Entschließungsantrag - B6-0304/2006Entschließungsantrag
B6-0304/2006

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

29.5.2006

an die Erklärungen des Hohen Vertreters für die GASP und der Kommission
gemäß Artikel 103 Absatz 2 der Geschäftsordnung
von Daniel Marc Cohn-Bendit, Cem Özdemir, Angelika Beer, Hélène Flautre, Margrete Auken, Jill Evans, Caroline Lucas, Johannes Voggenhuber und David Hammerstein Mintz
im Namen der Verts/ALE-Fraktion
zu der humanitären Krise in den palästinensischen Gebieten und der Rolle der Europäischen Union

Verfahren : 2006/2562(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
B6-0304/2006
Eingereichte Texte :
B6-0304/2006
Aussprachen :
Abstimmungen :
Angenommene Texte :

B6‑0304/2006

zu der humanitären Krise in den palästinensischen Gebieten und der Rolle der Europäischen Union

Das Europäische Parlament,

–  unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zum Nahen Osten und insbesondere auf die Entschließung vom 2. Februar 2006 zu dem Ergebnis der Wahlen in Palästina und der Lage in Ost-Jerusalem,

–  unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen vom 30./31. Januar, 10./11. April und 15. Mai 2006,

–  unter Hinweis auf die Erklärung des Nahost-Quartetts vom 9. Mai 2006,

–  gestützt auf Artikel 103 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

A.  unter Hinweis darauf, dass der Rat nach der Vereidigung der neuen palästinensischen Regierung und nach den Parlamentswahlen in Israel beschlossen hat, die Unterstützung der Europäischen Union für die Palästinensische Autonomiebehörde zu überprüfen, und besorgt darüber, dass sich die palästinensische Regierung nicht auf den Grundsatz des Gewaltverzichts, die Anerkennung des Existenzrechts Israels und die Übernahme der geltenden Übereinkommen verpflichtet hat,

B.  unter Hinweis darauf, dass die Parlamentswahlen vom 25. Januar 2006 erneut die außerordentliche Entschlossenheit und das Engagement des palästinensischen Volkes für den Demokratisierungsprozess bewiesen haben und dass das Ergebnis in jeder Hinsicht als der rechtmäßige, demokratische Ausdruck seines Willens zu gelten hat zu betrachten ist, der uneingeschränkt akzeptiert und von allen Seiten geachtet werden muss, sowohl von den Beteiligten als auch von der internationalen Gemeinschaft,

C.  unter Hinweis auf den Appell, in dem Präsident Mahmoud Abbas am 16. Mai 2006 vor dem Europäischen Parlament dazu aufforderte, der neuen palästinensischen Regierung Gelegenheit zu geben, auf die grundlegenden Forderungen der internationalen Gemeinschaft hin tätig zu werden,

D.  unter Hinweis darauf, dass die Aussetzung der Unterstützung der EU die sich rasch verschlechternde Lage in den besetzten Gebieten noch verschärft, besonders im Gaza-Streifen, wo den Krankenhäusern wesentliche Versorgungsgüter ausgehen, das Leben der schwächsten und anfälligsten Menschen in Gefahr schwebt und eine humanitäre Krise sich immer schneller anbahnt,

E.  unter Hinweis darauf, dass das Nahost-Quartett am 9. Mai 2006 sich erneut für Unterstützung zur Deckung der elementaren humanitären Bedürfnisse der palästinensischen Bevölkerung zum Ausdruck gebracht und sich bereit erklärt hat, einen vorläufigen internationalen Mechanismus von begrenztem Umfang und begrenzter Dauer zu befürworten, der die unmittelbare Gewährung von Hilfe für die Palästinenser gewährleistet, und in der Erwägung, dass die EU beauftragt worden ist, einen solchen Mechanismus auszuarbeiten und vorzuschlagen,

F.  unter Hinweis darauf, dass sich die USA gegen den Vorschlag der EU ausgesprochen haben, den Palästinensern über eine internationalen Organisation wie die Weltbank Hilfe zu leisten, was die Maßnahmen beschleunigt und die internationale Hilfeleistung erleichtert hätte,

G.  unter Hinweis darauf, dass James Wolfeson als Sonderbeauftragter des Quartetts für den Rückzug aus dem Gaza-Streifen zurückgetreten ist, weil er Vorbehalte gegen die Aussetzung der Unterstützung der Palästinensischen Autonomiebehörde hatte,

H.  unter Hinweis darauf, dass die Regierung Israels rund 50 Millionen Euro monatlich an Steuern und Zöllen, die zweifellos den Palästinensern zustehen, zurückhält, wodurch sie das Leiden der palästinensischen Bevölkerung verstärkt, und darauf, dass der israelische Außenminister am 21. Mai bekannt gegeben hat, ein kleiner Teil dieser Einnahmen (10 Millionen Euro) werde unmittelbar an das palästinensische Gesundheitswesen geleitet, um die Schwierigkeiten zu mildern,

I.  äußerst beunruhigt über die anhaltenden Auseinandersetzungen zwischen den palästinensischen Gruppierungen, durch die die Gebiete zusätzlich in Chaos und Unordnung gestürzt werden, im Bedauern über die Fortsetzung gezielter Ermordungen durch die israelischen Sicherheitskräfte, die die palästinensische Bevölkerung zusätzlich empören und den Tod von Unschuldigen mit sich bringen, und unter Hinweis darauf, dass die internationale Gemeinschaft in keiner Weise für den Zusammenbruch der Palästinensischen Autonomiebehörde verantwortlich zu machen ist,

J.  unter Hinweis darauf, dass keine Anstrengung unterlassen werden sollte, um die Konfliktparteien wieder zum Dialog anzuhalten und weitere Schritte entsprechend dem Fahrplan für den Frieden zu vollziehen,

1.  bedauert die Entscheidung des Rates, die unmittelbare Unterstützung der Palästinensischen Autonomiebehörde ohne jede unmittelbar verfügbare Alternative auszusetzen, wodurch sich die Europäische Union der amerikanischen Politik des Abbruchs aller Kontakte zu der von Vertretern der Hamas geführten palästinensischen Regierung angepasst hat;

2.  fordert in diesem Zusammenhang den Rat auf, rasch zu handeln und den vom Nahost-Quartett geforderten Mechanismus auszuarbeiten, der für die unmittelbare Gewährung von Hilfe für die palästinensische Bevölkerung sorgen und die gegenwärtige humanitäre Krise überwinden helfen wird;

3.  begrüßt das Treffen zwischen Präsident Abbas und dem israelischen Außenminister Livni vom 21. Mai in Scharm el-Scheich; legt beiden Seiten nahe, in dieser Richtung weiter zu gehen, den Dialog zu verstärken und die Verhandlungen wieder aufzunehmen;

4.  begrüßt die Zusage von Ministerpräsident Olmert vom 23. Mai 2006, Mahmoud Abbas entgegenzukommen und ihn in naher Zukunft zu treffen, und verlangt die unverzügliche Abhaltung eines solches Treffens mit dem Ziel, unter der Schirmherrschaft des Quartetts und der Arabischen Liga zu bilateralen Friedenverhandlungen überzugehen;

5.  erklärt sich dennoch besorgt über die israelische Haltung, die die Legitimität der palästinensischen Gegenseite schmälert; weist darauf hin, dass es zu bilateralen Verhandlungen keine Alternative gibt und dass einseitige Schritte die Bemühungen um eine dauerhafte und umfassende Streitbeilegung schwächen könnten;

6.  fordert die Regierung Israels auf, unbeschadet des Rechts Israels auf Selbstverteidigung den Tötungen ohne Gerichtsverfahren ein Ende zu setzen, den Bau der Trennmauer und die Ausdehnung der Siedlungen zu beenden, besonders der Siedlungen in Gush Etzion, Betar Illit und dem Gebiet zwischen Ost-Jerusalem und Maele Adumim, und die Beschränkungen der Bewegungsfreiheit für Palästinenser zu beenden; fordert die Palästinensische Autonomiebehörde auf, Gewaltakte und terroristische Handlungen wirklich einzustellen, sich deutlich von solchen Handlungen zu distanzieren und sie öffentlich zu missbilligen; fordert in diesem Zusammenhang die Palästinensische Autonomiebehörde und die Hamas auf, die gegenwärtige Waffenruhe (Hudna) auszudehnen und zu festigen und mit allen ihnen möglichen Maßnahmen terroristische Angriffe auf israelisches Gebiet zu unterbinden und zu missbilligen;

7.  fordert die Palästinensische Regierung auf, mit konkreten Schritten ihre Unterstützung für eine friedliche Zwei-Staaten-Lösung deutlich zu machen und dabei den bisher von der Palästinensischen Autonomiebehörde unterzeichneten Vereinbarungen und dem Beiruter Vorschlag der Arabischen Liga zuzustimmen, wonach das so genannte „Prisoners' document“ abgesegnet wird, und zwar letztlich durch ein Referendum;

8.  fordert die Regierung Israels auf, den unmittelbaren Transfer einbehaltener palästinensischer Steuer- und Zolleinnahmen, der seit Januar 2006 ausgesetzt wird, unverzüglich wieder aufzunehmen;

9.  fordert den Rat und die Kommission auf, alle Anstrengungen zu unternehmen, um die palästinensischen Institutionen zu unterstützen und zu festigen, Gewaltakte in Zusammenhang mit dem derzeitigen Machtkampf zu unterbinden und zu zügeln und den zerbrechlichen Demokratisierungsprozess aufrecht zu erhalten;

10.  vertritt in diesem Zusammenhang die Auffassung, dass die Entscheidung des Rates, alle Kontakte zu der neu gewählten palästinensischen Regierung zu unterbrechen und die Direkthilfe der EU einzufrieren, kontraproduktiv wirkt, weil sie im Widerspruch zu den elementaren Grundsätzen der Demokratie steht und von der Bevölkerung als eine ungerechte Kollektivbestrafung empfunden wird; vertritt die Auffassung, dass die Fähigkeit der demokratisch gewählten, von der Hamas geführten Regierung, sich neu zu formieren und den Anforderungen der internationalen Gemeinschaft zu entsprechen, in gebührendem Umfang auf die Probe gestellt werden sollte;

11.  weist darauf hin, dass zwei Mitglieder des Nahost-Quartetts und weitere europäische Staaten die Hamas nicht als terroristische Organisation betrachten und dass Russland bereits erklärt hat, es habe keine Einwände dagegen, dass mit Vertretern der jetzigen palästinensischen Regierung gesprochen wird;

12.  vertritt die Auffassung, dass die Unterlassung internationaler Hilfeleistung dazu angetan ist, die sich anbahnende humanitäre Krise zu verschärfen, die zunehmend gespannte Lage in diesem Raum zu verschlimmern, radikale Bewegungen und die Position von Staaten wie Iran und Syrien zu stärken und zusätzlicher Instabilität den Weg zu bereiten;

13.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, der israelischen Regierung und der Knesset, dem Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde und dem Palästinensischen Legislativrat sowie den Mitgliedern des Nahost-Quartetts zu übermitteln.