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Verfahren : 2011/2650(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadien in Bezug auf das Dokument :

Eingereichte Texte :

RC-B7-0236/2011

Aussprachen :

PV 06/04/2011 - 12
CRE 06/04/2011 - 12

Abstimmungen :

PV 07/04/2011 - 6.2
Erklärungen zur Abstimmung
Erklärungen zur Abstimmung

Angenommene Texte :


Ausführliche Sitzungsberichte
Mittwoch, 6. April 2011 - Straßburg Ausgabe im ABl.

12. Lehren für die Kernenergiesicherheit in Europa nach dem atomaren Unfall in Japan
Video der Beiträge
Protokoll
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  Der Präsident – Nach der Tagesordnung folgt die Aussprache über die Erklärungen des Rates und der Kommission zu den Lehren für die Kernenergiesicherheit in Europa nach dem atomaren Unfall in Japan.

 
  
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  Enikő Győri, amtierende Präsidentin des Rates.(HU) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst meine Freude darüber ausdrücken, dass wir die Debatte fortsetzen, die im vergangenen Monat begonnen wurde. Einerseits ist das ein Beweis dafür, wie ernst die Angelegenheit ist, und andererseits ist es ein Hinweis darauf, dass unsere Institutionen – neben all diesen emotionalen Reaktionen, die die immer noch sehr ernste Situation in Japan zu Recht bei uns allen hervorruft – die Absicht haben, in dieser Angelegenheit mit angemessener Sorgfalt zu handeln. Gleichzeitig möchte ich nochmals bestätigen, dass wir bereit sind, das japanische Volk kontinuierlich und konkret zu unterstützen, sowohl in Form von humanitärer Hilfe als auch in Form von Unterstützung durch Kernenergieexperten. Der Europäische Rat hat dies am 25. März deutlich gesagt.

Darüber hinaus möchte ich betonen, dass der ungarische Ratsvorsitz sofort auf die Katastrophe in Japan reagiert hat, insbesondere in Bezug auf Tätigkeiten, die mit Nuklearrisiken verbunden sind. Ich möchte von vornherein die Missverständnisse ausräumen, die in der Öffentlichkeit in Bezug auf die Kernenergiesicherheit vorherrschen mögen, nämlich dass die EU erst jetzt, in Zusammenhang mit einer externen Krisensituation die Bedeutung dieses Themas erkennt. Das ist ein großer Trugschluss, einerseits, weil in Europa in Bezug auf dieses Thema seit über 25 Jahren ein verbindlicher Rechtsrahmen existiert, den wir kontinuierlich anpassen, zuletzt beispielsweise erst durch die Richtlinie über nukleare Sicherheit von 2009. Andererseits aber auch, weil die Gewährleistung der Kernenergiesicherheit ein kontinuierlicher Prozess ist, in dem wir die Spezifikationen schrittweise vervollkommnen, weil wir aus Ereignissen, wie dem, das jetzt in Fukushima stattgefunden hat, Schlüsse ziehen, und die tatsächliche Sicherheitslage der Anlagen regelmäßig überprüfen. Im März hat der Europäische Rat tatsächlich bestätigt, dass die Reaktion der EU in eine Richtung gehen muss, bei der die Sicherheit vor Ort gewährleistet und der Rechtsrahmen vervollkommnet wird. Ein Aspekt dieser mehrgliedrigen Reaktion der EU ist die umfassende Risiko- und Sicherheitsbewertung der europäischen Kernkraftwerke, also die „Stresstests“.

Ihr Umfang und die praktischen Schritte, die damit verbunden sind, müssen unter Berücksichtigung der jüngsten Ereignisse und unter vollständiger Nutzung des vorhandenen Sachverstands festgelegt werden. Die Europäische Gruppe der Regulierungsbehörden für nukleare Sicherheit und ihre Mitglieder, die unabhängigen nationalen Regulierungsbehörden, müssen bis Mitte Mai die vorgenannten praktischen Schritte festlegen, wodurch mit der Überprüfung der Letzteren wahrscheinlich im Sommer begonnen werden kann. Mehrere Mitgliedstaaten und Kernkraftwerksbetreiber haben bereits Beschlüsse gefasst, nach denen eine Sicherheitsüberprüfung der Kraftwerke durchgeführt werden soll. Auf dieser Grundlage können daher zum Jahresende die ersten Schlussfolgerungen gezogen und veröffentlicht werden. Die Behörden, die die Überprüfung durchführen, werden daher die Ergebnisse der Stresstests sowohl der allgemeinen Öffentlichkeit als auch der Kommission mitteilen.

Auf der Grundlage dieses Berichts wird der Europäische Rat die vorläufigen Ergebnisse bis Ende des Jahres auswerten. Im Rahmen des anderen, also des ordnungspolitischen Aspekts, hat der Europäische Rat bereits die Kommission gebeten, den bestehenden rechtlichen und ordnungspolitischen Rahmen für die Sicherheit kerntechnischer Anlagen zu überprüfen und nach Bedarf einen Vorschlag zu seiner Verbesserung zu machen. Gleichzeitig müssen wir die bereits eingeleiteten Maßnahmen auf dem Gebiet der gesetzlichen Regulierung fortsetzen und wir müssen den Vorschlag für eine Richtlinie über die Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle annehmen. Schließlich müssen die Sicherheitsanforderungen natürlich so festgelegt werden, dass sie den gesamten Lebenszyklus kerntechnischer Anlagen umfassen. Als dritten Schritt müssen wir auch Drittländer in der Nachbarschaft der EU auffordern, sich der Überprüfung anzuschließen und das Niveau ihrer Sicherheitsanforderungen anzuheben.

Sicherheitsüberlegungen sind natürlich nicht auf die Kernenergie beschränkt. Wir können es uns im Hinblick auf keine Energiequelle leisten, wie groß ihr Anteil an der Versorgungssicherheit auch sein mag, der Gewährleistung der Versorgungssicherheit Priorität vor Sicherheitsaspekten in Bezug auf die menschliche Gesundheit oder den Umweltschutz einzuräumen. Wie Sie wissen, müssen wir auch die gegenwärtige Situation in Europa berücksichtigen, also die Tatsache, dass der Brennstoffverbrauch der Mitgliedstaaten auf verschiedenen Energiemixen basiert. Daher steht es jedem frei, über seinen eigenen Energiemix zu entscheiden. In absehbarer Zeit wird dies so bleiben, weil wir über den Energiemix sprechen, dessen Bestimmung in der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten liegt. Was unsere gemeinsamen Ziele angeht, hindert uns dies jedoch nicht daran, auf dem Weg zur Schaffung einer gemeinsamen Energiepolitik Fortschritte zu machen.

In diesem Jahr werden wir beispielsweise mit der Überprüfung des Energiefahrplans 2050 beginnen. Dabei werden wir bewerten, wie groß der Anteil einzelner Energiequellen am Energiemix sein muss, um Klimaschutzziele zu erreichen. Parallel dazu müssen wir auch unsere Ziele in Bezug auf die Energiepolitik, die Versorgungssicherheit, die Nachhaltigkeit und die Wettbewerbsfähigkeit erreichen. Zusätzlich zur freien Bestimmung des Energiemixes führen jedoch die Vertiefung des Binnenmarkts und die zunehmend starken Verflechtungen zu einer wachsenden gegenseitigen Abhängigkeit der Energiepolitiken der Mitgliedstaaten und ihrer Entscheidungen in Bezug auf die Wahl der Energiequellen. Daher wäre es auch sinnvoll, eine gemeinsame Perspektive bezüglich der Folgen unserer Energiepolitiken auf Investitionen, Energiepreise und auf die Regulierung zu entwickeln.

Das bedeutet auch, dass, da die Kernenergie gegenwärtig 30 % der europäischen Energieproduktion ausmacht, keiner der 14 Mitgliedstaaten, die sich für die Kernenergie entschieden haben, es sich leisten kann, seine Kernkraftwerke sofort stillzulegen, ohne sich vorher mit den anderen Mitgliedstaaten zu beraten, und dabei sowohl potenzielle alternative Energiequellen als auch netzbedingte Probleme zu prüfen. Der Ratsvorsitz beabsichtigt, zu diesem Zweck anlässlich des informellen Treffens der Energieminister im Mai ausführliche Gespräche durchzuführen, um Probleme in Bezug auf dieses Thema zu lösen. Und schließlich ist es auch wichtig, dass wir die Öffentlichkeit über die zugrunde liegenden Annahmen und über die Vor- und Nachteile der gewählten Energiequellen informieren. Ich bin mir sicher, dass wir mit der heutigen Aussprache auch dazu beitragen können. Vielen Dank, Herr Präsident.

 
  
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  Günther Oettinger, Mitglied der Kommission. − Herr Präsident, Frau Ministerin Győri, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Das schreckliche Erdbeben vom 11. März, der darauffolgende Tsunami und das Unglück im Kernkraftwerkszentrum mit erheblichen Schäden in den verschiedenen Blöcken, und bis heute bei der Behebung des Schadens und der Bewältigung der Gefahren keine absehbare, endgültige Entwicklung – das Kernkraftwerk ist nach dem Stand der Technik noch immer außer Kontrolle –, all dies beschäftigt uns auch mit Blick auf Sicherheit und Energiewirtschaft in der Europäischen Union und außerhalb. Wir haben deswegen schon am 11. März zur Sitzung einer High-level-Gruppe, bestehend aus den Ministern und Vertretern der nationalen Regierungen, den Vertretern der Kernkraftwerksbauer und den Vertretern der Energiewirtschaft, eingeladen, die dann am 15. März stattgefunden hat. Im Rat der Energieminister haben wir am 21. März Vorbereitungen für den Europäischen Rat getroffen, der schließlich am 25. März die Kommission und die nationalen Atomaufsichtsbehörden beauftragt hat, einen außerordentlichen Stresstest, einen umfassenden Sicherheitscheck mit dem Ziel höchster Standards vorzunehmen. Seitdem arbeiten wir an den Prüfkriterien.

Die Generaldirektionen, ich selbst und die Aufsichtsbehörden bereiten in diesen Tagen einen Katalog von Prüfkriterien vor, der, bevor er beschlossen werden soll, Ihnen und der Öffentlichkeit transparent gemacht werden wird. Es geht dabei zum einen um die Folgerungen im Hinblick auf eine Gefährdung der Kraftwerke in der Europäischen Union durch Erdbeben bzw. durch Hochwasser, namentlich am Atlantik. Zum anderen geht es um die Folgerungen für die Kraftwerke selbst, nämlich um die Frage, wie Kühlungssysteme weiter gesichert werden können oder wie Stromkreise und Notstromaggregate gesichert werden können. Dann kommen noch weitere Punkte wie Terrorangriffe, Cybergefahren oder Flugzeugabstürze in ein Kernkraftwerk als weitere Prüffaktoren hinzu.

Wir gehen davon aus, dass Mitte Mai auf der Plenartagung von ENSREG – das ist die Gemeinschaft der nationalen Atomaufsichtsbehörden – die Beratung und Beschlussfassung über die Prüfkriterien abgeschlossen werden kann und dann bis Jahresende eine umfassende Prüfung mit dem Ziel vorgenommen wird, höchste Sicherheitsstandards in den 143 Kernkraftwerken der Europäischen Union zu gewährleisten. Wir haben Kontakte zu den Regierungen der Russischen Föderation und der Ukraine aufgenommen und werden in den nächsten Tagen auch zur Schweiz und zu Armenien Kontakte aufnehmen sowie darüber hinaus zu Ländern, die planen, Kernkraftwerke zu bauen, wie die Türkei oder Belarus – alles mit dem Ziel, dass diese höchsten Sicherheitsstandards und die Prüfkriterien auch für einen Sicherheitscheck in unmittelbaren Nachbarländern außerhalb der Europäischen Union Anwendung finden können.

Wir wissen, dass die Zuständigkeit für den Energiemix und damit auch für die Energietechnik und damit für Kernkraftwerke oder andere Technologien bei den Mitgliedstaaten liegt. Schon in den letzten Tagen hat sich gezeigt, dass die Mitgliedstaaten ein Interesse daran haben, diese Kompetenz zu behalten. Das heißt, die Entscheidung über Kernkraft auf die europäische Ebene zu ziehen, erscheint aufgrund der geltenden Verträge und Rechtsgrundlagen derzeit nicht realistisch. Aber der Sicherheitstest, an dem sich alle beteiligen sollen, scheint mir angesichts der angestrebten höchsten Standards der gemeinsame Nenner aller Mitgliedstaaten zu sein, egal, ob sie Kernkraft haben oder Kernkraft ablehnen. Frankreich gewinnt 76 % seines Stroms aus Kernkraft, Österreich 0 %. 14 Länder haben Kernkraft, 13 haben keine Kernkraft. Deutschland prüft in diesen Tagen die Verkürzung der Laufzeit, Polen und Italien überlegen, ob sie in Kernkraft erneut – wie Italien – oder erstmals – wie Polen – einsteigen sollen.

Neben der Durchführung der Sicherheitschecks legen wir auf die Umsetzung der Kernenergiesicherheitsrichtlinie in nationales Recht bis Juli dieses Jahres größten Wert. Es war bisher unser Auftrag, 2014 eine Evaluierung der von Ihnen und vom Rat beschlossenen und in nationales Recht umzusetzenden Kernenergiesicherheitsrichtlinie vorzunehmen. Dies wollen wir jetzt vorziehen. Wir wollen Ihnen schon zum Jahresende weitergehende Überlegungen mitteilen, wie die Richtlinie materiell verstärkt werden kann, nachdem sie bisher in erster Linie formale Zuständigkeiten bzw. Behörden, die geschaffen werden müssen, und anderes mehr zum Gegenstand hat.

Ich darf auf die entsprechenden Vorschläge für nukleare Abfälle verweisen, die von der Kommission vorgelegt worden sind und im Parlament und im Rat in Beratung sind. Auch dies ist ein Beitrag für gemeinsame Schritte hin zu höchstmöglicher Sicherheit. Wir wissen, dass der Sicherheitscheck danach zu freiwilligen Folgerungen in den Mitgliedstaaten zu führen hat. Hier baue ich auf die Kraft des Faktischen. Ich baue darauf, dass die Bewertung der Sicherheit, der Standards und der notwendigen Maßnahmen anhand dessen, was von sachkundigen Experten vorgeschlagen wird, von den Mitgliedstaaten auch übernommen und in ihren Ländern und für ihre Kernkraftwerke umgesetzt wird. Gerne werden wir Sie Mitte Mai wieder informieren, wenn der Entwurf für den Stresstest und die Kriterien der Prüfung aus der Arbeitsebene Ihnen vorgelegt werden können.

 
  
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  Corien Wortmann-Kool, im Namen der PPE-Fraktion.(NL) Herr Präsident! Ich möchte im Namen meiner Fraktion Herrn Kommissar Oettinger dafür danken, dass er sich unmittelbar nach der Katastrophe in Japan auf dem Gebiet der Kernenergiesicherheit an die Arbeit gemacht hat. Diese Arbeit ist für die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger sehr wichtig, weil die atomare Katastrophe in Japan gezeigt hat, dass wir unsere Vorschriften auf dem Gebiet der Kernenergiesicherheit überprüfen müssen.

Das ist eine wichtige Aufgabe für Sie und den Rat, weil wir in Europa voneinander abhängig sind, wenn es um die Kernenergiesicherheit geht. Wir brauchen einen europäischen Stresstest für alle nuklearen Anlagen und es müssen, wie Sie gesagt haben, die Kriterien harmonisiert werden. Wir brauchen einen objektiven und transparenten Bericht – das heißt einen öffentlichen Bericht – über diesen Stresstest, dessen Ausgangspunkt das höchste Sicherheitsniveau sein muss.

Herr Präsident! Ich hoffe, dass Sie und die Mitgliedstaaten hart an einer harmonisierten Herangehensweise arbeiten, damit wir uns darauf verlassen können, dass die höchsten Sicherheitsstandards gelten. Sollte eine nukleare Anlage den Stresstest nicht bestehen, müssen Sie und der Rat sicherstellen, dass für den jeweiligen Mitgliedstaat eine Verpflichtung besteht, sofort Maßnahmen einzuleiten. Solche Maßnahmen könnten sogar die vorübergehende, oder sogar dauerhafte, Stilllegung eines Kernkraftwerks beinhalten. In dieser Hinsicht ist es wichtig, dass wir auch Kernkraftwerke berücksichtigen, die hinter unseren Außengrenzen liegen, weil diese manchmal sogar größere Folgen für unsere Bürgerinnen und Bürger haben als Kernkraftwerke, die mitten in der EU liegen. Widmen Sie dieser Angelegenheit bitte große Aufmerksamkeit.

Wir müssen die möglichen Maßnahmen und Risiken genau untersuchen. Die Kernenergie ist eine Energiequelle, die wir nicht einfach so aufgeben können, weil sie einen großen Teil unserer Energie liefert und zur Reduzierung unserer CO2-Emissionen beiträgt. Wir müssen jedoch unsere Zukunft und erneuerbare Energiequellen überdenken und auch die Energieeffizienz ehrgeizig weiterentwickeln.

 
  
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  Marita Ulvskog, im Namen der S&D-Fraktion.(SV) Herr Präsident! Die Kernenergie unterscheidet sich von anderen Energiequellen. In extrem kurzer Zeit kann sie Ländern, Menschen und zukünftigen Generationen enormen Schaden zufügen. Daher bin ich froh, dass es im Europäischen Parlament eine starke und breite Unterstützung in Bezug auf die Kernenergie und die damit verbundenen Sicherheitsfragen gibt. Ich hoffe, dass dies auch zu klaren, gemeinsamen Entscheidungen führen wird, die auf einer breiten Unterstützung basieren.

Die Kernenergie kann nicht nur auf nationaler Ebene reguliert und überwacht werden. Die Kernenergie kennt keine nationalen Grenzen, noch kennt sie die Grenzen Europas. Die Sicherheitsdebatte und die Arbeiten zur Kernenergiesicherheit müssen daher ein umfassendes Programm beinhalten. Angesichts dieser Tatsachen ist es für uns wichtig, dass wir möglichst vereint einen Entschluss fällen und ausnahmsweise über die Tatsache hinwegsehen, dass wir in Bezug auf die Frage der Kernenergie leicht abweichende Ansichten haben. Es geht hier sowohl kurz- als auch langfristig um ein gemeinsames Interesse: Sicherheit.

Langfristig weist einiges darauf hin, dass die Situation unserer gegenwärtigen Energieversorgung nicht haltbar ist. Wir haben keinen ausreichend diversifizierten Energiemix. Worte über Investitionen in erneuerbare Energien und in die Energieeffizienz müssen in die Tat umgesetzt werden. Was wir brauchen ist nichts anderes als ein Paradigmenwechsel in unserer Energiepolitik, aber darum sollte es in dieser Entschließung nicht gehen. Sie sollte ein neuer Anfang sein, um unsere Energiesysteme in Richtung nachhaltige Energien zu bewegen, und selbstverständlich um eine Strategie vorzubereiten, die einen Atomausstieg beinhaltet – in einigen Fällen in naher Zukunft, in anderen in etwas fernerer Zukunft oder auf mittelfristige bis lange Sicht.

 
  
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  Lena Ek, im Namen der ALDE-Fraktion. – Herr Präsident! Die tragischen Ereignisse in Japan haben nicht nur Fehler und Makel in japanischen Reaktoren offenbart. Die Ereignisse von Fukushima haben auch Defizite im internationalen Sicherheitsüberwachungssystem in Kernkraftwerken offenbart. Gegenwärtig machen sich viele Europäer Sorgen um die Kernenergiesicherheit in Europa. Daher ist es äußerst wichtig, dass die Europäische Union ihre Herangehensweise an die Kernenergiesicherheit vollständig überprüft.

Die Liberalen und Demokraten sind der Ansicht, dass der Stresstest, den der Rat vorgeschlagen hat, zu schwach ist. Wir sollten nicht nur die Technologie und die geographische Lage überprüfen, sondern auch die gesamte Sicherheitskultur und die Kapazität, auf vielfältige Katastrophenszenarien zu reagieren. Es ist absolut entscheidend, dass die Tests obligatorisch eingeführt werden und auf gemeinsamen und transparenten Gemeinschaftskriterien basieren.

Jedem sollte klar sein, dass wir es nicht Regierungen und nationalen Behörden überlassen können, sich selbst zu überwachen. Stattdessen sollten die Stresstests von unabhängigen Experten und vollkommen transparent durchgeführt werden. Alle Fakten sollten unter Aufsicht der Kommission veröffentlicht werden.

(Beifall)

Gegenwärtig ist das die einzige glaubwürdige Alternative für diese Technologie. Es sollte außerdem eine umfassende Überprüfung der EU-Vorschriften im Bereich der nuklearen Sicherheit durch die IAEA stattfinden. Wir sollten europäische Normen und striktere Vorschriften haben. Die Kommission, aber auch der Rat, haben die Pflicht, einen Schritt nach vorne zu machen und ihre Verantwortung wahrzunehmen. Und schließlich ist es entscheidend, dass wir jetzt auch die Lehren für die alternativen Energiequellen und die Energieeffizienz ziehen. Es ist an der Zeit, verbindliche Ziele festzulegen.

(Beifall)

 
  
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  Rebecca Harms, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Herr Präsident! Herr Oettinger, Sie wissen ja bereits, dass ich Ihren Stresstests misstraue. Ich will Ihnen ganz kurz sagen, warum. Ich glaube, dass es nicht gut ist, dass die Definition der Kriterien des Prüfkonzepts und der Bewertung der Ergebnisse in die Hand der nationalen Behörden und der Aufsichtsstellen gelegt werden, die bisher alleine für Aufsicht und Prüfung der Atomanlagen in der Europäischen Union zuständig waren.

Es werden samt und sonders die bekannten Pappenheimer sein, die sich gegenseitig bescheinigen, dass ihre Atomanlagen sicher waren, sicher sind und sicher sein werden. Oder glauben Sie im Ernst, dass die nationalen Aufsichtsbehörden jetzt plötzlich zu dem Ergebnis kommen werden, dass sie bisher schlechte Arbeit gemacht haben und zu tolerant waren? Ich glaube das nicht, Herr Oettinger, und Sie haben mir auch noch nicht gesagt, wie Sie gewährleisten wollen, dass jetzt plötzlich Unabhängigkeit in diesem ganzen Aufsichtswesen Einkehr hält.

Die Freiwilligkeit der Stresstests ist ein weiterer Beleg dafür, dass wir sie nicht so ernst nehmen können, wie wir eigentlich wollen und müssten. Aber Sie können nachliefern, Sie können garantieren, dass unabhängige Experten Zugang haben. Sie können garantieren, dass tatsächlich alles überprüft wird und nicht nur Papierstudien stattfinden unter dem, was ich meiner Meinung nach zu Recht bereits als System der alten Pappenheimer bezeichnet habe, denn die Betreffenden sind alle seit Jahrzehnten miteinander bekannt und befreundet und haben immer höchste Risiken toleriert.

Ich möchte Ihnen sagen, dass wir Grünen erwarten, dass die Stresstests so angelegt werden, dass dabei rauskommt, welche Anlagen wirklich nicht mehr zu tolerieren sind und welche Anlagen zuerst vom Netz gehen. Wir sehen die Stresstests, wenn sie ernsthaft zu einer Zäsur in Europa beitragen sollen, als die Grundlage für einen Ausstiegsfahrplan, der jetzt beginnt und – wenn es gut läuft für Europa – etwa im Jahr 2025 auch beendet sein kann.

Ich möchte Sie noch um eine Sache ganz konkret bitten, Herr Oettinger: Sie haben in den letzten Tagen viele Interviews gegeben und haben z.B. in Deutschland erklärt, Sie wüssten jetzt schon, welche Atomkraftwerke diese Stresstests nicht überstehen bzw. bei einigen seien Sie sogar sicher. Nennen Sie die beim Namen! Wenn es z.B. um Fessenheim geht, ein Kraftwerk, das weder gegen Hochwasser noch gegen Erdbeben, wie die französische Aufsicht sagt, „angemessen geschützt ist“, dann nennen Sie diese Risikokandidaten endlich beim Namen! Das würde Vertrauen in Ihre Politik wecken.

(Beifall)

 
  
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  Giles Chichester, im Namen der ECR-Fraktion. – Herr Präsident! Ich möchte der amtierenden Präsidentin des Rates und dem Kommissar für ihre Erklärungen danken. Ihre gemäßigten Aussagen stehen im Gegensatz zu einigen anderen Beiträgen. Wir sollten vor allem nicht vergessen, dass zwischen 50 Jahre alten Reaktoren in Japan und den Reaktoren neuer Bauart, die in Europa geplant sind, Welten liegen. Wir sollten außerdem nicht vergessen, dass zwischen dem Erdbebenrisiko in Japan und dem in Westeuropa Welten liegen. Wir müssen vor allem absolut sicher sein, was überhaupt passiert ist, bevor wir Schritte unternehmen, um zu überprüfen, was wir tun und was wir tun wollen.

Moderne Reaktoren werden heutzutage so gebaut, dass sie Gefahren standhalten, die vor 20 oder 50 Jahren noch unvorstellbar waren. Ich bin erfreut, zu sehen, dass sie mir zustimmen, Frau Harms.

(Zwischenruf von Frau Harms)

Das war eine unverschämte Bemerkung und Sie nehmen meine Redezeit in Anspruch, Frau Harms.-

Es gibt einen Vorschlag für ein Moratorium. Ich lehne das ab, weil es bedeuten würde, überstürzt und ohne wissenschaftliche Beweise zu handeln. Wir müssen herausfinden, was passiert ist, bevor wir irgendwelche Schritte unternehmen, um unsere ohnehin schon beeindruckende Sicherheitskultur in Europa zu verändern. Ich bin damit einverstanden, dass wir unsere Sicherheitskultur stärken, aber wir sollten nicht überstürzt handeln.

 
  
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  Sabine Wils, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – Herr Präsident! In Deutschland haben vor Kurzem 250 000 Menschen für den sofortigen Ausstieg aus der Atomenergie und für eine Wende zu 100 % erneuerbaren Energien demonstriert. Beides ist machbar.

Nach Tschernobyl und Fukushima ist klar: Mit der Atomenergie wird es ein Restrisiko geben. Deshalb müssen sich die nuklearen Sicherheitsstandards europaweit verpflichtend an den besten verfügbaren Technologien orientieren. Nach der Richtlinie des Rates über die nukleare Sicherheit kerntechnischer Anlagen von 2009 gilt in den Mitgliedstaaten aber nur der jeweils vorhandene Sicherheitsstandard.

Wir brauchen deshalb dringend eine Novellierung dieser Richtlinie unter Mitentscheidung des Parlaments, nicht auf der Basis des Euratom-Vertrags. Ich plädiere für eine Initiative möglichst vieler Fraktionen im Parlament, mit der wir Rat und Kommission auffordern, einen entsprechenden Richtlinienvorschlag vorzulegen. Und ich meine, es muss ein europaweites Ausstiegsszenario aus der Atomenergie geben.

 
  
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  Niki Tzavela, im Namen der EFD-Fraktion. – Herr Präsident! Ich bin mit dem, was bisher gesagt worden ist, einverstanden und ich stimme auch zu, dass wir morgen über das Moratorium nachdenken müssen, wie Herr Chichester vorgeschlagen hat.

Ich möchte jedoch Folgendes hinzuzufügen: Es beginnt für uns eine neue Ära, eine neue Welt. Alle Naturkatastrophen, die im 21. Jahrhundert stattgefunden haben, waren Mega-Katastrophen: Mega-Feuer, Mega-Erdbeben und Mega-Tsunamis. Wie können wir uns vor der nuklearen Gefahr schützen, die von diesen Katastrophen herrührt, und ihr entgegenwirken? Es ist uns klar, dass das Risiko besteht, dass es durch diese Katastrophen auch zu einer riesigen Zahl an Todesopfern kommt.

In diesem Parlament verurteilen wir Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Ich sehe die Effizienz von TEPCO als Unternehmen als eine neue Form des Verbrechens gegen die Menschlichkeit an: keine Transparenz, keine Vorsichtsmaßnahmen und nichts, das in Bezug auf die Arbeiter getan wird, die gegen das Problem ankämpfen. Ich fordere Sie alle auf, über dieses neue Verbrechen gegen die Gesellschaft nachzudenken, mit dem wir im 21. Jahrhundert konfrontiert sein werden.

 
  
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  Pilar del Castillo Vera (PPE).(ES) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Wir brauchen Energie, um zu essen, zu reisen, zu studieren, um Krankheiten zu heilen und für viele andere Dinge. Diese Energie stammte immer aus einer Vielzahl an Quellen. In einigen Fällen aus den ältesten Quellen wie Wasserkraft, fossile Energie und sogar Kernenergie; in anderen Fällen aus den modernsten Quellen, zum Beispiel erneuerbare Energien. Darüber hinaus werden Technologien entwickelt, um in einigen Fällen größere Sicherheit oder größere Effizienz zu ermöglichen, wie im Falle erneuerbarer Energiequellen.

Des Weiteren gibt es Forschungsergebnisse, die noch nicht umgesetzt wurden, wie die Kohlenstoffspeicherung, oder die, von denen erwartet wird, dass sie uns zur Kernfusion führen werden – und das werden sie. All dies ist notwendig, meine Damen und Herren, weil das menschliche Leben auf Grundlage konstanter Verbesserungen der genutzten Ressourcen und der Forschung, die das ermöglicht hat, funktioniert und sich entwickelt hat. Kommunikation, Energie, Medizin und Forschung basieren darauf: auf der kontinuierlichen Verbesserung unserer gesamten Ressourcen.

Vor Kurzem haben der Tsunami und das Erdbeben, das ihn verursacht hat, zu beträchtlichen Schäden für die japanische Bevölkerung geführt, einschließlich Todesopfern, Vermissten und materiellen Verlusten sowie zu erheblichen Schäden am Kernkraftwerk Fukushima. Vor diesem Hintergrund besteht unsere Aufgabe darin, die Sicherheit zu verbessern.

Morgen wird dieses Parlament über einen gemeinsamen Entschließungsantrag abstimmen, auf den sich die große Mehrheit der Fraktionen des Parlaments geeinigt hat. Er bringt zum Ausdruck, was uns verbindet, und nicht, was uns trennt. Ich bitte die Fraktionen, dem Inhalt des Vorschlags treu zu bleiben und nicht zuzulassen, dass ihre eigenen Interessen dem gemeinsamen Interesse oder der gemeinsamen Ansicht, auf die wir uns in Bezug auf diesen Vorschlag geeinigt haben, im Wege stehen. Das ist unsere Verantwortung für morgen.

 
  
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  Teresa Riera Madurell (S&D).(ES) Herr Präsident! Zunächst möchte ich den Opfern und den Familien, die aufgrund des Atomunfalls evakuiert worden sind, mein tiefes Mitgefühl aussprechen.

Meine Damen und Herren, die Lehre, die wir in der Tat aus diesem Unfall ziehen sollten, ist die dringende Notwendigkeit, die Sicherheitsmaßnahmen zu verstärken. Sicherheit beinhaltet jedoch auch Humanressourcen. Wir müssen für das in diesem Bereich tätige Personal das höchste Ausbildungsniveau gewährleisten. Wir müssen optimale Arbeitsbedingungen garantieren. Die Schaffung ausgezeichneter Rahmenbedingungen für Ausbildung und Arbeit ist eine Aufgabe, die von den europäischen Institutionen aus wahrgenommen werden kann.

Ich möchte außerdem die Verpflichtungen hervorheben, die die Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialisten & Demokraten im Europäischen Parlament (S&D) in ihrem Energieplan für Europa eingegangen ist, die ein verbindliches Bekenntnis zu erneuerbaren Energien, Infrastrukturen, Energieeffizienz und Elektromobilität darstellen. In diesem Zusammenhang denke ich auch, dass wir die Debatte über Kohle wieder eröffnen sollten, weil dies unsere einzige einheimische fossile Energiequelle ist.

 
  
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  Fiona Hall (ALDE). – Herr Präsident! Stresstests auf der Grundlage technischer Standards reichen nicht aus. Es geht hier nicht nur um Erdbeben. Das Problem in Japan war das gleichzeitige Auftreten mehrerer Ereignisse: Überschwemmungen, der Verlust der Energieversorgung von außerhalb und die Störung der Kommunikationsverbindungen. Wir haben gesehen, wie ein Problem zum nächsten führt, und dass die Radioaktivität der Anlage in Fukushima die Sicherheitsarbeiten, die fortgesetzt werden müssen, mittlerweile enorm behindert.

Ein atomarer Unfall ist kein lineares Ereignis; die Folgen strömen wellenförmig nach außen wie die Radioaktivität, die immer noch ins Meer gelangt. Daher ist es entscheidend, dass die vorgeschlagenen Stresstests die mannigfaltigen, vielschichtigen, geometrischen Folgen eines Katastrophenereignisses berücksichtigen.

Herr Kommissar, wie Sie gesagt haben, haben die Mitgliedstaaten das Recht, über ihren Energiemix zu entscheiden, aber Sie tragen die Verantwortung für die Kernenergiesicherheit. Stimmen Sie zu, dass die Mitgliedstaaten ein Moratorium für die Planung und Inbetriebnahme von neuen Kernkraftwerken beschließen sollten? Was werden Sie vorschlagen, um sicherzustellen, dass Regierungen und Investoren sich jetzt stattdessen darauf konzentrieren, ein stärkeres Engagement für Energieeffizienz und erneuerbare Energien zu erreichen?

 
  
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  Claude Turmes (Verts/ALE). - Herr Präsident, Herr Kommissar, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die dramatischen Ereignisse in Japan zeigen uns, dass das einzige absolut sichere Atomkraftwerk das Atomkraftwerk ist, das nie gebaut wurde oder das abgeschaltet wird. Das ist das einzige absolut sichere. Alles andere ist seit Japan nicht mehr wahr. Die Bürger in Europa wissen das, und deshalb wollen sie von uns eine starke Antwort. Und diese Antwort kann nur sein, dass wir in der Vision Europa aufbauen als ein zu hundert Prozent erneuerbares Europa.

Durch die Kombination von Energieeffizienz in Häusern, beim Transport, in der Industrie und beim Strom zusammen mit einer großen und breiten Vielfalt von erneuerbaren Energien und der Nutzung von Erdgas als Übergang kann diese Vision schrittweise umgesetzt werden. Herr Kommissar, Sie sind zur Zeit dabei, eine Energie-Roadmap 2050 auszuarbeiten. Unsere Frage an Sie lautet: Sind Sie bereit, mit uns zusammen an einer solchen Vision zu arbeiten? Sind Sie auch der Überzeugung, dass diese Energie-Roadmap 2050 genutzt werden sollte, um nicht nur mit informierten Kreisen, sondern auch mit den Bürgern in Europa über eine andere Energiezukunft in Europa zu diskutieren?

 
  
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  Konrad Szymański (ECR).(PL) Herr Präsident! Wenn wir heute aus den Vorfällen in Japan unsere Lehren ziehen und unsere Hausaufgaben machen sollen, dann sollten wir dies mit großer Vorsicht tun. Wir werden uns konzentrieren und genau nachdenken müssen. Die Abwendung von der Kernenergie oder die Einführung unrealistischer Anforderungen für diesen Teil unseres Energiesystems wird kein einziges Problem lösen. Direkt hinter unserer Grenze werden noch mehr Kraftwerke gebaut, die nicht unseren Sicherheitsstandards oder der Aufsicht unserer Regulierungsbehörden unterliegen werden. In Kaliningrad und Belarus entstehen bereits jetzt derartige Anlagen, um die Nachfrage in Mitteleuropa zu befriedigen. Das Abwandern der Kernenergie aus der EU wird zeigen, dass unsere Bemühungen illusorisch sind. Wieder einmal werden wir der Wettbewerbsfähigkeit unseres Energiesystems einen Schlag versetzen und somit auch unserer Wirtschaft und Industrie. Zum x-ten Mal werden unsere umweltpolitischen Ziele unseren Konkurrenten nützen, vor allem denen aus Russland. Daher müssen wir, wenn wir heute die Anforderungen in Bezug auf die Kernenergie anheben, die Garantie haben, dass die Elektrizität, die in Reaktoren produziert wird, die jenseits unserer Grenzen stehen, den gleichen strengen Kriterien unterworfen wird.

 
  
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  Miloslav Ransdorf (GUE/NGL). (CS) Herr Präsident! Es gibt mehrere mögliche Schlussfolgerungen, die aus der Katastrophe in Japan gezogen werden können. Erstens sollte der Energiesektor der staatlichen Kontrolle unterliegen und es sollte für jedes Kraftwerk verlässliche Reserveanlagen geben, die sich in ausreichendem Abstand zum Kraftwerk befinden. Das Unternehmen TEPCO hat unverantwortlich gehandelt. Zweitens sollten wir jede Möglichkeit nutzen, um uns für die Umwelt einzusetzen und „Nein“ zu grünen Panikmachern sagen, die Europa seit langer Zeit erpressen. Drittens brauchen wir in unserem Parlament und in der Kommission einen Stimmungswandel. Im Europäischen Parlament lange Zeit eine ungesittete Atmosphäre vorgeherrscht, und wir brauchen eine Kommission aus mutigen Männern und Frauen, die sich nicht vor neuen Lösungen fürchten, und die einen Pioniergeist haben und nicht die Verantwortung auf andere abwälzen, ähnlich wie eine bestimmte Art von Käfern, die einen Ballen belangloser persönlicher Interessen vor sich her rollen, sogar in Bezug auf europäische Positionen.

 
  
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  Peter Liese (PPE). - Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Ich unterstütze die gemeinsame Entschließung wirklich aus vollem Herzen. Wir geben insbesondere zwei Botschaften an die Verantwortlichen in den Mitgliedstaaten und auch an die Bevölkerung: Wir brauchen gemeinsame Regeln zum Schutz vor atomaren Unfällen in ganz Europa. Die Zeit der Kleinstaaterei bei der atomaren Sicherheit muss endgültig der Vergangenheit angehören. 180 km von Straßburg entfernt, in Deutschland, sind zwei ältere Kraftwerke vorläufig heruntergefahren und vom Netz genommen worden. 100 km von hier entfernt, in Fessenheim, steht ein Reaktor, der nach allem, was wir wissen, sicher nicht sicherer ist als die beiden, die jetzt in Deutschland als Konsequenz der Vorkommnisse in Japan vom Netz genommen wurden.

Dieses Beispiel macht klar, dass wir hier gemeinsame Kriterien auf einem sehr hohen Niveau brauchen. Wir haben die Rechtsgrundlage, und es ist immer eine politische Frage, wie weit man bei einer vorhandenen Rechtsgrundlage geht. Wir müssen viel weiter gehen als bisher.

Das zweite ist: Egal, wie sich die Mitgliedstaaten entscheiden – einige werden Kraftwerke früher vom Netz nehmen –, unsere Botschaft ist, dass wir das nicht durch zusätzliche Gasimporte, z. B. aus Russland, ersetzen wollen. In Ziffer 21 und 22 zeigen wir die Richtung: Wir wollen mehr erneuerbare Energien und mehr Energieeffizienz. Herr Kommissar, Sie haben vor Fukushima einen Aktionsplan zur Energieeffizienz vorgelegt. Das war ein wichtiger Schritt. Es ist jetzt noch dringender, diesen umzusetzen.

Persönlich bin ich mit der Mehrheit dieses Hauses auch für verbindliche Ziele. Wir wollen nicht mehr fossile Brennstoffe. Wir wollen Arbeitsplätze für das Handwerk und die Industrie. Energieeffizienz ist kostengünstig, und da müssen wir jetzt wirklich Gas geben.

 
  
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  Catherine Trautmann (S&D).(FR) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Die Kernkraft ist eine Energiequelle ohne CO2-Emissionen, aber auch eine Brückentechnologie, die von nichtregenerativen Ressourcen abhängig ist. Sie ist außerdem eine potenziell gefährliche Form der Energie. Nach Fukushima besteht die klare Priorität darin, einen Blick auf die Sicherheit unserer Kraftwerke zu werfen. Diese Stresstests müssen so koordiniert wie möglich durchgeführt werden, auf EU-Ebene und möglicherweise auch über die EU hinaus in unserer unmittelbaren Nachbarschaft, durch unabhängige Instanzen, die unter Einhaltung der strengsten Normen und mit größtmöglicher Transparenz arbeiten.

Der Kampf gegen den Klimawandel bedarf einer kohärenten und ehrgeizigen Politik. Auch wenn die Nutzung der Kernenergie bedeutet, dass wir weniger CO2 in die Atmosphäre ausstoßen, um den Strom zu erzeugen, den wir brauchen, dürfen wir nicht von ihr abhängig sein. In Ländern wie Frankreich, die Kernenergie produzieren, ist die Senkung ihres Anteils am Energiemix eine Voraussetzung dafür, um weitreichende Entscheidungen zu fällen. Dieser Prozess bedeutet, dass wir unsere Anstrengungen in Bezug auf Energieeinsparungen und die Erhöhung des Anteils an erneuerbaren Energien verdoppeln müssen, die mittel- und langfristig fast unseren gesamten Verbrauch decken können. Es geht hier um die Sicherheit von Kraftwerken, aber es muss auch um die Sicherheit der Energieversorgung in der gesamten Europäischen Union gehen, damit kein Land in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät.

Und schließlich erfordert echte Solidarität die Schaffung einer Energiegemeinschaft.

 
  
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  Corinne Lepage (ALDE).(FR) Herr Präsident! Was die Sicherheit angeht, unterstütze ich selbstverständlich nur allzu gerne alle Vorschläge, die meine Kolleginnen und Kollegen in Bezug auf die unbedingt notwendige Unabhängigkeit der Personen gemacht haben, die für die Durchführung der Stresstests verantwortlich sein werden, und in Bezug auf die Idee, dass diese Vorschriften auf Gemeinschaftsebene festgelegt werden.

Wir sollten uns jedoch nichts vormachen: Wir haben einige alte Kraftwerke, die ohne Berücksichtigung der Häufung von Risiken gebaut worden sind, weshalb es, egal ob wir die Stresstests durchführen oder nicht, in Bezug auf die vorhandenen Kraftwerke keine vollständige Sicherheit geben wird. Wir müssen uns dessen vollkommen bewusst sein. Außerdem glaube ich nicht, dass die Mehrzahl der europäischen Bürgerinnen und Bürger heutzutage die Vorstellung akzeptieren, dass sie den Preis für einen atomaren Unfall in Europa zahlen sollen. Das ist ein Luxus, den wir uns nicht leisten können; wir müssen uns dessen vollkommen bewusst sein.

Daher müssen wir den Atomausstieg unter Berücksichtigung unserer wirtschaftlichen Bedürfnisse, unserer Bedürfnisse in Bezug auf Beschäftigung, unserer industriellen Kapazitäten und der Vorgabe, dass wir unsere Treibhausgasemissionen nicht erhöhen, organisieren. Ich denke, dass uns das allen bewusst ist.

Wie sollen wir vorgehen? Wir sollten im Rahmen des großen europäischen Projekts des Ausstiegs aus der Kernenergie vorgehen. Claude hat von 15 Jahren gesprochen. Ich denke, dass das sehr optimistisch ist; es wird wahrscheinlich etwas länger dauern. Trotzdem ist dies ein großartiges Projekt, das die Europäer mobilisieren und das Vertrauen in uns und auch in die Institutionen wiederherstellen könnte, denn über Fukushima hinaus, Herr Präsident, ist dies immer noch ein Akt des Misstrauens gegenüber den staatlichen Behörden und den Aufsichtsorganen. Wir müssen uns dessen bewusst sein.

 
  
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  Paul Rübig (PPE). ("Blaue Karte" Frage gemäß Artikel 149 Absatz 8 GO an Catherine Trautmann) – Herr Präsident! Ich möchte die Kollegin Trautmann bitten, mir eine Frage zu beantworten. In Frankreich gibt es das Modell der unabhängigen Regulatoren, die sehr gute Arbeit leisten. Glauben Sie, dass man das französische Modell für Gesamteuropa anwenden könnte, mit einem europäischen Regulator nach französischem Vorbild?

 
  
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  Catherine Trautmann (S&D).(FR) Herr Präsident! Ich danke meinem Kollegen Herrn Rübig für seine Frage. Ich denke, dass die französische Regulierungsbehörde tatsächlich unabhängig ist – ihre Vorschläge zeugen von dieser Tatsache. Ich denke, dass wir, wenn man der Logik dessen folgt, was ich in Bezug auf die europäische Energiegemeinschaft gesagt habe, eine unabhängige Regulierungsbehörde auf europäischer Ebene haben sollten und die Kontrollmittel zur Verfügung stellen sollten, um sicherzustellen, dass die Arbeit der Regulierungsbehörde unabhängig, und dass die Regulierungsbehörde selbst wirklich kompetent ist.

 
  
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  Corinne Lepage (ALDE). („Blue-Card“-Frage gemäß Artikel 149 Absatz 8 an Catherine Trautmann) (FR) Zu diesem Punkt, Frau Trautmann: Auf dem Papier ist die Behörde unabhängig, ja. Angesichts ihrer Zusammenstellung und der Tatsache, dass in Bezug auf die Personen, aus denen sie sich zusammensetzt, kein Pluralismus herrscht, kann man sich schon einige Fragen stellen.

 
  
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  Catherine Trautmann (S&D).(FR) Herr Präsident! Auf nationaler Ebene ist es immer möglich, die Zusammensetzung in Frage zu stellen, und in dieser Hinsicht stimme ich der Äußerung von Frau Lepage zu. Ich denke, dass wir bald erleben werden, dass der Pluralismus besser gewährleistet werden kann, aber ich würde auf keinen Fall die ehrliche Arbeit der Personen in Frage stellen, die ihren Aufgaben gewissenhaft nachgegangen sind, und insbesondere die Arbeit einer Person, nämlich von Herrn Lacoste.

 
  
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  Evžen Tošenovský (ECR). (CS) Herr Präsident! Seit bereits mehreren Wochen verfolgen wir mit angehaltenem Atem den unglaublichen Kampf der Japaner gegen die Folgen eines gigantischen Erdbebens und des anschließenden Tsunamis. Ich bewundere auch die Art und Weise, wie die Japaner damit umgegangen sind, was bisher noch nicht erwähnt worden ist.

Die Menschen lernen immer aus jeder Katastrophe. Ereignisse wie diese haben immer zu technischen Verbesserungen und zu Sicherheitsmaßnahmen geführt. Menschen geben nach großen Flugzeugkatastrophen nicht das Fliegen auf. Die Zuverlässigkeit und die Sicherheit werden erhöht. Es ist wichtig, aus der Katastrophe in Japan alle Erfahrungen in Bezug auf den Betrieb von Kernkraftwerken zu sammeln. Wir müssen diesen extremen natürlichen Stresstest korrekt auswerten und so viele Erfahrungen wie möglich für technische und für Sicherheitsmaßnahmen sammeln. Kernkraftwerke müssen in der Lage sein, extremen Naturkatastrophen standzuhalten.

Wir müssen auch aus den Notfallverfahren lernen, da dies auch zum Betrieb und der Sicherheit von Kraftwerken gehört. Politiker müssen von schnellen und einfachen Urteilen absehen. Es ist sicherlich sinnvoll, so viele Wiederholungsprüfungen von Kernkraftwerken wie möglich durchzuführen. Das Ereignis von Japan ist eine Gelegenheit für eine verantwortungsvolle Bewertung vorhandener Sicherheitsstandards, ohne unnötige politische Selbstdarstellung zu betreiben.

 
  
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  Herbert Reul (PPE). - Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es weiß jeder, dass in den Mitgliedstaaten und auch hier zwischen den politischen Gruppierungen sehr verschiedene Auffassungen über die Frage „Kernenergie - Ja oder Nein“ herrschen.

Wenn man die Debatte heute verfolgt hat, hat man gemerkt, dass es auch innerhalb der Fraktionen sehr verschiedene Meinungen gibt. Auf der anderen Seite gibt es eine Katastrophe in Japan, ein Riesenproblem. Wir haben eine Debatte begonnen, und ich finde, die Entschließung bietet eine große Chance, uns heute und morgen ganz besonders einer Frage zuzuwenden, nämlich der, ob wir die Sicherheitsstandards gemeinsam erhöhen können und ob wir es schaffen, eine irgendwie geartete größere europäische Zuständigkeit oder eine europäische Gemeinsamkeit zu schaffen.

Obwohl mir manches in dieser Entschließung nicht gefällt, bin ich der Ansicht, dass das, was die Kolleginnen und Kollegen geschafft haben, grandios ist, da sie einen Text zustande gebracht haben, der sich auf mehr Sicherheit und in stärkerem Maße auf die europäische Zusammenarbeit konzentriert. Deshalb möchte ich die Frage stellen, ob es nicht an der Zeit ist oder eine Gelegenheit wäre, heute und morgen die Frage – Ausstieg oder Nichtausstieg, begeisterter Anhänger oder nichtbegeisterter Anhänger der Kernkraft – einmal hinten anzustellen und sich darauf zu konzentrieren. Wenn wir unsere Änderungsanträge, die wir alle gestellt haben, morgen einmal nicht zur Abstimmung stellen würden – ich will es nur einmal vorgetragen haben – und uns darauf konzentrieren würden, mit großer Mehrheit, vielleicht sogar einstimmig zu beschließen, dass wir mehr Sicherheit und europäische Zuständigkeiten wollen, dann hätten wir für das Ansehen des Europäischen Parlaments und für das Thema „Wie können wir Konsequenzen aus Japan ziehen?“ mehr getan, als wenn wir die Streitereien fortführen, die wir immer haben. Die können wir dann vielleicht übernächste Woche wieder führen. Ich bitte Sie, einmal darüber nachzudenken, ob wir das nicht versuchen sollten.

(Der Redner ist damit einverstanden, eine Frage nach dem Verfahren der „blauen Karte“ zu beantworten (Artikel 149 Absatz 8 GO).)

 
  
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  Rebecca Harms (Verts/ALE). - Herr Reul, Sie wissen ja, dass ich mich immer für die Weiterentwicklung von Sicherheit im Atombereich einsetze. Bei der Richtlinie über die nukleare Sicherheit, die wir vor zwei Jahren hier verabschiedet haben, hatte ich dabei sehr wenig Erfolg. Eine ganz große Mehrheit dieses Hauses war gegen höchste Sicherheitsstandards. Wir haben ein zusätzliches, ganz großes Problem, wenn wir jetzt über neues gemeinsames Vertrauen reden. Das Parlament hat in dieser Auseinandersetzung eigentlich gar nichts zu sagen. Die Entscheidungen rund um atomare Sicherheit und Stresstests werden im Zweifelsfall im Rat und bei Euratom getroffen, und da ist das Parlament außen vor. In der Regel geben wir unsere Meinung ab. Ob das Konsequenzen hat oder nicht, steht in den Sternen. Wenn Sie jetzt sagen, wir gehen in Zukunft gegen den alten Euratom-Vertrag vor und sorgen für Mitsprache und Transparenz in allen Bereichen, in denen es um Sicherheit geht, dann können wir uns vielleicht noch besser verständigen.

 
  
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  Herbert Reul (PPE). - Frau Kollegin Harms, ich habe die Frage nicht ganz verstanden, weil es ja auch keine war. Aber das ist nicht schlimm, denn ich habe mich auch bemüht und bemühe mich weiter darum, die Chance jetzt zu nutzen. Sie wissen, dass wir beide eine total kontroverse Position in dieser Frage haben.

Es wäre ein riesiges Signal – Zuständigkeit hin oder her –, wenn wir uns in der Frage betreffend mehr Sicherheit mit einer großen Mehrheit verständigen würden. Und in der Entschließung steht viel drin, viel mehr als das, was wir bisher beschlossen haben, und auch viel mehr, als ich bisher bereit war mitzugehen. Das stimmt. Da haben Sie hundertprozentig Recht! Aber wenn wir es schaffen, uns auf mehr Sicherheit und mehr Europa zu verständigen, dann kann das ein Signal auch in Richtung Mitgliedstaaten sein. Wenn wir das morgen im Streit machen, weil wir in der Frage „Ausstieg oder nicht Ausstieg“ verschiedene Positionen vertreten, dann wird es wahrscheinlich keine große Wirkung haben. Ich werbe ja nur dafür, nicht mehr und nicht weniger.

 
  
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  Giles Chichester (ECR). – Herr Präsident! Ich finde es sehr beleidigend, dass Frau Harms mich nur eines Zwischenrufes bedacht hat, aber bei meinem Kollegen Herrn Reul die blaue Karte eingesetzt hat. Man darf ja wohl eine gewisse Gleichbehandlung erwarten.

 
  
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  Michael Cramer (Verts/ALE). ("Blaue Karte" Frage gemäß Artikel 149 Absatz 8 GO an Herrn Reul). Herr Reul! Ich wollte Sie fragen, ob sich an Ihrer persönlichen Position etwas geändert hat. Der Pullover, den ich heute trage, ist 30 Jahre alt: Wir haben damals gegen Atomkraft demonstriert. Uns wurde von den sogenannten Sachverständigen gesagt, das Risiko besteht einmal in Zehntausend Jahren. Jetzt hat kürzlich in einem „Zeit“-Interview der Präsident des Potsdamer Klimainstituts, Herr Schellnhuber, gesagt: „Ja, das stimmt. Zehntausend Jahre durch 400 Atomkraftwerke weltweit sind 25 Jahre.“ Alle 25 Jahre passiert ein Reaktorunglück. Erst Tschernobyl, jetzt Fukushima, und wo dann?

Haben Sie Ihre Position in diesem Punkt geändert? Glauben Sie immer noch, dass Atomkraftwerke sicher sind, oder glauben Sie mit mir, dass Zwentendorf das einzige Atomkraftwerk auf der Welt ist, das sicher ist?

 
  
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  Herbert Reul (PPE). - Meine Meinung hat sich natürlich verändert, aber nicht im Grundsätzlichen. Ist es so schlimm, wenn man seine Meinung beibehält? Aber ich habe meine Meinung sehr verändert, und das haben Sie hoffentlich gemerkt. Ich habe erklärt: Ich stimme dieser Entschließung zu, wenn sie so bleibt, wie sie ist. Das ist eine große Veränderung im Vergleich zu früher. Das können Sie jetzt als genügend oder als nicht genügend betrachten. Ich habe dafür geworben und bleibe dabei: Es wäre wertvoll, diese Entschließung einstimmig zu verabschieden!

 
  
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  Jo Leinen (S&D). - Herr Präsident! Sie haben den Vorsitzenden des Industrieausschusses gehört, jetzt rede ich als Vorsitzender des Umweltausschusses – die Unterschiede könnten nicht größer sein. Höchste Sicherheit für alle Atomkraftwerke ist ja wohl eine Selbstverständlichkeit. Da herrscht ja Konsens. Herr Kommissar Oettinger, Ihr Stresstest ist ein erster wichtiger Schritt, aber er reicht bei weitem nicht aus. Ich bin auch der Meinung, dass ein Umdenken stattfinden muss, das viel tiefer geht und viel fundamentaler ist. Deshalb brauchen wir über höchste Sicherheitsstandards in der EU hinaus auch ein Szenario für den Ausstieg aus einer Technologie mit Risiken, die wir im dicht besiedelten Europa gar nicht verantworten können.

Herr Kollege Reul, Sie und andere müssen dabei einfach mitgehen. Ihre Leute in Berlin sind ja viel weiter als Sie hier in Straßburg und in Brüssel. Die haben die Wende wahrscheinlich geschafft, während Sie immer noch den alten Vorstellungen anhängen. Also, ich hoffe, dass wir eine Formulierung bekommen, ein Szenario, eine Strategie für den Ausstieg. Und, Herr Kommissar, Ihre Roadmap im Juni dieses Jahres wäre eine wunderbare Gelegenheit dazu. Sie müssen nach den Stresstests auch eine Vorstellung darüber liefern, wie wir aus dieser Nukleartechnologie herauskommen.

(Beifall)

 
  
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  Antonio Cancian (PPE).(IT) Herr Präsident, Frau Győri, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Ich denke, dass wir allen Opfern der großen Katastrophe, von der Japan getroffen wurde, unser Beileid aussprechen sollten. Die Situation ist wirklich Besorgnis erregend, aber ich denke, dass es nicht Aufgabe der Politik ist, panische Entscheidungen zu fällen, sondern zu versuchen, vernünftig zu bleiben, und uns der Realität zu stellen, so gut wir es können.

Nachdem ich das nun vorausgeschickt habe, denke ich, dass wir mit zwei wichtigen Überlegungen beginnen sollten. Die erste ist, dass es nur einen Himmel gibt, und dennoch das Land durch Grenzen geteilt wird, die nichts mit den Problemen zu tun haben, die auf unserer Tagesordnung stehen; und die zweite ist, dass wir immer eine nachhaltige Entwicklung anstreben sollten, die aus mehreren Komponenten besteht. Diese nachhaltige Entwicklung besteht aus drei Komponenten, die wir zusammenbringen müssen: eine wirtschaftliche, eine ökologische und eine soziale Komponente. Wenn wir dabei Erfolg haben, denke ich, dass wir uns in die richtige Richtung bewegen werden.

Ich denke, dass die eingereichte Entschließung, die ich voll befürworte und die der Mehrheit unterstützt wird, zur richtigen Zeit kommt, damit wir in Bezug auf die Sicherheit Verantwortung übernehmen, ein Thema, das die aktuelle Situation widerspiegeln sollte, und um in die Zukunft zu blicken. Wie sollten wir in die Zukunft blicken? Indem wir die Kriterien erfüllen, zu denen wir uns verpflichtet haben, und vor allem dadurch, dass wir in Bezug auf die Effizienz und die Erneuerung Entscheidungen fällen, die immer die Kultur und Innovationen in der Forschung berücksichtigen sollten, einschließlich des Internationalen thermonuklearen Versuchsreaktors (ITER).

 
  
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  Der Präsident. – Der Vorsitz wurde darüber informiert, dass Herr Leinen heute Geburtstag hat. Also, herzlichen Glückwunsch, Herr Leinen.

 
  
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  Edit Herczog (S&D).(HU) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Die Kernenergiesicherheit hat ein menschliches Antlitz. Der Entwurf, der Bau, der Betrieb, die Kontrolle und die Stilllegung eines Kraftwerks und das Erlassen entsprechender Gesetze sind alles menschliche Tätigkeiten. Die Schlüsselkomponente der Sicherheit ist daher das Wissen und die maximale Nutzung menschlicher Tätigkeiten. Die Pflege und die praktische Anwendung dieses Wissens ist sowohl im Zusammenhang mit dem Betrieb von Kraftwerken und lange Zeit danach, im Zusammenhang mit ihrer Stilllegung, äußerst wichtig. Ich bin damit einverstanden, dass Stresstests durchgeführt werden, und ich bin damit einverstanden, dass die gewonnenen Erfahrungen in die Richtlinie über nukleare Sicherheit einfließen sollten.

Ich stimme zu, dass wir grenzübergreifende Kontrollen durchführen sollten, und sei es nur, um die Bevölkerung zu beruhigen. Ich stimme zu, dass wir alles dafür tun sollten, um uns in internationalen Organisationen einzubringen und unsere besten Kenntnisse beizutragen. Ich stimme insbesondere zu, dass wir Forschungs- und Entwicklungsmaßnahmen nutzen sollten, um den nuklearen Abfall der vergangenen 60 Jahre zu beseitigen. Es gibt eine Sache, die ich besonders befürworte: Welche Entscheidung auch immer wir in Bezug auf die Energie fällen, wir sollten darauf bestehen, dass die 500 Mio. Bürgerinnen und Bürger Europas mit Strom versorgt werden. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

 
  
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  Gaston Franco (PPE).(FR) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Wir sprechen hier heute über die Verbesserung der Sicherheit der Kernenergie und nicht darüber, die zivile Kernenergie in Frage zu stellen, da sie ein entscheidender Bestandteil der Energieunabhängigkeit und der Vermeidung von Treibhausgasen in vielen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ist.

Die europäische Initiative zur Durchführung von Stresstests bei allen unseren Kraftwerken ist ein entscheidender und vernünftiger Schritt, der den Erwartungen der europäischen Bürgerinnen und Bürgern entspricht. Wir müssen diese Tests nach einer gemeinsamen Herangehensweise und nach gemeinsamen Kriterien durchführen, deren Methodik der Europäischen Gruppe der Regulierungsbehörden für nukleare Sicherheit anvertraut werden muss. Die Nachbarländer der Europäischen Union sollten angesichts der vorhandenen grenzübergreifenden Risiken auch diesen Tests unterzogen werden.

Neben diesen Tests muss die sich Europäische Union bei den G20 und bei der Internationalen Atomenergiebehörde dafür einsetzen, die internationalen Standards auf Grundlage der Zielvorgaben des Verbandes der westeuropäischen Aufsichtsbehörden im Nuklearbereich für neue Reaktoren auf höchstem Niveau zu harmonisieren. Innerhalb der Europäischen Union sollten wir die Zusammenarbeit zwischen den nationalen Sicherheitsbehörden fördern und intensivieren.

Die Europäische Union muss als Vorbild dienen, sowohl für die Verschärfung der Vorschriften als auch für die Bemühungen auf dem Gebiet der Solidarität. Vor dem Hintergrund einer derartigen Katastrophe denke ich, dass die Einrichtung einer europäische Zivilschutztruppe mehr denn je notwendig ist.

 
  
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  Kathleen Van Brempt (S&D).(NL) Herr Präsident! Es ist so: Man wird auf der ganzen Bandbreite des politischen Spektrums Befürworter und Gegner der Kernenergie finden. Was ich jedoch nicht verstehe, ist, wieso einige Personen vor diesem Thema immer noch die Augen verschließen, sogar nach Fukushima. Das Unvorstellbare ist passiert. Eine Kombination verschiedener Faktoren hat zu einer Katastrophe geführt, zu der es zweifelsohne auch in unserem Teil der Welt kommen könnte. So etwas wie ein Nullrisiko gibt es nicht. Heute müssen wir drei Schritte einleiten.

Erstens müssen die Stresstests, wie der Herr Kommissar vorgeschlagen hat, in aller Offenheit, vollkommen transparent durchgeführt werden, während gleichzeitig Schritte eingeleitet werden sollten, um sicherzustellen, dass so viele Kraftwerke wie möglich diesen Tests unterzogen werden. Wir müssen jedoch auch sicherstellen, dass wir entsprechend den Ergebnissen dieser Stresstests handeln. Jedes Kernkraftwerk, das nicht sicher ist, sollte geschlossen werden.

Zweitens müssen wir sicherstellen, dass wir einen Ausstieg aus der Kernenergie organisieren. Wir können es nicht zulassen, dass Kernkraftwerke, die für eine Laufzeit von 30 Jahren gebaut worden sind, nach 40 oder 50 Jahren immer noch in Betrieb sind.

Drittens wäre es wirklich zu absurd, wenn wir uns in dieser Europäischen Union für neue Kernkraftwerke entscheiden würden. Es gibt in Europa nur einen Weg nach vorne und das sind die erneuerbaren Energien, und wir in diesem Parlament sollten einen Konsens für erneuerbare Energien erreichen.

 
  
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  Bogusław Sonik (PPE).(PL) Herr Präsident! Am 26. April wird seit der Tschernobyl-Katastrophe, dem schlimmsten atomaren Unfall in der Geschichte, ein Vierteljahrhundert vergangen sein. 25 Jahre später erinnern wir uns an alle Opfer der Tragödie, an die Geschädigten und an die, die bis heute die Folgen der Katastrophe spüren. Dieser tragische Jahrestag fällt unglücklicherweise mit den Ereignissen in Japan zusammen. In Erinnerung an die Tschernobyl-Katastrophe möchte ich meine Solidarität mit dem japanischen Volk zum Ausdruck bringen, das mit den Folgen des Unfalls im Kernkraftwerk von Fukushima zu kämpfen hat, der durch die Wellen des Tsunami verursacht worden ist.

Heute noch lässt sich bei Lebensmitteln, die in Regionen der Ukraine hergestellt werden, die dem radioaktiven Caesium-137 ausgesetzt waren – einem Isotop mit einer Halbwertszeit von 30 Jahren –, eine Verstrahlung feststellen. Greenpeace hat Untersuchungen durchgeführt, aus denen hervorgeht, dass die lokale Bevölkerung in mindestens zwei Provinzen, Zhitomir und Rovno, verstrahlte Milch, Pilze, Obst, Süßwasserfische und Gemüse konsumiert. Nach offiziellen Angaben ist das Gebiet in einer Entfernung von 30 km vom Kraftwerk stark verstrahlt. Es wird jedoch geschätzt, dass das betroffene Gebiet tatsächlich insgesamt 50 000 km2 umfasst und sich über viele Provinzen der Ukraine erstreckt.

In Europa – ohne Russland – sind gegenwärtig 165 Atomreaktoren in Betrieb. Es ist wichtig, zu wissen, dass sie sich nicht nur auf dem Gebiet der Europäischen Union befinden, sondern auch in Nachbarländern, in der Nähe der EU-Außengrenzen. Russland und Belarus beginnen gerade mit dem Bau von Kraftwerken in der Nähe der EU-Außengrenzen. Es stellt sich die Frage: Wie kann ihre Sicherheit garantiert werden? Es sollte kein Strom von Kernkraftwerken außerhalb der Europäischen Union gekauft werden, wenn diese nicht den höchsten Sicherheitsstandards entsprechen, wie sie durch Stresstests in der Europäischen Union festgelegt wurden.

(Der Präsident unterbricht den Redner)

Ich wiederhole: In diesem Augenblick bauen Russland und Belarus Kernkraftwerke in der Nähe der Grenzen der Europäischen Union. Vor diesem Hintergrund denke ich, dass die Mitgliedstaaten der Europäischen Union keinen Atomstrom von diesen Kraftwerken kaufen sollten, wenn diese die Stresstests nicht bestehen, die auch in der Europäischen Union erforderlich sind.

 
  
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  Ioan Enciu (S&D).(RO) Herr Präsident! Ich möchte zunächst dem japanischen Volk mein uneingeschränktes Mitgefühl ausdrücken. Ich bin der Ansicht, dass es jetzt wichtig ist, dass wir Japan unterstützen, wo wir nur können.

Der Unfall von Fukushima hat uns gezeigt, dass einige bestehende Kernkraftwerke nicht sicher sind. Aus diesem Grund müssen wir der Kernenergiesicherheit größere Bedeutung beimessen. Ich denke, dass es äußerst wichtig ist, die Kernkraftwerke unverzüglich Sicherheitstests zu unterziehen.

Andererseits müssen wir jedoch vermeiden, emotionale und unbegründete Entscheidungen darüber zu fällen, ob wir die Kernenergie weiter nutzen oder sie abschaffen wollen. Die Entscheidung über die Zusammensetzung des Energiemixes muss weiterhin im Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten bleiben, während die Aufgabe der Europäischen Union darin liegen muss, sicherzustellen, dass die höchsten Sicherheitsstandards eingehalten werden. Jede Maßnahme, die auf europäischer oder nationaler Ebene im Hinblick auf den Energiemix und die Regulierung der Kernenergie ergriffen wird, muss jedoch auf einem hohen Niveau an wissenschaftlicher Objektivität basieren.

 
  
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  Arturs Krišjānis Kariņš (PPE).(LV) Herr Präsident! Ein Drittel des gesamten Energieverbrauchs in Europa stammt gegenwärtig aus Kernenergie. Wenn wir diese Kapazität in kurzer Zeit ersetzen wollen, gibt es nur zwei echte Alternativen: die Steigerung der Nutzung entweder von Kohle oder von Erdgas. Beide Alternativen bringen einige Schwierigkeiten mit sich. Bei Kohle sind dies CO2-Emissionen. Bei Erdgas ist dies selbstverständlich die Tatsache, dass der Großteil aus Russland importiert wird. Kurzfristig können daher zwei Schritte unternommen werden. Der wichtigere von beiden wurde bereits angesprochen: die Verschärfung von Sicherheitsmaßnahmen. Meine Damen und Herren, es wird jedoch nicht ausreichen, die Sicherheitsmaßnahmen in Europa zu verschärfen, weil Europas Nachbarn Russland und Belarus ungeachtet unserer Debatten über Kernenergiesicherheit einfach so weitermachen wie bisher. Sie werden ihre Reaktoren entwickeln und deshalb müssen wir sicherstellen, dass die hohen europäischen Standards nicht nur in Europa gelten, sondern auch in der restlichen Welt, insbesondere in unseren Nachbarstaaten Russland und Belarus. Der zweite Schritt, den Europa natürlich machen muss – und das können wir auch kurzfristig tun – ist die kontinuierliche Verstärkung unserer Maßnahmen auf dem Gebiet der Energieeinsparung sowie eine deutlichere Akzentuierung der erneuerbaren Energien, das heißt eine stärkere Nutzung der Energie aus Windkraft, Sonne, Wasserkraft und Biomasse. Selbstverständlich sind eben Energieeinsparungen und eine stärkere Nutzung der Windkraft, Sonne, Wasserkraft und Biomasse die Faktoren, die langfristig dazu beitragen werden, unsere Abhängigkeit sowohl von der Kernenergie als auch von importierten Energiequellen zu verringern.

 
  
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  Mario Pirillo (S&D).(IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Nachrichten in Bezug auf Fukushima sind immer alarmierender. Grenzwerte wurden mehrfach überschritten und wir wissen nicht, was in naher Zukunft passieren wird. Es gab keine klare und transparente Kommunikation.

Bestehende Kernkraftwerke sollten Stresstests unterzogen werden, und wenn das Ergebnis Anlass zur Sorge gibt, müssen wir den Mut haben, ihre sofortige Stilllegung zu fordern. Wir müssen höhere internationale Sicherheitsstandards einführen und sollten noch nicht einmal daran denken, neue Kernkraftwerke zu bauen. Wir müssen den allmählichen Ausstieg aus dieser Art der Energie vorbereiten, die irreparable Schäden an der Umwelt und der menschlichen Gesundheit verursacht.

Es ist entscheidend, dass über die Entwicklung zukünftiger Energiestrategien gründlich nachgedacht wird. Wir müssen dringend Strategien entwickeln, die Energieeinsparungen und die Verbesserung der Energieeffizienz sowie höhere Investitionen in die Forschung im Bereich neue Technologien und erneuerbare Energiequellen zum Ziel haben. Und schließlich sollten wir mit einer Debatte beginnen, an der die Bürgerinnen und Bürger und die lokalen Behörden beteiligt sind.

 
  
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  Romana Jordan Cizelj (PPE).(SL) Herr Präsident! Ich stimme den Abgeordneten zu, die gesagt haben, dass wir die Kernenergiesicherheit auf europäischer Ebene sicherstellen sollten. Wir müssen jedoch in diesem Zusammenhang anerkennen, meine Damen und Herren, dass die „Sicherheitskultur“ ein sehr weitgefasstes Konzept ist, das sowohl ... das sowohl eine sichere Kerntechnologie als auch die Sicherstellung angemessener finanzieller Ressourcen, Arbeitskräfte, angemessener Sicherheitsstandards und starke und unabhängige Aufsichtsorgane beinhaltet. Meiner Meinung nach sollte dies alles auch Teil dieser europäischen Sicherheitsstandards sein. Es geht hier nicht um mangelndes Vertrauen in bestehende Institutionen, sondern darum, auf institutioneller Ebene auch in Zukunft die höchstmögliche Sicherheit zu garantieren.

Herr Kommissar, Sie haben gesagt, dass die Mitgliedstaaten nicht daran interessiert sind, aber wer sind diese Mitgliedstaaten? Wenn wir unsere Bürgerinnen und Bürger fragen würden (und solche Meinungsumfragen wurden bereits durchgeführt), würden Sie sehen, dass sie froh sind, dass einige Befugnisse der Europäischen Union übertragen wurden.

Ich muss klar sagen, dass ich dagegen bin, dass Kernkraftwerke aus politischen Gründen stillgelegt werden. Es gibt in Japan mehrere Kernkraftwerke und eines davon ist von diesem schlimmen atomaren Unfall betroffen. Bevor wir verschiedene Maßnahmen verabschieden, müssen wir Argumente und Ergebnisse von Experten haben. Daher müssen wir Expertenanalysen darüber durchführen lassen, was in Fukushima passiert ist, wenn wir überhaupt alle wirklichen Ursachen für den atomaren Unfall und die Beschädigung des Reaktorkerns herausfinden wollen.

Abschließend möchte ich sagen, dass wir in Bezug auf die Verabschiedung einer Richtlinie über radioaktive Abfälle sehr gut vorangekommen sind, und dass wir mit dieser Richtlinie zeigen können, dass wir es ernst meinen.

(Die Rednerin erklärt sich damit einverstanden, auf drei „Blue-Card“-Fragen gemäß Artikel 149 Absatz 8 zu antworten)

 
  
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  Sonia Alfano (ALDE).(IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Da meine Kollegin gerade gesagt hat, dass wir keine ausreichenden Gründe haben, um zu glauben, dass die Kernenergie gefährlich sei, möchte ich sie fragen, ob Tausende von Toten kein Grund dafür sind, um lange über diese Angelegenheit nachzudenken. Da es Tausende von neuen Toten in Japan gegeben hat, wollte ich fragen, ob diese Tatsache nicht Anlass genug ist.

 
  
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  Judith A. Merkies (S&D). – Herr Präsident! Ich möchte meine Kollegin fragen, wie viele Kernkraftwerke kollabieren müssen, bevor sie sagt, dass es reicht. Sie sagt, dass nur ein Kernkraftwerk in Japan betroffen ist. Es waren jedoch sechs Kernkraftwerke und nicht eins. Wie viele müssten betroffen sein, damit sie ihre Meinung ändert?

 
  
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  Hannes Swoboda (S&D). - Frau Jordan Cizelj, es gibt in Ihrem Land ein Kraftwerk in Krško, das u.a. auch deswegen ein bisschen kritisch gesehen wird, weil es in einem Erdbebengebiet liegt.

Sind Sie bereit, wenigstens dafür einzutreten, dass es eines der ersten Kraftwerke ist, das im Rahmen von strengen, hoffentlich objektiven Stresstests untersucht wird, damit für die Bürgerinnen und Bürger sichergestellt werden kann, dass von diesem Kraftwerk, obwohl es in einem Erdbebengebiet liegt, zumindest keine unmittelbare Gefahr ausgeht bzw. dass nachgebessert werden kann, solange dieses Kraftwerk noch besteht?

 
  
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  Romana Jordan Cizelj (PPE).(SL) Herr Präsident! Es gibt in der Tat Tausende Opfer in Japan und ich persönlich empfinde ihnen gegenüber tiefes Mitgefühl und denke, dass die Europäische Union jede mögliche Unterstützung leisten sollte. Ich lehne es jedoch ab, dass diese Opfer im Namen irgendeines ideologischen Kampfes gegen die Nutzung der Kernenergie missbraucht werden. Deshalb habe ich gesagt, dass wir die Ursachen, die zu diesem atomaren Unfall geführt haben, analysieren müssen, und dass wir herausfinden müssen, ob es überhaupt möglich ist, dass sie auch in Europa auftreten, und wie wir sie vermeiden können. Ich möchte Sie auch bitten, dass Sie nicht die Opfer von Naturkatastrophen, die Opfer eines Erdbebens und eines Tsunamis, mit potenziellen Opfern eines atomaren Unfalls durcheinanderbringen. Das ist meine Antwort auf die erste Frage.

Was die zweite Frage betrifft, wie viele Unfälle in Kernkraftwerken ... Darf ich fortfahren? Wie viele Unfälle sind notwendig, damit ich meine Meinung ändere? Ich habe ein Kraftwerk erwähnt, das mehrere Reaktoren hat, also ein einziges Kraftwerk mit mehreren Reaktoren. Wir wissen, dass es in Japan mehrere Kraftwerke gibt. Ich denke, dass jedes Kraftwerk ... oder jeder Unfall sehr ernst genommen werden sollte; wir sollten hinsichtlich der Unfälle nicht in Zahlen denken, weil wir jeden Unfall berücksichtigen müssen, und nicht nur den Unfall, sondern auch jeden anderen Zwischenfall, der nicht als Unfall eingestuft wird. Wir müssen aus jedem Zwischenfall etwas lernen. In der Tat zeigt uns eben dieses Beispiel, dass wir nicht aus einem Unfall die Schlussfolgerung ziehen sollten, dass die Kerntechnologie untragbar ist.

Ich habe eine Frage noch nicht beantwortet. Es wurden drei Fragen gestellt. Das Kernkraftwerk in Krško. Darf ich? Die Sicherheit dieses Kraftwerks wurde überprüft und Österreich, das in Bezug auf dieses Thema sehr aktiv war, hat zu dieser Zeit zusätzliche seismische Sicherheitstests durchgeführt. Daraufhin wurden zusätzliche Modifikationen durchgeführt und das ist jetzt eine bewährte Praxis. Ich bin der festen Überzeugung, dass alle in Slowenien damit einverstanden sein werden, dass in Krško sofort so ein Stresstest durchgeführt wird. Da wir eine kleine Atomnation sind, sind wir es gewohnt, dass wir uns einer entsprechend größeren Zahl an internationalen Tests unterziehen müssen, als es für andere Kernkraftwerke in den größeren Ländern der Fall ist.

 
  
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  Richard Seeber (PPE). - Herr Präsident, Herr Kommissar, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich komme auch aus Österreich, und die Sorge um Krško betrifft uns alle. Ich hoffe, dass die Versicherungen, die die Kollegin Jordan Cizelj abgegeben hat, auch eingehalten werden. Meine Sorge und Anteilnahme gilt aber insbesondere der japanischen Bevölkerung, die leidet und diese Ereignisse mit stoischer Ruhe hinnimmt.

Nehmen wir aber etwas Positives aus der Krise mit! Das Positive kann nur sein, dass wir nachdenken und auch hier in Europa beginnen, Lehren aus dieser Krise zu ziehen. Eine kurzfristige Lehre kann doch nur sein, dass wir auch die Sicherheit der europäischen Reaktoren massiv erhöhen. Eine weitere Lehre muss sein, dass wir einen europäischen Katastrophenschutz einrichten. Europa hat wirklich die Pflicht, seine Sicherheitsteams grenzüberschreitend zusammenarbeiten zu lassen.

Langfristig kann die Lehre nur sein, dass wir gemeinsam ein Ausstiegsszenario vorbereiten, denn die Ereignisse zeigen eindeutig, dass die Nukleartechnologie beim derzeitigen Stand der Technik – und das wird sich wahrscheinlich in Zukunft nicht ändern – zu gefährlich ist. Die Folgen sind zu langfristig.

Sie sehen an meinen Ausführungen, dass der Riss quer durch alle Fraktionen, auch durch die EVP, geht, aber insgesamt glaube ich, sollten wir uns doch zu Herzen nehmen, dass die berühmte Sicherheit, die uns von allen versprochen wurde, einfach nicht gewährleistet werden kann. Die Stresstests müssen deshalb auch die Kumulierung der verschiedenen Risiken abdecken. Wenn man nur einzelne Risiken untersucht, wird man nie ein realistisches Szenario bekommen. Realistisch heißt, dass wir z. B. einen Tsunami sehr schwer voraussehen können, auch wenn er hier in Europa wohl nicht stattfinden wird, aber Erdbebenzonen gibt es sicher auch hier in Europa.

(Beifall)

 
  
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  Marian-Jean Marinescu (PPE).(RO) Herr Präsident! Zunächst möchte ich meine Bewunderung und meinen Respekt für die Einstellung des japanischen Volkes zu der außergewöhnlichen Situation, in der sie sich befinden, zum Ausdruck bringen. Diese Situation hat zu hitzigen Debatten über die Zukunft der Kernenergie geführt – ob man sie weiterhin nutzen oder sie abschaffen sollte. Ich bin der Ansicht, dass wir eine ausgewogene Haltung einnehmen und alle Aspekte berücksichtigen sollten: die Anforderungen der Wirtschaft, der öffentlichen Sicherheit und des Klimawandels.

Ich glaube, dass die Energiepolitik der Zukunft auf der richtigen Balance zwischen erneuerbaren Energien, neuen Technologien für konventionelle Energiequellen sowie Kernenergie unter sicheren Bedingungen beruhen muss. Es muss in die Erforschung der effizienten Erzeugung erneuerbarer Energien investiert werden. Wir müssen investieren, um neue Quellen für konventionelle Grundstoffe und neue Versorgungsstrecken für Europa zu sichern – den südlichen Korridor. Gleichzeitig sind Innovationen und Forschung auf dem Gebiet der neuen Technologien notwendig, um der Belastung der Umwelt durch die konventionelle Stromerzeugung zu entgegenzuwirken.

Die Richtlinie über nukleare Sicherheit muss überprüft werden, um die Anforderungen zu verschärfen. Die von der Kommission vorgeschlagenen Stresstests sind notwendig. Die Kriterien müssen unter Berücksichtigung aller Aspekte festgelegt werden: Alter, Technologien und Naturkatastrophen. Die Tests müssen unter Beteiligung der Kommission durchgeführt werden. Die Ergebnisse der Tests müssen bei der Überprüfung der Richtlinie berücksichtigt werden. Die Tests müssen sehr klare Folgen haben. Diejenigen Kraftwerke, die den Test bestehen, bleiben weiterhin in Betrieb, diejenigen, die nicht bestehen, werden stillgelegt. Ich möchte hervorheben, dass eine europäische Strategie für die Behandlung und die Aufbewahrung von atomarem Abfall sowie für die Stilllegung von Kraftwerken notwendig ist.

Und last but not least muss das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Kernenergie gewahrt werden und sie muss entsprechend informiert werden.

 
  
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  Laima Liucija Andrikienė (PPE). – Herr Präsident! Ich möchte eine kurze Anmerkung zu Kernkraftwerken in Drittländern machen, die sehr nah an der Außengrenze der EU gelegen sind. Zwei spezielle Fälle wurden heute bereits erwähnt, zwei sich gleichzeitig in Planung befindliche Kernkraftwerke: eines in der Region Kaliningrad der Russischen Föderation, die vollständig von Litauen, Polen und der Ostsee umschlossen ist, und das zweite in Belarus, wo der Bau eines Kernkraftwerks in 20 km Entfernung zur litauischen Grenze geplant ist.

Während die ganze Welt die dramatischen Entwicklungen in Fukushima beobachtet hat, haben die Regierung von Belarus und die staatliche russische Atomenergieagentur Rosatom am 15. März einen Vertrag unterschrieben, laut dem Rosatom den Bau des Kernkraftwerks in Belarus bis 2018 abschließen muss. Russland bereitet außerdem einen Finanzrahmen von 6 Mrd. USD für Belarus für die Finanzierung dieses Projekts vor. Die Behörden von Belarus haben es also nicht für nötig befunden, die Nachbarn von Belarus über das geplante Projekt angemessen zu informieren, und das Projekt in seiner jetzigen Form verstößt ganz klar gegen die Espoo-Konvention über die Umweltverträglichkeitsprüfung.

 
  
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  Silvia-Adriana Ţicău (S&D).(RO) Herr Präsident! Ich begrüße den Beschluss der Kommission, die Atomreaktoren der Europäischen Union einem Stresstest zu unterziehen. Wir fordern, dass diese Überprüfung auf der Grundlage gemeinsamer, detaillierter Beurteilungskriterien erfolgt, um die Kernenergiesicherheit in der Europäischen Union weiter zu verbessern.

In der Europäischen Union gibt es momentan 143 Atomreaktoren und die Kernenergie macht 30 % des Energiemixes aus. Die Mitgliedstaaten sind für ihren eigenen Energiemix verantwortlich, aber die Kernenergiesicherheit fällt in den Verantwortungsbereich von uns allen. Aus diesem Grund ist eine Entschließung zur Kernenergiesicherheit in der Europäischen Union wichtig. Ich möchte betonen, dass die Investitionen in die Kernenergiesicherheit für jeden Atomreaktor bis zum Ende seiner vorgesehenen Laufzeit garantiert werden müssen.

Die Stresstests werden zu höheren Standards für zukünftige Atomreaktoren und somit auch zu einer Steigerung der Kosten der Kernenergie führen. Die EU muss daher beträchtliche Investitionen in Energieeffizienz-Maßnahmen tätigen sowie in die Produktion und den Einsatz erneuerbarer Energiequellen, insbesondere in Gebäuden und dem Verkehrssektor.

 
  
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  Anneli Jäätteenmäki (ALDE).(FI) Herr Präsident! Es ist gut, dass die EU für ihre Mitgliedstaaten und für ihre Nachbarn Stresstests einführen will. Das einzige Manko ist, dass sie nicht obligatorisch sein werden. Die EU fragt jetzt schüchtern, ob sie möglicherweise durchgeführt werden können. Eine weitere Schwäche ist, dass die EU keine gemeinsamen Standards festgelegt hat. Es ist jedoch zwingend erforderlich, dass es gemeinsame Standards gibt. Drittens sollte eine unabhängige Behörde diese Tests durchführen. Ich kann einfach nicht glauben, dass nationale Behörden sagen werden, dass es in ihrem Land Störungen gegeben hat, oder dass sie selbst es vernachlässigt haben, die Anlagen angemessen zu überwachen. Wenn dies echte Tests sein sollen, dann sollte es Standards geben, nach denen sie durchgeführt werden, sie sollten öffentlich durchgeführt werden und sie sollten von einer unabhängigen Partei durchgeführt werden.

 
  
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  Michèle Rivasi (Verts/ALE).(FR) Herr Präsident! Ich möchte meine Kollegen dennoch erinnern, dass der Unfall von Fukushima noch nicht vorüber ist, und dass aufgrund des geschmolzenen Kerns immer noch das Risiko einer Explosion besteht.

Ich möchte unserem Kommissar, Herrn Oettinger, eine Frage stellen. Es geht um die Durchführung dieser Stresstests. Wie unsere Kollegin Abgeordnete gerade angesprochen hat: Wie soll garantiert werden, dass alle Kriterien, die Sie dem Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie gegenüber erwähnt haben, von jedem Mitgliedstaat, der Kernkraftwerke nutzt, berücksichtigt werden? Wie werden Sie einen Mitgliedstaat zwingen, unabhängige Experten zur Überprüfung und Kontrolle der Kraftwerke zuzulassen, wenn er sich weigert, dies zu tun? Der Grund für meine Frage ist, dass, wenn sie sich selbst kontrollieren, sehe ich nicht, wie wir Ihre Stresstests umsetzen sollen. Eine unabhängige Behörde zur Kontrolle der Kraftwerke in jedem Mitgliedstaat ist absolut notwendig.

Wie werden wir darüber hinaus sicherstellen, dass unsere Nachbarländer – Sie haben über Armenien mit Metsamor und andere Länder wie Belarus usw. gesprochen – solch eine Kontrolle akzeptieren? Das Parlament wird Sie unterstützen müssen, Herr Kommissar, aber wie werden wir das tun?

Schließlich haben wir eine echte Verantwortung, einen Ausstieg aus der Kernkraft einzuleiten, und die Szenarien zur Verwirklichung dieses Ziels müssen dem Parlament vorgelegt werden. Das ist die einzige Garantie, dass es keine weiteren Unfälle mehr gibt.

 
  
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  Jaroslav Paška (EFD). (SK) Herr Präsident! Der beträchtliche Schaden am Kernkraftwerk in Fukushima, der durch eine Naturkatastrophe außerordentlichen Ausmaßes verursacht worden ist, hat gezeigt, dass es äußerst wichtig ist, in derartigen Anlagen auf die Sicherheit zu achten. Daher ist es richtig und angemessen, dass die Europäische Kommission beschlossen hat, unverzüglich eine Sicherheitsanalyse aller Kernkraftwerke auf dem Gebiet der EU durchzuführen.

Die Bürgerinnen und Bürger Europas haben ein Recht auf Sicherheit und eine unabhängige Prüfung von Kernanlagen kann uns auf Mängel oder Risiken hinweisen, die wir verhindern können, wenn wir während des Betriebs umsichtig vorgehen. Ich bezweifle nicht, dass die Ergebnisse der Sicherheitsüberprüfung unserer Kernanlagen zu ernsthaften Entscheidungen führen werden, die die Kernkraftwerksbetreiber dazu verpflichten werden, jegliche Mängel an den Anlagen sofort zu beheben und nicht zu versuchen, die Sicherheitskriterien zu umgehen, deren Erfüllung eine Bedingung für das Betreiben eines Kernkraftwerks sein muss.

Herr Kommissar! Ich bin sicher, dass die europäische Öffentlichkeit von uns erwartet, dass wir heute einen offenen und ehrlichen Dialog über die Zukunft der europäischen Energiepolitik und auch über die Festlegung neuer Sicherheitsgrenzwerte für alle Kraftwerke in Europa führen.

 
  
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  Angelika Werthmann (NI). - Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Atomkatastrophe in Japan hat uns eines gezeigt: Die Natur ist stärker und mächtiger als der Mensch. Es ist daher höchste Zeit, die alten und/oder erdbebengefährdeten AKW endgültig vom Netz zu nehmen und jetzt langfristig aus der Kernenergie auszusteigen. Stresstests, Herr Kommissar! Bitte kein zweites Tschernobyl! Grenzwerte für Lebensmittel aus Japan: Liebe Kommission, ich habe eine einzige Frage: Wollen Sie uns Europäerinnen und Europäer wirklich verstrahlen?

Nehmen Sie diese Durchführungsverordnung sofort – am liebsten heute noch – zurück! Investieren wir in alternative Energien und nützen wir sie! Es gibt sie tatsächlich! Sie sind sicher und umwelt- und menschenachtender. Und noch eines: Sie schaffen neue Jobs.

In Österreich hatten wir Zwentendorf, das nie ans Netz ging. Heute ist es ein Solarkraftwerk.

 
  
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  Mairead McGuinness (PPE). – Herr Präsident! In dieser Aussprache sollte es um die Kernenergiesicherheit gehen. Aber die Aussprache geht offensichtlich darüber hinaus und es geht um den Energiemix. Dürfte ich vorschlagen, dass wir diese Aussprache abhalten, wenn die Kommission ihren Energiefahrplan vorlegt?

In Bezug auf die Sicherheit, darf ich den Kommissar fragen, ob es angemessen ist, den Begriff „Stresstest“ zu verwenden, weil der Begriff „Stresstest“ uns in Bezug auf das Bankwesen im Stich gelassen hat. Ich würde darum bitten, dass die Begriffe „Sicherheitsprüfungen“ oder „Risikoprüfungen“ benutzt werden. Was wird im Anschluss an diese Sicherheitsprüfungen geschehen? Werden Sie sicherstellen, dass sie bei allen Atomkraftwerken durchgeführt werden, einschließlich Nuklearabfalleinrichtungen und Wiederaufbereitungsanlagen, weil mir insbesondere Sellafield Sorgen bereitet, das sich unweit der irischen Grenze befindet?

Wir müssen die Sicherheit von Atomanlagen jetzt überprüfen. Bedauerlicherweise, sagen einige Kolleginnen und Kollegen – sogar diejenigen, in deren Heimatländern sich keine Kernkraftwerke befinden – wir wären stark von der Kernenergie abhängig, weshalb die Sicherheit vorrangige Bedeutung hat. Wir sollten in die nächste Phase übergehen und uns den Energiemix ansehen. Seien wir doch ehrlich: Erneuerbare Energien stellen auch keine einfache Antwort dar.

 
  
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  Kriton Arsenis (S&D).(EL) Herr Präsident! Wir haben 25 Jahre gebraucht, um Tschernobyl zu vergessen, und ich befürchte, dass die Katastrophe in Japan nicht ausreichen wird, damit wir uns wieder erinnern.

Wir haben Japan systematisch verurteilt. Es ist, als ob wir sagen wollen, dass Japan unsicher ist, und nicht die Kernenergie. Wir haben angefangen, an unseren Kernkraftwerken Sicherheitstests durchzuführen, und behaupten wieder beharrlich, dass es so etwas wie sichere Kernenergie gibt. Wir müssen Kernkraftwerke, die mehr als 30 Jahre alt sind, sofort stilllegen und Gedanken an den Bau neuer Kraftwerke begraben. Wir brauchen eine sofortige „Atomsteuer“, die uns ermöglichen wird, die gesamten Umweltkosten der Kernenergie widerzuspiegeln. Wir müssen in die Verbesserung der Leistung von Photovoltaik-Anlagen investieren und echte Investitionen in die Verbesserung der Leistung aller erneuerbaren Energiequellen vornehmen.

Herr Kommissar, die Gesetzesinitiative und die Verantwortung für unsere Handlungen oder die Folgen von unserer Untätigkeit liegen in Ihrer Hand.

 
  
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  Günther Oettinger, Mitglied der Kommission. − Herr Präsident, meine verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Zunächst zum Thema der langfristigen Energiepolitik. Wir wollen Sie ausdrücklich einladen, bei der Energie-Roadmap ab dem ersten Tag mitzuwirken. Deswegen biete ich den Fraktionen ab Mai Gespräche über verschiedene Szenarien der Energiewirtschaft Europas für die nächsten Jahrzehnte an.

Ein Szenario, d.h. eine Option mit allen notwendigen Folgerungen, wird sicherlich auch bedeuten, den Anteil erneuerbarer Energien bei der Stromumwandlung möglichst hoch – wenn nicht sogar bei 100 % – anzusiedeln, mit Folgerungen für Netze, Speichermöglichkeiten, Forschung, Effizienz und für anderes.

Gleichzeitig aber möchte ich darum bitten, die Rechtsgrundlagen zu beachten. Der Vertrag von Lissabon ist gerade einmal eineinhalb Jahre alt. An seiner Entstehung waren Sie mehr beteiligt als ich. Dieser Vertrag sieht eine umfassende Gesetzgebungskompetenz der Europäischen Union für den Bereich Energie vor und macht eine einzige, weitreichende Ausnahme, die ganz bewusst festgelegt wurde: Die Frage der Energietechnik, des Energiemix bleibt Sache der nationalen Parlamente.

Nun kann man darüber streiten, ob dies richtig war, aber klar ist doch, dass ich die Schlussfolgerungen aus den Vorfällen in Japan für die Energie-Roadmap doch auf der Grundlage des Vertrags von Lissabon ziehen muss, und ich halte im Augenblick eine Novelle von Artikel 194 für die vor uns liegende Zeit für unrealistisch. Ich würde sie mir wünschen, und ich glaube auch, dass die europäische Ebene für den Energiemix genügend Sachkunde hätte. Aber für die nächsten Jahre ist die Angelegenheit der Energietechnik Sache der Mitgliedstaaten im Stromumwandlungsbereich.

Eine Einschränkung gibt es allerdings. Die haben wir mit den Mitgliedstaaten erreicht. Die Zielvorgabe von 20 % für erneuerbare Energien schränkt die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten auf 80 % ein. Indem wir also mit Willen und Wollen der Mitgliedstaaten in neun Jahren 20 % erneuerbare Energien erreicht haben müssen und werden, und dies durch Fortschrittsberichte auch immer prüfen, wird die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten auf 80 % reduziert. Nein, sogar auf noch weniger. Warum? Weil die 20 % über alles im Transportbereich vielleicht 10 % erneuerbare Energien bedeuten werden.

Im Strombereich, der ja heute im Mittelpunkt steht, streben wir in nur neun Jahren einen Anteil von 35 % erneuerbare Energien – Wasser, Biomasse, Geothermie, Solarenergie, Windenergie – an. Das heißt, in drei bis vier Jahren wird erneuerbare Energie im Strombereich Kohlekraft und Kernkraft überholt haben. Ich glaube, dass dies durchaus auch einmal ein Entwicklungsprozess ist, den man nicht hoch genug würdigen kann. 35 % erneuerbare Energien in neun Jahren!

Mit der Energie-Roadmap werden wir in jedem Fall nicht nur 2050, sondern 2025 oder 2030 im Auge haben, das heißt das nächste Jahrzehnt, in das man jetzt mit Technik, Leitungsnetzen und Speicherungsmöglichkeiten investieren muss. 2030 wird mit Sicherheit ein Prozentsatz für die Stromumwandlung von 40 + x % einvernehmlich hier zu beraten und dann zusammen mit den Mitgliedstaaten zu entscheiden sein.

Wenn einmal die erneuerbaren Energien 40 % oder mehr ausmachen, bleibt den Mitgliedstaaten 60 % oder weniger, und damit kommen wir beim Thema Zuständigkeit auf europäischer Ebene mit Wissen und Wollen der Mitgliedstaaten voran. Das mag dem einen oder anderen nicht schnell genug sein, aber auch ohne Änderung des Vertrags von Lissabon – die wäre derzeit nicht realistisch – heißt diese Zielvorgabe 20, gleich 35, später 40 oder mehr Prozent an erneuerbaren Energien. Eine klare Entwicklung der Zuständigkeit hin zur europäischen Kontrolle und zur europäischen Ebene.

Wenn man dann dieses Szenario erneuerbare Energien betrachtet, lohnt sich parallel immer auch ein Blick in die Mitgliedstaaten. Ich nehme einmal das von mir sehr geachtete, aufstrebende, große Land Polen. In Polen wird derzeit 90 % des Stroms aus Kohle hergestellt. 90 %! Ich halte es für nicht wahrscheinlich und frage deswegen auch die hier anwesenden Abgeordneten aller Parteien aus diesem großen aufstrebenden EU-Mitgliedstaat Polen: Glauben Sie, dass in Ihrem Land die Politik – egal, wer regiert – in den nächsten Jahren und Jahrzehnten die Kohle auf null Prozent drücken wird? Ich glaube es nicht.

Übrigens wird in Polen derzeit ein neues Kernkraftwerk geplant. Es heißt, die polnischen Partner wollen auch mit Kernkraft einen Teil ihres Energiemix bestreiten mit dem Ziel, weniger von Gas und damit von der Russischen Föderation abhängig zu sein.

Nur, Frau Harms, diese Regierung wurde demokratisch gewählt und genießt in ihrem Land großes Ansehen. Gerade wir aus Deutschland sollten nicht glauben, dass wir alles besser wissen. Ich traue den polnischen Freunden Sicherheitsbetrachtungen genauso konsequent zu wie ich sie Ihnen zutraue.

(Beifall und Zwischenrufe)

Herr Fraktionsvorsitzender, wir haben schon die Neigung, dass wir aus Deutschland Europa bestimmen wollen. Mein Rat ist, in genügender Demut demokratische Prozesse in Polen und auch in Frankreich zu beachten und zu akzeptieren. Ich spreche als Europäer, der sein Heimatland, Deutschland, kennt und der Respekt hat vor demokratischen Prozessen in Polen, in Frankreich und in jedem anderen Mitgliedstaat.

Ich sagte doch: Wer 90 % Kohle hat, der wird sich schwerer tun, auf 0 % zu gehen. Deswegen ist in meiner Planung Kohle ohne CO2-Emission eine andere Option. Wer Polen, Rumänien oder Spanien kennt, der muss doch auch der Kohle eine Option in der Energie-Roadmap 2050 einräumen, ansonsten verkennt er die Realitäten in demokratisch gewählten Parlamenten und Regierungen. Deswegen halte ich das Thema CCS-Forschung und -Demonstrationsprojekte für sehr wichtig auf dem Weg zu einem anderen Ziel, nämlich in den nächsten Jahrzehnten eine CO2-freie Energiewirtschaft zu erreichen.

Wir haben in der Roadmap unserer Kollegin Hedegaard für die Energiewirtschaft 2050 10 % weniger CO2-Emissionen als heute vorgesehen.

(Zwischenrufe)

Was das Thema Kernkraftwerke anbelangt, wissen Sie und ich: Es gibt Länder, die derzeit ein Moratorium für Kernkraftwerke haben oder sie abschalten wollen, wie z. B. Deutschland. Es gibt Nachbarländer, die die Planung neuer Kernkraftwerke zurückgestellt haben – etwa die Schweiz –, aber es gibt auch Länder, in denen Kernkraftwerke im Bau sind – Finnland -, es gibt Länder, die Kernkraftwerke haben und neue planen, und es gibt Länder, die keine Kernkraftwerke haben und in einen Neubau eintreten wollen. Deswegen halte ich es für großartig und wichtig, dass ungeachtet all dieser Differenzen und unterschiedlichen Kulturen der Stresstest, der Sicherheitscheck mit höchsten Standards Allgemeingut werden soll und von allen Mitgliedstaaten akzeptiert wird. Er ist ein kleiner, aber entscheidender gemeinsamer Nenner für ein Höchstmaß an Sicherheit, für Länder mit Kernkraft wie für Länder ohne Kernkraft.

Es wird gesagt, die Behörden sollten unabhängig sein. Wir haben in den verschiedensten Lebensbereichen öffentlich-rechtliche Kontrolle und Aufsicht: für Gesundheit, für Sicherheit, im Straßenverkehr, in der Energiewirtschaft, in der Industrie und in anderen Bereichen. Ich will der öffentlich-rechtlichen Aufsicht im Grundsatz mein Vertrauen aussprechen. Frau Kollegin Harms, wenn Sie pauschal behaupten und von Pappenheimern reden und damit suggerieren, dass eine nationale Atomaufsicht ihren gesetzlichen Aufgaben nicht genügt, dann halte ich dies für gravierend und auch für eine Misstrauenserklärung Ihrem Kollegen Trittin gegenüber, der sieben Jahre als Bundesumweltminister für diese Aufsichtsbehörde in Deutschland verantwortlich war. Also, ich habe im Grundsatz Vertrauen in diese Behörden. Und wir haben den Auftrag, mit ihnen zusammenzuarbeiten.

Ich lege Ihnen im Mai in völliger Transparenz vor der Entscheidung den Entwurf des Stresstests und der Prüfkriterien vor. Es würde mich gerne interessieren, von Ihnen Verbesserungen, Ergänzungen oder Verschärfungen zu bekommen, mit dem Ziel, einen Prozess zu starten, der am Ende zu einer breiten Akzeptanz aller Mitgliedstaaten und einer hohen Kontrolldichte führt. Erstmals haben wir mit diesem Stresstest, mit dem die Staats- und Regierungschefs uns beauftragt haben, eine gemeinsame europäische Vorgehensweise für höchste Sicherheit bei allen 143 Kernkraftwerken. Dies ist schon eine Neuerung und eine Entwicklung, die im Parlament auch Unterstützung finden sollte und nicht von vornherein auf Kritik oder Misstrauen stoßen darf.

Ein letzter Punkt: Ich habe eine Kernenergiesicherheitsrichtlinie vom Juni 2009 übernommen. Diese muss bis Juli dieses Jahres umgesetzt werden. Ich sage Ihnen ganz offen: Mir genügt sie in ihrer Substanz nicht, weil sie sich zuallererst um formale Regelungen kümmert, Zuständigkeiten definiert, Behördenvorgaben macht, aber materiell meinem Maß an Substanz nicht genügt. Deswegen will ich mit Ihnen parallel zum Sicherheitscheck im zweiten Halbjahr im Einklang mit dem Auftrag des Europäischen Rates über die Frage sprechen, wie wir eine frühe, schnelle Novelle dieser Sicherheitsrichtlinie vornehmen und materielle Vorgaben im Bereich der Kernenergiesicherheit auf europäischer Ebene machen können.

(Beifall)

 
  
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  Enikő Győri, amtierende Präsidentin des Rates.(HU) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Diese Aussprache war sehr aufschlussreich. Vielen Dank, ich habe sie sehr aufmerksam verfolgt.

Der ungarische Ratsvorsitz hat seine Arbeit dieses Halbjahr mit ehrgeizigen Zielen auf dem Gebiet der Energiepolitik begonnen. Ein Ziel, das wir uns nicht gesteckt hatten, war die Lösung der Frage des Energiemixes. Ich glaube, dass die heutige Aussprache auch gezeigt hat, dass das kein realistisches Ziel wäre. Eine Vielzahl an Argumenten wurden dafür und dagegen vorgebracht, in der Europäischen Union irgendeine Art Steuerung in Bezug auf den Energiemix zu haben. Ich glaube, dass wir das in absehbarer Zeit nicht klären können, aber ich bin mir nicht sicher, ob das ein Problem darstellt; denn die Mitgliedstaaten müssen in der Lage sein, verantwortliche Entscheidungen in Bezug auf ihren eigenen Energiemix zu fällen.

Wir hatten jedoch das Ziel, bedeutende Fortschritte bei der Schaffung eines gemeinsamen Energiemarktes zu machen. Der Europäische Rat vom 4. Februar 2011 hat dies als sein Ziel festgelegt ebenso wie die Beseitigung von Energie-Inseln innerhalb der Europäischen Union bis 2015 und anschließend konnten wir Ende Februar auf der Tagung des Energierates Schlussfolgerungen annehmen, was ich für einen wichtigen Fortschritt halte.

Soweit uns bekannt ist, wird die Kommission den Energiefahrplan 2050 im November vorlegen. Die für Energiefragen zuständigen Minister werden bereits am 2. und 3. Mai auf der informellen Tagung des Energierates in Budapest Vorgespräche über dieses Thema und die damit verbundenen Ziele führen, und der Ratsvorsitz wird einen Bericht und einen politischen Überblick dazu erstellen, die auf der formellen Tagung des Energierates im Juni auf der Tagesordnung stehen werden.

Ich bin sicher, dass diese Fragen, die in diesem Saal aufgeworfen wurden, auch während der Debatten des Rates zur Sprache kommen werden, und ich vertraue außerdem darauf, dass die Kommission, nachdem der ungarische Ratsvorsitz eine Zusammenfassung zu dieser Debatte erstellt hat, bei der Fertigstellung des Energiefahrplans, den sie im November veröffentlichen wird, darauf zurückgreifen kann. Die Tatsache, dass die Mitgliedstaaten sich mit großem Engagement sowohl für die Frage der Kernenergiesicherheit als auch für die Festlegung eines gemeinsamen europäischen Rahmens einsetzen, wird am besten durch die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 24. und 25. März deutlich. In diesen Schlussfolgerungen wird hervorgehoben, dass wir Lehren aus der Katastrophe in Japan ziehen müssen, und dass wir die Sicherheitslage der Kernkraftwerke in der EU überprüfen und Stresstests durchführen müssen. Die Europäische Gruppe der Regulierungsbehörden für nukleare Sicherheit und die Kommission wurden aufgefordert, dies so schnell wie möglich zu tun und einen Vorschlag in Bezug auf die Befugnisse und die Modalitäten im Zusammenhang mit diesen Stresstests zu unterbreiten, damit anschließend eine allgemeine Bewertung vorbereitet und von der Kommission auf Grundlage der Bewertung dieser unabhängigen Behörden veröffentlicht werden kann. Und schließlich wird der Europäische Rat selbst das Thema erneut auf der letzten Tagung des Europäischen Rates im Jahre 2011 ansprechen.

Die Staats- und Regierungschefs haben auch betont, dass sich die Kernenergiesicherheit nicht auf das Gebiet der Europäischen Union beschränken darf, und dass wir auch unsere Nachbarn auffordern werden, diese Stresstests durchzuführen. Sie haben außerdem festgestellt, dass auf dem Gebiet der Kernenergiesicherheit die höchstmöglichen Standards notwendig sind, und dass der Europäische Rat der Kommission einige verantwortungsvolle Aufgaben gegeben hat, die sie – da bin ich sicher, und auch der Kommissar hat dies erwähnt – mit größtem Engagement erfüllen wird.

Wie intensiv die heutige Aussprache auch gewesen sein mag, ich glaube, es gab einige Punkte, über die wir uns alle einig sind: Es sollte einen gemeinsamen europäischen Rahmen geben, wir sollten auf jeder Ebene alles dafür tun, um das höchste Sicherheitsniveau zu gewährleisten, und wir sollten das alles auf eine transparente Art und Weise tun und die größtmögliche Öffentlichkeit sicherstellen. Der Rat ist bereit, sowohl mit dem Europäischen Rat als auch mit dem Europäischen Parlament nach diesen Prinzipien zusammenzuarbeiten.

 
  
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  Der Präsident. – Mir liegen sechs Entschließungsanträge(1) gemäß Artikel 110 Absatz 2 der Geschäftsordnung vor.

Die Aussprache wird geschlossen.

Die Abstimmung wird morgen Mittag stattfinden.

Schriftliche Erklärungen (Artikel 149)

 
  
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  Liam Aylward (ALDE), schriftlich.(GA) Irland ist durch die Kernkraftwerke an der Westküste Großbritanniens, von denen einige in Betrieb und einige stillgelegt sind, einer beträchtlichen atomaren Bedrohung ausgesetzt. Sellafield ist das bekannteste der Kraftwerke. Sie alle bereiten der irischen Bevölkerung, die ein Recht auf korrekte und aktuelle Informationen über sie hat, verständlicherweise Sorgen. Obwohl es ein bilaterales Abkommen über den Informationsaustausch im Falle eines atomaren Zwischenfalls zwischen Irland und Großbritannien gibt, müssen Irland und andere Nachbarländer in einem früheren Stadium am Sicherheitsprozess beteiligt werden. Die EU muss eine umfassende Überprüfung ihrer aktuellen Herangehensweise an die Kernenergiesicherheit und der Kriterien, nach denen die Sicherheit der Kraftwerke bewertet wird, durchführen. Umfassende, unabhängige und transparente Stresstests müssen unverzüglich eingeleitet werden. Stresstests bei Kernanlagen stellen einen Fortschritt dar. Um sie bestmöglich zu nutzen, müssen den Nachbarländern und der Europäischen Kommission detaillierte Ergebnisse mitgeteilt werden, damit angemessene Maßnahmen eingeleitet und Sicherheitspläne umgesetzt werden, um die europäische Bevölkerung zu schützen.

 
  
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  Elena Băsescu (PPE), schriftlich. – (RO) Vor dem Hintergrund der atomaren Katastrophe von Fukushima müssen die Sicherheitsvorschriften in der Atomindustrie überprüft werden. Wir sprechen von weltweit mehr als 400 Kernkraftwerken. Ich begrüße die schnellstmögliche Einführung der „Stresstests“. Diese Maßnahme reicht jedoch nicht aus – eine Kultur der Kernenergiesicherheit ist notwendig. Ich möchte an dieser Stelle den Unfall in Tschernobyl von 1986 erwähnen, durch den das Konzept „Kernenergiesicherheit“ eingeführt worden ist. Was Rumänien betrifft, möchte ich unterstreichen, dass keine Gefahr besteht, dass ein Erdbeben den Betrieb des Kernkraftwerks in Cernavodă gefährden könnte. Die vorbeugenden Inspektionen, die durchgeführt worden sind, haben gezeigt, dass beide Reaktoren innerhalb der Sicherheitsparameter funktionieren. Sie decken etwa 20 % des nationalen Energiebedarfs. Das Kraftwerk kann Erdbeben bis zu der Stärke 8 auf der Richterskala standhalten, während die Erdbeben, die in Rumänien vorkommen können, eine durchschnittliche Stärke zwischen 7 und 7,5 haben.

 
  
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  Spyros Danellis (S&D), schriftlich.(EL) Die Tragödie von Fukushima hat für uns auf sehr schmerzvolle Weise ein neues Zeitalter in Bezug auf die Nutzung der Kernenergie eingeläutet. Gleichzeitig haben sowohl die energiepolitischen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts und die Gefahren aufgrund des Alters und der zunehmenden Unzuverlässigkeit zahlreicher Kernkraftwerke zu einer Veränderung geführt und deshalb muss der EURATOM-Vertrag, der im Grunde ein halbes Jahrhundert lang nicht geändert wurde, überprüft werden. Wenn es auf europäischer Ebene vollständige Kontrolle eines Sektors geben soll, der sich durch mangelnde Transparenz auszeichnet, müsste die EURATOM in die Europäische Union aufgenommen und Fragen der Kernenergiesicherheit müssten in das normale Gesetzgebungsverfahren eingegliedert werden. Als Teil der Überprüfung könnten zusammen mit regelmäßigen, verlässlichen Stresstests bei bestehenden Kraftwerken zusätzlich strengere Sicherheitsanforderungen, Einschränkungen (wie Erdbebengebiete) und strenge Bauvorschriften für neue Kernkraftwerke eingeführt werden. Es versteht sich von selbst, dass bis zu der Zeit, in der wir uns endgültig vom Alptraum der Kernkraftwerke befreien können, der neue strenge Rahmen auch von den Nachbarländern der EU eingehalten werden muss.

 
  
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  Proinsias De Rossa (S&D), schriftlich. – Ich lehne die Kernspaltung aus Gründen der Sicherheit ab, während ich laufende Forschungen zum Potenzial der Kernfusion als eine langfristig möglicherweise sicherere Alternative unterstütze. Es gibt keinen sicheren Weg. Es wird immer Unfälle geben. Der jüngste atomare Unfall in Japan, von dem uns gesagt wurde, er könne nie passieren, zeigt wieder einmal, dass die gegenwärtige Kernenergieerzeugung potenziell katastrophale Folgen haben kann. Ihr Nebenprodukt, der radioaktive Abfall, ist bereits eine tödliche Bedrohung für die menschliche Gesundheit und das im Grunde auf unbegrenzte Zeit. Statt Milliarden von Euro in neue Kernkraftwerke zu investieren, müssen wir dieses Geld in die Entwicklung erneuerbarer Energiequellen investieren.

 
  
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  András Gyürk (PPE), schriftlich.(HU) Infolge der Erfahrung von Japan werden mehrere Länder wahrscheinlich ihre Nuklearstrategien überdenken. Deutschland hat bereits konkrete Schritte unternommen und seine Kernkraftwerke, die vor 1980 gebaut worden sind, für drei Monate stillgelegt. Sollten mehrere Mitgliedstaaten in Europa ihre Nuklearstrategien infolge der Ereignisse in Japan überdenken, könnte dies einen bedeutenden Einfluss auf die europäischen Energiemärkte haben, da der durch die Kernkraftwerke erzeugte Strom durch Strom aus anderen Quellen ersetzt werden müsste. Ich bin überzeugt, dass in der gegenwärtigen Situation voreilige Maßnahmen die gleichen schädlichen Auswirkungen wie eine mögliche Katastrophe haben könnten. Stattdessen wäre es viel zweckdienlicher, die Folgen der einzelnen Szenarien auf umsichtige Art und Weise zu berücksichtigen. Nur so können wir einen Anstieg der Strompreise ähnlich der Folgen der bereits erwähnten Maßnahmen in Deutschland verhindern, und nur so können wir verhindern, dass Mitgliedstaaten, die normalerweise Stromexporteure sind, auch mit den Herausforderungen der Sicherung der Energieversorgung konfrontiert werden. Europa muss mit klarem Kopf die Auswirkungen durchdenken, die eine Veränderung der Nuklearstrategie auf den Energiemarkt haben würde. Es ist auch nicht klar, welche Technologien dafür geeignet wären, die Kapazitäten der Kernkraftwerke zu ersetzen. Eine weitere wichtige Frage ist, welche Auswirkungen ein möglicher strategischer Richtungswechsel auf den Gasmarkt, die Erdgasversorgungssicherheit und die Ziele der EU in Bezug auf die Reduzierung von CO2-Emissionen haben würde. Und schließlich begrüße ich die schnelle Reaktion der Europäischen Kommission und die Ankündigung, dass europäische Kernkraftwerke Stresstests unterzogen werden. Die wichtigste Frage ist jedoch, welche weiteren Maßnahmen Europa plant, um die Sicherheit der Kernenergieerzeugung zu garantieren.

 
  
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  Ivailo Kalfin (S&D) , schriftlich.(BG) Die Tragödie von Fukushima zwingt uns dazu, unsere Lehren daraus zu ziehen und unverzüglich die Maßnahmen zu ergreifen, die die Bürgerinnen und Bürger von uns erwarten. Diese Maßnahmen sollten jedoch in die richtige Richtung gehen.

Das grundlegende Problem, das wir lösen müssen, ist, wie wir die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger Europas garantieren wollen. In den kommenden Monaten wird das Europäische Parlament sich mit einigen Rechtsakten befassen, die die Zukunft des Energiesektors in Europa und insbesondere der Kernenergie bestimmen werden.

Zurzeit ist die Sicherheit unsere oberste Priorität. Wir sollten die Kernkraftwerke in Europa nicht mit dem 40 Jahre alten Kernkraftwerk in Fukushima vergleichen, dessen Privateigentümer sich geweigert hat, die Anforderungen für die Verbesserung der Sicherheit zu erfüllen.

Die EU muss so schnell wie möglich Mindestsicherheitsstandards einführen, die für alle Kraftwerke obligatorisch sein müssen. Diese Standards sollten entworfen und verabschiedet werden, bevor die Kraftwerke den Stresstests unterzogen werden. Während ihrer Regierungszeit hat die Bulgarische Sozialistische Partei wiederholt darauf gedrungen, dass solche Standards eingeführt werden, aber das ist bisher nicht passiert. Sowohl die Standards als auch die Kriterien für die Stresstests müssen von den Experten der Europäischen Gruppe der Regulierungsbehörden für nukleare Sicherheit ausgearbeitet werden.

Ich unterstütze die Entwicklung neuer Technologien und insbesondere auch die Entwicklung erneuerbarer Energiequellen. Es ist jedoch ganz offensichtlich, dass sie die Kernanlagen kurz- und mittelfristig nicht ersetzen können.

 
  
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  Pavel Poc (S&D), schriftlich.(CS) Eine weitere Lehre aus dem Unfall am Kernkraftwerk Fukushima 1 ist, dass es gefährlich ist, die Stromerzeugung vollständig in die Hände der Privatwirtschaft zu legen. Das Privatkapital maximiert seine Gewinne sogar auf Kosten der Vernachlässigung von Sicherheitsmaßnahmen. Wie viele globale Wirtschaftskrisen, „Ölkatastrophen im Golf von Mexiko“ oder „Fukushimas“ werden notwendig sein, bevor wir das endlich anerkennen? Die Welt befindet sich momentan aufgrund der Verantwortungslosigkeit von Privatinvestoren in einer Finanzkrise. Es befinden sich Millionen von Tonnen Erdöl im Meer aufgrund der Verantwortungslosigkeit von privaten Ölkonzernen. Aufgrund der Verantwortungslosigkeit eines Privatunternehmens wird es Jahrzehnte dauern, die Verseuchung der Böden, des Meeres und der Nahrungskette in Japan zu beseitigen. Die Kernenergie sollte immer unter staatlicher und internationaler Kontrolle sein. Die geplanten Stresstests müssen einheitlichen Standards und transparenten und unabhängigen Kontrollbehörden unterliegen und grenzübergreifend sein. Obwohl es in Europa einen gesetzlichen Rahmen gibt, durch den fortwährend Verbesserungen in der Technologie angestoßen werden, wird es notwendig sein, beträchtliche Summen in die Forschung und Ausbildung zu investieren, um in Übereinstimmung mit den neuesten wissenschaftlichen und technischen Erkenntnissen das höchstmögliche Sicherheitsniveau und den Schutz von Gesundheit und Umwelt zu garantieren. Es werden auch umfangreiche Investitionen auf dem Gebiet der Entsorgung nuklearer Abfälle und abgebrannter Brennstoffe notwendig sein, deren Lagerungsbedingungen gegenwärtig mehr oder weniger Übergangscharakter haben. Die Lehren aus dieser Katastrophe müssen entschieden auf die Gewährleistung der Sicherheit ausgerichtet sein, und nicht auf die Beendigung der Nutzung der einzigen wirklich nachhaltigen, klimaneutralen Energiequelle, die uns zur Verfügung steht.

 
  
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  Daciana Octavia Sârbu (S&D), schriftlich. – Der atomare Unfall in Japan gibt hinsichtlich der weltweiten Sicherheit von Kernkraftwerken erneut Anlass zur Besorgnis. In Rumänien wurde das Kernkraftwerk in Cernavodă von verschiedenen Behörden bewertet, einschließlich der Europäischen Kommission und der Internationalen Atomenergiebehörde. 2004 hat eine Studie die Erdbebengefährdung als den größten Risikofaktor für die Sicherheit des Kraftwerks festgestellt. Das Risiko muss effektiv unter Kontrolle gebracht werden, und wie die tragischen Ereignisse in Japan uns erinnern, ist dies eine dringende Angelegenheit. Daher begrüße ich den jüngsten Vorschlag zur Einführung von Stresstests für Kernanlagen sowie das Inkrafttreten der Richtlinie über die nukleare Sicherheit. Egal was wir in Bezug auf den zukünftigen Energiemix entscheiden und wie wir unsere Ziele in Bezug auf die Reduzierung der CO2-Emissionen erreichen, die Sicherheit von Kernanlagen, einschließlich der Sicherheit von langfristigen Lagerstellen, wird sowohl für die heutige als auch für zukünftige Generation weiterhin von großer Wichtigkeit sein.

 
  
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  Theodor Dumitru Stolojan (PPE), schriftlich.(RO) Die Kernenergie ist eine Ressource, ohne die die globale Wirtschaft langfristig nicht auskommen kann. Wir dürfen nicht zum Schluss gelangen, die Kernenergie abzulehnen, nur weil gefährliche Unfälle vorkommen, die den Betrieb von Kernkraftwerken stören. Die Lösung besteht darin, der Forschung auf diesem Gebiet mehr Mittel zuzuweisen und die nukleare Technologie zu verbessern, damit wir die durch Unfälle erzeugten Risiken senken können.

 
  
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  Marc Tarabella (S&D), schriftlich.(FR) Ja, wir müssen aus der Kernenergie aussteigen – das steht fest. Es ist jedoch nicht möglich, dies über Nacht zu tun. Allein in Belgien kommen 55 % unseres Stroms aus Kernkraftwerken. Wie würden wir Wärme, Nahrung und Licht erzeugen, wenn wir uns entscheiden würden, morgen alle Kraftwerke stillzulegen? Deshalb müssen wir auf zwei Ebenen vorgehen.

Erstens müssen wir die Sicherheitsstandards für die bestehenden Kraftwerke erhöhen, insbesondere durch Stresstests, die gegenwärtig in den Mitgliedstaaten durchgeführt werden. Ebenso wie die erforderliche Harmonisierung dieser Tests auf europäischer Ebene ist es notwendig, dass wir der Bevölkerung gegenüber mit größtmöglicher Transparenz vorgehen. Wir müssen das Vertrauen in unsere Kernenergie wiederherstellen.

Zweitens müssen wir unsere Forschung und Innovationen intensivieren, um so schnell wie möglich Lösungen zu entwickeln, die es uns ermöglichen werden, Energie einzusparen und nachhaltige und effektive erneuerbare Energiequellen zu fördern. Die kostengünstigste, sauberste und sicherste Energie ist Energie, die nicht verbraucht wird. Diese Anstrengungen machen die sofortige Einführung verbindlicher Rechtsvorschriften und umfangreiche Investitionen auf europäischer Ebene und auf Ebene der Mitgliedstaaten notwendig.

 
  

(1)Siehe Protokoll

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