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Werdegang im Plenum
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Eingereichte Texte :

RC-B6-0512/2006

Aussprachen :

PV 27/09/2006 - 9
CRE 27/09/2006 - 9

Abstimmungen :

PV 28/09/2006 - 7.6
Erklärungen zur Abstimmung

Angenommene Texte :


Ausführliche Sitzungsberichte
Mittwoch, 27. September 2006 - Straßburg Ausgabe im ABl.

9. Lage in Darfur (Aussprache)
Protokoll
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  Der Präsident. Als nächster Punkt folgen die Erklärungen des Rates und der Kommission zur Lage in Darfur.

 
  
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  Paula Lehtomäki , amtierende Ratspräsidentin. – (FI) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Europäische Union ist besorgt angesichts der jüngsten Entwicklungen im Sudan, insbesondere, was die sich weiter verschlechternde Sicherheitslage und die humanitäre Situation in Darfur angeht. Gemeinsam mit dem Hohen Vertreter der EU, Javier Solana, arbeitet der Ratsvorsitz eng mit den EU-Partnern und der internationalen Gemeinschaft zusammen, um gemeinsame Ziele aufzustellen und gemeinsam für einen dauerhaften Frieden in Darfur einzutreten. Darüber hinaus überwacht auch der im Sommer 2005 zum Sonderbeauftragten der EU für den Sudan ernannte Pekka Haavisto ständig die allgemeine Situation im Sudan und kümmert sich um die Koordinierung der EU-Tätigkeit, und in seiner Eigenschaft als Repräsentant der EU nimmt er an den Gesprächen mit dem Sudan teil.

Das Friedensabkommen für Darfur, das im Mai von der sudanesischen Regierung und der Rebellenorganisation von Minni Minnawi, der Sudanesischen Befreiungsbewegung, geschlossen wurde, galt als Chance für den Frieden. Mit dem Friedensabkommen verband man die Hoffnung, dass der seit drei Jahren andauernde Konflikt beendet würde, der fast 300 000 Menschenleben gefordert und mehr als zwei Millionen Menschen ins Exil getrieben hat. Vier Monate später haben sich jedoch die Sicherheitslage und die humanitäre Situation in der Region rapide verschlechtert. Gewalttätige Übergriffe auf Dörfer und Flüchtlingslager, sowohl innerhalb als auch außerhalb des Landes, haben insbesondere in den letzten Monaten zugenommen. Die sudanesische Regierung hat ihre militärische Präsenz in Darfur verstärkt. Sowohl die Regierungstruppen des Sudan als auch die Rebellen haben die Vereinbarungen zur Waffenruhe gebrochen. Infolge der verschlechterten Sicherheitslage hat sich die Zahl der Flüchtlinge sowie der Menschen, die humanitärer Hilfe bedürfen, erhöht. Gleichzeitig ist es schwieriger geworden, humanitäre Hilfsgüter an ihr Ziel zu bringen, und nur etwa 50 % davon erreichen diejenigen, die sie benötigen.

Wenn das Friedensabkommen für Darfur umgesetzt würde – und es sind bislang kaum Fortschritte dabei erzielt worden –, hätte dies unmittelbare Auswirkungen auf das Leben der etwa sechs Millionen Menschen in Darfur. Die Flüchtlinge könnten in ihre Häuser und zu einem normalen Leben zurückkehren. Die Landwirtschaft könnte wieder in Gang gebracht werden, was die Versorgung mit Nahrungsmitteln verbessern würde, die Schulen und das Gesundheitssystem könnten wiederhergestellt und die allgemeinen Lebensgrundlagen sichergestellt werden, um nur Einiges an positiven Auswirkungen zu nennen. All dies hängt jedoch von einer Verbesserung der Sicherheitslage ab.

Um zu gewährleisten, dass die Friedensvereinbarung von Darfur funktioniert und dass sie umgesetzt werden kann, müssen jene Gruppen, die das Abkommen bislang nicht unterzeichnet haben, in den Friedensprozess einbezogen werden. Zur Verbesserung der Sicherheitslage ist es unbedingt erforderlich, dass die am Konflikt beteiligten Parteien am Waffenstillstand festhalten und dass dieser überwacht wird. Die EU hat die Konfliktparteien wiederholt aufgefordert, ihren Verpflichtungen aus dem Friedensabkommen und der humanitären Waffenruhevereinbarung von N'Djamena aus dem Jahr 2004 nachzukommen. Die Europäische Union und insbesondere ihr Sonderbeauftragter Haavisto bemühen sich auch aktiv darum, diejenigen, die den Friedensvertrag nicht unterzeichnet haben, mit in den Friedensprozess einzubeziehen und sie zu überzeugen, der Friedensvereinbarung für Darfur beizutreten.

Die Europäische Union ist in Sorge um die Folgen des Darfur-Konflikts für den Friedensprozess im Sudan insgesamt. Der Konflikt hat gravierende Auswirkungen auf die regionale Stabilität in Ostafrika und am Horn von Afrika, besonders im Tschad und in der Zentralafrikanischen Republik.

Zur Unterstützung des Darfur-Friedensprozesses wurde im Jahre 2004 die Mission der Afrikanischen Union im Sudan (AMIS) eingerichtet. Die EU unterstützt die AMIS seit ihrer Errichtung mit Hilfe der Afrikanischen Friedensfazilität (APF). Alles in allem beläuft sich die finanzielle Unterstützung der Union für die Tätigkeit der AMIS auf etwa 242 Millionen Euro. Darüber hinaus stellt die Union Material, logistische Unterstützung und Hilfe bei der Planung sowie Personal zur Verfügung. Auch die Mitgliedstaaten unterstützen die Mission durch die Bereitstellung beträchtlicher bilateraler Beiträge.

AMIS, die erste Friedenssicherungsmission in der Geschichte der Afrikanischen Union, hat unter extrem schwierigen Bedingungen eine ausgezeichnete Arbeit geleistet. Ihre Kapazitäten und Ressourcen sind dennoch unzureichend, um der enormen Probleme in Darfur Herr werden zu können. Trotz der massiven finanziellen Unterstützung durch die EU hatte die Mission mit ernsthaften finanziellen Problemen zu kämpfen. So gesehen wird klar, dass die einzig mögliche und realistische Lösung für die Sicherung des Friedens in Darfur eine UN-Mission ist.

Die EU unterstützt die am 31. August vom UN-Sicherheitsrat verabschiedete Resolution 1706 auf das entschiedenste. Damit wird das Mandat der UNMIS-Friedensmission im Südsudan auf Darfur erweitert, so dass sie so die Arbeit fortsetzen kann, die durch die AMIS begonnen worden ist. Die Hauptaufgabe der UN-Mission bestünde darin, die Umsetzung des Friedensabkommens für Darfur zu unterstützen. Der Schutz der Zivilbevölkerung und die Überwachung der Waffenruhe wären wesentliche Elemente des Mandats. Als größter Förderer der AMIS ist die Europäische Union sehr besorgt darüber, dass die sudanesische Regierung einer UN-Mission für Darfur nicht zugestimmt hat.

Die UN-Mission ist von entscheidender Bedeutung für die Verbesserung der Sicherheitslage in Darfur und die nachhaltige Umsetzung des Friedensabkommens. Darfur darf schließlich nicht in einem Sicherheitsvakuum zurückgelassen werden. Aus diesem Grunde sieht die EU die Entscheidung, die die Afrikanische Union am 20. September in New York getroffen hat, nämlich das Mandat der AMIS bis Ende des Jahres auszudehnen, positiv. Die EU hat sich verpflichtet, die AMIS auch während dieser Übergangsphase zu unterstützen. Die EU drängt weiterhin darauf, dass die sudanesische Regierung zustimmt, die AMIS gemäß der Resolution 1706 der Aufsicht der UNO zu unterstellen.

Bei mehr als einer Gelegenheit hat die Union ihre Besorgnis in dieser Frage zum Ausdruck gebracht und die Angelegenheit mit der sudanesischen Regierung erörtert. Die EU hat zudem andere internationale Akteure aufgefordert, Maßnahmen zu ergreifen, um die sudanesische Regierung von der Nützlichkeit und Notwendigkeit der UN-Mission für den Friedensprozess im Sudan insgesamt zu überzeugen. In diesem Sinne haben auch der finnische Vorsitz, der Hohe Vertreter der EU, Javier Solana, der EU-Sonderbeauftragte Pekka Haavisto und die Mitgliedstaaten die Angelegenheit auf ihrer Sitzung während der Ministerwoche anlässlich der UNO-Vollversammlung in New York eingehend beraten.

Die EU ist sehr besorgt über die Menschenrechtsverletzungen in Darfur. Insbesondere Frauen und Kinder sind Opfer körperlicher Gewalt, einschließlich Vergewaltigung. Die Union unterstützt die Arbeit des UN-Sonderberichterstatters für Menschenrechte zur Verbesserung der Menschenrechtssituation. Die EU hat die sudanesische Regierung wiederholt an ihre Verantwortung für den Schutz ihrer Bürger vor allen Formen der Gewalt und für die Achtung der Menschenrechte erinnert.

Die EU ist einer der Hauptgeber von Hilfsleistungen für den Wiederaufbau nach dem Bürgerkrieg im Sudan. Auf der Osloer Geberkonferenz im April 2005 sagten die Kommission wie auch die Mitgliedstaaten erhebliche Hilfsleistungen zur Deckung des sofortigen Bedarfs und für den Beginn des Wiederaufbaus zu. Wenn der Friedensprozess in Darfur dann tatsächlich anläuft, ist die EU vorbereitet, um auch den Wiederaufbau in Darfur zu unterstützen. Darüber hinaus wird die Union dem Sudan und Darfur humanitäre Hilfe in beträchtlichem Umfang zur Verfügung stellen.

Wichtig ist, dass die EU eine sichtbare und aktive Rolle im Sudan und in Darfur spielt. Die Situation im Sudan und in Darfur ist eine der entscheidendsten Fragen in Bezug auf Afrika und die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, und sie wird während der finnischen EU-Präsidentschaft auch weiterhin ganz oben auf der Tagesordnung stehen. Außerdem wird sie Gegenstand der Erörterung bei allen wichtigen Konferenzen und Gesprächen mit Dritten, einschließlich Treffen auf höchster Ebene, sein.

Werden keine geeigneten Maßnahmen ergriffen, dann besteht die Gefahr, dass Darfur in eine neue Spirale der Gewalt gerät. Und das können wir uns nicht leisten.

 
  
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  Franco Frattini, Vizepräsident der Kommission. (EN) Herr Präsident, Frau Ministerin! Wie wir alle wissen, ist die Lage in Darfur derzeit kritisch.

Die humanitäre Tragödie setzt sich fort und verschlimmert sich sogar, sie fordert weitere Tote und bringt noch größeres Leid mit sich. Darfur steht kurz vor einem totalen Krieg, der unvorhersehbare und unüberschaubare Folgen für die Stabilität des Landes und der Region hätte. Der Frieden im Südsudan könnte in Gefahr geraten. Mehrere Nachbarländer wie der Tschad, die Zentralafrikanische Republik und Uganda, und sogar noch weiter entfernte Länder wie Somalia oder die Republik Kongo könnten unter den Auswirkungen leiden. Obgleich wir uns auf dem Höhepunkt dieser Krise befinden, gibt es noch Möglichkeiten, das Schlimmste zu verhindern und wieder zu Frieden und Stabilität zurückzufinden.

Die Kommission begrüßt den Beschluss der Afrikanischen Union, ihr Mandat bis zum 31. Dezember zu verlängern. Damit kann zu einer Zeit, da es einen erneuten Ausbruch der Gewalt gibt und der durch die Friedensabkommen von Abuja ausgelöste Prozess ins Stocken geraten ist, ein Sicherheitsvakuum in Darfur vermieden werden.

Wir bedauern dennoch, dass die sudanesische Regierung die Resolution 1706 des Sicherheitsrats nicht angenommen hat, in der der Rahmen für die Übergabe der militärischen Zuständigkeiten von der Afrikanischen Union an die Vereinten Nationen festgelegt ist. Es ist darauf hinzuweisen, dass diese Übertragung bereits im vergangenen März von der Afrikanischen Union selbst beschlossen wurde. Die Kommission betrachtet diesen Vorgang als Schlüssel zur Wiederherstellung von Frieden in Darfur. Khartum muss daher zu einer Annahme bewegt werden. Frieden in Darfur kann es nicht ohne Zustimmung aus Khartum und noch viel weniger gegen den Willen von Khartum geben. Die Regierung in Khartum hat diesen Transfer angeprangert und als Komplott der westlichen Welt bezeichnet. Bisweilen wurde auch von einem zionistischen Komplott gesprochen.

Dafür gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Die internationale Gemeinschaft hat nicht den Plan, die Souveränität der sudanesischen Regierung zu untergraben oder gar das Regime zu stürzen. Dies zeigt, wie dringend beide Seiten unverzüglich wieder zu einem sachlichen Dialog über Darfur und über den Transfer zurückfinden müssen, um alle Missverständnisse auszuräumen, die in dieser Angelegenheit noch bestehen könnten. Vor allem darauf richten sich die derzeitigen intensiven diplomatischen Bemühungen, an denen die Kommission beteiligt ist.

Vergessen wir nicht, dass das Ziel einer Übertragung der Zuständigkeiten von der Afrikanischen Union auf die Vereinten Nationen darin besteht, Sicherheit und Frieden in Darfur wiederherzustellen, die Zivilbevölkerung zu schützen und den humanitären Organisationen ihre Arbeit zu ermöglichen. Es ist darauf hinzuweisen, dass in den vergangenen Monaten dreizehn Mitarbeiter von Hilfsorganisationen getötet wurden. Die Übertragung ist notwendig, um wieder ein Klima des Vertrauens zwischen den Protagonisten zu schaffen und das Darfur-Friedensabkommen von Abuja tatsächlich wiederzubeleben, die Nichtunterzeichnerstaaten zur Unterzeichnung zu bewegen, die konkrete Umsetzung des Abkommens voranzutreiben und zu vermeiden, dass die im Nord-Süd-Friedensabkommen vorgesehene Struktur untergraben wird. All diese Aspekte liegen auch im Interesse von Khartum.

Wie auch die Ausweitung der Kampfverhandlungen führen unsere langatmigen Diskussionen zu nichts. Diejenigen Extremisten, die denken, sie könnten gewinnen, indem sie das schlimmstmögliche Szenario und den Ansatz der Radikalisierung verfolgen, täuschen sich. Sie sind auf dem Holzweg. Dieses Vorgehen kann nur auf sie selbst zurückschlagen. In den Schlussfolgerungen der letzten Tagung des Rates „Allgemeine Angelegenheiten“ wurde sowohl den Rebellen als auch der Regierung in Khartum eine klare und deutliche Botschaft bezüglich ihrer persönlichen Verantwortung übermittelt.

Nach Auffassung der Kommission besteht noch die Möglichkeit einer Deeskalation, und es gibt noch Spielraum für die Rückkehr zu einem tatsächlichen Dialog. Allerdings muss schnell gehandelt werden, bevor dieser Spielraum verschwunden ist. Mit dieser Geisteshaltung und mit der Bereitschaft zuzuhören wollen Kommissionspräsident Barroso und mein Kollege, Kommissar Michel, in Kürze nach Khartum reisen und mit Präsident Bashir zusammenkommen, um den Wechsel von der Afrikanischen Union zu den Vereinten Nationen zu beschleunigen und den Friedensprozess von Abuja wiederzubeleben.

 
  
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  Michael Gahler, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – Herr Präsident! Die Lage für die noch in Darfur überlebenden Menschen ist verzweifelt. Janjaweed-Milizen greifen weiterhin Dörfer an und zerstören sie. Folter, Vergewaltigungen und Zwangsrekrutierungen sind an der Tagesordnung. Teile des Darfur können von internationalen Hilfsorganisationen nicht mehr erreicht werden.

Die sudanesische Regierung hätte die Verpflichtung zum Schutz der eigenen Bevölkerung. Ihre Intentionen sind eher entgegengesetzt, und mit ihrer jüngsten militärischen Offensive verstößt sie auch gegen das Friedensabkommen über den Darfur. Ich möchte meine Befürchtung deutlich zum Ausdruck bringen: Die Regierung möchte wahrscheinlich ihre Vernichtungs- und Vertreibungsstrategie zu Ende führen.

In dieser Situation ist es unabdingbar, dass die internationale Gemeinschaft die Resolution 1706 des UN-Sicherheitsrates implementiert, wodurch bis zu 25 000 UN-Soldaten entsandt werden können. Die Afrikanische Union, die im Rahmen ihrer Möglichkeiten alles getan hat, unterstützt ebenfalls die Ablösung durch die UN-Truppen, aber es ist natürlich wichtig, der Afrikanischen Union bis dahin so wie bisher jede auch nur mögliche Unterstützung zu gewähren. Offen gesagt ist dies meiner Meinung nach nur die zweitbeste Lösung; die UNO-Truppen wären schon jetzt erforderlich.

Besondere Verantwortung tragen die Mitglieder des Weltsicherheitsrats, aber vor allem die Vetomächte; sie tragen nämlich eine globale Verantwortung und dürfen nicht nur ihre eigenen nationalen Interessen verfolgen.

Ich möchte mich auch in diesem Fall insbesondere an China wenden, das am 11. September mit der EU gemeinsam bestätigt hat – und jetzt zitiere ich auf Englisch –:

(EN) „Die führenden Persönlichkeiten betonten, dass ein Übergang von einer Operation der AU zu einer Operation der Vereinten Nationen dem Frieden in Darfur zuträglich wäre.“

Wir fordern daher China auf, seinen Einfluss im Sudan geltend zu machen, damit einer Stationierung der UNO-Truppe in Darfur umgehend zugestimmt wird.

 
  
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  Glenys Kinnock, im Namen der PSE-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! Ich muss sagen, dass die Stellungnahmen des Rates und der Kommission von einer ausgesprochen beunruhigenden Selbstgefälligkeit geprägt sind. Man kann doch nicht davon reden, mit General Bashir zusammenzuarbeiten und zu hoffen, dass wir ihn in Zukunft umstimmen können. Ich verfolge die Lage im Sudan seit vielen Jahren und kann bestätigen, dass es gerade zum jetzigen Zeitpunkt nicht realistisch wäre.

Die Zukunft der Menschen in Darfur steht jetzt auf dem Spiel, genau so sehr wie vor der Einigung, die Stationierung der AU-Truppen bis zum 30. September aufrechtzuerhalten. Die Regierung in Khartum wird nicht in die Verantwortung genommen. Sie lässt schlicht und einfach keine humanitäre Hilfe für rund drei Millionen Menschen in Darfur zu. Was wird die internationale Gemeinschaft unternehmen? Sie teilen mir nicht mit, was Sie unternehmen werden, um die Regierung in Khartum zur Verantwortung zu ziehen.

In drei Monaten oder sogar früher müssen die UN-Truppen einsatzbereit sein, denn dann wird sich die AU langsam zurückziehen. Es herrscht erhebliche Unsicherheit über die Zukunft der Afrikanischen Union: Sie ist unterfinanziert, überlastet und hat Einsatzschwierigkeiten. Es müssen so schnell wie möglich UN-Truppen mit einem stärkeren Mandat als gegenwärtig stationiert werden, und diese müssen in der Lage sein, die gefährdeten und traumatisierten Menschen in Darfur zu schützen, die zurzeit einer solch schrecklichen Bedrohung ausgesetzt sind.

Die Sudanesen haben sich an keinerlei Fristen gehalten. Ihre Völkermordstrategie gewinnt immer mehr an Boden. Es gibt keine Waffenruhe mehr, die überwacht werden könnte. Über das Friedensabkommen müssen wir keine Worte mehr verlieren, es ist am Ende. 1994 haben wir nach Ruanda gesagt, dass so etwas nie wieder geschehen darf, und nun stehen wir vor dem ersten Genozid des 21. Jahrhunderts, wenn wir nicht diese Selbstgefälligkeit überwinden und etwas tun.

Sie haben die Schlüsselakteure erwähnt, und die gibt es ja: China, Russland und die Arabische Liga machen sich ebenfalls mitschuldig.

Ein letzter wichtiger Punkt: Sie sind nicht auf die Notwendigkeit der Verhängung einer Flugverbotszone eingegangen. In 13 UN-Resolutionen wurde eine Flugverbotszone gefordert, doch sie wurde nie, nicht einmal vorübergehend, verhängt. Was wollen Sie im Rat und in der Kommission dagegen unternehmen, dass weiterhin Antonows über die Dörfer von Darfur fliegen und Bomben auf diese unschuldigen Zivilisten abwerfen? Ich fordere Sie dringend auf, ernsthaft über die Einrichtung einer Flugverbotszone nachzudenken. Könnte man denn nicht die derzeit im benachbarten Tschad stationierten französischen Jets einsetzen, um den Luftraum zu überwachen und die Sudanesen daran zu hindern, die Menschen in Darfur zu terrorisieren?

 
  
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  Marielle De Sarnez, im Namen der ALDE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident! Seit nunmehr drei Jahren fällt Darfur unter den Augen einer ohnmächtigen internationalen Gemeinschaft einer schrecklichen Tragödie zum Opfer.

Wie Sie gesagt haben, hat dieser Konflikt 300 000 Zivilisten das Leben gekostet. Es gibt zwei Millionen Binnenflüchtlinge in Darfur, das ist ein Drittel der Bevölkerung; 200 000 Menschen sind über die Grenze in den Tschad geflohen. Drei Millionen Menschen sind vollständig auf internationale Nahrungsmittelhilfe angewiesen. Tagtäglich werden Kinder und Familien angegriffen, vertrieben und ermordet. Die humanitäre Krise spitzt sich zu. In einem Großteil von Darfur ist es humanitären Organisationen untersagt, etwa 350 000 Menschen Hilfe zu leisten, die Medikamente und Lebensmittel benötigen.

Aufgrund von Mangelernährung und Wasserknappheit nehmen Cholera- und Hepatitis-E-Epidemien in den Lagern zu. Auch die Verantwortlichen der NRO fallen diesem Konflikt zum Opfer. In den vergangenen zwei Monaten wurden zwölf von ihnen getötet.

Aufgrund seiner Unzulänglichkeit erlaubt das am 5. Mai in Abuja unterzeichnete Friedensabkommen die Einstellung der Gewalttaten nicht, sondern provoziert vielmehr neue Gewalt. Die Kampfhandlungen und die Massaker gehen weiter. 100 000 Menschen mussten seit Mai vor der Gewalt fliehen. Erneut wurden Tausende Soldaten der sudanesischen Armee in der Region stationiert, und die Bombardierungen aus der Luft wurden wieder aufgenommen. In der Zwischenzeit kämpfen mehr als zwei Millionen Menschen, die von ihren Feinden umzingelt in Lagern zusammengepfercht sind und regelmäßig angegriffen werden, ums Überleben. Hunderte von Frauen werden allmonatlich vergewaltigt, sobald sie die Lager verlassen und wenige Meter entfernt nach Holz für ein Feuer oder die Kochstelle suchen.

Die einzige Arbeit dieser Millionen Menschen war die Landwirtschaft; nun bleibt ihnen nicht einmal mehr dieses Grundrecht, und sie müssen sich – wenn sie dazu in der Lage sind - damit zufrieden geben, einige Dutzend Quadratmeter Land im Umfeld der Lager zu bestellen. Dabei laufen sie ständig Gefahr, von denselben Männern angegriffen zu werden, die ihre Dörfer zerstört haben.

Sie alle sind zu 100 % von internationaler Hilfe abhängig, die nicht besonders großzügig ausfällt. In manchen Monaten werden die Lebensmittelrationen halbiert, weil es an Mitteln fehlt, weil die Geber nicht erschienen sind. Diese Lager, meine Damen und Herren, sind nichts mehr und nichts weniger als Freiluftgefängnisse. Wir können den Ereignissen in Darfur nicht länger gleichgültig gegenüberstehen.

Europa hat eine humanitäre, politische und moralische Verpflichtung, den Frieden in diesem Teil der Welt wiederherzustellen. Es kann keine militärische Beilegung der Krise in Darfur geben. Die Verhandlungen müssen dringend wieder aufgenommen werden, und es muss an einer politischen Einigung gearbeitet werden, in die alle betroffenen Parteien vollständig eingebunden werden. Dies ist die Voraussetzung dafür, dass die Bevölkerung von Darfur den Friedensprozess unterstützt. Diese Einigung soll eine Vertretung der Bewohner von Darfur auf den verschiedenen Regierungsebenen, eine tatsächliche Garantie für die Entwaffnung der Dschandschawid und eine Garantie für eine sichere Rückkehr der zwei Millionen Vertriebenen und der 200 000 Flüchtlinge zu ihren Ländereien vorsehen.

Wir fordern zudem, dass den Mitarbeitern von Menschenrechtsorganisationen ein ungehinderter und sicherer Zugang in alle Konfliktgebiete gewährt wird, und wir appellieren an die Kommission und den Rat, dafür zu sorgen, dass die Europäische Union ihre humanitäre Hilfe deutlich erhöht.

Darüber hinaus fordern wir die sudanesische Regierung auf, ihre bewaffnete Offensive zu beenden und unverzüglich den Beschluss des Sicherheitsrates zu akzeptieren, eine friedenserhaltende UN-Operation durchzuführen, um der Gewalt ein Ende zu setzen.

Darfur braucht die Hilfe Europas sofort. Wir im Europäischen Parlament haben nicht das Recht, uns von dieser Angelegenheit abzuwenden.

 
  
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  Marie-Hélène Aubert, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident! Leider hatten die unzähligen Entschließungen und Erklärungen zu Darfur, die nunmehr seit mehreren Jahren vorgelegt wurden, nur wenig oder keinen Erfolg.

Wie bereits erwähnt wurde, gehen die Übergriffe weiter, die Gewalttaten nehmen zu, und Frauen und Kinder zählen zu den Hauptopfern dieser Verbrechen und Gräueltaten. Diese Situation ist völlig inakzeptabel. Vor diesem Hintergrund scheint sich das Gefühl der Machtlosigkeit oder des Fatalismus zu verstärken, doch es ist unsere Pflicht, einzugreifen, um vor Ort tatsächliche Fortschritte zu erzielen. Denn je mehr Zeit vergeht, desto größer wird der Eindruck auf Seiten der Regierung in Khartum, dass sie ungestraft davon kommt, und sie sagt sich, dass sie ihre Ziele erreichen wird, wenn sie auf ihrem Standpunkt beharrt und Zeit gewinnt.

Wenn wir also handeln wollen, dann müssen wir drei Prioritäten beachten. Erstens müssen wir uns als oberste Priorität Zugang zu den Flüchtlingen verschaffen, denn gegenwärtig leiden Tausende Menschen unter Hunger und Gewalttaten, und niemand kann zu diesen Menschen vordringen: dieser Situation müssen wir unverzüglich Abhilfe schaffen.

Die zweite Priorität ist der Kampf gegen die Straflosigkeit. Es ist nicht hinzunehmen, dass trotz der Erklärungen und des vagen Wunsches nach Sanktionen bisher nichts geschehen ist. Die Verbrecher und die Menschen, die sich erheblich bereichern, machen weiter wie bisher, als wäre nichts geschehen, und dagegen wurde noch nicht viel unternommen.

Drittens muss natürlich so schnell wie möglich eine UN-Truppe stationiert werden, um die Truppen der Afrikanischen Union zu unterstützen, die nichtsdestotrotz eine wichtige Rolle spielen, die es zu festigen gilt.

Zugegebenermaßen ist es nun unsere Pflicht, China und Russland dazu aufzufordern, eine positive Rolle in dieser Angelegenheit zu übernehmen, auch wenn allgemein bekannt ist, dass China und Russland nicht als Musterbeispiele herangezogen werden können, wenn es um die Achtung der Menschenrechte oder der Bevölkerungsgruppen, die unter einem solchen Konflikt leiden, geht. Darüber hinaus müssen wir gleichzeitig einen umfassenden Dialog fordern, wie meine Vorrednerin gesagt hat.

Schließlich möchte ich noch kurz auf die Rolle des Erdöls in dieser Angelegenheit eingehen. Wir stecken unseren Kopf nicht in den Sand. Wir wissen nur zu gut, dass Erdöl Konflikte und Neid auslösen kann, Menschen erlaubt, Waffen zu kaufen, und ebenfalls zu Blockaden führt, vor allem im Falle Chinas - das in diesem Bereich über wichtige Interessen verfügt - und all derer sowie insbesondere der Supermächte, die gegenwärtig besonders fieberhaft nach leicht zugänglichen Erdölvorkommen suchen.

Wir müssen daher künftig die Frage des Zugangs zu Erdöl in einem umfassenderen, europäischen und internationalen Zusammenhang betrachten.

 
  
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  Vittorio Agnoletto, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die humanitäre und politische Lage in Darfur verschärft sich Tag für Tag mehr. Jan Egeland, dem UN-Koordinator für humanitäre Hilfe, zufolge hat sich die humanitäre Situation seit 2004 verschlechtert: Ganze Gebiete in Darfur müssen ohne jegliches humanitäres Personal auskommen, weil die Regierung in Khartum den internationalen Organisationen den Zutritt verweigert.

Die Verfolgung der Zivilbevölkerung durch die berüchtigten Dschandschawid - bewaffnete Banden, die von der sudanesischen Zentralregierung finanziert und unterstützt werden – gleicht inzwischen einem regelrechten Völkermord. Die internationale Gemeinschaft kann nun, da die von der Afrikanischen Union entsandten Truppen zum Schutz der Zivilbevölkerung praktisch gescheitert sind, nicht nur tatenlos zusehen. Dass es ihr an politischer und militärischer Glaubwürdigkeit mangelt, steht nunmehr außer Frage. Deshalb unterstützen wir eine UN-Intervention gemäß der Resolution 1706 des Sicherheitsrats, die von der sudanesischen Regierung hartnäckig missachtet wird.

Nun müssen die in der Resolution 1706 vorgesehenen Friedenstruppen stationiert werden, um Hunderttausende Frauen, Männer und Kinder zu schützen, die schon allzu lange unter den Angriffen der Dschandschawid zu leiden haben, obwohl in früheren UN-Resolutionen zu Recht deren Auflösung gefordert wurde.

Selbstverständlich wäre es noch besser, wenn die sudanesische Regierung der Stationierung dieser UN-Truppen zustimmen würde; ich hoffe das, und ich glaube außerdem, dass die Staaten der Arabischen Liga stärkeren Druck auf Khartum ausüben müssten, damit es die UN-Resolution akzeptiert. Zugleich jedoch ist jedes Veto von sudanesischer Seite gegen die Vereinten Nationen unannehmbar: Es geht um das Leben Hunderttausender Unschuldiger, für die wir etwas tun müssen.

Andernfalls wird die ganze Glaubwürdigkeit der internationalen Gemeinschaft in Frage gestellt. Deshalb kommt es darauf an, dass die UN ihr humanitäres Personal in die gesamte Region Darfur entsenden dürfen; ansonsten kann die humanitäre Hilfe nicht in gebotenem Maße geleistet werden.

Der Sudan muss begreifen, dass er mit den Vereinten Nationen kooperieren muss, um voll in die internationale Gemeinschaft aufgenommen zu werden.

 
  
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  Eoin Ryan, im Namen der UEN-Fraktion. – (EN) Herr Präsident! In diesem Parlament herrscht heute Nachmittag zweifellos Einigkeit darüber, was im Hinblick auf Darfur unternommen werden sollte.

Dreihunderttausend Menschen wurden getötet und eine halbe Million aus ihrer Heimat vertrieben, 50 000 allein im vergangenen Monat. Wir haben es hier wirklich mit einer humanitären Katastrophe von gewaltigem Ausmaß zu tun. Die einzige Lösung besteht darin, eine einsatzfähige UN-Truppe mit einem ganz klaren Mandat einzusetzen. Das können wir nur durch offensive Diplomatie erreichen. Wie kann es denn 30 Tage dauern - und dieser Zeitraum wurde schon als zu lang bezeichnet -, um eine UN-Truppe im Libanon zu stationieren, und bei Darfur sprechen wir von drei Jahren? Weil wir nämlich in dieser Angelegenheit nicht so engagiert sind, wie es angemessen wäre.

Ja, die Menschen geben der sudanesischen Regierung die Schuld, und zu Recht. Ihre Verbrechen wurden von meinen Vorrednern dargelegt, sodass ich darauf nicht eingehen werde. Aus Handelsgründen versteckt sie sich hinter den Regierungen in China, Russland, Indien und Malaysia, die erklärten, sie würden die sudanesische Regierung schützen und bei Sanktionen ihr Veto einlegen. Auf diese Regierungen müssen wir Druck ausüben, um dafür zu sorgen, dass sie dies nicht zulassen. Gemeinsam mit allen anderen müssen sie dazu beitragen, den Ereignissen in Darfur Einhalt zu gebieten. Was sich dort abspielt, ist eine Katastrophe.

Wenn wir das beenden wollen, brauchen wir eine mindestens 20 000 Mann starke UN-Friedenstruppe vor Ort in Darfur. Die derzeitige AU-Truppe mit 7000 Mann ist schlecht ausgerüstet, und wenn man bedenkt, dass sie ein Gebiet von der Größe Frankreichs kontrollieren soll, dann ist das doch ein recht aussichtsloses Unterfangen. Es bedarf einer einsatzfähigen UN-Truppe, und zwar schnell und mit einem geeigneten Mandat.

Der Sudan braucht eine zügige politische Lösung. Die UNO und die EU müssen handeln. Wir müssen gegen den Völkermord vorgehen und alles in unserer Macht Stehende tun, um den Frieden in dieser Region wiederherzustellen. Es wurde viel zu lange ignoriert, es ist schlichtweg ein Skandal, und die Regierung in Khartum darf nicht länger damit durchkommen. Sie darf sich nicht hinter anderen Ländern verstecken, die erklärtermaßen alle Maßnahmen gegen dieses Land mit einem Veto verhindern wollen. Wir müssen handeln um sicherzustellen, dass dem Geschehen ein Ende gesetzt wird.

 
  
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  Andreas Mölzer (NI). – Herr Präsident! Die Darfur-Krise ist zweifellos das Ergebnis der von der Regierung betriebenen Arabisierung sowie ihrer Zustimmung zur Bewaffnung der Milizen im Zuge des Bürgerkrieges im Südsudan.

Die Bilanz dieser Politik sind entvölkerte Landstriche und — wie bereits in dieser Debatte mehrmals betont — unzählige Tote und Millionen Vertriebene. Dem zum Trotz behauptet Präsident Omar al Baschir, es sei eine Lüge, dass sudanesische Araber gegen sudanesische Schwarzafrikaner vorgingen, und Menschenrechtsorganisationen, die über die Zustände klagen, wollten laut Baschir nur ihr Spendenaufkommen erhöhen.

Der Sudan will in seinem Bürgerkrieg also offenbar lieber ungestört bleiben. Man ist bestenfalls für eine Verlängerung des Mandats für eine Friedensmission der Afrikanischen Union zu haben. Diese wird jedoch von Insidern nicht nur als schlecht ausgerüstet und wenig motiviert, sondern schlicht und einfach als völlig überfordert eingestuft.

Die weit größeren Erfolg versprechende Entsendung von UNO-Blauhelmen wird als Neokolonialismus abgelehnt. Vielleicht könnte man sich also auf eine islamisch-afrikanische multinationale Friedenstruppe, also eine gemeinsame Intervention von Afrikanischer Union und UNO-Truppen einigen, um diesen Völkermord zu verhindern.

 
  
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  Simon Coveney (PPE-DE).(EN) Herr Präsident! In Darfur haben wir es nach wie vor mit einer humanitären Krise zu tun. Seit 2003 wurden mehr als eine Viertelmillion Unschuldige getötet und weitere 2,5 Millionen Menschen vertrieben. Der UN-Sicherheitsrat hat im letzten Monat die Resolution 1706 verabschiedet, in der die Stationierung einer mehr als 22 000 Mann starken Friedenstruppe in der Region gefordert wurde. Die sudanesische Regierung lehnt eine solche Truppe allerdings nach wie vor ab und wirft der UNO ein von Washington gesteuertes neokolonialistisches Verhalten vor. Das ist Unsinn und zeigt doch nur, dass die sudanesische Regierung mit Menschenleben Politik spielt.

Das Mandat der Mission der Afrikanischen Union im Sudan wurde verlängert, sodass die UNO nunmehr drei weitere Monate hat, um sich mit der Regierung des Sudan über den Einsatz einer stärkeren multilateralen Truppe zum Schutz der Zivilbevölkerung zu einigen. Da anzunehmen ist, dass sich der Sudan auch weiterhin den Bemühungen der UNO widersetzen wird, müssen die Vereinten Nationen eine kompromisslosere Haltung einnehmen. Sie könnten beispielsweise ein militärisches Eingreifen nach Kapitel VII über ihre Verantwortung für den Schutz der Zivilisten in Erwägung ziehen, wenn die nationalen Behörden offensichtlich dabei versagen, ihre Bevölkerung vor Völkermord, Kriegsverbrechen, ethnischer Säuberung und/oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu schützen.

Die sudanesische Regierung hat keine Bereitschaft gezeigt, die Binnenvertriebenen zu schützen. Es gibt sogar eindeutige Hinweise darauf, dass sie für Angriffe auf Flüchtlingscamps Beistand und Unterstützung gewährt hat. Vorerst muss die 7000 Mann starke AU-Truppe verstärkt werden, und die UNO hat einer logistischen und materiellen Unterstützung zugestimmt. Außerdem hat die Arabische Liga endlich eine gewisse wirtschaftliche Unterstützung zugesagt, und auch die EU-Mitgliedstaaten sollten sich in dieser Hinsicht großzügig zeigen.

Die EU trägt Verantwortung dafür, dass Darfur für die UNO zu einer ständigen Priorität wird. Auf China und Russland vor allem muss mehr Druck ausgeübt werden, damit sie ihren Einfluss auf den Sudan positiver nutzen. In Darfur sind mehr Zivilisten zu Tode gekommen als im Irak und in Afghanistan zusammengenommen. Wir alle haben uns mitschuldig gemacht, weil die internationale Gemeinschaft bisher nur schleppend auf diese Ereignisse reagiert. In dieser Entschließung zur Lage in Darfur wird der bisher schärfste Ton angeschlagen, aber was wir brauchen, sind Taten. Ich hoffe, dass wir nicht in einem Jahr auf weitere 100 000 Tote zurückblicken werden.

 
  
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  Elena Valenciano Martínez-Orozco (PSE).(ES) Herr Präsident! In diesen Tagen, in denen wir nicht die Hoffnung auf das im Mai unterzeichnete Friedensabkommen verlieren wollen – obwohl ich nicht weiß, ob es uns gelingt –, stellen wir eine Verschlechterung der humanitären Situation in der Region fest, wie sie viele andere Abgeordnete schon beschrieben haben.

Das Europäische Parlament bringt einmal mehr seinen Standpunkt zur Lage in Darfur zum Ausdruck, ich persönlich stelle mich an die Seite der Opfer: der Zivilbevölkerung und der Frauen und Kinder von Darfur.

Seit Ausbruch des bewaffneten Konflikts vor drei Jahren sind die Appelle der humanitären Organisationen immer eindringlicher geworden. Sie waren vergebens. Mehr als 50 000 Tote, zweieinhalb Millionen Binnenvertriebene und 500 000 Flüchtlinge verdeutlichen die Tragödie einer Konfliktregion besser als Worte.

In dieser Entschließung hat meine Fraktion ihre tiefe Besorgnis über die Verletzung der Rechte der Kinder und die verbreiteten Vergewaltigungen der Frauen als Kriegswaffe zum Ausdruck gebracht. Leider wurde dieser Punkt nicht in die Kompromissentschließung aufgenommen, so als wäre er nicht wichtig.

Hunderttausende Kinder wurden getötet, werden vermisst, wurden sexuell missbraucht, verschleppt, vertrieben, als Soldaten eingesetzt und dann im Stich gelassen usw. Ihre Zahl und ihre Namen sind bekannt, und sie haben keinen Zugang zu humanitärer Hilfe.

Wir alle tragen Schuld, nicht nur die Regierung in Khartum und die militärischen und Guerillagruppen. Es herrscht völlige Straflosigkeit trotz der Tatsache, dass der Sudan die Konvention über die Rechte des Kindes und ihr Fakultativprotokoll betreffend die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten unterzeichnet hat.

Wir haben auch konkrete Daten, die besagen, dass im letzten August in einem einzigen Lager sexuelle Übergriffe auf mehr als 200 Frauen stattfanden. Davon hatten uns schon die humanitären Organisationen berichtet. Diese Information sagt uns immer mehr über die teuflische Spirale, in der sich Darfur befindet und in der wiederum die Körper der Frauen und Mädchen häufig das bevorzugte Schlachtfeld der Soldaten und Guerillas sind.

Nur um zu verdeutlichen, was heute geschieht: So wurden Frauen in einem anderen Vertriebenenlager nicht geschützt, sondern vergewaltigt, und sie werden daran gehindert,...

(Der Präsident entzieht der Rednerin das Wort.)

 
  
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  Fiona Hall (ALDE).(EN) Herr Präsident! Die Lage in Darfur ist äußerst ernst. Die sudanesische Regierung schickt ihre Truppen in die Region, und die Verlängerung des Mandats der Afrikanischen Union bietet nur eine Atempause.

Die Bevölkerung in Darfur ist immer noch mit der Aussicht konfrontiert, dass ihre so genannte Sicherheit ausschließlich von der sudanesischen Regierung, ohne internationalen Schutz, gewährleistet wird. Diejenigen von uns im Parlament, die 2004 in Darfur waren, haben mit eigenen Augen die zerstörten und mit leeren Patronenhülsen übersäten Häuser gesehen. Mehr war von einem Dorf, das von der sudanesischen Regierung im Namen der Sicherheit bombardiert wurde, nicht übrig geblieben.

Gerade erst letzte Woche hat eine Antonow der sudanesischen Regierung Dörfer im Norden von Darfur bombardiert. Ohne internationale Präsenz in Darfur wird es trotz des Aufschreis und der Beteuerungen, ein zweites Ruanda dürfe nicht geschehen, zu einem absoluten Massaker kommen.

Deshalb ist ja die Stationierung einer UN-Truppe gemäß Resolution 1706 so entscheidend. Die dringlichste Aufgabe der internationalen Diplomatie besteht darin, mit Russland und China zusammenzuarbeiten, um den Sudan zu isolieren und eine UN-Präsenz in Darfur durchzusetzen.

Die Erklärung der EU und Chinas am 11. September bot Anlass zu Hoffnung, und darauf müssen wir aufbauen. Ich möchte den Rat fragen, welche Schritte er in dieser Richtung unternehmen wird. Die Afrikanische Union hat ihrerseits erklärt, dass unbedingt eine vorwiegend aus Afrikanern bestehende UN-Truppe in Darfur notwendig ist.

Die humanitäre Lage verschlechtert sich zunehmend, und wegen der laufenden Kampfhandlungen können NRO immer mehr Gebiete nicht versorgen. Gleichzeitig hat sich die Zahl der Menschen, die von humanitärer Hilfe abhängig sind, auf fast drei Millionen Menschen erhöht. In diesem Monat wurden mehr als 30 neue Cholerafälle gemeldet. Ohne einen echten Frieden wird die humanitäre Hilfe zusammenbrechen und Hunderttausende Menschen, die ihre Heimat verlassen haben, um ihr Leben zu retten, werden nun erneut vom Tode bedroht sein.

 
  
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  Angelika Beer (Verts/ALE). – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich brauche nicht zu wiederholen, was gerade über die Situation in Darfur in aller schrecklichen Grausamkeit ausgeführt wurde.

Ich will an dieser Stelle aber sagen, dass mich die Beiträge der Präsidentschaft, der Ministerin und auch Ihr Beitrag, Herr Frattini, nicht überzeugt haben. Solange die verantwortlichen Akteure der Europäischen Union – und das sind Sie für Rat und Präsidentschaft – nicht einmal die Feststellung treffen, dass es um einen jetzt stattfindenden Völkermord geht, wenn Sie nur darüber reden, wie wir uns, wenn es dann Frieden gibt, am Wiederaufbau beteiligen werden und so weiter und so fort, dann frage ich mich, warum Sie nicht sagen, worum es wirklich geht. Es geht erst einmal um die Beendigung eines Völkermordes, der jetzt stattfindet. Danach können wir wieder aufbauen.

Wir müssen für Klarheit sorgen, auch innerhalb der Europäischen Union. Wir haben im Sicherheitsrat das Dilemma, dass China und Russland blockieren. Deshalb müssen wir das Vetorecht im Sicherheitsrat abschaffen. Kein Land auf der Welt darf das Recht haben, Veto einzulegen, um einen Völkermord weiter geschehen zu lassen!

Zweitens – und das können wir Europäer – müssen wir klar machen, dass die so genannte Souveränität des sudanesischen Staates unter solch dramatischen Umständen durchaus verhandelbar ist. Der Schutz des menschlichen Lebens – human security – ist das höchste Gut, nicht die vermeintliche Souveränität eines undemokratischen, brutalen, versagenden Staates.

Erinnern wir uns an die Debatten betreffend die Bereitstellung von Truppen im Kongo, dann im Libanon– diesmal geht es um 22 000 Soldaten. Da können wir nicht einfach sagen: Gut, dass es erst einmal eine Verlängerung bis Dezember gibt, und hoffen, dass bis dann 22 000 Soldaten für eine UNO-Truppe bereitgestellt werden. Das wird nicht funktionieren. Das würde bedeuten, dass wir dem Völkermord bis Dezember weiter zusehen und uns dann erst wieder damit auseinandersetzen, ohne etwas getan zu haben. Das kann nicht europäische Politik sein.

 
  
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  Tobias Pflüger (GUE/NGL). – Herr Präsident! Die Situation in der sudanesischen Provinz Darfur ist ganz offensichtlich schrecklich. Es finden brutale Vertreibungen statt. Jean Ziegler spricht von einer „grässlichen Tragödie“. Doch es ist ziemlich wohlfeil zu sagen: Dann sollen eben, wie in der UN-Resolution verfügt, Truppen entsandt werden; damit ist das Problem gelöst. Sie wissen alle, was in dieser UN-Resolution steht. Da steht nämlich, dass die sudanesische Regierung zustimmen muss, so wie dies üblich ist, und das tut die sudanesische Regierung nicht. Das heißt, was hier Not tut, ist eine politische Lösung und nicht der Ruf nach Truppen oder die Vorbereitung von Truppen, wie es innerhalb der NATO passiert.

Die Rolle der Europäischen Union ist tatsächlich so, wie sie von Rat und Kommission beschrieben wurde. Es ist sehr wohlfeil zu sagen, wir wollen die Truppen. Das Problem ist, dass es einfach bestimmte Grundregeln gibt, die eingehalten werden müssen. Diese Grundregeln besagen, dass tatsächlich eine Zustimmung dieser Regierung vorliegen muss, und eine solche liegt nicht vor. Ich will noch einmal betonen, was die Kollegin von der Fraktion der Grünen gesagt hat: Es gibt insbesondere im Bereich Südsudan ganz konkrete Wirtschaftsinteressen, die in diesem Konflikt auch eine wesentliche Rolle spielen — das Stichwort Öl ist schon gefallen. Und hier spielt nicht nur China eine Rolle, sondern durchaus auch europäische Staaten, wie z.B. mein eigenes Land: Auch Deutschland spielt dort eine wichtige Rolle; es soll nämlich eine große Bahnlinie gebaut werden. Insofern klingt der Ruf, den Menschen zu helfen, wunderbar. Ich schließe mich ihm durchaus an, nur sollte er realistisch sein und auch tatsächlich mehr humanitäre Hilfe erwirken.

 
  
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  Jana Hybášková (PPE-DE).(CS) Herr Präsident, Herr Kommissar! Aus Protest gegen Ihre wie auch unsere Unbeholfenheit würde ich lieber gar nicht sprechen wollen. Doch China braucht Mineralien, Erdöl, Märkte, Wasser und Land. Was wir erleben, ist die chinesische Kolonisierung Afrikas. Die sudanesische Regierung, Partner oder Teil von Al-Qaida und lange Zeit die Heimat Osamas, eingefleischter Verbündeter von Al-Tourabi, praktiziert die ethnische Säuberung, es werden tausende Frauen im Namen des Arabertums und der Mitgliedschaft in der Arabischen Liga vergewaltigt und geschwängert. Die Russen liefern die Waffen. Die Mission der Afrikanischen Union ist am Ende. Unsere ruhmreiche afrikanische Intervention lässt zwei Millionen Menschen im Exil und eine halbe Million Tote zurück.

Ich möchte den Rat und die Kommission fragen, was sie unternehmen, um einer substanziellen Mission der Vereinten Nationen im Rahmen von Kapitel VII unmittelbar Unterstützung zu gewähren. Welche Maßnahmen werden ergriffen, um endlich die Flugverbotszone durchzusetzen, die in dreizehn völlig sinnlosen Entschließungen gefordert wird? Was tun sie, um ein Ende der Straflosigkeit all derer zu sichern, die völlig unschuldige Zivilpersonen vergewaltigen und töten? Ich schäme mich, dass ich als Mitglied des Untersuchungsausschusses des Parlaments mehr Verantwortung übernahm, als ich Darfur und Abéché besuchte, und heute nichts anderes tun kann als weiter plappern, wenn Sie den Ausdruck entschuldigen. Herr Kommissar, stellen Sie sich vor, Sie blicken in die Augen einer jungen Frau, die ein Baby in den Armen hält, und Sie fragen nach dem Namen des Kindes. Sie kann Ihnen nicht antworten, und sie sagt, sie wisse nicht, denn das Kind entstammt einer Vergewaltigung. Was denken Sie, wie würden Sie sich fühlen?

 
  
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  Ana Gomes (PSE).(PT) Die al-Bashir-Regierung ist der Hauptverantwortliche für die Strategie des Völkermords gegen die Menschen von Darfur. Die EU darf sich in dieser Frage keinen Illusionen hingeben. Die Kommission, der Rat und die europäischen Mitglieder des UNO-Sicherheitsrates müssen dem Sudan dringend entgegentreten, indem sie UNO-Truppen in die Region Darfur mit einem robusten Mandat gemäß Kapitel VII der Charta entsenden. Es darf keine Ausreden und keine Unentschlossenheit mehr geben. Wenn die sudanesische Regierung die Bemühungen der internationalen Gemeinschaft in Darfur weiter behindert, muss sie bestraft werden. Vordringlich müssen Bankkonten eingefroren werden, und die Mitglieder der sudanesischen Regierung und andere, die vom Internationalen Strafgerichtshof bereits als Drahtzieher der Gräueltaten identifiziert wurden, müssen am Reisen gehindert werden.

Wenn China und Russland weiter mit einem Embargo gegen Khartum zögern, muss sich die EU mit den Vereinigten Staaten zusammentun und ein Handelsembargo, insbesondere gegen Waffen und Öl, und eine vollständige Blockade der finanziellen Transaktionen der sudanesischen Regierung verhängen. Auch militärische Maßnahmen sind dringend geboten. Vom Ost-Tschad aus könnte eine Flugverbotszone über Darfur kontrolliert werden, damit die sudanesische Luftwaffe die Bevölkerung von Darfur nicht angreifen kann, wie ich und andere Mitglieder dieses Parlaments im September 2004 nahe Al-Faschir selbst erlebt haben.

Es muss unverzüglich eine multinationale Truppe in den Ost-Tschad entsandt werden, um die Flüchtlinge zu schützen, die UNO-Truppe in Darfur vorzubereiten, die Grenze zwischen dem Tschad und dem Sudan zu kontrollieren und in der Region wieder eine gewisse Stabilität herzustellen. Diese Stabilität ist auch durch die erhöhten Spannungen in Somalia bedroht, was auf die Intervention Äthiopiens zurückzuführen ist, die von der Bush-Regierung angezettelt wurde. Dies hatte die verheerende Folge, dass die islamischen Gerichte in Mogadischu gestärkt wurden.

Die EU darf auch zur Rolle Chinas, Russlands und der Arabischen Liga nicht schweigen, die Khartums Völkermordstrategie unterstützen. Nachdem die UNO den Grundsatz der „Verantwortung zum Schutz“ verankert hat, haben sich Moskau, Beijing und die arabischen Hauptstädte ein Armutszeugnis ausgestellt, als sie beim Thema Darfur, wo eine muslimische Bevölkerung von Muslimen massakriert wird, die Lehren von Ruanda, Bosnien und Kongo unter den Teppich zu kehren versuchten.

 
  
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  Raül Romeva i Rueda (Verts/ALE).(ES) Herr Präsident! Als uns der Koordinator für humanitäre Hilfe der Vereinten Nationen, Jean Egeland, im letzten August erklärte, die Lage in Darfur sei so schlimm wie seit 2004 nicht mehr, mahnte er nochmals an, dringend eine Lösung für diese Situation zu finden.

Tatsache ist, dass die UNO darauf besteht, eine Mission der Vereinten Nationen in diese Region zu entsenden, aber Fakt ist auch, wie gesagt wurde, dass die Durchführung wegen des Widerstands der sudanesischen Regierung erschwert wird. Dennoch sind wir verpflichtet, wie die Internationale Krisengruppe so oft unterstrichen hat, unserer so genannten Schutzverantwortung nachzukommen. Wir stehen in der Pflicht, für den Schutz zu sorgen, und dürfen dem nicht ausweichen.

In Bezug auf Darfur können drei ganz konkrete Dinge getan werden: Erstens können wir ganz gezielt Sanktionen verhängen, die unmittelbar auf einen Akteur gerichtet sind, einschließlich der Regierung, die zurzeit die Waffenruhe verletzt oder offen gegen humanitäre Operationen und – wie ebenfalls ausdrücklich gesagt wurde, und ich möchte dies unterstreichen – gegen die Zivilbevölkerung und insbesondere die Frauen vorgeht.

Zweitens kann und muss die Afrikanische Union in größerem Umfang eingesetzt werden, um zu erreichen, dass die verschiedenen Seiten zumindest einen Teil des Darfur-Friedensabkommens einhalten, doch dafür ist auch die Unterstützung der internationalen Partner, einschließlich der Europäischen Union, erforderlich.

Schließlich, und das ist das Wichtigste, muss der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen den Prozess der Entsendung von UN-Truppen vor Ort in Übereinstimmung mit dem eindeutigen Mandat von Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen beschleunigen. Andernfalls wird dieses Massaker schwer aufzuhalten sein.

 
  
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  Filip Kaczmarek (PPE-DE). – (PL) Herr Präsident! Darfur ist eine humanitäre Katastrophe. Diese tragische Region hat einen kritischen Punkt erreicht, und wir müssen ihr unsere volle Aufmerksamkeit widmen und zügig handeln, wie UNO-Generalsekretär Annan erst vor wenigen Tagen erklärte. Man kann seinen Auffassungen wohl kaum widersprechen. Die ganze Welt weiß, dass sich die Region seit 2003 ständig im Krieg befindet. In dessen Ergebnis kamen 300 000 Menschen ums Leben und mehr als 2,5 Millionen wurden vertrieben.

In den letzten Wochen haben humanitäre Organisationen, die im Sudan tätig sind, Alarm geschlagen. In Darfur sind drei Millionen Menschen von internationaler humanitärer Hilfe abhängig, die die Versorgung mit Nahrungsmitteln, medizinische Hilfe und Obdach umfasst. Infolge des eskalierenden Konflikts in der Region wird es jetzt fast unmöglich, diese Hilfe zu leisten. Allein seit Anfang Mai wurden zwölf Mitarbeiter internationaler Hilfsorganisationen getötet, mehr als in den vergangenen zwei Jahren.

Obwohl die Afrikanische Union bis Ende des Jahres in dem Gebiet bleiben soll, ist klar, dass sie aus eigenen Kräften den Krieg nicht beenden kann. Wir sollten bedenken, dass dies ein mangelhaft ausgerüstetes und finanziertes 7 000 Mann starkes Kontingent für ein Gebiet von der Größe Frankreichs ist. Auch wenn es um weitere 4 000 Soldaten aufgestockt würde, wäre es nicht in der Lage, den Millionen Zivilisten zu helfen, die in der Region von Angriffen bedroht sind, oder die Sicherheit internationaler Organisationen zu gewährleisten und Flüchtlinge zu schützen.

Derzeit wird eine Reihe von Lösungen für das Problem geprüft. Sie reichen vom Einsatz von UNO-Kräften in dem Gebiet über eine umfangreiche UNO-Unterstützung für die Afrikanische Union bei Logistik und Ausrüstung bis hin zu einem Engagement der NATO zur Lösung des Konflikts. Meiner Meinung nach ist eine Sache mehr als deutlich. Bei der Suche nach einer Lösung für dieses drängende Problem sollten afrikanische Länder und ihre Staatsführer viel stärker einbezogen werden. Sie sind erfahren, kennen sich mit dem Gebiet aus und haben dort umfassende Kontakte aufgebaut. Darum sollten wir unsere afrikanischen Partner dazu bringen, sich stärker bei der Suche nach einer Lösung für diesen Konflikt zu engagieren.

 
  
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  Marie-Arlette Carlotti (PSE).(FR) Herr Präsident! Alle sagen, dass sich Darfur am Rande des Abgrunds befindet. Die Konfliktparteien morden und vergewaltigen weiter. Sie suchen sich täglich ihre Opfer in der Zivilbevölkerung. Die Hilfsorganisationen verlassen das Gebiet unter dem Druck von Einschüchterungen und sogar Morden, denn 13 von ihnen wurden in den vergangenen Wochen getötet. Der Konflikt bedroht die gesamte Subregion, da er sich auf den Tschad und die Zentralafrikanische Republik ausdehnt. Gegenwärtig scheint alles für den letzten Angriff bereit zu sein. Ein Massaker steht kurz bevor. Die Regierung spielt Katz und Maus mit der internationalen Gemeinschaft. Ein ausgesprochen grausames Spiel, das tagtäglich Hunderte Menschenleben fordert.

Seit 2004 scheut die Union keine finanziellen Mühen, und dieses Engagement hat sicherlich dazu beigetragen, ein Blutbad zu verhindern. Doch gegenwärtig bedarf es dringend eines energischeren politischen Engagements. Die Priorität besteht darin, so schnell wie möglich im Einklang mit der Resolution 1706 eine Friedenstruppe der Vereinten Nationen zu entsenden, die auch Gewalt einsetzen kann, wenn dies notwendig ist, um die Zivilbevölkerung zu schützen.

Die einzige Möglichkeit, die Menschen in Darfur zu schützen, besteht darin, schnell, hier und jetzt, zu handeln, indem die sudanesischen Behörden dazu gezwungen werden, ihre gegenwärtige Offensive zu beenden und das Friedensabkommen für Darfur umzusetzen; indem das Mandat gestärkt und die Ausstattung der Truppen der Afrikanischen Union verbessert wird, die vor Ort stationiert sind und die derzeit der Zivilbevölkerung keinen ausreichenden Schutz bieten können; indem unverzüglich, darauf haben meine Kolleginnen und Kollegen bereits hingewiesen, die in der UN-Resolution 1591 vorgesehene Flugverbotszone verhängt wird. Und wenn darüber hinaus die Appelle an die Vernunft nicht ausreichen, dann müssen wir eben den Weg für Sanktionen ebnen: Erdölembargo, internationaler Haftbefehl, individuelle Sanktionen gegen die Verantwortlichen der Gräueltaten und insbesondere gegen diejenigen 51 Personen, die auf der dem Internationalen Strafgerichtshof übergebenen Liste stehen. Meine Damen und Herren, dieses Parlament wird nicht zulassen, dass sich stillschweigend und praktisch vor seinen eigenen Augen der erste Völkermord des 21. Jahrhunderts vollzieht.

 
  
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  Mario Mauro (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ziel meines Redebeitrags ist es, den letzten Schleier der Scheinheiligkeit, der über der Haltung der Regierung von Khartum liegt, zu lüften.

2000 weilte ich zusammen mit den an der AKP-Versammlung teilnehmenden Mitgliedern dieses Parlaments zu einem Besuch im Sudan. Frau Kinnock und ich hatten die Möglichkeit, mit dem damals im Gefängnis sitzenden Ibn al-Turabi zu sprechen; er war ein alter Kampfgefährte von Omar al-Bashir, einem der Führer des islamischen Fundamentalismus im Sudan, der zu den Männern gehörte, die die Aufnahme von Osama bin Laden im Sudan organisierten.

Er hat uns damals, 2000, offen erklärt, worin die Arabisierungsstrategie der Regierung in Khartum bestand. Das war eine Strategie zur „Arabisierung“ – ich sage das ganz bewusst, nicht zur Islamisierung, sondern zur Arabisierung – eines Gebiets, das vielen amtlichen Dokumenten der sudanesischen Regierung zufolge von den so genannten „Affen von Darfur“, d. h. den Darfurern, bewohnt wird.

Wenn sich Europa dessen bewusst wird, bedeutet das heute einmal mehr, dass wir nicht länger das Spiel der Regierung in Khartum mitmachen und fordern dürfen, zwischen zwei vermeintlichen Konfliktparteien zu vermitteln, denn es gibt keine Konfliktparteien. Es gibt keinen Bürgerkrieg in Darfur: Es gibt nur Mörder und Opfer. Es gibt nur Mörder, die als Handlanger ihrer Auftraggeber in Khartum fungieren, von denen eine Wahnsinnsideologie verfolgt wird, die nicht mehr nur droht, im Völkermord zu enden, sondern einen seit langem praktizierten Völkermord zu ratifizieren.

Deshalb ist es entscheidend für die europäischen Organe, Dringlichkeitsmaßnahmen zu beschließen wie jene, die Frau Carlotti beschrieben hat, um alle mit an Bord zu nehmen, denen das Leben einer Generation am Herzen liegt.

 
  
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  Karin Scheele (PSE). – Herr Präsident! Seit dem Abschluss des Darfur-Friedensabkommens im Mai 2006 ist keine einzige Frist dieses Vertrages eingehalten worden. Kämpfe und Ausschreitungen gegen die Zivilbevölkerung gehen unvermindert weiter bzw. verstärken sich sogar noch. Systematische Vergewaltigungen werden weiterhin als Kriegswaffe eingesetzt; in den letzten drei Monaten war ein drastischer Anstieg der Vergewaltigungen zu verzeichnen. Die sudanesische Regierung ist auch weiterhin gegen eine UNO-Mission, die bedeutend mehr Mittel, Truppen und Kompetenzen hätte als die wenig wirksame Friedensmission der Afrikanischen Union. Die Erweiterung der afrikanischen Friedensmission auf 11 000 Polizeikräfte und Soldaten im Westsudan ist zu begrüßen, aber die anhaltende kollektive Unterstützung der Afrikanischen Union für UNO-Truppen zeigt auch, dass es sich hier nur um Übergangsmaßnahmen handeln kann.

Die sudanesische Regierung plant offenbar bereits, ihre eigenen Schutztruppen in die Region zu entsenden. „Die Aussicht, bald von eben jenen Regierungssoldaten ‚beschützt’ zu werden, welche sie aus ihren Häusern vertrieben und misshandelt hatten, versetzt die Zivilbevölkerung in Panik“, warnt Amnesty International. Hilfsorganisationen, die in dieser Region tätig sind, fürchten, dass sie ihre Tätigkeit völlig einstellen müssten, falls Regierungstruppen und die abtrünnigen Rebellenverbände, die den Friedensvertrag von Abuja noch nicht unterzeichnet haben, erneut aufeinander treffen.

Wir fordern daher die sudanesische Regierung auf, die Friedenstruppen der Vereinten Nationen in Darfur nach Kapitel 7 der UN-Charta zu akzeptieren, wie sie die Resolution 1706 des Sicherheitsrats vorsieht.

Der Sudan steht am Rande einer Katastrophe. Es darf nichts unversucht gelassen werden, um einen weiteren Völkermord auf dem afrikanischen Kontinent zu verhindern.

 
  
  

VORSITZ: ANTONIOS TRAKATELLIS
Vizepräsident

 
  
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  Patrick Gaubert (PPE-DE).(FR) Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Wie mir zwei Überlebende aus dem Sudan gesagt haben, müssen wir das Schweigen brechen, unter dem die Opfer des Völkermords leiden.

Heute möchte ich mich im Namen dieser stummen Opfer des Genozids, der sich derzeit in Darfur vollzieht, mit einem dringenden Appell – einem Schrei der Verzweiflung – an Sie richten. Ich spreche hier in meiner Eigenschaft als Mitglied des Europäischen Parlaments, aber auch als Vorsitzender einer internationalen NRO, die vor allem auch in Darfur tätig ist, zu Ihnen.

Ich gehöre einer Generation an, die sich nach dem Holocaust geschworen hat, dass so etwas nie wieder geschehen dürfe. Wir hören oft die Worte „nie wieder“, doch nun müssen wir uns erneut mit dieser Frage befassen. Wollen wir warten, bis alle Bevölkerungsgruppen vernichtet sind, um sie zu betrauern? Wie hoch muss die Zahl der Toten sein, damit wir eingreifen? Gibt es eine Mindestzahl von Menschen, die in Lager gesteckt werden müssen, bevor wir intervenieren? Tatsächlich denke ich, dass für bestimmte Opfer niemals großes Interesse bestehen wird. Darfur gehört dazu. Kofi Annan hat erklärt, dass Darfur die Hölle sei. Doch wir können uns nicht vorstellen, was diese Hölle für die Bevölkerungsgruppen bedeutet, die von den Milizen des Völkermords gefoltert werden, die im Dienste einer unrechtmäßigen Regierung stehen.

Dies ist an sich schon ein Verbrechen, aber wollen wir es noch um das Verbrechen der Gleichgültigkeit ergänzen? Nein! Die Folterknechte sollen wissen, dass wir sie nicht in Ruhe lassen werden, denn wir können nicht sagen, dass wir nicht wussten, was vor sich ging. Es ist uns bewusst, doch wir handeln nicht. Europa muss eine kraftvolle Rolle übernehmen. Europa muss mehr Druck ausüben und weitaus energischer ein Ende der Verbrechen und der Massaker sowie den Einsatz einer UN-Truppe zum Schutz der Zivilbevölkerung in Darfur fordern. Dies kann nur auf diplomatischem Wege und durch internationale Beteiligung erreicht werden. Ausnahmsweise kann eine Armee eine positive Rolle übernehmen und sich zwischen die Mörder und ihre Opfer stellen. Wir müssen eine Lösung des Problems der Milizen und die Erbringung humanitärer Hilfe fordern.

Wie einige meiner Vorredner bereits gesagt haben, dürfen wir keine Zeit verlieren, denn wir werden tatsächlich Zeugen des ersten Völkermords des 21. Jahrhunderts.

 
  
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  Panagiotis Beglitis (PSE). – (EL) Herr Präsident, meine Damen und Herren, Herr Kommissar! Leider haben der Krieg im Libanon und der Konflikt im Nahen Osten das internationale Interesse und die ganze Aufmerksamkeit der internationalen Medien auf sich gezogen, so dass die tragischen Entwicklungen in Darfur ins Hintertreffen geraten sind, wo eine humanitäre Krise herrscht, Völkermorde und ethnische Säuberungen an der Tagesordnung sind und ein verbrecherischer Krieg im Gange ist.

Wir haben die Resolution 1706 des UN-Sicherheitsrates, deren Umsetzung wir fordern. Bei der Resolution 1701 zum Libanon hat sich die internationale Gemeinschaft noch für ihre vollständige Umsetzung stark gemacht. Doch fünf Resolutionen später, bei der Resolution 1706, machen sich leider auf internationaler Ebene in punkto Umsetzung Gleichgültigkeit und Heuchelei breit. Bei dieser ernsten humanitären Krise wird mit zweierlei Maß und Gewicht gemessen, wodurch letztendlich auch unsere gemeinsamen europäischen Werte und Grundsätze untergraben werden.

Meines Erachtens, Herr Kommissar, hat die Europäische Union nicht nur eine politische und strategische, sondern auch eine moralische Verantwortung, in diesem Bereich aktiv zu werden. Die bürokratischen Beschlüsse des Ministerrates allein genügen da nicht. Am 20. Oktober wird der Gipfel stattfinden. Sie müssen deshalb auch dafür sorgen, dass die Europäische Union im Sicherheitsrat eine Initiative auf den Weg bringt, damit sich alle Mitglieder des Sicherheitsrates bei der Lösung des Problems und der endlich in Angriff zu nehmenden Umsetzung der Resolution 1706 auf einen gemeinsamen Standpunkt einigen. Und darüber hinaus besteht, um ehrlich zu sein, eine Verpflichtung, auch gegenüber China Initiativen zu ergreifen. China gehört zu den Ländern, die dafür verantwortlich sind, dass sich diese ausweglose Situation, diese Krise so lange hinziehen. Auch die Arabische Liga trifft hier eine Mitverantwortung. Also ergreifen Sie Initiativen gegenüber der Arabischen Liga, der Islamischen Konferenz, China, Russland und selbst den Vereinigten Staaten. Die blassen Erklärungen von Herrn Bush und dem Kongress der Vereinigten Staaten reichen einfach nicht aus. Und schließlich, Herr Kommissar, muss auch der Besitzstand des internationalen Rechts betreffend das Recht auf internationale Intervention bei Menschenrechtsverletzungen zur Anwendung kommen.

 
  
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  Józef Pinior (PSE). – (PL) Herr Präsident! Wir alle sind Zeugen der Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die seit drei Jahren auf sudanesischem Boden verübt werden, wie Völkermord, Kriegsverbrechen und ethnische Säuberung. Während wir hilflos von unserem Elfenbeinturm aus zusehen, kommt der sudanesische Staat nicht seiner grundlegenden Pflicht nach, die jeder Staat hat, nämlich die Sicherheit der Bevölkerung eines bestimmten Gebiets zu gewährleisten. Wir starren von Brüssel und Straßburg aus auf die Ereignisse im Sudan, obwohl doch die Europäische Union aus einem politischen und moralischen Protest gegen Verbrechen dieser Art heraus entstanden ist. Jede folgende Erweiterung wurde mit der gleichen Fanfare begrüßt: Nie wieder, nie wieder werden wir solche Verbrechen gegen die Menschlichkeit geschehen lassen, nie wieder werden wir ethnische Säuberungen zulassen, nie wieder werden wir Völkermord hinnehmen!

In den heute von Vertretern der Europäischen Union abgegebenen Erklärungen habe ich ein solch ausdrückliches Bekenntnis dazu, dass die Europäische Union tatsächlich alles in ihrer Macht Stehende tun wird, um das alltägliche Morden im Sudan aufzuhalten, nicht entdeckt. Welche Schritte sollten unternommen werden? In den kommenden Wochen sollte die Union vor allem Druck auf die Regierung in Khartum ausüben, um sicherzustellen, dass diese dem Einsatz von UNO-Friedenstruppen auf sudanesischem Hoheitsgebiet zustimmt. Sollte dieses Unterfangen nicht erfolgreich sein und sollte sich die Regierung in Khartum weiterhin weigern, die Anwesenheit von UNO-Schutztruppen auf ihrem Hoheitsgebiet zu dulden, wäre es sinnvoll, die logistische und materielle Unterstützung für die Mission der Afrikanischen Union im Sudan weiter aufzustocken. Wenn all dies keinen Einfluss auf die Geschehnisse im Sudan hat, dann sollten wir über die Entsendung von NATO-Truppen nachdenken, um dafür zu sorgen, dass die Militärmission der Afrikanischen Union in der Lage ist, im gesamten Gebiet des Sudan für Frieden und Sicherheit zu sorgen.

 
  
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  Paula Lehtomäki, amtierende Ratspräsidentin. – (FI) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Dies war eine ausgezeichnete und engagierte Aussprache. Ich kann Ihnen versichern, dass der Rat der Situation im Sudan und in Darfur nicht teilnahmslos gegenübersteht. Wir stimmen alle darin überein, dass die dortigen Entwicklungen äußerst Besorgnis erregend sind, und wir müssen jetzt und in Zukunft alles in unserer Macht Stehende unternehmen, um die Sicherheit und die humanitäre Situation in Darfur zu verbessern. Wir tun ständig alles, was in unserer Macht steht, oder zumindest ziemlich viel. Wir unterhalten aktive diplomatische Kontakte zu den verschiedenen Beteiligten und zu Drittstaaten, um die breitestmögliche Unterstützung für die UN-Resolution und ihre Umsetzung zu erreichen und den Druck auf die sudanesische Regierung zu erhöhen. Der Sonderbeauftragte Pekka Haavisto spielt eine wichtige Rolle im Sudan, indem er sich bemüht, alle Parteien vor Ort zur Unterstützung dieses Friedensprozesses zu bewegen, da ein dauerhafter Frieden anders nicht zu erreichen ist.

Es ist sehr wichtig und ein positives Zeichen, dass die Afrikanische Union durch ihre AMIS-Mission gezeigt hat, dass sie stark an der Bewältigung dieser Krise interessiert ist. Dieses Engagement genießt die Unterstützung der Europäischen Union, die die AMIS-Mission auch weiterhin logistisch, mit materiellen Hilfsmitteln, bei der Planung und durch weitere, ähnliche Maßnahmen unterstützen wird. Die Afrikanische Union hat beschlossen, ihre Friedenssicherungspräsenz – das heißt, ihre AMIS-Mission – um weitere 4 000 Mann zu verstärken, was bedeutet, dass insgesamt 11 000 Mann in der Region stationiert sind.

Wenn die UN-Mission in der Region angelaufen ist, dann lässt sich ihre Akzeptanz in den Augen der sudanesischen Regierung am einfachsten dadurch steigern, dass sie aus afrikanischen und asiatischen Truppen gebildet wird. Zu bedenken ist auch, dass die anderen Nachbarstaaten in der Region eine sehr wichtige Rolle in Grenz- und Flüchtlingsfragen spielen.

Die Situation der Menschenrechte in der Region ist äußerst besorgniserregend, wie in dieser Debatte bereits zum Ausdruck kam. Die Europäische Union hat sich dieser Menschenrechtsfragen angenommen, indem sie sie auf die Tagesordnung des laufenden UN-Menschenrechtsrates gesetzt hat. Was die Frage des Völkermords und speziell den Gebrauch dieses Begriffs angeht, sei daran erinnert, dass der Internationale Strafgerichtshof diese Dinge zurzeit untersucht, und die Europäische Union unterstützt ihn dabei.

Für die Lösung der Probleme in Darfur und im Sudan gibt es nicht nur einen einzigen Schlüssel. Es kommt darauf an, dass wir alle uns zur Verfügung stehenden Mittel und Wege nutzen, um auf eine wirksame, breit angelegte und koordinierte Art und Weise sowie im Geist der Zusammenarbeit Fortschritte zu erzielen.

 
  
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  Franco Frattini, Vizepräsident der Kommission. (IT) Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich stimme vollkommen mit den Schlussfolgerungen überein, die die Frau Ministerin, die den Ratsvorsitz vertritt, dargelegt hat.

Ich denke, wohl niemand in diesem Hohen Haus hegt irgendwelche Zweifel hinsichtlich der katastrophalen Ausmaße der Tragödie in Darfur, ebenso wie es keinen Zweifel daran geben kann, dass es sich wirklich um Völkermord handelt. Die heutige Aussprache berührt jedoch ein mehr allgemeineres politisches Problem, das äußerst bedeutsam für dieses Parlament und für die Organe der Europäischen Union im Allgemeinen ist: die Rolle der Union als Förderin und Verteidigerin von Grundrechten außerhalb ihrer Grenzen.

Oft fragen wir uns, ob die Europäische Union weltweit ein Bannerträger der Grundrechte hauptsächlich in Bezug auf die Achtung der Menschenwürde sein kann und muss (ich persönlich glaube, sie kann und muss) – einer Menschenwürde, die in der Darfur-Tragödie vollkommen ausgelöscht wurde. Damit sie jedoch diese Rolle übernehmen kann, müssen wir eine große politische Debatte darüber führen, wie Europa diese Werte über seine Grenzen hinaustragen und verteidigen kann, wenn es sich Gesprächspartnern wie der sudanesischen Regierung gegenübersieht, die den Fundamentalismus sowie die gewalttätigen, fürchterlichen Ausschreitungen der Milizen toleriert und ermutigt. Nun haben viele von Ihnen unmissverständlich erklärt: „Lasst uns in Anwendung von Kapitel VII mit bewaffneten Truppen einmarschieren; lasst uns eine Militärstreitmacht entsenden, um dieser katastrophalen Situation mit Gewalt ein Ende zu setzen.“

Ich bin mir wohl bewusst, dass dies eine der Optionen ist, die in den internationalen Verträgen vorgesehen sind, doch erinnere ich mich, dass wir Europäer gerade bei der weltweiten Förderung der Menschenrechte oft von der Gewährleistung des so genannten Grundsatzes der Eigenverantwortlichkeit gesprochen haben: Anders gesagt, wir können nicht hier in Straßburg oder Brüssel über den richtigen Weg entscheiden, den ein anderes Land oder ein anderer Kontinent zu beschreiten haben, und ihn einfach aufzwingen. Wir müssen mit den lokalen Behörden zusammenarbeiten, und meiner Ansicht nach ist der erste Schritt zu einer Lösung die Zusammenarbeit mit der Afrikanischen Union, wobei ihre Rolle gestärkt und mithin gewährleistet werden muss, dass ihr die benötigte praktische Unterstützung zuteil wird. Wir wollen nicht den Eindruck entstehen lassen, Europa halte sich zu einem bestimmten Zeitpunkt fern und sei im nächsten Moment plötzlich präsent, um Truppen und Waffen zu stationieren und eine Rolle zu spielen, die allenfalls die Afrikanische Union festigen und stärken sollte.

Wie der Ratsvorsitz soeben hervorgehoben hat, ist das der erste Schritt. Der zweite Schritt auf diesem Weg wird die Bereitstellung logistischer Unterstützung vor Ort sein. Das ist eine Arbeit, die wir – die Europäische Union und ihre Institutionen – tun können, und die Europäische Kommission kann außerdem wirtschaftliche Hilfe anbieten. Wie können wir sicherstellen, dass die humanitäre Hilfe auch wirklich bei den beabsichtigten Empfängern ankommt: bei der leidtragenden Bevölkerung und den NRO-Mitarbeitern, die an Ort und Stelle ihr Leben riskieren? Die logistische Unterstützung vor Ort ist also ein weiterer Bereich, in dem wir, die Europäische Union, etwas bewirken können.

Der dritte Schritt, dem einige durchaus nicht genug Gewicht beigemessen haben, ist die Gestaltung der Zusammenarbeit mit der Arabischen Liga. Meine Damen und Herren, wir begegnen den Empfindlichkeiten der islamischen oder arabischen Länder in vielen Teilen der Welt. In einigen Fällen sind sie unsere treuen Verbündeten, beispielsweise bei der Bekämpfung des Terrorismus. In anderen Fällen zeigen sie sich so überempfindlich, dass es uns ratsam erscheint, Vereinbarungen zu schließen, bevor wir eingreifen.

Worin besteht der Unterschied zwischen Darfur und dem Libanon? Der Unterschied besteht darin, dass es im Falle Libanons ein Abkommen gab, und die Truppen wurden als Friedenstruppen entsandt, weil die libanesische Regierung und die israelische Regierung das gemeinsam akzeptierten. Die sudanesische Regierung lehnt diesen Gedanken indessen nach wie vor ab. Glauben Sie denn, es wäre möglich, einseitig einzugreifen, ohne der Arabischen Liga eine entscheidende Rolle einzuräumen? Meinen Sie nicht, ohne eine starke Rolle der Arabischen Liga würde eine solche Aktion ein äußerst negatives Signal an diese riesige Bevölkerung senden, die leider die extremsten fundamentalistischen Bestrebungen in der Welt vertritt? Würde das nicht die Fundamentalisten und Extremisten stärken, die dann ein weiteres Argument in ihrem Propagandaarsenal bekämen?

Der dritte Schritt zur Lösung betrifft also die Arabische Liga. Wir bemühen uns, die Arabische Liga zu ermutigen, sich von der Regierung des Sudan zu distanzieren und ihr die Zustimmung und Unterstützung zu entziehen; wie Sie wissen, geschieht das gegenwärtig in gewissem Maße, doch müssen wir in dieser Richtung noch mehr unternehmen.

Da wäre noch eine andere Frage, die manche angesprochen haben: Was geschieht, wenn die Regierung in Khartum nicht auf die Appelle der internationalen Gemeinschaft hört? Ich war immer der Meinung, dass eine militärische Aktion stets nur ein letzter Ausweg sein darf, selbst wenn eine humanitäre Intervention durch Kapitel VII der Charta gerechtfertigt sein mag.

Es gibt noch einige Mittelwege. In diesem Zusammenhang habe ich manche von einer „Flugverbotszone“ reden hören; das ist eine Maßnahme, die ausgelotet, beschlossen und vorgeschlagen werden könnte. Sie wissen, dass, wenn wir dem Sicherheitsrat eine Aktion im Rahmen von Kapitel VII vorschlagen würden, China, ob es uns nun gefällt oder nicht, wahrscheinlich sein Veto einlegen und demzufolge nichts geschehen würde. Ich frage mich deshalb, ob es nicht besser wäre, auf eine Initiative hinzuarbeiten – die das Problem vielleicht nicht löst, aber hilfreich wäre –, wie die Sperrung des Luftraums für Flugzeuge, die das Gebiet überfliegen und die Menschen mit Bomben und Luftangriffen töten. Das ist eine andere konkrete Möglichkeit.

Ich möchte meine Ausführungen mit zwei Bemerkungen abschließen. Erstens werden Kommissionspräsident Barroso und mein Kollege Louis Michel nach Khartum reisen. Sie werden den höchsten Kreisen der sudanesischen Regierung eine eindringliche Botschaft übermitteln, in der erklärt wird, dass die Europäische Union gewillt ist, starke diplomatische Aktivitäten zu entfalten, aber auch der leidenden Bevölkerung vor Ort zu helfen. Die Botschaft wird auf die Isolation hinweisen, in die der Sudan geraten würde, wenn er sich weiterhin weigert, der internationalen Gemeinschaft Gehör zu schenken. Eine solche Isolation wäre für den Sudan selbst besonders verheerend: Von der übrigen Völkergemeinschaft isoliert zu werden läge nicht im Interesse Khartums; das, meine Damen und Herren, würde die Ausrede von Präsident Bashir für das Festhalten an einer derart negativen Haltung zunichte machen.

Ein anderer sehr wichtiger Aspekt, auf den sich das Handeln der Kommission richten wird, ist die Rolle der Frauen und Kinder. Wir sprechen so oft über dieses Thema hier in Europa: Wir machen uns Gedanken über die Opfer des Menschenhandels und die Zwangsprostitution, und wir haben einen europäischen Fahrplan für die Kinderrechte aufgestellt. Selbstverständlich können wir unsere Augen nicht vor den Rechten der Frauen und Kinder außerhalb Europas in einem so tragischen Fall wie Darfur verschließen.

Ich persönlich hoffe deshalb, dass dieses Parlament festbleibt im Hinblick auf seine Maßnahmen in Darfur, insbesondere was den Schutz der Frauen und Kinder anbelangt, die wie immer die am stärksten bedrohten Opfer sind.

 
  
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  Der Präsident. – Zum Abschluss der Aussprache wurden gemäß Artikel 103 Absatz 2 der Geschäftsordnung sechs Entschließungsanträge(1) eingereicht.

Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet morgen, Donnerstag, um 12.00 Uhr statt.

 
  

(1) Siehe Protokoll.

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