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Verfahren : 2010/2965(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadien in Bezug auf das Dokument :

Eingereichte Texte :

RC-B7-0637/2010

Aussprachen :

PV 25/11/2010 - 12.2
CRE 25/11/2010 - 12.2

Abstimmungen :

PV 25/11/2010 - 13.2

Angenommene Texte :

P7_TA(2010)0449

Ausführliche Sitzungsberichte
Donnerstag, 25. November 2010 - Straßburg Ausgabe im ABl.

12.2. Tibet - Pläne, Chinesisch zur wichtigsten Unterrichtssprache zu machen
Video der Beiträge
Protokoll
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  Die Präsidentin. – Als nächster Punkt folgt die Aussprache über die sechs Entschließungsanträge zu Tibet – Pläne, Chinesisch zur wichtigsten Unterrichtssprache zu machen(1).

 
  
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  Lidia Joanna Geringer de Oedenberg, Verfasserin.(PL) Frau Präsidentin! Im Oktober wurden wir Zeugen des friedlichen Protests Tausender Tibeter gegen die Pläne der chinesischen Behörden zur Änderung der Bildungspolitik. Das gegenwärtige zweisprachige Modell, welches ethnischen Minderheiten gestattet, neben Chinesisch in ihren eigenen Landessprachen zu lernen, soll durch eines ersetzt werden, in welchem Chinesisch die Hauptunterrichtssprache sein soll.

Der Sekretär der Kommunistischen Partei Chinas in der Provinz Quinghai, Qiang Wei, sagte in einem Presseartikel, dass Hochchinesisch bis 2015 in Grundschulen die Hauptunterrichtssprache sein wird. Aufgrund der Notwendigkeit, dass die Tibeter und Vertreter anderer ethischer Gruppen im chinesischen Arbeitsmarkt effektiv arbeiten müssen, sollten sie Chinesisch lernen können, aber nicht auf Kosten dessen, keine geeignete Ausbildung in ihrer eigenen Sprache erhalten zu können.

Man sollte bedenken, dass die Rechte, für welche die Tibeter kämpfen, sich aus Artikel 4 der Verfassung der Volksrepublik China und Artikel 10 des Gesetzes über die Regionale Nationale Autonomie ergeben. Die Tibeter fordern demnach die Einhaltung der ihnen bereits gewährten Rechte, und das Parlament sollte sie nachdrücklich bei ihren Bestrebungen unterstützen, ihre eigene Kultur zu bewahren, von welcher die Sprache ein grundlegendes Element ist. Ich denke, dass die Worte von Dokru Choedaka, einem Kämpfer für die tibetische Sprache, für uns alle überzeugend klingen, wenn er sagt, dass Schule und Sprache das Material der nationalen Identität bilden.

 
  
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  Marietje Schaake, Verfasserin. – Frau Präsidentin! Kultur und kulturelle Ausdrucksformen untermauern die Werte und die Identität von Menschen. In den Worten von Aristoteles geht es nicht um das äußere Erscheinungsbild, sondern um die innere Bedeutung.

Kultur ist wie eine Waffe, wenn man sie als ein Instrument einsetzt, um Werte aufzuzwingen und die Vielfalt und Freiheit der Meinungsäußerung auszuhöhlen. Daher ist die Einführung von Hochchinesisch als Hauptunterrichtssprache und Amtssprache für die Tibeter eine sehr beunruhigende Entwicklung. Wenn China dadurch die Untergrabung der tibetischen Kultur beabsichtigt, handelt es gegen seine selbst erklärten Absichten von harmonischen Beziehungen zwischen den unzähligen Kulturen, ethnischen Gruppen und Identitäten, die es im Land gibt. Die chinesische Regierung sollte auch den Zugang zu Tibet ohne die Notwendigkeit von Sondergenehmigungen für ausländische Medien gestatten und unzensierte Kommunikation und den Zugang zu Informationen – auch im Internet – landesweit erlauben.

Nicht nur die wirtschaftliche Entwicklung, sondern auch die kulturelle Vielfalt und die Achtung der Menschenrechte tragen gleichermaßen zum Wohlstand bei. Die EU sollte den Menschenrechten, insbesondere für ethnische und kulturelle Minderheiten, in ihren Beziehungen mit China konsequent Priorität einräumen.

 
  
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  Ryszard Czarnecki, Verfasser.(PL) Frau Präsidentin! Die großen europäischen Länder widmen der Verbesserung der Wirtschafts-, Investitions- und Geschäftsbeziehungen zu China wirklich viel Aufmerksamkeit. Dies bedeutet, dass das Parlament eine immer größere Rolle beim offenen Ansprechen der Menschenrechte und der Tatsache, dass diese verletzt werden, zu spielen hat. Ich denke, dass das Parlament einen sehr viel stärkeren Nachdruck auf die Rechte der in Tibet lebenden Menschen legen muss – auf ihre eigene Sprache, auf ungehinderten Kontakt mit der Außenwelt über das Internet, immerhin leben wir im 21. Jahrhundert – und darauf, mit ausländischen Journalisten sprechen zu können. Denn das Verbot für ausländische Korrespondenten, die Region zu besuchen, ist bedauernswert. Abschließend möchte ich sagen, dass das Aufzwingen der Amtssprache in Tibet etwas ist, was ich zutiefst beunruhigend finde.

 
  
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  Heidi Hautala, Verfasserin.(FI) Frau Präsidentin! Artikel 4 der Verfassung der Volksrepublik China garantiert allen Bürgerinnen und Bürgern sowie Nationalitäten das Recht, ihre eigene Sprache in Wort und Schrift zu verwenden und weiterzuentwickeln. Angesichts dessen haben wir sehr berechtigte Sorgen bezüglich der kürzlich erhaltenen Nachrichten, dass der Status der tibetischen Sprache als Unterrichtssprache geschwächt werden könnte. Ich weiß, dass es in diesem großen Land Proteste dagegen gibt, dass die Formen der in Schanghai und Kanton gesprochenen chinesischen Sprache auf die gleiche Weise verschwinden, und dies ist ein weiterer Grund für unsere Besorgnis.

Es ist wichtig, dass die Volksrepublik China anerkennt, dass die Bewahrung der tibetischen Kultur entscheidend von ihrer Sprache abhängt, und dass die tibetische Sprache als die erste Unterrichtssprache erhalten bleiben und auch in Universitäten verwendet werden sollte. Natürlich ist die echte Zweisprachigkeit eine wichtige Zielsetzung. Zugegebenermaßen ist es nur vernünftig, dass die Tibeter auch Chinesisch lernen. Aber es zur ersten Unterrichtssprache zu machen, ist sicherlich problematisch, da es bedeutet, dass die tibetische Kultur leiden wird.

Auch ist wichtig, dass China endlich den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte ratifiziert, den es vor Jahren unterzeichnete, denn das würde mehr für die Gewährleistung des Schutzes ethnischer und religiöser Minderheiten und die Bewahrung ihrer Sprachen und Kulturen bringen.

 
  
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  Thomas Mann, Verfasser. − Frau Präsidentin! Wenn wir hier im Europäischen Parlament zu Wort kommen, können wir unsere Muttersprachen verwenden. Die chinesische Regierung plant, dieses fundamentale Recht den Tibetern zu entziehen, so dass ein Verlust an Identität droht. Tausende Tibeter haben an Schulen und Universitäten in friedlicher Form gegen das vermutliche Ende der Zweisprachenpolitik protestiert. Am 27. Oktober empfing ich vor dem Europäischen Parlament in Brüssel eine Petition von tibetischen Schülern, die um Solidarität baten. Chinas Botschafter Song hat gestern unterstrichen, dass die bilinguale Ausbildung in Tibet eine wichtige Maßnahme sei, um die tibetische Kultur zu unterstützen. Die Worte höre ich wohl, allein mir fehlt der Glaube. Denn er hat die zahlreichen Medienberichte über Pläne nicht dementiert, dass in der Region Quinghai Mandarinchinesisch zur Hauptunterrichtssprache werden soll. Auch Kantonesisch und Shanghainesisch sollen durch Mandarin im gesamten Bildungssystem und im Rundfunk ersetzt werden. Und die Regierung gibt an, dass Mandarin nur von der Hälfte aller Chinesen gesprochen wird. Artikel 4 der Verfassung und Artikel 10 des Gesetzes zur regionalen Autonomie betont die Freiheit aller Völkergruppen, ihre eigene Sprache weiterzuentwickeln in Wort und Schrift. Herr Kommissar Lewandowski, bitte setzen Sie sich dafür ein, dass diese besorgniserregende Entwicklung auf die Tagesordnung des Dialogs EU und China kommt. Lassen Sie Experten vor Ort Erfahrung sammeln, wo das bilinguale System in Gefahr ist. Die tibetische Sprache kann durch Chinesisch höchstens ergänzt, aber niemals ersetzt werden.

 
  
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  Róża Gräfin von Thun und Hohenstein, im Namen der PPE-Fraktion.(PL) Frau Präsidentin! Niemand kann heute über einen Mangel an Wissen oder Informationen im Hinblick auf die Ereignisse in Tibet klagen. Doch trotzdem unternehmen wir weiterhin kaum Anstrengungen, den Chinesen dabei Einhalt zu gebieten, die Tibeter als Einzelpersonen und die gesamte Nation mit ihrer wunderbaren Kultur und großartigen, authentischen Religiosität zu zerstören.

Heute reden wir über die Zerstörung der tibetischen Sprache und ihre Ersetzung durch Mandarin. Schließlich haben viele von uns in diesem Plenarsaal und viele unserer Vorfahren sehr oft einen hohen Preis dafür gezahlt, dass sie gegen den Willen eines Eindringlings oder Diktators für ihre Landessprache kämpften. Denn wir wussten, dass der Verlust unserer Sprache der Verlust der letzten Hoffnung ist, eines Tages wir selbst in unserem eigenen Land sein zu können. Auch dank dieser Erfahrungen, welche das Schicksal vieler Europäerinnen und Europäer gewesen sind, müssen wir fordern, dass jene, die in unserem Namen mit China verhandeln und dabei über die Entwicklung von Technologie, Investitionen, Handel und so weiter sprechen, das Thema der notorischen Menschenrechtsverletzungen in China nicht außer Acht lassen. Bei den Verhandlungen mit der chinesischen Regierung über Menschenrechte – und hier schließe ich mich all jenen an, die vor mir Appelle getätigt haben – fordere ich unabhängig davon, ob wir uns aktuell in einer Wirtschaftskrise befinden oder nicht, dass das Thema der Menschenrechte nicht nach hinten gedrängt wird.

 
  
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  Kristiina Ojuland, im Namen der ALDE-Fraktion. – Frau Präsidentin! In der Geschichte Estlands haben wir dafür gekämpft, die Sprache der indigenen Bevölkerungsgruppen zu bewahren. Nach der Wiederherstellung unserer Unabhängigkeit im Jahr 1991 konnten wir endlich in Freiheit unsere Sprache sprechen sowie unsere Kultur und Identität pflegen. Mit Bedauern stelle ich fest, dass die tibetanische Bevölkerung unterdrückt wird und ihre Sprache, Kultur und Religion zum Untergang verurteilt sind.

Die Volksrepublik China (VRC) setzt die gleiche Methode ein, wie sie die Sowjetunion bei den Esten benutzte, um die Ausgrenzung der Tibeter zu erreichen. Die Sinifizierung Tibets wird, genauso wie die Russifizierung von Estland während der sowjetischen Besatzung, durchgeführt, indem nicht-tibetische Menschen in das Territorium der tibetischen Einwohner umgesiedelt werden.

Solange die hanchinesische Bevölkerung Tibets zunimmt, fühlen sich die Tibeter völlig zurecht eingeschüchtert. Die Absicht der chinesischen Regierung, Hochchinesisch als die Hauptunterrichtssprache in Schulen einzuführen, verletzt die Rechte der indigenen tibetanischen Bevölkerung. Ich fordere, dass diese Verletzung innerhalb der EU-Politik gegenüber der VRC als eine prioritäre Aufgabe vorgebracht und gelöst wird.

 
  
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  Reinhard Bütikofer, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Frau Präsidentin! Ich bin nicht dafür, dass wir diese Resolution beschließen. Meine Fraktion erlaubt mir, dagegen zu sprechen, obwohl die meisten meiner Kollegen anderer Meinung sind.

Der chinesische Botschafter hat – darauf wurde hingewiesen – zu der Kritik Stellung genommen. Es kann sein, dass sein Brief nicht alle Fragen beantwortet, aber warum suchen wir nicht zuerst den Dialog, sondern beschließen zuerst eine Resolution. Nehmen wir uns selbst überhaupt ernst, wenn wir zunächst beschließen, und dann sagen – so wurde es vom Vorredner gesagt –, dann wollen wir jemanden schicken, der Erfahrungen sammelt, um herauszufinden, wie die Zweisprachigkeit bedroht ist.

Von einer Ausrottung der tibetischen Sprache zu sprechen, dafür gibt es keinerlei Plausibilität. Dieses Parlament ist nicht dafür zuständig, zu entscheiden, wie viel Ungarisch in der Slowakei oder in Rumänien in der Schule unterrichtet wird, aber es meint, es müsste entscheiden, ob der Mathematikunterricht auf Tibetisch oder in einer anderen Sprache unterrichtet wird. Ich weiß nicht, ob das klug ist.

Und letztlich bin ich der Meinung, dass es ein Fehler ist, wenn man die Thematik der Sprachenpolitik dann auch noch mit dem Dalai Lama verknüpft, obwohl das in der Sache gar nicht miteinander verknüpft werden muss. Ich glaube, wir helfen dem Ziel, dass kein Mensch daran gehindert werden darf, seine eigene Sprache zu benutzen nicht, indem wir so etwas tun.

 
  
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  Joanna Katarzyna Skrzydlewska (PPE).(PL) Frau Präsidentin! Die Sprache ist der wichtigste Aspekt von Identität und das Hauptinstrument der sozialen Kommunikation. Die heutige Aussprache über die Versuche der Regierung der Volksrepublik China, Chinesisch als die einzige obligatorische Sprache im Unterrichtswesen in Tibet einzuführen, ist ein Angriff auf die Kultur dieser Nation. Bisher ist Tibetisch die Amtssprache in Tibet und in jenen Regionen Chinas gewesen, in denen die Tibeter die wichtigste Volksgruppe sind. Für die Tibeter ist die Verwendung und Weiterentwicklung von Tibetisch eine der wichtigsten Möglichkeiten, mit der sie ihre De facto -Autonomie ausüben. Die Notwendigkeit, auch Chinesisch zu verstehen, ist für diejenigen nachzuvollziehen, die außerhalb von Tibet nach Arbeit suchen wollen, aber eine angemessene und adäquate Lösung scheint die Einführung des Chinesischen als Unterrichtsfach zu sein, und nicht die Ersetzung von Tibetisch als Unterrichtssprache durch Chinesisch.

Aus diesem Grund sollten wir uns gegen den Versuch aussprechen, die Tibeter ihres grundlegenden Kommunikationsinstruments zu berauben. Indem sie den Tibetern die Fähigkeit zum Erlernen ihrer eigenen Sprache nehmen, zerstören die Chinesen langsam aber sicher Tibets Autonomie und bewirken den Verlust ihres Kulturerbes.

 
  
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  Cristian Dan Preda (PPE) (Der Redner stellt gemäß Artikel 149 Absatz 8 GO eine Frage nach dem Verfahren der „blauen Karte“ an Reinhard Bütikofer.)(RO) Frau Präsidentin, ich möchte unserem Kollegen, wenn er einverstanden ist, eine Frage stellen. Warum ist in diesem Zusammenhang der Standpunkt des chinesischen Botschafters zu dieser Sache wichtiger als unser Wunsch, über die Ereignisse in Tibet zu sprechen? Wenn ich es richtig verstanden habe, ist der Grund dafür, dass er glaubt, wir müssten das, was die chinesische Botschaft sagt, eher beherzigen als das, was für uns aufgrund unserer eigenen Überzeugungen wichtig ist.

 
  
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  Reinhard Bütikofer (Verts/ALE). - (Der Redner beantwortet eine Frage nach dem Verfahren der „blauen Karte“ von Christian Dan Preda (Artikel 149 Absatz 8 GO).)

Ich bin Ihnen dankbar für diese Frage, weil sie mir Gelegenheit gibt, noch einmal zu wiederholen, was ich gesagt habe. Ich habe nicht gesagt, Sie sollten dem chinesischen Botschafter glauben, ich habe gesagt, es würde uns gut anstehen, wenn wir uns selbst ernstnehmen, zunächst den Dialog zu suchen und dann eine Resolution zu diskutieren.

Es macht keinen Sinn, dass hier gesagt wird, jetzt beschließen wir einmal, und anschließend wollen wir Experten nach China schicken, die herausfinden sollen, ob und wo die Zweisprachigkeit bedroht ist. Ich glaube, man muss, wenn man etwas für die Wirksamkeit der Menschenrechte tun will, nicht nur eine gute Absicht vor sich hertragen, sondern man muss sich auch in einer Art und Weise dafür engagieren, dass man der Sache keinen Schaden zufügt.

 
  
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  Csaba Sógor (PPE). (HU) Frau Präsidentin! Ich freue mich, den gemeinsamen Entschließungsantrag zu unterstützen, da er die Grundsätze klar zum Ausdruck bringt, welche ich als Vertreter einer indigenen nationalen Minderheit voll und ganz teile. Daher unterstütze ich den Grundsatz, dass a) die Unterdrückung von Minderheitensprachen grundlegend gegen das Recht auf Freiheit von Bürgerinnen und Bürger verstößt, die dieser Minderheit angehören; dass b) Unterricht in der Muttersprache für das Lernen am besten geeignet ist; und dass c) lokalen Behörden und Gemeinschaften rechtliche Befugnisse eingeräumt werden sollten, um Entscheidungen über die im Unterricht eingesetzte Sprache zu treffen.

Ich möchte alle Damen und Herren Abgeordneten, die den Antrag unterstützen, auf die Tatsache aufmerksam machen, dass diese Grundsätze in bestimmten Mitgliedstaaten der EU auch nicht uneingeschränkt eingehalten werden. Beweis hierfür sind das derzeit geltende slowakische Sprachengesetz und das rumänische Bildungsgesetz, welche den Unterricht in bestimmten Fächern nur in der Amtssprache zulassen. Ich könnte noch einige weitere europäische Staaten nennen. Dies werde ich jetzt nicht tun. Ich bin ein überzeugter Anhänger der Überwachung von Rechtsverletzungen außerhalb der Europäischen Union, aber gleichzeitig halte ich es für wichtig, dass für nationale Minderheiten nachteilige Praktiken innerhalb der Europäischen Union nicht schweigend übergangen werden.

 
  
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  Zuzana Brzobohatá (S&D). (CS) Frau Präsidentin! In meiner Rede möchte ich den Wunsch nach harmonischen Beziehungen zwischen allen 56 in China lebenden ethnischen Minderheiten erwähnen, der durch die Volksrepublik China zum Ausdruck gebracht wurde. Im Hinblick darauf bin ich fest von der Notwendigkeit überzeugt, die Bewahrung des Tibetischen zu unterstützen, welches eine der vier ältesten und ursprünglichsten asiatischen Sprachen und eine der grundlegenden Wurzeln der tibetischen Identität, Kultur und Religion ist. Auch bildet sie mit der tibetischen Kultur als Ganzes einen unersetzlichen Teil des Weltkulturerbes, da sie von einer historisch reichen Zivilisation zeugt. Ich vertraue darauf, dass China Artikel 4 der Verfassung der Volksrepublik China und Artikel 10 des Gesetzes über die Regionale Nationale Autonomie konsequent anwenden wird, welche die Freiheit aller Nationalitäten garantieren, ihre eigene Sprache in Wort und Schrift zu verwenden und weiterzuentwickeln.

Ich bin fest davon überzeugt, dass jede ethnische Minderheit das Recht auf Bewahrung ihrer eigenen Sprache und Literatur hat. Ein gerechtes, zweisprachiges Bildungssystem wird zu einer besseren Kooperation und einem besseren Verstehen beitragen, insbesondere dann, wenn die Tibeter Chinesisch lernen und die auf tibetischem Gebiet lebenden Han-Chinesen gleichzeitig zum Erlernen von Tibetisch motiviert werden. Da der vorgelegte gemeinsame Entschließungsentwurf alle Punkte enthält, die ich erwähnte, habe ich mich zu seiner Unterstützung entschlossen.

 
  
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  Jaroslav Paška (EFD). (SK) Frau Präsidentin! China ist unter wirtschaftlichem und militärischem Aspekt eine Großmacht, und die chinesische Verwaltung hat in ihrem Verhalten gegenüber ihren Bürgerinnen und Bürgern lange den Eindruck vermittelt, dass kulturelle, soziale und demokratische Grundsätze, wie sie weltweit anerkannt werden, in China selektiv und nur insoweit herangezogen werden, als sie der Verwaltung zur Kontrolle des Landes dienen.

Ich glaube nicht, dass unsere Empörung die Entschlossenheit der chinesischen Regierung ändern wird, ihre eigene Bildungspolitik in dem Land umzusetzen. Ungeachtet dessen halte ich es für notwendig ist, eine ernste Warnung an unsere chinesischen Partner dahingehend zu entsenden, dass das tibetische Volk ein Recht auf die Bewahrung seiner Identität und Sprache hat und dass die Muttersprache bei der Ausbildung der Kinder eine unersetzliche Rolle spielt.

China sollte in Tibet das gleiche wie die Slowakei für ihre ungarische Minderheit tun, wo die Kinder der ungarischen Minderheit vom Kindergarten bis hin zur Grundschule und Oberschule in Ungarisch lernen können. Andererseits möchte ich Herrn Sógor daran erinnern, dass slowakische Kinder in Ungarn vom Kindergarten bis hin zur Grundschule und Oberschule in Ungarisch lernen müssen, und sie Slowakisch lediglich als eine Fremdsprache lernen.

 
  
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  Csanád Szegedi (NI). (HU) Frau Präsidentin! Als ein Vertreter der Jobbik („Bewegung für ein besseres Ungarn“) begrüße und unterstütze ich den Entschließungsantrag des Europäischen Parlaments gegen die Pläne der Volksrepublik China, Chinesisch in tibetischen Schulen zur offiziellen Sprache zu machen. Obgleich die chinesischen Besatzer Tibets Autonomie garantierten, verbannen sie die tibetische Sprache schrittweise aus der Bildung und offiziellen Foren. Chinas schlechte Menschenrechtspolitik erhöht in Tibet auch das Risiko von Konflikten, die wegen der zwangsweisen Einführung der chinesischen Sprache entstehen. Den Tibetern muss man das Recht garantieren, in ihrer eigenen Sprache ausgebildet zu werden und behördliche Angelegenheiten in der tibetischen Sprache zu erledigen. Ihre grundlegenden Menschenrechte, einschließlich des Versammlungsrechts und des Demonstrationsrechts, müssen garantiert werden.

Leider müssen wir nicht weit gehen, um ähnliche Fälle vorzufinden, da grobe Assimilierungsversuche auch in Europa ein reales und aktuelles Problem sind. Denken Sie nur an die Art und Weise, wie Rumänien die transsilvanischen Ungarn oder Csángó-Ungarn behandelt, oder an das verdrängende, diskriminierende slowakische Sprachengesetz.

 
  
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  Angelika Werthmann (NI). - Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Tibeter müssen meiner Meinung nach das Recht haben, so wie wir alle, in ihrer Muttersprache Tibetisch zu sprechen. Andernfalls werden sie ihre kulturelle Identität verlieren. Aufgrund der Situation in Tibet halte ich eine Zweisprachigkeit, also Tibetisch und Chinesisch zu lernen, für angemessen.

Zweisprachigkeit fördert schließlich die Entwicklung der Kinder in vielerlei Hinsicht und dies ist durchaus zu fördern.

 
  
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  Bogusław Sonik (PPE).(PL) Frau Präsidentin! Die tibetische Sprache ist ein Teil der langen Geschichte einer Nation, welche jahrelang für die Bewahrung ihrer eigenen Kultur gekämpft hat, und sie ist ein Element, das die Gemeinschaft eng miteinander verbindet. Daher ist die Erhaltung und Bewahrung der Zweisprachigkeit auf allen Ebenen im Unterrichtswesen Tibets die einzige und beste Lösung. Die chinesische Regierung ist ein Unterzeichnerstaat der Erklärung der Vereinten Nationen über die Rechte der indigenen Völker und geht damit die Verpflichtung ein, die Grundrechte von nationalen Minderheiten auf ihrem Hoheitsgebiet zu respektieren. Alle Handlungen von China, die auf das Verbot der Verwendung des Tibetischen in Schulen ausgerichtet sind, sollten durch die internationale Gemeinschaft verurteil werden. Meiner Ansicht nach sollte man Maßnahmen treffen, die es ermöglichen, die Achtung der Grundrechte der Tibeter in China effektiver zu überwachen.

 
  
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  Sergio Paolo Francesco Silvestris (PPE).(IT) Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Die Aufhebung des zweisprachigen Systems in Tibet ist ein illiberaler Akt, der der Wahrung der kulturellen Identität einer Minderheit und der Menschenrechte zuwiderläuft.

Handelsabkommen oder -verträge mit China können keine Handelsware sein, um Europas Aufmerksamkeit von der schwerwiegenden Diskriminierung abzulenken, unter der das tibetische Volk immer noch leidet.

Die Tibeter haben immerhin das Recht, weiterhin ein Volk zu sein und sich weiterhin als ein Volk zu fühlen, und dazu müssen sie frei ihre eigenen Traditionen, Geschichte und Sprache fördern – kurz gesagt – ihre eigene Identität aufrechterhalten können, wovon ein wesentlicher Teil die sprachliche Identität ist.

Der Plan zur Ausrottung der tibetischen Kultur, welcher unter dem Symbol von Hammer und Sichel in Jahrzehnten der Verfolgung des tibetischen Volkes und der tibetischen Mönche noch nicht zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht wurde, darf jetzt nicht auf listige Art und Weise vollendet werden, indem die tibetische Sprache ausgemerzt und das Chinesische aufgezwungen wird.

 
  
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  Janusz Lewandowski, Mitglied der Kommission. – Frau Präsidentin! Wir erörtern ein Thema, welches in fast allen Ländern existiert, in denen Minderheiten leben – und zwar die Bewahrung einer Sprache, einer Kultur und eines gleichen Zugangs zur Bildung. Da geht es um die Bekräftigung unserer Werte, Herr Bütikofer.

Bevor ich die Tibet-Frage anspreche, gestatten Sie mir eine kurze Anmerkung zu unseren bilateralen Beziehungen mit China. Unsere strategische Partnerschaft ist stark, und wir sind in der Lage, alle Themenbereiche, auch die sensibelsten, anzugehen. Wir haben ein beeindruckendes Rahmenwerk für einen Austausch auf hohem Niveau aufgebaut, in dem wir regelmäßig die weltweiten Herausforderungen ansprechen, mit denen unsere Bürgerinnen und Bürger konfrontiert sind, ohne dabei jedoch die Fragestellungen außer Acht zu lassen, bei denen Meinungsunterschiede bestehen können. Die Gesamtlage in Tibet ist eines der Themen, bei dem unsere Meinungen auseinandergehen.

Die Schritte zur Einführung von Chinesisch als Hauptunterrichtssprache in tibetischen Gebieten werfen komplexe und heikle Fragen auf. China muss die richtige Balance finden, um effektiven Unterricht und die Bewahrung der tibetischen Sprache zu ermöglichen – als lebende Sprache für die Aufrechterhaltung der Bildung in der tibetischen Sprache und als der Muttersprache in tibetischen Gebieten – und gleichzeitig Chinesisch parallel zu unterrichten, um tibetischen Schülern angemessene Chancen auf eine künftige Beschäftigung zu geben. Die Abgelegenheit der tibetischen Gebiete macht diese Aufgabe nicht einfacher.

Wir hoffen aufrichtig, dass China die Verwendung von Tibetisch als Hauptunterrichtssprache in Schulen in tibetischen Gebieten gewährleisten und den Schutz von Minderheitensprachen in den anderen Teilen des Landes gleichermaßen sicherstellen wird. Das Einholen von Expertenmeinungen und die Vermeidung von Diskriminierung und des Einflusses von Ideologie sind gute Faktoren für das weitere Vorgehen. Wenn China so entscheiden sollte, ist die EU dazu bereit, ihre einschlägigen Erfahrungen zu teilen. Wir hoffen – und hier ist meine direkte Antwort – in dieser sehr wichtigen Frage auf eine offene Diskussion mit der chinesischen Regierung bei der nächsten Runde des Menschenrechtsdialogs zwischen der EU und China. Es ist überaus wichtig, dass China eine allgemein zugängliche öffentliche Anhörung zulässt, um den von Änderungen bei der Sprachenpolitik Betroffenen die freie Äußerung ihrer Meinungen zu ermöglichen, welche dann auch berücksichtigt werden müssen.

Auch haben wir mit tiefer Besorgnis die Berichte von der Inhaftierung einiger tibetischer Studenten und Lehrer verfolgt, welche aus Protest gegen die geplante Bildungsreform der Regierung friedlich demonstrierten. Wir fordern China nachdrücklich dazu auf, die Inhaftierten freizulassen und Gespräche mit der tibetischen Zivilgesellschaft über die Vorteile der vorgeschlagenen Reform aufzunehmen.

Abschließend möchte ich auf den seit langer Zeit vertretenen Standpunkt der EU im Hinblick auf Tibet erinnern. Die Bewahrung der einzigartigen Kultur, Sprache, Religion und Tradition Tibets sowie die Notwendigkeit der Schaffung eines Systems, das Tibet eine bedeutende Autonomie in der chinesischen Verfassung einräumt, bleiben für die EU eine vorrangige Aufgabe. Dies sind die Themen, die wir beharrlich versuchen, im Rahmen unseres politischen Dialogs mit China anzusprechen.

 
  
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  Die Präsidentin. – Die Aussprache ist geschlossen.

Die Abstimmung wird in Kürze stattfinden.

Schriftliche Erklärungen (Artikel 149)

 
  
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  Roberta Angelilli (PPE), schriftlich.(IT) Ungeachtet der beständigen Beteiligung und des Engagements vieler internationaler Spitzenpolitiker, Institutionen und Nichtregierungsorganisationen bei der Aufforderung an die chinesische Regierung, den Einsatz von Gewalt gegen das tibetische Volk zu vermeiden, scheinen diese Appelle leider auf taube Ohren zu stoßen und so die internationalen Beziehungen zu kompromittieren. Das Europäische Parlament hat jahrelang seine Unterstützung und Solidarität mit Tibet gezeigt, einem Land, das seit jeher gegen die Unterdrückungs- und Diskriminierungsmaßnahmen der chinesischen Regierung gekämpft hat, welche die territoriale und kulturelle Unabhängigkeit des tibetischen Volkes seit Jahren bedrohte. Pekings neuester Akt der Unterdrückung war die Entscheidung, Chinesisch als die obligatorische Amtssprache in Tibet einzuführen, obgleich die Menschen Tibetisch sprechen und Hochchinesisch als eine Fremdsprache betrachten. Während wir hier sprechen, geht der kulturelle Genozid weiter, denn diese Entscheidung drückt die klare Absicht aus, dieses Volk zu vernichten – und zwar nicht nur geographisch, sondern auch kulturell, indem jüngere Generationen am Kennenlernen ihrer eigenen Kultur und vor allem ihres sprachlichen Erbes gehindert werden. Angesichts der starren und unbiegsamen Haltung Chinas gegenüber Tibet möchte ich das Europäische Parlament dazu auffordern, der schweren, durch die chinesische Regierung verübten Verletzungen von Menschen- und Minderheitenrechten weiterhin unnachgiebig gegenüberzustehen und sicherzustellen, dass die tibetanische Bevölkerung darum weiß, dass wir hinter ihr stehen und zur Hilfe bereit sind.

 
  
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  Catherine Soullie (PPE), schriftlich.(FR) Indem wir diese Entschließung annehmen, sendet das Europäische Parlament, die Stimme der Bürgerinnen und Bürger Europas und der Demokratie, eine klare Botschaft an die chinesische Regierung: Dieses Ausmerzen und Unterwerfen einer Kultur zugunsten einer anderen ist ein Akt, der eines wirklich großen und modernen Landes unwürdig ist. Das tibetische Volk hat ein vollkommen rechtmäßiges Anliegen: dass seine Geschichte und Sprache geachtet werden. Die tibetische ist nicht die einzige von dieser unsinnigen Entscheidung bedrohte Kultur – das Kantonesische und weitere Sprachen werden der Politik der Standardisierung gleichfalls zum Opfer fallen. Angesichts dessen, dass die chinesische Verfassung ausdrücklich das Recht jeder Bürgerin und jedes Bürgers anerkennt, sich in der Sprache ihrer/seiner Wahl auszudrücken, wie kann die Politik dann diese rechtliche Kehrtwendung rechtfertigen? Der Leitspruch der Europäischen Union fasst die Botschaft klar zusammen, die wir verpflichtet sind, mit dieser Entschließung an die chinesischen Regierung übermitteln: in Vielfalt geeint.

 
  

(1)Siehe Protokoll

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