Entschließungsantrag - B5-0692/2001Entschließungsantrag
B5-0692/2001

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

18. Oktober 2001

eingereicht im Anschluss an die Erklärungen des Rates und der Kommission
gemäß Artikel 37 Absatz 2 der Geschäftsordnung
von Ilkka Suominen und Konrad K. Schwaiger
im Namen der PPE-DE-Fraktion
zum Konzept der Europäischen Union für die WTO-Ministerkonferenz in Doha (Katar)

Siehe auch den gemeinsamen Entschließungsantrag RC-B5-0691/2001

B5‑0692/2001

Entschließung des Europäischen Parlaments zum Konzept der Europäischen Union für die WTO-Ministerkonferenz in Doha (Katar)

Das Europäische Parlament,

–  unter Hinweis auf seine Entschließungen vom 18. November 1999 zu der Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament zum Konzept der Europäischen Union für die WTO-Jahrtausendrunde[1], vom 15. Dezember 1999 zu dem 3. Ministertreffen der Welthandelsorganisation in Seattle[2] und vom 13. März 2001 zu den WTO-Verhandlungen im Rahmen der „built-in“-Agenda[3],

1.  unterstützt das allgemeine Verhandlungskonzept für eine ehrgeizige Runde gemäß dem Mandat des Rates für die 3. WTO-Ministerkonferenz in Seattle; hält an seinen im Rahmen der 3. WTO-Ministerkonferenz erhobenen Forderungen fest bzw. bekräftigt sie; betont, dass die neuen Verhandlungen umfassend in dem Sinne sein sollten, dass sie eine gleichberechtigte Teilnahme aller WTO-Mitglieder sicherstellen und eine ausgewogene Sichtweise aller beteiligten Interessen berücksichtigen;

2.  vertritt die Auffassung, dass entgegen dem von mehreren Ländern in Seattle vertretenen Konzept bei Verhandlungsbeginn nicht bereits eine detaillierte Vereinbarung über das Ergebnis vorliegen kann; plädiert daher zunächst dafür, folgende Punkte in die Tagesordnung aufzunehmen und anschließend gemäß den nachstehenden Leitlinien zu verhandeln;

3.  ist überzeugt, dass langfristig erhebliche Auswirkungen aus den Terroranschlägen auf die Vereinigten Staaten zu verzeichnen sein werden; verurteilt alle Formen des internationalen Terrorismus; betont, dass die WTO-Mitglieder wie vorgesehen in Doha zusammenkommen sollten, um der Weltwirtschaft die nachdrückliche und klare Botschaft zu übermitteln, dass die Liberalisierung des Handels, die weltweit wesentlich ist für den wirtschaftlichen Aufschwung und die Durchführung der notwendigen Wirtschaftsreformen, fortgesetzt wird;

Betreffend die Gesamtperspektive

4.  ist der Auffassung, dass der freie und faire Welthandel im Rahmen eines wirklich umfassenden multilateralen Welthandelssystems innerhalb der WTO weiterentwickelt und konsolidiert werden muss und dass ein auf Vorschriften basierendes Handelssystem der einzige Weg ist, die Herausforderungen der Globalisierung zu bewältigen und sicherzustellen, dass ihre Vorteile im gebotenen Verhältnis allen Nationen zugute kommen; vertritt daher die Auffassung, dass die künftigen WTO-Aktivitäten sich nicht nur auf die Liberalisierung des Handels konzentrieren, sondern ein weitreichenderes Themenspektrum berücksichtigen sollten, um Chancengleichheit für die Wirtschaften ihrer Mitgliedstaaten zu begründen.

Wettbewerb

5.  fordert in diesem Zusammenhang die Aufnahme der Wettbewerbspolitik in die Verhandlungsagenda; befürwortet die Einführung und Anwendung multilateraler Vorschriften für eine effektive Wettbewerbspolitik für WTO-Mitglieder zusätzlich zu den bestehenden Handelsschutzmaßnahmen; unterstreicht, dass eine entsprechende Übereinkunft die grundlegenden Prinzipien einer effektiven Wettbewerbspolitik bestimmen und Verpflichtungen für die Umsetzung dieser Politik, Vorschriften über die internationale Zusammenarbeit zwischen einzelstaatlichen Wettbewerbsbehörden und ein effektives Streitbeilegungsverfahren beinhalten sollte; befürwortet in den frühen Phasen der Umsetzung von Wettbewerbsrecht und -politik eine Konzentration auf bestimmte wesentliche Kernbereiche wie Kartelle und Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung;

6.  ist der Ansicht, dass die nichtdiskriminierende Durchführung der Wettbewerbspolitik nicht im Widerspruch steht zu der Industrie- oder Sozialpolitik und dass eine Wettbewerbsübereinkünfte eindeutig auf Flexibilität und Progressivität basieren sollte, damit Entwicklungsinteressen voll berücksichtigt werden können; fordert die WTO auf, eng mit anderen Organisationen, darunter u.a. der UNCTAD und der Weltbank zusammenzuarbeiten, wobei die WTO aber das Forum für den Erlass internationaler Vorschriften in diesem Bereich sein sollte;

Investitionen

7.  unterstützt die Schaffung eines multilateralen WTO-Rechtsrahmens für ausländische Direktinvestitionen, um ausländischen Investoren größere Rechtssicherheit zu bieten und den Empfängerländern Gelegenheit zu geben, ihre legitimen politischen Ziele einer nachhaltigen Wirtschaftspolitik zu verfolgen; fordert daher, dass in diesem Rechtsrahmen erstens den Interessen der Entwicklungsländer gebührend Rechnung getragen und zweitens die Frage des Investitionsschutzes im wirtschaftlichen Kontext des Wettbewerbsrechts und der Kontrolle von Monopolen behandelt werden sollte;

Waren

8.  ist der Ansicht, dass eine erhebliche weitere Reduzierung der Zölle auf Industrieprodukte und die Abschaffung der Spitzenzölle und der Staffelung der Zölle notwendig ist, um der Weltwirtschaft notwendige Impulse für ein dauerhafteres Wachstum zu geben;

9.  erkennt an, dass die Europäische Union skrupulös ihre Verpflichtung eingehalten hat, ihren Textilmarkt zu öffnen, die Quoten zu steigern und die Anwendung der GATT-Vorschriften auf den Sektor allmählich auszuweiten;

10.  unterstreicht, dass bestehende Vereinbarungen im Textil- und Bekleidungssektor von allen WTO-Mitgliedern angewandt werden sollten; fordert, dass im Rahmen der WTO alle Anstrengungen unternommen werden, um eine Marktöffnung zu erreichen, damit ein Ausgleich für die von der Europäischen Union im Rahmen des Übereinkommens über Textilwaren und Bekleidung eingegangenen Verpflichtungen geschaffen wird;

Dienstleistungen

11.  stellt fest, dass das Allgemeine Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen (GATS) erhebliche Fortschritte im Hinblick auf eine Liberalisierung ermöglicht hat, insbesondere im Hinblick auf Finanzdienstleistungen und Telekommunikation; ist überzeugt, dass die Handelsschranken auch in anderen Bereichen reduziert werden sollten, ohne den Verbraucherschutz und die staatlichen Ziele bezüglich der Gesundheitsfürsorge, der Bildung und Kultur zu berühren; unterstreicht, dass der freie Dienstleistungsverkehr ein WTO-Mitglied nicht daran hindern darf, Maßnahmen anzuwenden, um die Aufnahme natürlicher Personen oder deren zeitweiliges Verweilen in seinem Hoheitsgebiet zu reglementieren;

12.  hält seinen Standpunkt aufrecht, dass die GATS-Vorschriften über Kulturdienstleistungen, insbesondere im audiovisuellen Sektor, die kulturelle Identität und Autonomie der WTO-Mitglieder nicht gefährden sollten; lehnt Vorschläge ab, die in die Politik der WTO-Mitglieder im Bildungswesen eingreifen würden;

Schutz des geistigen Eigentums

13.  betont die Bedeutung eines wirksamen Schutzes des geistigen Eigentums für die wissensbasierte Gesellschaft; ist sich allerdings der Schwierigkeiten vieler Entwicklungsländer bei der Umsetzung der Verpflichtungen bewusst, die aus den handelsbezogenen Aspekten der Rechte an geistigem Eigentum (TRIPs) resultieren, und bekräftigt daher seine Forderung an die WTO und die Kommission, weiterhin umfassende technische Unterstützung und finanzielle Hilfe an Entwicklungsländer zu leisten, indem sie eine effektive Politik zum Schutz des geistigen Eigentums betreiben; unterstreicht die Bedeutung der Ursprungsregeln und Warenzeichen für Erzeuger und Verbraucher und fordert ihre Stärkung und die notwendigen Klarstellungen im Kontext der WTO-Vorschriften;

Handel und Umwelt

14.  ist der Auffassung, dass bei einer umfassenden Sichtweise der internationalen Wirtschaftstätigkeit die Frage des Umweltschutzes nicht außer Acht gelassen werden darf; fordert daher, die Vereinbarkeit der handelspolitischen Vorschriften mit den Erfordernissen einer nachhaltigen Entwicklung und die Berücksichtigung des Umweltschutzkonzepts in allen WTO-Vereinbarungen und –tätigkeiten (mainstreaming) sicherzustellen.

Handel und Entwicklung

15  ist überzeugt, dass ein offenes, multilaterales Handelssystem, ergänzt durch technische Unterstützung, die Forderung der Entwicklungsländer nach einer nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung erfüllt; versteht das Widerstreben der Entwicklungsländer, weitere Verpflichtungen im Rahmen einer neuen Runde einzugehen; fordert daher, an einer Agenda für wirtschaftliche und soziale Entwicklung und insbesondere an einem Arbeitsprogramm für gefährdete und wenig gewichtige Volkswirtschaften zu arbeiten; befürwortet die Idee begrenzter „opt-out-Lösungen“ für Entwicklungsländer, unter Verknüpfung des wirtschaftlichen Fortschritts mit der allmählichen Anwendung des neuen Pakets von WTO-Vorschriften;

Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen

16.  unterstreicht, dass jegliche Vereinbarung es der Europäischen Union ermöglichen muss, die Priorität ihres multifunktionalen Agrarmodells sicherzustellen, das auf landwirtschaftlichen Familienbetrieben basiert und gleichzeitig geprägt ist durch wirtschaftliche Erzeugungsverfahren sowie nachhaltige Bewirtschaftung von Umwelt und Ressourcen und Landschaftspflege; versteht gleichzeitig den besonderen Wunsch der Entwicklungsländer nach verbessertem Marktzugang für landwirtschaftliche Erzeugnisse, der für einen erfolgreichen Abschluss jeglicher Verhandlungen von entscheidender Bedeutung ist;

17.  betont die wichtige Unterscheidung zwischen inländischer landwirtschaftlicher Unterstützung, die Erzeugung und Handel erheblich verzerrt, und den Subventionen, die keine oder zumindest minimale handelsverzerrende Effekte haben; fordert im Interesse der Transparenz, dass Einzelheiten aller direkten und indirekten Subventionen vorgelegt werden; erkennt an, dass der Schlüssel zum Reformprozess ein allmählicher Verzicht auf handelsverzerrende politische Maßnahmen ist; ist gleichzeitig der Auffassung, dass ein disziplinierteres Konzept für die Beihilfen notwendig ist, die je nach Marktpreis variieren; schlägt daher vor, dass entsprechende Beihilfen für Erzeugnisse, die zu erheblichen Exportssteigerungen führen, den gleichen Abbauverpflichtungen unterliegen sollten wie Ausfuhrsubventionen; vertritt die Ansicht, dass die Kontrollen betreffend nicht produktspezifische inländische Unterstützung weiter verstärkt und klar definiert werden sollten;

Vorsorgeprinzip

18.  unterstreicht, dass das Interesse der Verbraucher an Fragen der Lebensmittelsicherheit erheblich gestiegen ist, insbesondere hinsichtlich der vorbeugenden Maßnahmen; fordert, dass das Vorsorgeprinzip ein grundlegendes Prinzip einer Lebensmittelsicherheitspolitik wird, im Rahmen des Übereinkommens über die Anwendung gesundheitspolizeilicher und pflanzenschutzrechtlicher Maßnahmen (SPS); betont, dass es nicht das Ziel ist, die Tragweite bestehender WTO-Vorschriften zu ändern oder das Konzept der Europäischen Union bezüglich des Vorsorgeprinzips anderen WTO-Mitgliedern aufzuzwingen, sondern Einverständnis über dessen Anwendung zu erzielen, dabei sollte nicht mehr Raum für protektionistische Maßnahmen geschaffen werden, sondern größere Klarheit, was mit der WTO vereinbar ist und was nicht;

Grundlegende Arbeitsnormen

19.  ist überzeugt, dass ein faires globales Wirtschaftssystem die soziale Entwicklung und die Grundrechte fördern sollte; würdigt in diesem Zusammenhang die Universalität der grundlegenden Arbeitsnormen; zielt nicht darauf ab, den komparativen Vorteil der Entwicklungsländer mit niedrigen Arbeitskosten in Frage zu stellen; unterstreicht, wie schwierig es ist, die Wechselwirkung zwischen Handels- und Sozialfragen so anzugehen, dass den Interessen aller Parteien gebührend Rechnung getragen wird;

20.  unterstützt daher die Bemühungen der IAO, ihre Mittel zur Förderung der Einhaltung der grundlegenden Arbeitsnormen erheblich auszuweiten; fordert, im Rahmen der IAO Gespräche über künftige Maßnahmen zu fördern, um die Effektivität der IAO-Überwachung zu stärken, einschließlich größerer Transparenz, effektiverer Kontrolle und Sicherstellung, dass die Feststellungen des IAO-Überwachungsinstruments im internationalen System besser berücksichtigt werden; fordert in diesem Kontext ein gemeinsames WTO- und IAO-Arbeitsprogramm, um die Erklärung der IAO-Konferenz von 1998 über die grundlegenden Prinzipien und Rechte bei der Arbeit umzusetzen;

Betreffend die WTO-Reform

Streitbeilegung

21.  stellt fest, dass das Streitbeilegungssystem der WTO in den meisten Fällen wirksam ist; fordert allerdings größere Transparenz der WTO-Streitbeilegungsverfahren, die die paralegale Natur der Panel-Verfahren zum Ausdruck bringen würde; befürwortet die Einführung eines amicus curiae für die Länder, die die Herausforderungen im Zusammenhang mit einem Streitbeilegungsverfahren nicht bewältigen können; empfiehlt, die Streitbeilegung weiter hin zu einer internationalen Handelsrechtsprechung zu entwickeln, indem gestattet wird, finanzielle Ausgleichszahlungen im Falle einer Nichterfüllung der Panel-Entscheidungen zu verhängen;

Bezug zu internationalen Verpflichtungen

22.  fordert die Kommission auf, dafür zu sorgen, dass Verpflichtungen im Rahmen von WTO-Streitbeilegungsverfahren und ähnlichen Verfahren im Rahmen internationaler Übereinkommen übertragbar werden, indem sichergestellt wird, dass im Rahmen anderer Verpflichtungen, z.B. unter Nutzung des multilateralen Umweltübereinkommens, Berufungen im WTO-Streitbeilegungsverfahren erfolgen können;

Parlamentarische Versammlung

23.  bekräftigt seine Forderung nach einer beratenden Parlamentarischen Versammlung der WTO, bestehend aus Vertretern der Parlamente der WTO-Mitglieder, die zuständig für Handelsfragen sind; unterstreicht, dass die Parlamentarische Versammlung der WTO die demokratische Legitimität der WTO und ihre Transparenz erhöht, indem den Anliegen der Bürger Ausdruck verliehen und dazu beigetragen wird, dass sie eine erfolgreiche internationale Organisation wird; fordert die Abgeordneten, die in Katar zusammentreffen werden, auf, eine ständige Arbeitsgruppe einzusetzen, um Vorschriften für die Parlamentarische Versammlung auszuarbeiten, die beim folgenden parlamentarischen Treffen auf der 5. WTO-Ministerkonferenz 2003 vorgelegt werden sollen;

24.  fordert die WTO-Mitglieder und die WTO auf, ihre Abgeordneten bei der Beteiligung an der Entwicklung der parlamentarischen Dimension der WTO ausreichend zu unterstützen; unterstreicht die Notwendigkeit einer vorläufigen Infrastruktur für die Parlamentarische Versammlung, bis die WTO ihren einschlägigen Verantwortlichkeiten gerecht wird; bietet die erforderlichen Einrichtungen für diesen Zweck;

Betreffend interne institutionelle Aspekte

25.  fordert die Kommission auf, es vor und während der Ministerkonferenz in Katar und im Verlauf der Verhandlungen umfassend zu informieren und mit ihm regelmäßig auf der Grundlage der von ihm angenommenen Entschließungen die wesentlichen Elemente der Verhandlungsstrategie der Europäische Union zu erörtern; behält sich das Recht vor, im Rahmen der neuen Runde gegenüber der Kommission Empfehlungen gemäß Artikel 97 Absatz 5 seiner Geschäftsordnung zu einzelnen Verhandlungspunkten abzugeben, und fordert die Kommission auf, derartige Empfehlungen gebührend zu berücksichtigen als Voraussetzung für eine parlamentarische Zustimmung zum Endergebnis der Verhandlungen; fordert, gemäß dem Zustimmungsverfahren nach Artikel 300 EGV zum Abschluss der Ergebnisse der neuen Runde konsultiert zu werden; fordert, dass in der Zwischenzeit der Post-Nizza-Prozess eine erhebliche Stärkung der Rechenschaftspflicht bezüglich der gemeinsamen Handelspolitik einschließen sollte, indem endlich die Mitentscheidung verankert wird;

23.  beauftragt seine Präsidentin, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten und dem Generaldirektor der WTO zu übermitteln.