bürgern in über zwei Dutzend Sprachen über eine solche Debatte verbunden sind, aber wir haben heute die dafür erforderliche Technologie: Wir haben Satelliten-TV, Rundfunk, Webcasting, eine große Vielzahl von Kommunikationsmitteln, auf die wir zurückgreifen können, und ich glaube nicht, dass die Kosten als Entschuldigung herhalten sollten, dann der Preis für Nichtstun, der Preis für keine offene, öffentliche, lebhafte Debatte in Europa wäre, keine Zukunft für Europa zu schaffen.

Am 22. April wird der Rat Wettbewerb hinter verschlossenen Türen tagen, um über die Zukunft der Dienstleistungsrichtlinie zu beschließen, einer Richtlinie, an der Millionen europäische Bürger aktiv mitgewirkt und ein aktives Interesse haben. Diese Debatte sollte öffentlich sein.

 
  
MPphoto
 
 

  Barbara Kudrycka (PPE-DE). – (PL) Ich freue mich, dass die Institutionen der Europäischen Union zunehmend offener und transparenter werden, doch müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass der Zugang zu Dokumenten und die Öffentlichkeit der Tagungen des Rates keine Gunst ist, die die Europäische Union den europäischen Bürger zwar erweisen kann, aber nicht muss. Das ist vielmehr eine gesetzliche und moralische Pflicht, die den Grundprinzipien der verantwortungsvollen Staatsführung, also der „good governance“, entspricht, weil wir damit die Entfremdung der Europäer von den europäischen Institutionen und ihre wachsende Euroskepsis schrittweise überwinden und solchen Scherzen ein Ende bereiten können, wir würden uns nur mit der symbolischen Krümmung der Banane beschäftigen.

Wenn die Europäische Union ihre demokratischen Grundwerte, die mit dem Schutz der Menschenrechte und den Werten einer verantwortungsvollen Staatsführung verbunden sind, nach außen trägt oder tragen will, muss sie hier selbst mit gutem Beispiel vorangehen. Aus der Sicht der postkommunistischen neuen Mitgliedstaaten jedoch, aber auch der Staaten, die nach Demokratie streben und sich in einem Prozess des gesellschaftlichen Wandels befinden, muss ich bedauerlicherweise feststellen, dass die Institutionen der Europäischen Union aufgrund ihrer mangelnden Transparenz nach wie vor nicht das beste Beispiel zur Nachahmung abgeben. Deshalb brauchen wir unbedingt neue Regelungen, die die Pflichten der EU-Institutionen konkreter fassen und in denen eindeutig und präzise festgelegt ist, wann der Zugang zu Dokumenten und zu den Aufzeichnungen der Tagungen des Rates verweigert werden kann.

Zugang zu erlangen – und das gilt für die meisten Informationen – ist jedoch in der Praxis recht schwierig. Um Zugang zu einem Dokument zu erlangen, muss man zunächst einmal wissen, dass es überhaupt existiert. Ein weiterer wesentlicher Aspekt der Gewährleistung eines breitestmöglichen Zugangs sowie der Öffentlichkeit der Tagungen der EU-Institutionen besteht darin, dass Korruption, Interessenkonflikte, Unklarheiten und auch Vorwürfe, dem Entscheidungsprozess mangele es an Objektivität, eingeschränkt werden können. Wie oft haben wir den Vorwurf gehört, die Institutionen der Europäischen Union seien bei ihren Entscheidungen voreingenommen, würden sich von unklaren Prinzipien leiten lassen …

(Der Präsident entzieht der Rednerin das Wort.)

 
  
MPphoto
 
 

  Maria Matsouka (PSE). – (EL) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Debatte über die Öffentlichkeit der Tagungen des Rates ist letztendlich eine Debatte über Demokratie. Ich kann den Empfehlungen des Bürgerbeauftragten und den Vorschlägen von Herrn Hammerstein Mintz bzw. meinem Kollegen, Herrn Michael Cashman, nur von ganzem Herzen zustimmen.

Durch den Mangel an Informationen, die die Wähler zu den Standpunkten erhalten, die von den Vertretern ihrer Regierungen auf Ebene der Europäischen Union verteidigt werden, entsteht im Hinblick darauf, wer für die Entscheidungen, die ihr tägliches Leben betreffen, verantwortlich ist, eine Grauzone. Für die Regierungen ist es bequem, der Union die Schuld an Beschlüssen zu geben, die nicht in ihrem Interesse liegen, bzw. bei Entscheidungen, die ihrem Land zugute kommen, den Verdienst für sich zu beanspruchen.

Demokratie erfordert jedoch Wissen, Urteilskraft und Widerspruch. Die mangelnde Kenntnis bezüglich der Standpunkte, die die Regierungen im Rat einnehmen, beraubt die nationalen Parlamente zudem der Möglichkeit, das Vorgehen der Regierungen ihrer Staaten in europäischen Angelegenheiten zu kontrollieren.

Die Frage der Transparenz des Rates bringt uns schließlich zu der fundamentalen Frage, ob wir eine öffentliche Meinung in Europa wollen oder nicht, eine öffentliche Meinung, die in der Lage ist, ihre Zufriedenheit und ihr Missfallen zum Ausdruck zu bringen, und die im Stande ist, eine Botschaft an die europäischen Institutionen zu senden und den Rat, wie der Berichterstatter richtig feststellt, zur kollektiven Verantwortung seiner Minister zu verpflichten.

Dies ist der Kurs, den der europäische Einheitsprozess tatsächlich nehmen kann.

 
  
MPphoto
 
 

  David Hammerstein Mintz (Verts/ALE).(ES) Herr Präsident, ich möchte allen Mitgliedern des Petitionsausschusses – eines sehr wichtigen parlamentarischen Ausschusses – für ihre Hilfe danken, insbesondere seinem Vorsitzenden, Herrn Libicki, und seinem stellvertretenden Vorsitzenden, Herrn Cashman.

Kurz, ich glaube, diese Debatte hat gezeigt, dass dieses Haus Transparenz fordert. Dennoch trifft dieses Verlangen auf taube Ohren, eine autistische oder auch gar keine Antwort. Es wird viel geredet, aber nichts getan.

Wenn ich über den Vorschlag von Herrn Voggenhuber nachdenke, frage ich mich, ob wir wirklich bis zu einem parlamentarischen Streik gehen sollten, um einen Mindestgrad an Transparenz im Europäischen Rat zu erreichen. Oder werden wir diese Debatte fortsetzen, jedes Jahr, alle zwei Jahre, wobei das Parlament einen einmütigen Standpunkt hat, ohne eine Antwort vom Rat zu erhalten, ohne eine energische Initiative seitens der Kommission, ohne dass die Menschen draußen Notiz nehmen?

Es ist sehr gut, dass im Oktober die Öffnung der Räte beschlossen wurde, Kommissarin Wallström, doch die Menschen haben nichts bemerkt, im Fernsehen sind keine debattierenden Minister zu sehen, es gibt keine sichtbare Debatte.

Wir müssen die europäische politische Debatte sichtbar machen, wir müssen die Debatte im Rat politisch spannend gestalten, nicht nur die im Parlament. Dafür setzen wir uns ein, und meines Erachtens müssen wir konkrete Maßnahmen und Vorschläge unterbreiten und nicht nur schöne Reden halten.

 
  
MPphoto
 
 

  Elmar Brok (PPE-DE). – Herr Präsident, Frau Kommissarin! Entschuldigen Sie bitte, dass ich so knapp gekommen bin, aber die Sitzung des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten ist gerade in dieser Minute erst zu Ende gegangen. Ich freue mich, dass dieser Bericht vorgelegt worden ist, weil er einen wichtigen Schritt in eine richtige Richtung darstellt. Wir bräuchten uns über diesen Bericht nicht zu unterhalten, wenn der Verfassungsvertrag ratifiziert wäre, denn das ist im Verfassungsvertrag einer unserer wichtigen Wünsche: Die Frage der Transparenz ist entscheidend für die Legitimation von Politik.

Dies bedeutet nichts anderes, als dass wir eine Antwort geben müssen auf die Fragen der Bürger, wer wann wofür verantwortlich ist, wenn Entscheidungen getroffen werden. Wenn einer der beiden Gesetzgeber, nämlich der Ministerrat, nicht öffentlich tagt, wenn es sich um Gesetzgebung handelt, dann haben wir auf die Dauer ein Problem. Während wir uns in dieser Reflektionsphase befinden, könnte man gerade auch dort eine Antwort geben, um Öffentlichkeit herzustellen.

Natürlich bin ich mir darüber im Klaren, dass es Grenzen gibt – auch im Zusammenhang mit dem AStV, wo man öffentlich machen kann oder wo man durch Öffentlichkeit Verhandlungen verhindert. Hier mag es Grenzen geben, wo ich mit dem Berichterstatter nicht ganz übereinstimme. Frau Kommissarin, Frau Vizepräsidentin, ich möchte Sie herzlich bitten, mit uns gemeinsam diese Initiative zu ergreifen, um hier voranzukommen.

Ich möchte mich auch beim Europäischen Bürgerbeauftragten bedanken, dass er durch seinen Bericht diese positive Stellungnahme abgegeben hat, denn den Anstoß hierzu hat eine Petition gegeben, die Vertreter der Jungen Union Nordrhein-Westfalen mit meiner Hilfe eingereicht haben, und es freut uns, dass es durch den Druck auch von jungen Leuten möglich ist, eine solche Debatte zustande zu bringen, die uns mehr Transparenz und mehr Demokratie ermöglicht.

 
  
MPphoto
 
 

  Der Präsident. – Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet morgen um 12.00 Uhr statt.

Schriftliche Erklärungen (Artikel 142)

 
  
MPphoto
 
 

  Richard Corbett (PSE). – (EN) Wir haben bereits viel erreicht, um den Rat der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, aber wir müssen noch weiter gehen, und deshalb begrüße ich auch das Anliegen dieses Berichts.

Der Rat hatte immer hinter verschlossenen Türen beraten, der Öffentlichkeit wurde der Zugang zu Dokumenten verwehrt, und die Ergebnisse der Abstimmungen wurden noch nicht einmal veröffentlicht. Dadurch war es den einzelstaatlichen Parlamenten nicht möglich festzustellen, wie die ihr Land vertretenden Minister abgestimmt haben. In den letzten Jahren hat sich das erheblich geändert – dank des Drucks vonseiten des Europäischen Parlaments.

Nunmehr veröffentlicht der Rat zumindest die Abstimmungsergebnisse, gewährt Zugang zu den meisten Dokumenten und berät aufgrund der Initiative der britischen Ratspräsidentschaft öffentlich über Rechtsakte, die im Mitentscheidungsverfahren angenommen werden. Jetzt ist es an der Zeit, weiter zu gehen und das Prinzip festzuschreiben, dass jegliche legislative Tätigkeit öffentlich erfolgen sollte, wie dies bereits bei der anderen Kammer der EU-Legislative, dem Parlament, der Fall ist.

 
  
MPphoto
 
 

  Jules Maaten (ALDE). – (NL) Die österreichische Ratspräsidentschaft muss der Öffnung der Tagungen des Ministerrates Priorität zukommen lassen. Das Europäische Parlament als Mitgesetzgeber hält seine Sitzungen und Abstimmungen öffentlich ab, und sämtliche Sitzungsdokumente sind im Internet veröffentlicht. Jedermann, sämtliche Organisationen, Medien und nationalen Politiker können uns, so sie es wollen, im Auge behalten. Ich kann nicht erkennen, weshalb der Rat nicht ebenso verfahren kann.

Den Schlussfolgerungen des Rates vom 21. Dezember 2005 zu diesem Thema mangelt es in dieser Hinsicht an Mut. Gerade auf den Gebieten, über die der Rat nur einstimmig beschließt, kommt es darauf an, dass sowohl die Abstimmung als auch die Debatte öffentlich stattfinden. Nur auf diese Weise können wir die Geschäfte in den Hinterzimmern stoppen. Da ist mühelos möglich, da die Öffentlichkeit der Tagungen des Rates nicht einmal einer Vertragsänderung, sondern lediglich einer Änderung der Geschäftsordnung des Rates bedarf.

Es ist nicht mehr angemessen, dass der Rat seine Beschlüsse nach wie vor zumeist hinter verschlossenen Türen fasst. Auch der Zugang zu Dokumenten der Institutionen ist verbesserungswürdig. Die Bürgerinnen und Bürger Europas, die im Sommer 2005 den Verfassungsvertrag ablehnten, haben klargemacht, wie notwendig eine transparentere und demokratischere Union ist.

 
Rechtlicher Hinweis - Datenschutzbestimmungen