Entschließungsantrag - B5-0025/2003Entschließungsantrag
B5-0025/2003

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

9. Januar 2003

eingereicht im Anschluss an die Erklärungen des Rates und der Kommission
gemäß Artikel 37 Absatz 2 der Geschäftsordnung
von Margrietus J. van den Berg, Jannis Sakellariou und Lissy Gröner
im Namen der PSE-Fraktion
zu Afghanistan ein Jahr nach der Bonner Konferenz

Siehe auch den gemeinsamen Entschließungsantrag RC-B5-0022/2003

Verfahren : 2003/2502(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
B5-0025/2003
Eingereichte Texte :
B5-0025/2003
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Angenommene Texte :

B5‑0025/2003

Entschließung des Europäischen Parlaments zu Afghanistan ein Jahr nach der Bonner Konferenz

Das Europäische Parlament,

–  unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Afghanistan, insbesondere diejenige vom 5. September 2002,

–  unter Hinweis auf die Berliner Konferenz vom 4. und 5. Dezember 2001,

–  in Kenntnis der Erklärung des Vorsitzes vom 22. Dezember 2002 zur Deklaration von Kabul,

A.  in der Erwägung, dass seit der Einleitung des Prozesses in Bonn über ein Jahr vergangen ist und dass in mehreren Bereichen bemerkenswerte Fortschritte erzielt wurden,

B.  in der Erwägung, dass in Bezug auf Sicherheit und Stabilität in weiten Teilen des Landes zwar erhebliche Verbesserungen zu verzeichnen sind und dass eine afghanische nationale Armee und Polizei gebildet werden, es in Teilen Afghanistans jedoch weiterhin Sicherheitsprobleme gibt, insbesondere dort, wo noch Kriegsherren herrschen und die afghanische Übergangsregierung keinen uneingeschränkten Zutritt hat,

C.  in der Erwägung, dass die außerordentliche Loya Jirga in geheimer Abstimmung Präsident Karsai zum Staatsoberhaupt gewählt hat und dass eine afghanische Übergangsregierung gebildet wurde, die die Führung der Staatsgeschäfte übernommen hat, um das Land wieder aufzubauen sowie Stabilität, Demokratie und Wohlstand in Afghanistan zu stärken und zu fördern,

D.  in der Erwägung, dass die Entmilitarisierung gemäß den Petersberg II-Erklärungen nun hoffentlich schneller vonstatten gehen wird, da sie eine Grundlage für die Verankerung einer umfassenden Sicherheit ist,

E.  in der Erwägung, dass die afghanische Übergangsregierung mehrere Einrichtungen geschaffen hat, die die Basis für eine demokratische Entwicklung bilden könnten, darunter die Menschenrechtskommission, die Zentralbank, den Ausschuss zur Ausarbeitung eines Verfassungsentwurfs als Vorläufer des konstitutionellen Ausschusses usw.,

F.  in der Erwägung, dass die Koalition für die Operation „Dauerhafte Freiheit“ unter Führung der Vereinigten Staaten sowie des Vereinigten Königreichs und der Türkei sowie weitere Länder, die Truppen bereitstellen, Anstrengungen unternommen haben, die Sicherheit in Kabul durch die Internationale Sicherheitsbeistandstruppe (ISAF) zu gewährleisten,

G.  in der Erwägung, dass der wirtschaftliche Wiederaufbau eine wichtige Priorität als Teil einer konzertierten internationalen Anstrengung bleibt mit dem Ziel, in Afghanistan langfristige Stabilität sicherzustellen, und dass zur Verwirklichung dieses Ziels Beiträge der Geberländer erforderlich sind,

H.  in der Erwägung, dass Vorwürfe erhoben werden, dass Mitglieder der US-Streitkräfte in ein Massaker in der Region Mazar-I-Sharif involviert waren, unter Hinweis auf Untersuchungen der Vereinten Nationen in der Region Mazar-I-Sharif und im Bedauern darüber, dass es keine öffentlichen Informationen über den Inhalt des Berichts gibt, sowie besorgt darüber, dass Zeugen dieses Massakers getötet und gefoltert wurden,

I.  in der Erwägung, dass der illegale Drogenanbau und –handel zunimmt,

J.  in der Erwägung, dass die Umsetzung der Bonner Vereinbarung in mehreren entscheidenden Bereichen bei weitem noch nicht zufrieden stellend ist,

K.  in der Erwägung, dass die Lage der Frauen und Mädchen in weiten Teilen Afghanistans besorgniserregend ist, insbesondere in Herat, wo unter der Herrschaft des örtlichen Gouverneurs 2002 eine stetige Verschlechterung in Bezug auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit, Freizügigkeit sowie Recht auf Gleichstellung, Arbeit, Bildung und körperliche Unversehrtheit von Frauen und Mädchen zu verzeichnen war,

L.  in der Erwägung, dass die Vereinigten Staaten mehr als 600 Menschen in militärischem Gewahrsam im Marinestützpunkt in Guantánamo Bay in Kuba und anderswo festhalten, ohne Anklage oder Verfahren oder Zugang zu Gerichten, Anwälten oder Verwandten, sowie in der Erwägung, dass die meisten Häftlinge, mutmaßlich Staatsangehörige aus mehr als 40 Ländern, seit vielen Monaten ohne Hinweis darauf, wann oder ob sie freigelassen werden, in Haft sind,

1.  besteht darauf, dass die Entwicklung einer Kultur der Achtung der Menschenrechte in Afghanistan sowie die Stärkung der Kapazität der nationalen unabhängigen Menschenrechtskommission für die Überwachung der Menschenrechtssituation und Untersuchungen von Menschenrechtsverletzungen weiterhin grundlegend sind, ebenso wie die Entwicklung der einheimischen Menschenrechts- und Zivilgesellschaftsinstitutionen; fordert nachdrücklich, das Ziel der Förderung der Menschenrechte, insbesondere derjenigen von Frauen und Minderheiten, mit internationaler Unterstützung energischer zu verfolgen;

2.  fordert eine rasche und objektive Untersuchung aller Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen; fordert die Vereinten Nationen auf, ihre Präsenz zur Überwachung der Menschenrechte im gesamten Land zu verstärken; fordert die Unterstützungsmission für Afghanistan (UNAMA) auf, Menschenrechtsprobleme gegenüber regionalen Führern öffentlich zur Sprache zu bringen, detaillierte Berichte über Menschenrechtsverletzungen zu veröffentlichen, Standorte von Massengräbern zu sichern sowie Zeugenaussagen aufzunehmen und dabei die erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen für Ermittler und Zeugen zu berücksichtigen;

3.  fordert die Europäische Kommission auf, der nationalen Menschenrechtskommission in Afghanistan eine adäquate Ausbildung, die Abordnung von Personal und die notwendige finanzielle und starke politische Unterstützung anzubieten, und fordert die Europäische Kommission auf, die Achtung der Menschenrechte bei all ihren Kontakten mit der afghanischen Übergangsregierung zu fördern;

4.  begrüßt die Gründung mehrerer neuer Medien und unterstreicht, dass unabhängige Medien lebenswichtig für die demokratische Entwicklung in Afghanistan sind;

5.  unterstützt den Beschluss der afghanischen Übergangsregierung, eine afghanische nationale Armee zu gründen und die Abrüstung, Demobilisierung und Reintegration der ehemaligen Kämpfer (DDR) in das zivile Leben abzuschließen;

6.  ersucht die afghanische Übergangsregierung, mit Unterstützung der Völkergemeinschaft ihre Anstrengungen zu verstärken, die illegale Produktion von Drogen und den Handel damit zu bekämpfen, insbesondere im Hinblick auf die Mohnernte 2003, was auch Maßnahmen zur Unterstützung der Landwirte durch alternative Programme für ihren Lebensunterhalt beinhalten sollte;

7.  fordert ein breiter gefasstes Mandat für die Internationale Sicherheitsbeistandstruppe (ISAF), damit sie der afghanischen Übergangsregierung bei ihrer Befriedung und Kontrolle des gesamten afghanischen Hoheitsgebiets stärkere Unterstützung leisten kann, um die langfristige Stabilität im Land sicherzustellen und dem Ausbruch regionaler Konflikte sowie geopolitischer Instabilität vorzubeugen;

8.  fordert, dass die Völkergemeinschaft durch ihre Programme und Unterstützung zum Wiederaufbau- und Entwicklungsprozess beiträgt; ist der Ansicht, dass in den nächsten Monaten konkrete Verbesserungen im Alltagsleben der afghanischen Bevölkerung erzielt werden müssen, um die Unterstützung des Volkes für den Demokratisierungsprozess aufzubauen und aufrecht zu erhalten;

9.  fordert alle Parteien auf, die restlichen Bestimmungen der Bonner Vereinbarung zu erfüllen, was auch die Ausarbeitung einer neuen Verfassung und die Vorbereitungen im Hinblick auf freie und gerechte Wahlen bis Juni 2004 beinhaltet, damit eine auf breiter Grundlage stehende, geschlechterdifferenzierte, multiethnische und umfassend repräsentative Regierung gebildet werden kann;

10.  ist sehr besorgt wegen der verbleibenden Streubombenmunition, Anti-Personen-Minen und nicht explodierten Geschütze in Afghanistan, die eine große Gefahr für die Zivilbevölkerung und ein erhebliches Hindernis für die Rückkehr von Flüchtlingen und Vertriebenen, die Wiederaufnahme der landwirtschaftlichen Tätigkeit, die Bereitstellung humanitärer Hilfe und künftige Rehabilitations- und Wiederaufbauanstrengungen darstellen; hält spezifische Anstrengungen der Völkergemeinschaft für erforderlich, um die Minenräumung zu beschleunigen;

11.  fordert die Europäische Kommission und die Gebergemeinschaft im Allgemeinen auf, weiterhin mit der afghanischen Regierung zusammenzuarbeiten, um rasche Fortschritte im Gesundheits- und Bildungswesen zu fördern, Unterstützung in allen Bereichen zu leisten, um rasch spürbare Fortschritte zu erzielen und sicherzustellen, dass die Unterstützung nicht eher regionalen Führern als der bedürftigen Bevölkerung zugute kommt;

12.  begrüßt die von der afghanischen Übergangsregierung sowie den Regierungen von China, Iran, Pakistan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan am 22. Dezember 2002 in Kabul unterzeichnete Deklaration über gutnachbarschaftliche Beziehungen;

13.  fordert nachdrücklich, dass alle Hilfsprojekte eine Gleichberechtigungsperspektive beinhalten und aktiv bestrebt sein sollten, die Beteiligung von sowohl Frauen als auch Männern zu fördern und Frauen gleichermaßen wie Männer mit diesen Programmen zu unterstützen;

14.  bekräftigt seine Forderung an die USA, die Situation der Häftlinge in Guantánamo zu klären und die notwendigen Schritte einzuleiten, um sicherzustellen, dass grundlegende Schutzklauseln in Bezug auf alle Personen in ihrem Gewahrsam eingehalten werden; erkennt gleichzeitig die Verpflichtungen der US-Regierung an, effektive Sicherheitsmaßnahmen zu ergreifen, wenn es sich um Fälle handelt, die die öffentliche Sicherheit betreffen, weist darauf hin, dass die Regierung auch die Verpflichtung hat sicherzustellen, dass alle derartigen Maßnahmen die grundlegenden Menschenrechtsklauseln gemäß dem Völkerrecht und den einschlägigen Bestimmungen nicht gefährden;

15.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission sowie dem Präsidenten der afghanischen Übergangsregierung zu übermitteln.