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Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadien in Bezug auf das Dokument :

Eingereichte Texte :

RC-B6-0401/2006

Aussprachen :

PV 06/07/2006 - 13.3
CRE 06/07/2006 - 13.3

Abstimmungen :

PV 06/07/2006 - 14.2
PV 06/07/2006 - 14.3
CRE 06/07/2006 - 14.2

Angenommene Texte :

P6_TA(2006)0324

Ausführliche Sitzungsberichte
Donnerstag, 6. Juli 2006 - Straßburg Ausgabe im ABl.

13.3. Recht auf freie Meinungsäußerung im Internet (Aussprache)
Protokoll
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  Der Präsident. – Als nächster Punkt folgt die Aussprache über sechs Entschließungsanträge zum Recht auf freie Meinungsäußerung im Internet(1).

 
  
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  Raül Romeva i Rueda (Verts/ALE), Verfasser.(ES) Herr Präsident! Ich möchte Sie eingangs an die Erklärung des Weltgipfels zur Informationsgesellschaft erinnern, der im November 2005 in Tunis stattfand und auf dem der Informationsgesellschaft hinsichtlich der Menschenrechte und Grundfreiheiten und insbesondere der freien Meinungsäußerung sowie der Freiheit, Informationen zu erhalten und Zugang zu ihnen zu haben, große Bedeutung beigemessen wurde.

Deshalb ist es so betrüblich und bedauerlich, heute darauf hinweisen zu müssen, dass sich Dutzende Personen in verschiedenen Ländern der Welt, allerdings vor allem in China, im Gefängnis befinden, nur weil sie im Internet kommunizieren und ihre Meinung äußern wollten.

Doch obgleich die Hauptverantwortung fraglos bei den zensierenden Regierungen liegt, dürfen wir nicht vergessen, dass es in vielen Fällen westliche Unternehmen sind, unter ihnen viele europäische, die diesen Regierungen die Instrumente und die Möglichkeit für ihre Kontrolle und Zensur geben. Das betrifft solche Unternehmen wie Yahoo, Google, Microsoft, Cisco Systems, Telecom Italia, Wanadoo und bestimmte Tochtergesellschaften von France Telecom.

Aus allen diesen Gründen geht es in dieser Entschließung darum, die Einschränkungen der freien Meinungsäußerung durch das Internet, die manche Regierungen verhängen, und insbesondere die Verfolgungen und Verhaftungen, die einige praktizieren, entschieden zu verurteilen. Wir fordern deshalb den Rat und die Kommission ausdrücklich auf, dieses Thema in ihren bilateralen Treffen mit den in der Entschließung genannten Ländern, insbesondere China, anzusprechen.

Zweitens wollen wir den Rat und die Mitgliedstaaten aufrufen, durch eine gemeinsame Erklärung ihr Engagement für den Schutz der Rechte von Internetnutzern und für die freie Meinungsäußerung im Internet öffentlich zu machen.

Drittens fordern wir, einigen Unternehmen, die in bestimmten Ländern Gewinne zu Lasten einer Beschneidung der Menschenrechte erzielen, Beschränkungen aufzuerlegen.

Kurz, in der heutigen Welt besteht eine Möglichkeit, die Menschenrechte zu achten und zu fördern, in der Gewährleistung der freien Meinungsäußerung im Internet und in der Verhinderung von Zensur, Verfolgung und Inhaftierung. Daher müssen wir die Kommission und den Rat auffordern, auch bei der Aufstellung ihrer Hilfsprogramme der Notwendigkeit, diese speziellen Probleme zu beachten, Rechnung zu tragen.

 
  
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  Tobias Pflüger (GUE/NGL), Verfasser. – Herr Präsident! Nicht überall auf der Welt ist der Zugang zu den verschiedenen Medien jedem möglich. Häufig ist das Internet die einzige Möglichkeit für Oppositionelle, ihre Positionen überhaupt an die Öffentlichkeit zu bringen. Das kommt in Erwägung C dieser Entschließung sehr gut zum Ausdruck. Nur müssten wir natürlich nach den Gründen fragen, warum dies so ist. Das Ganze hat auch sehr viel mit Medienkonzentration zu tun. Es ist z. B. für sehr viele Menschen überhaupt nicht möglich, an Fernsehen oder Zeitungen zu kommen.

In der Entschließung wird Internetzensur in bestimmten Ländern kritisiert. Das ist durchaus zutreffend, nur passiert wiederum das, was in diesem Hause sehr häufig passiert: Man zeigt mit dem Finger nur auf die anderen, und man schaut nicht auf die Situation in der Europäischen Union selbst. Internetzensur ist nirgendwo gut, auch nicht in den Ländern der Europäischen Union.

Einige Beispiele dafür: Der deutsche Chaos Computer Club hatte die letzten Jahre immer wieder mit Repressionen zu tun, und es gibt z. B. Sekten wie Scientology, die durch juristische Verfahren erwirkt haben, dass Seiten gesperrt wurden, die sich kritisch mit ihnen auseinandergesetzt haben.

Als Vorwände für Zensur werden insbesondere zwei Themen ins Treffen geführt: einerseits Kinderpornographie, andererseits Rechtsextremismus. Beides ist eindeutig zu verurteilen, nur ist Kinderpornographie überall auf der Welt rechtlich verboten, und wer solche Seiten aufruft, macht sich überall strafbar. Mit Rechtsextremismus müssen wir uns politisch auseinandersetzen, wie etwa mit dem, was Kollege Giertych hier vor wenigen Tagen gesagt hat.

In Bezug auf das Internet ist es auch sehr wichtig, darauf hinzuweisen, wie Suchmaschinen ihre Macht inzwischen regelrecht ausnutzen und bestimmte Inhalte durch diese Suchmaschinen nicht mehr gefunden werden. Stück für Stück findet hier eine Kommerzialisierung statt, so dass auf den Internetseiten nur noch bestimmte bezahlte Inhalte zu finden sind. Wir müssen klar sagen: In der Europäischen Union insgesamt darf Internetzensur nicht stattfinden! Das bedeutet auch, dass die Kommission in diesem Bereich tätig werden muss, damit es diese Zensur in der Europäischen Union nicht mehr gibt.

 
  
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  Simon Coveney (PPE-DE), Verfasser. – (EN) Herr Präsident! Die Entschließung ist umfassend und will sich mit dem weltweiten Zugang zum Web befassen, ein riesiges Problem. Sie begrüßt die Erklärung des Weltgipfels vom vergangenen November in Tunis zur erstrangigen Bedeutung der Informationsgesellschaft für die Demokratie und die Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten, insbesondere der freien Meinungsäußerung und der Meinungsfreiheit sowie des Rechts, Informationen zu erhalten und sich Zugang dazu zu verschaffen.

Die Realität sieht natürlich so aus, dass das Web ein fantastischer Träger von Veränderungen in Ländern ist, die bisher die Meinungsfreiheit unterdrückt und die Demokratie verhindert haben. Aus diesem bereitet das Internet totalitären Diktatoren und Regierungen, die alles unternehmen, um dessen freie Nutzung einzuschränken und zu verhindern, große Kopfschmerzen. Diese Entschließung verwendet harte Worte und verurteilt eine Reihe von Ländern, die den offenen Versuch unternehmen, Informationen über das Web zu beschränken und zu zensieren, und die als Feinde der Meinungsfreiheit bezeichnet werden.

Viele dieser Länder nehmen nach wie vor Personen in Haft, die als ‚Cyberdissidenten’ gelten, und wir fordern deren unverzügliche Freilassung. Das betrifft vor allem China, und wir haben eine ganze Liste von Personen aufgeführt.

Die Entschließung befasst sich auch mit der eher sensiblen Frage der Einbindung, speziell US-amerikanischer und europäischer, Technologie und Unternehmen bei der Schaffung von Möglichkeiten für bestimmte Regierungen, Internetmaterial zu zensieren und zu filtern. Der große Firewall Chinas ist das vielleicht eklatanteste Beispiel einer solchen Zensur. Die chinesischen Behörden haben Unternehmen wie Yahoo und Google mit Erfolg überzeugt, ein Filtern ihrer Suchmaschinen zu gestatten. Tippt man beispielsweise Tiananmen-Platz in China ein, dann erfährt man wahrscheinlich etwas über die Architekturgeschichte der Gebäude rund um den Platz.

Wir rufen die Kommission auf, einen freiwilligen Verhaltenskodex zusammenzustellen, mit Unternehmen, die in repressiven Ländern tätig sind, zu arbeiten und nicht nur Vorträge zu halten, um die Möglichkeit der Verhinderung der freien Meinungsäußerung zu verringern.

 
  
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  Jules Maaten (ALDE), Verfasser. – (NL) Herr Präsident! In Ländern wie China und Kuba, Birma und Belarus – in der Entschließung werden noch eine Reihe anderer Staaten genannt – wird die Benutzung des Internets immer stärker eingeschränkt. Dies ist verständlich, denn wenn es ein Mittel der freien Meinungsäußerung gibt, das der Opposition und dem Erstarken des Widerstands in totalitären Staaten dient – dann natürlich das Internet. Internet-Diensteanbieter haben stets die Freiheit, insbesondere die Informationsfreiheit, hervorgehoben, die das Internet bietet.

Doch sind es nicht selten amerikanische und europäische Internet-Diensteanbieter, die die Verletzung des Rechts auf freie Meinungsäußerung beispielsweise befördern, indem sie die Zensierung ihrer Dienste zulassen. Amerikanische Unternehmen wie Google, Microsoft und vor allem Yahoo haben in China in ein Wespennest gestochen. Natürlich machen auch einige andere Unternehmen genau das Gleiche, so Secure Computing und Fortinet in Tunesien und Birma, ebenso Cisco Systems. Dies betrifft aber auch europäische Unternehmen wie Telecom Italia in Kuba und Wanadoo, ein Unternehmen der France Telecom, in Tunesien.

Natürlich kann es nicht angehen, dass westliche Unternehmen repressiven Regierungen dabei helfen, die Menschenrechte mit Füßen zu treten. Zuallererst müssen die europäischen Einrichtungen einen Verhaltenskodex entwickeln, in dem sie sich verpflichten, sich nicht an Maßnahmen zu beteiligen, die auf die Unterdrückung von Online-Informationen abzielen. Außerdem muss betont werden, dass Unternehmen, die Such-, Chat-, Veröffentlichungs- oder andere Dienste im Internet anbieten, alles in ihren Kräften Stehende unternehmen müssen, um dafür zu sorgen, dass die Internetnutzungsrechte der Verbraucher in jeder Hinsicht geachtet werden.

In China sitzen gegenwärtig 48 Cyber-Dissidenten hinter Gittern, nur weil sie den offiziellen, von den Behörden vorgegebenen Weg durch das Internet verlassen haben. In meinen Augen ist es undenkbar, dass westliche Unternehmen repressive und autoritäre Regime unterstützen, indem sie eine aktive Rolle bei der Zensierung spielen. Diese Art der Zusammenarbeit verstößt gegen europäische Grundwerte wie Meinungs- und Informationsfreiheit. Die freie Meinungsäußerung muss im Internet weiter Vorrang genießen, das heißt, vor allem im Internet. Gesetzgeber in den USA arbeiten an einem Gesetz zur globalen Freiheit im Internet, dem Global Online Freedom Act. Europa kann dabei natürlich nicht abseits stehen.

Auch wenn wir auf Gesetzen bestehen, würde ich die Ausarbeitung eines Verhaltenskodexes begrüßen, um feststellen zu können, wie wir die Sache gemeinsam mit den betreffenden Unternehmen regeln können. Wir müssen unseren Standpunkt unmissverständlich deutlich machen. Letztlich liegt das Problem natürlich nicht in erster Linie bei den Internetunternehmen, sondern bei den Unterdrückerregimen selbst. Oftmals kann durch Handel und Kommunikation mit solchen Ländern positiv Einfluss genommen werden. Im Allgemeinen befürworte ich eine solche Herangehensweise, natürlich nicht, indem wir uns von diesen Regimen dahingehend drangsalieren lassen, womit wir handeln und was wir kommunizieren.

 
  
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  Catherine Trautmann (PSE), Verfasserin. – (FR) Herr Präsident! In unserer globalisierten Gesellschaft ist das Internet ein schneller und benutzerfreundlicher Weg, über den Menschen oder Gruppen miteinander kommunizieren, handeln, sich informieren oder Material beisteuern. Das Internet ist zu einem weltweit offenen öffentlichen Raum geworden, in dem sich jeder im Grunde frei bewegen und äußern kann.

Der Weltgipfel über die Informationsgesellschaft stellte die Grundrechte des Menschen in den Mittelpunkt der Informationsgesellschaft. Allerdings sind wir beim Recht auf freie Meinungsäußerung im Internet nicht alle gleich. Einige Staaten haben begonnen, die Meinungsäußerungen von Bürgern, Journalisten und anderen Personen zu zensieren. Schlimmer noch, „Reporter ohne Grenzen“ haben im Hinblick auf Repressionen im Internet eine alarmierende Bilanz gezogen und eine außerordentliche Zahl von inhaftierten Internet-Nutzern, insbesondere in China, ermittelt.

Mit unserer Entschließung können wir energisch gegen diese freiheitsfeindlichen Repressalien Stellung nehmen und die in diesem Sinne handelnden Staaten anprangern.

Wir fordern den Rat und die Kommission auf, in ihren internationalen Beziehungen und in ihren Hilfs- und Kooperationsprogrammen die gleiche Strenge walten zu lassen. Aber wir möchten auch an die Verantwortlichkeit der Unternehmen vor allem in Europa appellieren, die durch die Bereitstellung von Technologien und Leistungen mehr oder weniger in derartige Übergriffe verwickelt sind und sich zur Befolgung eines Verhaltenskodex verpflichten sollten, der ihnen die Beteiligung an Zensur, Unterdrückung oder Verfolgung untersagt. Wir können nicht für die Freiheit des Handels eintreten und zugleich den Schutz der persönlichen Freiheiten ablehnen.

Das im November geplante Internet Governance Forum in Athen dürfte es der Europäischen Union ermöglichen, die Empfehlungen dieser Entschließung in die Tat umzusetzen.

 
  
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  Tadeusz Zwiefka, im Namen der PPE-DE-Fraktion. (PL) Herr Präsident! Die Entschließung, die das Europäische Parlament heute verabschieden soll, ist in der Tat eine Entschließung zur Verteidigung des Rechts auf freie Meinungsäußerung, die die Grundlage jeder demokratischen Gesellschaft bildet.

Es ließe sich durchaus sagen, dass das Internet das Recht auf freie Meinungsäußerung besser schützt als jedes andere Medium. Die Regierungen vieler Staaten versuchen jedoch, auf die Online-Inhalte Einfluss zu nehmen. Das Internet wird als wilder und gefährlicher Fluss gesehen, und es gibt in vielen Staaten Gesetzesinitiativen, die seinen Lauf regulieren sollen. Damit laufen diese Staaten aber leider ernsthaft Gefahr, das Recht auf freie Meinungsäußerung einzuschränken. Schließlich können ein PC und ein Drucker zu einer Druckerpresse werden, mit der man Flugblätter, öffentliche Bekanntmachungen oder sogar ganze Bücher für den inoffiziellen Vertrieb drucken kann. Ein an das Internet angeschlossener Computer ist nichts anderes als ein auf den „Sender Freies Europa“ eingestelltes Radio. Es ist außerdem ein interaktives Radio, wo jeder seine Meinung äußern und seine Kommentare anbringen kann. Das ist eine ernste Bedrohung für jeden totalitären Staat oder jedes Land, das den Zugang zu Informationen bis zu einem gewissen Grad einschränkt.

Zwar können einzelne Internetseiten zensiert werden, nicht aber das gesamte Netz, doch die Versuchung, das zu tun, und die Gefahr, dass das geschieht, bestehen nach wie vor. Die chinesische Regierung beispielsweise hat eine Internetpolizei aufgestellt, die prüft, ob von den mehreren Dutzend Millionen Internetnutzern in China jemand die Vorschriften zur Nutzung des Internet verletzt hat. Jeder Verstoß kann mit bis zu zehn Jahren Arbeitslager bestraft werden. Die Besitzer von Internetcafés beschäftigen eigens Personal, das darüber wacht, dass auf dem Bildschirm der Nutzer keine verbotenen Inhalte erscheinen. Diese Inhalte werden unter Verwendung von Stichwörtern gefiltert. Erscheinen Worte wie „Tibet“, „Dissident“ oder „China und die Menschenrechte“, wird die Seite blockiert.

Das Internet mit seinem naturgemäß im Grunde anarchischen Charakter ist den Regierungen und den Bürokraten, die es auch dort gibt, wo die Wiege der Demokratie steht, nämlich in Europa und den Vereinigten Staaten, ein Dorn im Auge. Wir dürfen nicht vergessen, dass der seit langem geführte Kampf zwischen Freiheit und Zensur niemals enden wird und auch ein Kampf zwischen Gut und Böse ist. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass mit der Freiheit, die das Internet bietet, auch die Gefahr der Verbreitung antidemokratischer und sittenwidriger Informationen einhergeht.

 
  
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  Lidia Joanna Geringer de Oedenberg, im Namen der PSE-Fraktion. (PL) Herr Präsident! Das Recht auf Meinungsfreiheit und auf freie Meinungsäußerung sind Grundwerte, die in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte festgeschrieben sind. Das Recht auf freie Meinungsäußerung muss garantiert werden, ganz gleich, welches Ausdrucksmittel gewählt wird. In den letzten Jahren hat sich das Internet zu einem neuen universellen Kommunikationsmittel entwickelt. Aktuellen Schätzungen zufolge gibt es ca. 600 Millionen Internetnutzer, und ihre Zahl wächst täglich. Das Internet bietet als Ausdrucksmittel die Möglichkeit zu freier Meinungsäußerung, auch für Menschenrechtsverteidiger, Demokratieverfechter, politische Dissidenten und unabhängige Journalisten.

Als offenes Forum trägt es außerdem zur Stärkung der Demokratie bei, was während des Weltgipfels in Tunesien im November letzten Jahres zu beobachten war. Nicht jedem gefällt jedoch ein solches offenes Kommunikationsmittel. Regierungen, die es gewohnt sind, Presse, Rundfunk oder Fernsehen zu kontrollieren, wollen nun die Kontrolle über das einzige unabhängige Medium, das sich ihrem Einfluss immer mehr entzieht, nämlich das Internet. China, Iran, Nordkorea, Syrien, Nepal, Kuba und Belarus greifen zu immer ausgeklügelteren Methoden, um die freie Meinungsäußerung zu kontrollieren und zu beschränken. Unternehmen wie Yahoo, Google und Microsoft stimmen – was noch schlimmer ist – einer Zensur auf Verlangen der Regierungen zu, wie das zurzeit in China der Fall ist.

Das ist nicht hinnehmbar. Freie Meinungsäußerung ist ein unveräußerliches Recht. Wir müssen jeden Versuch, dieses Recht zu beschneiden, verhindern, auch in Bezug auf das Internet. Es muss ein Netzmanagementsystem entwickelt werden, das es möglich macht, nur rechtswidrige Aktivitäten wie die Verbreitung von Kinderpornographie und andere Formen des Missbrauchs zu beschränken. Das Recht auf freie Meinungsäußerung im Internet zu beschneiden, hieße, diejenigen mundtot zu machen, die unbequeme Wahrheiten aussprechen, die Teil eben jener Werte sind, die es vor allem zu verteidigen gilt.

 
  
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  Kathy Sinnott, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Ich denke, es gibt solche und solche Kontrollen. Monat für Monat verabschieden wir Gesetze über Kontrollen und Grenzwerte, die die Anfälligen schützen. Eine Einschränkung von Pornographie, die Kinder missbraucht oder auf Kinder abzielt, sollte nicht als Affront gegen wahre Freiheit angesehen werden. Als Mutter meine ich, es ist ein Verbrechen, Kindern ihre Unschuld zu rauben. Ja, in den christlichen Psalmen heißt es, das wäre es wert, einen Mühlstein um den Hals gehängt zu bekommen.

Für ein Kind wird Missbrauch, sei es durch die Hand eines lüsternen Erwachsenen oder durch das Internet, zu einem psychologischen Mühlstein, der das Kind für immer ruiniert. Durch die Anwendung von Technologien wie MRI und chemisches Screening wissen wir jetzt, dass Pornographie das sich entwickelnde Gehirn von Kindern verändert und die Produktion von in hohem Maße süchtig machenden Hirnchemikalien stimuliert. Wissenschaftler haben den Langzeitverbrauch von Pornographie im Internet sogar mit den verheerenden Wirkungen von Heroin verglichen.

Wir müssen alles Menschenmögliche tun, um das Internet sicherer zu machen. Wenn Yahoo und Google das Web zensieren können, um der totalitären chinesischen Regierung damit einen Gefallen zu tun, dann können sie sicher auch das Web zum Wohl unserer Kinder zensieren.

 
  
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  Ryszard Czarnecki (NI). – (PL) Es ist einfach und befriedigend, in der Debatte über die Zensur des Internet etwa ein Dutzend Länder auf ein paar Kontinenten zu verurteilen. Ich befürchte jedoch, dass dies – abgesehen von einer Anhebung unseres Selbstwertgefühls – ein rein symbolischer Akt bleiben wird.

Wir sollten uns vielleicht einmal die Fakten anschauen, vor allem im Zusammenhang mit den europäischen Ländern und Unternehmen. Nehmen wir z. B. Belarus. Das Land ist ein Nachbar der Europäischen Union und ein typischer Gegner der freien Meinungsäußerung im Internet. Wenn wir Belarus im selben Atemzug nennen wie die Malediven oder Nepal, helfen wir praktisch keinem dieser Länder.

Das kommunistische Regime in Kuba zensiert mit dem Einverständnis des italienischen Unternehmens Telecom Italia als Netzwerkbetreiber die freie Meinungsäußerung in diesem Land. Eine Tochter der France Telecom bietet zusammen mit einem tunesischen Betreiber Breitbanddienste zu einem Zeitpunkt an, da die tunesische Regierung den Zugang zu allen Internetseiten der Opposition sperrt.

Das sind die Fakten. Stecken wir nicht den Kopf in den Sand, indem wir über Dinge sprechen, auf die wir lediglich einen moralischen Einfluss ausüben können. Wir sollten uns auf die Punkte konzentrieren, die wir tatsächlich beeinflussen können.

 
  
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  Urszula Krupa (IND/DEM). – (PL) Herr Präsident! Dank Wissenschaft und Technik hat die Menschheit begonnen, den Weltraum zu erobern, und sie hat den Mond betreten. Wir haben auch so wundervolle Kommunikationsmittel wie das Internet entwickelt. Dabei sollten wir jedoch nicht vergessen, dass Technik auch dazu benutzt wurde, millionenfach zu morden, zu demoralisieren und die menschliche Würde mit Füßen zu treten. Deshalb müssen Wissenschaft und Technik, auch wenn sie zweifellos an sich etwas Gutes sind, wie alle menschlichen Aktivitäten ständig überwacht werden. Es müssen Grenzen gesetzt und ethische Grundsätze eingehalten werden. Diese Grundsätze ermöglichen es uns, Gut und Böse voneinander zu unterscheiden, was nicht gleichbedeutend sein muss mit einer Einschränkung der Meinungsäußerung.

Die technischen Probleme in der Welt von heute gehen weit über den Rahmen des Technischen hinaus und erlangen eine moralische Dimension. Wir sollten wahre Freiheit, nämlich die Freiheit vom Bösen, fördern und nicht Willkür und Gesetzlosigkeit, die die Menschen zerstören und erniedrigen. Es gibt viele Beispiele für die Gefahr, die vom Internet ausgeht. Was die größte Empörung hervorruft und am schlimmsten ist, das sind die Internetseiten mit Kinderpornographie und pädophilen Inhalten. Sie zeigen, wie schnell und wie tief der Mensch fallen kann.

 
  
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  Peter Mandelson, Mitglied der Kommission. (EN) Herr Präsident! Die Entschließungsanträge zur freien Meinungsäußerung im Internet schlagen die Mittel zur Förderung des Internetzugangs frei von Repressalien seitens nationaler Behörden vor. Die Vorschläge konzentrieren sich auf Maßnahmen zur Verbesserung der Internet-Governance und auf den Kampf gegen Verletzungen der Menschenrechte.

Der Weltgipfel zur Informationsgesellschaft vom November 2005 in Tunis bekräftigte den Zusammenhang zwischen der Entwicklung der Informationsgesellschaft und der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten, einschließlich der freien Meinungsäußerung und der Meinungsfreiheit sowie des Rechts, Informationen zu erhalten und sich Zugang dazu zu verschaffen.

Dieser auf dem Gipfel erzielte Konsens ist für uns eine Grundlage, um Bedrohungen, Risiken und Einschränkungen der Menschenrechte durch Missbrauch von Informations- und Kommunikationstechnologien entgegenzutreten, wie in der Mitteilung der Kommission vom April 2006 zu den Folgemaßnahmen im Zusammenhang mit dem Gipfel dargelegt.

In dieser Mitteilung fordert die Kommission die betreffenden Unternehmen auf, in enger Zusammenarbeit mit den NRO an einem Verhaltenskodex in dieser wichtigen Frage zu arbeiten. Dieser Verhaltenskodex würde einen wichtigen Schritt dazu darstellen, diese Länder zur Schaffung entsprechender ethischer Standards anzuregen.

Die Förderung der freien Meinungsäußerung steht weit oben auf der Agenda der entsprechenden externen Hilfsprogramme der Gemeinschaft, insbesondere der Europäischen Initiative für Demokratie und Menschenrechte. Das bleibt auch in den nächsten Jahren im Rahmen des neuen Finanzierungsinstruments für Demokratie und Menschenrechte so.

Ferner verfolgen wir eine Politik der Überbrückung der digitalen Kluft zwischen reichen und armen Ländern. Je mehr das Internet sich ausbreitet, umso schwieriger wird es für repressive Regierungen, es zu kontrollieren, trotz der ganzen Palette von Zensurmethoden. Die Kommission unterstützt aktiv die Empfehlungen des Gipfels in diesem Bereich.

Bevor ich schließe, lassen Sie mich noch ein paar Worte zur Internet-Governance anfügen. Die Agenda von Tunis forderte die Einrichtung eines Forums für den strategischen Dialog aller Interessenvertreter, des Internet-Governance-Forums, das erstmals Ende Oktober in Athen zusammentreffen wird.

Europa sollte in diesem Prozess eine zentrale Rolle spiele. Ich hoffe daher, dass das Europäische Parlament diese Gelegenheit wahrnimmt, um diesen Dialog mit den Vertretern der europäischen Zivilgesellschaft noch vor dem Athener Forum einzuleiten.

 
  
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  Der Präsident. – Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet im Anschluss an die Aussprache des heutigen Nachmittags, d. h. in wenigen Augenblicken, statt.

Schriftliche Erklärung (Artikel 142)

 
  
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  Hannu Takkula (ALDE). – (FI) Zunächst möchte ich betonen, dass dieser Vorschlag zum richtigen Zeitpunkt kommt. Da sich die elektronische Kommunikation rasch verbreitet, müssen wir unbedingt auch der Frage der Meinungsfreiheit im Internet Aufmerksamkeit schenken. Das Recht auf freie Meinungsäußerung spielt eine wichtige Rolle. Es sollte unter allen Umständen gewahrt werden, allerdings dürfen wir dabei nicht vergessen, dass damit auch eine besondere Verantwortung einhergeht. Wir müssen gewährleisten, dass das Internet kein Material enthält, das im Widerspruch zum Prinzip der Menschlichkeit, den Menschenrechten und der Demokratie steht.

Unsere besondere Sorge muss Kindern und Jugendlichen gelten, die das wertvollste Gut unserer Gesellschaft sind. Sie repräsentieren das Heute. Entscheidungsträger müssen sicherstellen, dass Erstere das Internet benutzen können, um an für sie geeignete, sachgerechte Informationen zu gelangen, und gleichzeitig muss der Zugang zu Inhalten verhindert werden, die gegen dauerhafte Werte und den Schutz des menschlichen Lebens verstoßen.

Freiheit heißt Verantwortung. Das darf man in einer Zeit, in der das Hauptmotto der Gesellschaft oftmals „Wertlosigkeit“ zu lauten scheint, nicht aus den Augen verlieren.

 
  

(1) Siehe Protokoll.

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