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Werdegang im Plenum
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Eingereichte Texte :

RC-B6-0291/2007

Aussprachen :

PV 12/07/2007 - 11.1
CRE 12/07/2007 - 11.1

Abstimmungen :

PV 12/07/2007 - 13.1
CRE 12/07/2007 - 13.1

Angenommene Texte :


Ausführliche Sitzungsberichte
Donnerstag, 12. Juli 2007 - Straßburg Ausgabe im ABl.

11.1. Humanitäre Lage der irakischen Flüchtlinge
Protokoll
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  Der Präsident. Als nächster Punkt folgt die Aussprache über sechs Entschließungsanträge zur humanitären Lage der irakischen Flüchtlinge.(1)

 
  
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  Marios Matsakis (ALDE), Verfasser. (EN) Herr Präsident, Herr Kommissar! Der Irak befindet sich heute in einer abgrundtief katastrophalen Lage, und die irakische Bevölkerung erleidet einen Zustand äußerster Verzweiflung und größten Schreckens. Die von internationalen Agenturen, wie der United Nations Assistance Mission im Irak und anderen UN-Organisationen, bestätigten Statistiken sehen wirklich finster aus und brechen einem das Herz. Tag für Tag werden im Durchschnitt einhundert Menschen getötet und zweihundert verwundet; die Hälfte der Bevölkerung lebt von weniger als einem Dollar pro Tag, und von der Arbeitslosigkeit sind über 80 % der Bevölkerung betroffen. Nur eine Minderheit hat Zugang zu ausreichender Wasserversorgung und entsprechender Hygiene. Die Stromversorgung ist stark eingeschränkt und wird oft ohne vorherige Ankündigung unterbrochen. Vier von fünf Ärzten haben ihre Krankenhäuser verlassen, und drei Viertel der Kinder gehen nicht zur Schule.

Fast drei Millionen Menschen sind Binnenvertriebene, das heißt, sie sind Flüchtlinge im eigenen Land, und ihre Zahl wächst täglich um etwa 2 000. Weitere zwei Millionen Iraker sind in die Nachbarstaaten geflohen, nach Syrien, Jordanien, die Golfregion, nach Ägypten und in den Iran. Die Menschen haben keinen formellen Flüchtlingsstatus, der sie schützt.

Die EU und die internationale Gemeinschaft insgesamt haben eine moralische Pflicht, Mitgefühl und Verständnis für die beklagenswerten Bedingungen zu zeigen, unter denen die irakischen Flüchtlinge leben. Darüber hinaus – und das ist noch wichtiger – müssen sie viel mehr wirksame Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass diesen armen Menschen die Hilfe und Unterstützung zuteil wird, die sie so dringend benötigen, um die Würdelosigkeit und das Unglück, die sie überkommen haben, zu überstehen.

In diesem Gemeinsamen Entschließungsantrag ist eine Reihe von Maßnahmen aufgeführt, die wichtig sind, um den irakischen Flüchtlingen zu einer menschlicheren Existenz zu verhelfen.

Bisher habe ich als Vertreter meiner Fraktion gesprochen; gestatten Sie mir nunmehr einige persönliche Worte. Der Irak ist ein relativ junges Land; es wurde erst 1932 von Großbritannien unabhängig. Sodann folgte eine Geschichte des Chaos, und schließlich gelangte Saddam Hussein an die Macht. Er war ein Tyrann und ein Verbrecher, aber er gelangte mithilfe des Westens, leider auch einiger europäischer Staaten, an die Macht.

So traurig es ist: Selbst die schlimmsten Tage von Saddam Husseins totalitärer Herrschaft scheinen nichts zu sein im Vergleich zu dem Tod, der Zerstörung und dem Leid, die nach der Bush-Blair-Invasion und der andauernden Besetzung des Landes über das irakische Volk gekommen sind. Diese beiden ‚Friedensstifter’ haben einen Angriff auf den Irak befohlen und dem irakischen Volk Glück und Wohlstand versprochen. Stattdessen ist es ihnen gelungen, Unglück von gigantischen Ausmaßen zu bringen. Doch einige EU-Kreise loben nach wie vor diese Invasion, und vor kurzem haben sie sogar vereinbart, Herrn Blair für seine ‚Friedensdienste’ gegenüber der arabischen Welt mit der Ernennung zum Sondervertreter des Quartetts für den Nahen Osten auszuzeichnen. Möge Gott solchen Kreisen ein gewisses Maß an Vernunft bringen, und bewahre uns Gott vor den Bushs und Blairs dieser Welt!

 
  
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  Esko Seppänen (GUE/NGL), anstelle des Verfassers. – Herr Präsident, Herr Kommissar! Ich verlese die Rede von Tobias Pflüger. Die Debatte über die Hilfe für die irakischen Flüchtlinge führen wir leider erst heute. Ich bedauere dies zutiefst. Warum haben denn die Fraktionen der Liberalen, Rechtsnationalisten und Konservativen das Thema von der Tagesordnung der letzten Plenarsitzung abgesetzt? Stattdessen wurden hier ideologische Debatten über Kuba geführt.

Die Lage im Irak ist dramatisch. Seit dem Einmarsch der USA und der so genannten Koalition der Willigen sind über 600 000 Menschen getötet worden. Über 2 Millionen Irakerinnen und Iraker sind ins Ausland geflüchtet. Dazu kommen 2 Millionen Binnenvertriebene und über 40 000 nichtirakische Flüchtlinge. Aber auch die Opferzahlen der US-Armee steigen täglich, auf jetzt insgesamt 3 600. Leider tragen auch Mitgliedstaaten der EU durch ihre Kriegsbeteiligung und Kriegsunterstützung — speziell auch Deutschland — ein hohes Maß an Mitverantwortung für die Situation im Irak.

Nun muss den Flüchtlingen wirklich geholfen werden. Das kann nicht allein Aufgabe der Nachbarländer sein. Hier muss sich die EU finanziell einsetzen. Abschiebungen in den Irak müssen sofort gestoppt werden. Die Truppen der USA und der so genannten Koalition der Willigen müssen zurückgezogen werden. Die Kriegsunterstützung durch EU-Mitgliedstaaten ist zu beenden. Ein Ende des völkerrechtswidrigen Krieges und der Besatzung des Irak ist notwendig.

 
  
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  Charles Tannock (PPE-DE), Verfasser. (EN) Herr Präsident! Ich gehörte zu jenen Politikern, die damals, im Jahr 2003, für den Irak-Krieg waren in dem Glauben, dass Saddam Hussein langfristig eine ernste Gefahr für die regionale Stabilität darstellen würde, aber auch wegen der horrenden Brutalität seines Baath-Regimes. Ich war überzeugt, dass es durch Demokratie, Achtung der Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit ersetzt werden würde.

Aber wie viele andere habe ich die Wucht des darauf folgenden Aufruhrs und den gravierenden Mangel an Friedensplanung, die nachfolgende Invasion durch unsere Verbündeten in den USA, insbesondere ihre desaströse Auflösung der irakischen Armee als Ent-Baathifizierungsmaßnahme, was verärgerte sunnitische Offiziere veranlasste, ihre Expertise den Aufständischen zu leihen, leider unterschätzt. Man hatte auch versäumt, die jordanische und syrische Grenze gegen eindringende Dschihad-Extremisten zu sichern, die auf die Verbündeten einschlugen, ganz zu schweigen davon, dass Saddam vor seinem Sturz seine Gefängnisse öffnete, wodurch sich das organisierte Verbrechen in diesen tödlichen Cocktail mischen konnte, und stets hatte der Iran auf der Seite der Schiiten seine Finger im Spiel, sodass nun praktisch ein Bürgerkrieg daraus geworden ist.

Kurioserweise gab es unmittelbar nach der Invasion kaum Binnenvertriebene und Flüchtlinge im Vergleich zu dem vorherigen Exodus von Kurden in den Tagen Saddams. Paradoxerweise ist der Kurdenstrom nun versiegt, denn ihr Gebiet ist eines der wenigen verbliebenen friedlichen Gegenden des Landes.

In den letzten zwei Jahren hat nun leider einige riesige Zahl von Irakern – vielleicht mehr als zwei Millionen – das Land verlassen, vor allem die verfolgten christlich-assyrischen Minderheiten, die so lange gelitten hatten und die von allen Seiten durch die Islamisten, die sie der Kollaboration mit den Kreuzfahrern beschuldigen, und durch die Kurden bedrängt worden sind, die auf ihr Land aus sind. Der Geistliche Andrew White, der der einzigen anglikanischen Kirche im Irak vorstand, hat gestern Bagdad aus Furcht um sein Leben und seine Sicherheit verlassen, nachdem er sich um die Freilassung von fünf entführten Briten bemüht hatte.

Doch die EU muss jetzt mehr zur Eindämmung der Krise unternehmen, indem sie die Finanzhilfe für die benachbarten arabischen Staaten aufstockt, die den Großteil der Flüchtlingen aufgenommen haben, insbesondere Jordanien und Syrien, und diese haben sich besonders bei der Aufnahme der Assyrer hervorgetan. Auch die EU-Mitgliedstaaten müssen im vernünftigen Rahmen mehr zeitweilige Flüchtlinge aufnehmen.

 
  
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  Paulo Casaca (PSE), Verfasser. – Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren Abgeordneten, verehrte irakische Brüder und Schwestern! Ein erstes Wort des Gedenkens an alle, die wegen ihrer ethnischen oder religiösen Herkunft, ihrer tatsächlichen oder vermutlichen Überzeugungen, oder weil sie ein Symbol des demokratischen Mutes und Bürgersinns waren, des Wertvollsten, was sie besaßen, beraubt wurden. Gestatten Sie mir, die Aufmerksamkeit auf meinen Kameraden, Genossen und Freund, den Abgeordneten Mohammad Hossein Ahwad, der ein Sinnbild des Kampfes gegen den theokratischen Faschismus war und am 12. April im irakischen Parlament ermordet wurde, zu lenken.

Damit unsere die Augen trübenden Tränen des Schmerzes uns nicht daran hindern, die weiter für das Überleben ihrer Kinder auf den Wegen, auf die sie die ethnischen Säuberungen geführt haben, kämpfenden Frauen, die unzähligen Tausenden von Irakern, die in den Straßen von Amman, Damaskus oder Kairo auf das Unermessbare starren, Opfer schwerer posttraumatischer Syndrome, die auf Plätzen und unter Bogen zerstörter Kirchen oder Moscheen errichteten Lager, zu sehen, möchte ich allen eine Botschaft der Solidarität, der Liebe, der Zuneigung und der Hoffnung senden.

Wir können uns die Grausamkeit der Mächte der Dunkelheit, die an den Ufern des Tigris und des Euphrat das proben, was sie für den gesamten großen Nahen Osten planen, nicht vorstellen und finden auch keine Worte dafür. Der Gemeinsame Entschließungsantrag, den wir nun vorlegen, ist ein erster unerlässlicher Schritt, damit diese Situation sich ändert.

 
  
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  Jean Lambert (Verts/ALE), Verfasser. (EN) Herr Präsident! Ich begrüße die Entschließung, und wie auch andere Abgeordnete bin ich echt besorgt über die wirklich tragische Situation, wie sie sich uns im Augenblick im Irak und an den Grenzen des Landes darbietet. Dieses Volk hat bereits unter Krieg, ethnischer Säuberung, einer brutalen Diktatur, einer unrechtmäßigen Invasion und kommunaler Gewalt gelitten, und nun sieht es die Grenzen von innen und außen verschlossen, mit wenig Aussicht auf Rückkehr und einer sehr gemischten Aufnahmebereitschaft, sollte es jemand in die Europäische Union schaffen.

Es sollte uns nicht überraschen, wenn ein Krieg Flüchtlinge hervorbringt – das ist immer der Fall –, und wie bereits gesagt wurde, tragen einige unserer Mitgliedstaaten in der Tat eine sehr schwere Verantwortung für diese Lage. Ich möchte Herrn Tannock in der Frage mangelnder Planung für die Zeit nach dem Krieg ausnahmsweise zustimmen.

In dieser Entschließung begrüße ich insbesondere die Feststellung, dass es keine zwangsweise Rückführung irakischer Flüchtlinge oder der Personen, deren Anträge abgelehnt wurden und die gegenwärtig in der Europäischen Union leben, geben sollte, und wir müssen jetzt wirklich einen Status für diese Menschen finden und dürfen sie sich nicht selbst überlassen in unseren eigenen Mitgliedstaaten, mittellos, wie es hier und da geschieht.

Ich würde sagen, dass es gegenwärtig nirgendwo im Irak sicher ist. Selbst in Kurdistan erleben wir zurzeit, wie türkische Truppen massiv an den dortigen Grenzen aufmarschieren und die Möglichkeit der Rückkehr in die zerstörten Dörfer verbauen sowie Bemühungen zur Erhöhung der wirtschaftlichen Stabilität in diesem Gebiet untergraben. Ja, einige von denen, die zurückgeschickt wurden, trugen Flak-Jacken und Helme, woraus ich schließe, dass die Gegend nicht eigentlich sicher ist. Erst vergangene Woche erhielten wir einen Bericht von Human Rights Watch, aus dem hervorging, dass trotz der Bemühungen der Behörden in Kurdistan freischärlerische Sicherheitskräfte weiterhin Entführung und Folter praktizieren; es gibt also kein wirklich sicheres Gebiet im Irak.

Wir wissen, dass wir unsere Unterstützung gegenüber den Ländern, die an der Grenze mit Flüchtlingen zu tun haben, sowie gegenüber dem UNHCR verstärken müssen, denn wir wissen auch, was passiert, wenn man die Not der Flüchtlinge an der Grenze ignoriert. Wir brauchen nur an unsere Erfahrung zu denken, als wir den zwei Millionen afghanischen Flüchtlingen an der pakistanischen Grenze mehr oder weniger den Rücken kehrten und sie ohne angemessene Unterstützung sich selbst überließen – Das Vakuum ist gefüllt, und das Ergebnis ist uns nicht immer lieb.

Ich begrüße die in der Entschließung enthaltene Forderung, die Kommission möge dem Haushaltsausschuss des Parlaments näher erläutern, wie unsere Irak-Hilfe konkret aussieht und wie wir bestrebt sind, die Nachbarländer zu unterstützen. Doch genauso sollten wir, denke ich, unsere eigene Rückführungspolitik überprüfen, um wenigsten einigen von denen, deren Leben erneut in absolutes Chaos versinkt, Unterstützung anzubieten.

 
  
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  Bogusław Rogalski (UEN), Verfasser. (PL) Herr Präsident! Die humanitäre Lage und die Situation der Menschenrechte im Irak verschlechtern sich immer mehr, wie aus den Berichten der UN-Unterstützungsmission für den Irak hervorgeht.

Die Zahlen sind erschreckend. Täglich sterben im Durchschnitt einhundert Menschen, und über zweihundert werden verletzt. 50 % der Bevölkerung müssen mit weniger als einem Dollar pro Tag auskommen und 80 % sind von Arbeitslosigkeit betroffen. Es gibt keine angemessene Wasserversorgung und keine funktionierende Kanalisation, was die Verbreitung von Krankheiten begünstigt. Drei Viertel der Kinder besuchen keine Schule. Kriminelle Aktivitäten, bewaffnete Überfälle, Entführungen, die Tötung von am politischen Prozess oder an Wiederaufbautätigkeiten beteiligten Personen sind an der Tagesordnung. Viele Iraker fliehen deshalb aus ihrem Land, und des gibt über zwei Millionen Binnenvertriebene. Es sei außerdem angemerkt, dass es im Irak über 40 000 Flüchtlinge aus anderen Ländern gibt, darunter 15 000 Palästinenser. So ist die Lage im Irak heute.

Politische und humanitäre Sofortmaßnahmen sind deshalb erforderlich, um das tragische Schicksal der Flüchtlinge zu lindern. Wir sollten bedenken, dass eine halbe Million Flüchtlinge Kinder sind. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass die Binnenvertriebenen registriert werden. Damit haben sie Anspruch auf Lebensmittelrationen. Dieser Anspruch wird ihnen zurzeit verwehrt. Desgleichen sollten wir auf die Nachbarländer Einfluss ausüben, damit sie die Beschränkungen aufheben, die den Flüchtlingen den Zutritt zu dem Land verwehren und viele zwingen, an der Grenze Halt zu machen.

Die Union muss dem Irak, dem irakischen Volk umfassende und nachhaltige Hilfe leisten, die mit den Maßnahmen der Vereinigten Staaten abgestimmt ist. Sie muss antiamerikanische Vorurteile ein für allemal zurückweisen. Nur so werden wir das schwere Los der Millionen von Flüchtlingen lindern und eine humanitäre Krise großen Ausmaßes verhindern können.

Wir fordern die irakische Regierung auf, unverzüglich Maßnahmen zu ergreifen, um die Sicherheit für alle Vertriebenen zu gewährleisten und die Diskriminierung aufgrund der Herkunft zu beenden. Die Europäische Kommission wird aufgefordert, die humanitäre Hilfe für alle Vertriebenen im Irak zu verstärken und die Nachbarländer, die bereits solche Hilfe leisten, zu unterstützen.

 
  
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  Eija-Riitta Korhola, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (FI) Herr Präsident! Das Elend der irakischen Flüchtlinge ist immer noch groß, einmal abgesehen von dem einen Schritt in die richtige Richtung. Die Empfehlung des UN-Hochkommissars für Flüchtlinge, den Asylsuchenden aus dem Süd- und Zentralirak den Flüchtlingsstatus gemäß dem Übereinkommen von 1951 zuzuerkennen, war eine erfreuliche Lösung, ebenso auch das Angebot der subsidiären Schutzformen in den Fällen, in denen der Flüchtlingsstatus nicht anerkannt wird.

Ich möchte zwei inner-irakische Probleme besonders ansprechen. Zum ist der Status der religiösen Minderheiten zunehmend untragbar. Assyrische, armenische, orthodoxe und andere christliche Gruppen sowie Mandäer und Juden werden beispielsweise auf dem Arbeitsmarkt massiv diskriminiert. In bestimmten Regionen sind die Behörden nicht in der Lage, Minderheiten vor Gewalttätigkeiten moslemischer Soldaten ausgehende Gewalttätigkeiten zu schützen. Die Religionsfreiheit ist praktisch nicht vorhanden.

Zweitens empfinde ich die Drohungen der irakischen Behörden, die Versorgung der iranischen Flüchtlinge mit lebenswichtigen Waren zu blockieren, als unglaublich. Nach dem Völkerrecht haben diese Mitglieder der Opposition Flüchtlingsstatus und ein unveräußerliches Recht auf Schutz.

 
  
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  John Attard-Montalto, im Namen der PSE-Fraktion. (EN) Herr Präsident! Wir müssen zugeben, dass das, was im Irak geschieht und geschehen ist, viel schlimmer ist als Bürgerkrieg – eine oft gestellte Frage. Natürlich herrscht kein Bürgerkrieg. Schlimmer. Dort herrscht totales Chaos. Niemand hat eine Vorstellung oder einen Plan, wie in das Chaos, in das wir den Irak gestürzt haben, Ordnung zu bringen ist. Ich sage ‚gestürzt’, denn was folgte, war nicht nötig, nicht erforderlich und auch nicht gewollt. Es war eine Invasion, die sich für die, die daran beteiligt waren, als schrecklicher Alptraum erwiesen hat.

Wenn jemand einen Fehler macht, muss er die Verantwortung dafür übernehmen. Es ist an der Zeit, dass sich die Leute, die daran beteiligt waren, die Länder der Koalition wie auch die willigen Partner, für das, was dem irakischen Volk widerfahren ist, vor allem den Hilfe suchenden Flüchtlingen – und selbst wenn sie Hilfe finden, handelt es sich nur um einen minimalen Betrag –, verantwortlich zeigen.

Es ist an der Zeit, dass die Leute, die den Anfangsfehler begingen, die für die chaotische Lage zuständig sind, diese Verantwortung auf sich nehmen, und die Ersten, denen geholfen werden sollte, sind die Flüchtlinge.

 
  
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  Kathy Sinnott, im Namen der IND/DEM-Fraktion. (EN) Herr Präsident, Herr Kommissar! Beinahe versteckt unter den ständigen Nachrichten von Gewalt im Irak ist da die fast unhörbare Stimme der christlichen Minderheit im Irak. Diese kleine Bevölkerungsgruppe hat keinen Schutz und ist der internationalen Gemeinschaft nahezu unbekannt. Sie ist heftigen Wellen gewaltsamer Verfolgung ausgesetzt. Christliche Iraker haben die Wahl zwischen Exil – wenn es ihnen zu entkommen gelingt –, Konvertierung oder Verfolgung.

Die Verfolgung nimmt viele Formen an: Gewalt, Diskriminierung am Arbeitsplatz, Beschlagnahme des Eigentums und so weiter. Für einen chaldäischen Christen, den Priester Ragheed Aziz Ganni, führte die Verfolgung in den Tod.

Was wird die Europäische Gemeinschaft unternehmen, um den chaldäischen, assyrischen und orthodoxen christlichen Gemeinschaften zu helfen? Die irakische Regierung erklärt ihre Absicht, der Gewalt ein Ende zu setzen, aber die mangelnde Sicherheit macht es unmöglich, den Frieden vor Ort durchzusetzen und schwache Bevölkerungsschichten zu schützen. Sie brauchen unsere Hilfe.

 
  
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  Jean-Claude Martinez, im Namen der ITS-Fraktion. (FR) Herr Präsident! Es ist eine gute Sache, eine Entschließung zum Irak vorzulegen, um der humanitären Lage, der Flüchtlinge und der internationalen Hilfe willen und so weiter. Wer wäre auch nicht mit Erwägungsgrund A einverstanden und dessen Feststellung, dass täglich 100 Menschen getötet und 200 verletzt werden, dass 70 % der Bevölkerung ohne Wasser, drei Millionen Menschen unterernährt und zwei Millionen auf der Flucht sind, davon 500 000 Kinder in Syrien, Jordanien, Ägypten und andernorts?

Aber wer hat das verursacht? Wer ist dafür verantwortlich? Wer hat das Chaos bewirkt? Ist es Saddam Hussein? Ist es die Baath-Partei? Dieses Chaos ist aus dem Krieg entstanden, einem ungerechten Krieg in den Augen der Theologen des Mittelalters, aus einem illegalen Krieg gemäß der UN-Charta, der durch eine Lüge zweier Staatschefs – der USA und des Vereinigten Königreichs – ausgelöst wurde. Wer hat den Krieg hier im Europäischen Parlament unterstützt? Wer hat den Einsatz, der zu diesem Chaos geführt hat, gerechtfertigt, wer hat ihn gefordert oder gebilligt? Der amtierende französische Außenminister, Herr Kouchner, und zahlreiche Unterzeichner dieses Entschließungsantrags haben dies getan.

Was heißt das? Dass es gut ist, humanitäre Hilfe zu leisten und die Auswirkungen zu behandeln, dass es aber besser ist, vorzubeugen und die Ursachen zu vermeiden. Das ist das Problem des politischen Europas! In Europa lieben wir die Menschenrechte so sehr, dass wir überall – in Palästina, im Irak, in Afrika, im Bereich der wirtschaftlichen Globalisierung – Politiken unterstützen, die es uns durch ihre Missachtung der Menschenrechte ermöglichen, unsere unendliche Verbundenheit mit eben diesen Menschenrechten zu beteuern, die letztlich mit unserer Unterstützung im Vorfeld mit Füßen getreten werden. Daher ist es gut, dass in Ziffer 16 Zentren zur Behandlung posttraumatischer Störungen für Flüchtlinge vorgeschlagen werden, aber auch hier für unsere politischen Entscheidungsträger müssen Zentren zur politischen Vorbeugung geschaffen werden, damit sie Weisheit, Klarsicht und der Mut gelehrt werden können, „nein“ zu sagen und den naiven Optimismus abzulehnen, der alles im Keim erstickt.

 
  
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  Justas Vincas Paleckis (PSE).(LT) Ich unterstütze die Entschließung, und mein Mitgefühl gilt den mehr als vier Millionen Irakern, die aus ihren Heimatorten fliehen mussten. Das sind mehr Menschen, als mein Heimatland Litauen Einwohner hat. Die Zahl der Flüchtlinge nimmt zu, und die Hälfte von ihnen sieht sich zur Flucht ins Ausland gezwungen. Es gibt keine Verbesserung der Lage im Irak. Die Flüchtlinge vegetieren in Armut dahin, sind meist ohne Arbeit, und ihre Kinder wachsen als Analphabeten auf. Aus diesen Gründen haben es terroristische Organisationen leicht, Gefolgsleute zu rekrutieren.

Die humanitäre Hilfe für die Flüchtlinge ist beschämend gering, wenn man sie mit den Summen vergleicht, die die USA und Großbritannien – die Länder, die den Irakkrieg begonnen haben – für Waffen ausgeben. Die 60 Millionen US-Dollar von amerikanischen Gebern sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

In diesem Jahr werden rund 40 000 Flüchtlinge aus dem Irak in Ländern der Europäischen Union eintreffen, also doppelt so viele wie im vergangenen Jahr, während die USA in diesem Jahr gerade einmal ein paar Dutzend Iraker aufgenommen haben.

Es wäre gut, wenn führende Politiker aus den USA und Großbritannien in den Irak und in benachbarte Länder reisen und das Leid der Flüchtlinge mit eigenen Augen sehen würden. Vielleicht würden sie sich dann anders verhalten.

 
  
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  Janez Potočnik, Mitglied der Kommission. (EN) Herr Präsident! Die Verschlechterung der Sicherheitslage im Irak hat zu einer umfassenden Vertreibung geführt: Etwa zwei Millionen Iraker sind innerhalb der Grenzen des Iraks und weitere rund zwei Millionen sind in die Nachbarstaaten geflohen – 750 000 nach Jordanien und 1,4 Millionen nach Syrien. Diese Vertreibung kann eine humanitäre Krise zur Folge haben und eine Gefahr für die regionale Stabilität darstellen. Die Kommission ist äußerst besorgt über das Ausmaß menschlichen Leids.

Wir verfolgen die Lage vor Ort aufmerksam und überprüfen ständig alle Entwicklungen. Wir halten engen Kontakt zu weiteren entscheidenden Akteuren der internationalen Gemeinschaft wie dem UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge. In dieser Hinsicht hat sich die Kommission an der internationalen Konferenz des UNHCR im vergangenen April in Genf aktiv beteiligt.

Was die derzeitige Hilfe zur Linderung der Schwierigkeiten der Vertriebenen betrifft, hat die Kommission über EuropeAid 2006 zehn Millionen Euro für die Unterstützung von Binnenvertriebenen bereitgestellt. Im Februar 2007 hat die Kommission als unmittelbare Reaktion auf die sich verschlechternde Situation und in Beantwortung des Appells des UNHCR vom Januar die Bereitstellung von weiteren 10,2 Millionen Euro angekündigt, die sich aus vier Millionen Euro für die Binnenvertriebenen und 6,2 Millionen für die ins Ausland vertriebenen Iraker zusammensetzten. Ferner fährt die Kommission mit ihrer Unterstützung bei der Bereitstellung grundlegender Dienstleistungen innerhalb des Iraks fort.

Wir sind uns im Klaren darüber, dass diese Hilfe angesichts des Ausmaßes menschlichen Leids nach wie vor begrenzt ist. Dennoch stellt sie eine erste, unmittelbare Reaktion auf die humanitäre Situation dar. Die Kommission erwägt zurzeit verschiedene Optionen, wie man den irakischen Flüchtlingen in Zukunft besser beistehen kann. Die Bereitstellung von Hilfe innerhalb des Iraks wird allerdings durch die Sicherheitslage stark eingeschränkt. Viele unserer Partner, darunter auch der UNHCR, unterhalten nur eine ganz minimale Präsenz im Irak.

Durch verschiedene technische und politische Missionen ist die Kommission bemüht, die Lage besser einzuschätzen und gleichzeitig ihre Bereitschaft zu bekunden, die irakischen Flüchtlinge weiterhin zu unterstützen. Kommissar Michel hat Ende April die Region persönlich besucht. Seitdem sind mehrere Missionen nach Jordanien und Syrien gefolgt.

Wir engagieren uns daher weiterhin für die Arbeit mit den Ländern, die irakische Flüchtlinge aufnehmen. Die Kommission hat bereits regelmäßige Gespräche mit den syrischen und jordanischen Behörden über die Situation geführt und wird das auch weiterhin tun.

Wir sehen insbesondere unserer Teilnahme an der in Sharm El-Sheikh vereinbarten Arbeitsgruppe zu Flüchtlingen entgegen, die am 22. Juli in Amman tagen wird. Kommissarin Ferrero-Waldner hat bereits die Bereitschaft der Kommission zum Ausdruck gebracht, der Arbeitsgruppe technische Hilfe zu leisten, um den Prozess zu erleichtern.

Nach unserer Überzeugung besteht die einzig dauerhafte Lösung für die Flüchtlinge in Frieden und Versöhnung innerhalb des Iraks. Zu diesem Zweck werden wir den irakischen Flüchtlingen weiterhin unsere Unterstützung leihen. Ich pflichte Ihnen bei, dass wir eine moralische Pflicht haben zu helfen.

 
  
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  Der Präsident. Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung findet im Anschluss an die Aussprache statt.

 
  

(1) Siehe Protokoll.

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