Entschließungsantrag - B6-0400/2007Entschließungsantrag
B6-0400/2007

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

22.10.2007

eingereicht im Anschluss an die Anfrage zur mündlichen Beantwortung B6‑0321/2007
gemäß Artikel 108 Absatz 5 der Geschäftsordnung
von Joseph Daul, Lutz Goepel, Neil Parish, Struan Stevenson, Pilar Ayuso, Esther De Lange, Carmen Fraga Estévez, Esther Herranz García, Elisabeth Jeggle, Mairead McGuinness and James Nicholson
im Namen der PPE-DE-Fraktion
zum Anstieg der Futtermittel- und Lebensmittelpreise

Verfahren : 2007/2641(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
B6-0400/2007
Eingereichte Texte :
B6-0400/2007
Angenommene Texte :

B6‑0400/2007

Entschließung des Europäischen Parlaments zum Anstieg der Futtermittel- und Lebensmittelpreise

Das Europäische Parlament,

–  gestützt auf Artikel 33 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft,

–  unter Hinweis auf seine legislative Entschließung vom 26. September 2007 zur Flächenstilllegung für das Jahr 2008,

–  gestützt auf Artikel 108 Absatz 5 seiner Geschäftsordnung,

A.  in der Erwägung, dass die Getreidepreise in den letzten Monaten weltweit dramatisch gestiegen sind,

B.  in der Erwägung, dass die weltweite Getreideversorgung durch vermutlich mit dem Klimawandel in Verbindung stehende schwere Wetterbedingungen, insbesondere Dürren und Überschwemmungen, beeinträchtigt wurde,

C.  in der Erwägung, dass beispielsweise Australien die schlimmste Dürreperiode seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im Jahr 1900 durchmacht,

D.  in der Erwägung, dass der weltweite Bedarf an Lebensmitteln rascher zunimmt als die Versorgung, nicht zuletzt weil wegen der steigenden Einkommen in Ländern mit sich rasch entwickelnden Volkswirtschaften wie Indien und China, in Kombination mit wachsenden Bevölkerungszahlen, die Nachfrage insbesondere nach Fleisch und Milchprodukten und damit auch nach Futtermitteln steigt,

E.  in der Erwägung, dass eine unsichere Nahrungsmittelversorgung für mehr als 854 Millionen Menschen, von denen etwa 820 Millionen in den Entwicklungsländern leben, weiter eine Realität ist,

F.  in der Erwägung, dass den letzten Vorausschätzungen zufolge die Getreideernte in der EU-27 um ungefähr 8 Millionen Tonnen geringer ausfallen wird als letztes Jahr,

G.  in der Erwägung, dass die Ernte 2006 lediglich 265,5 Millionen Tonnen betrug, womit dieses Jahr lediglich 1 Million Tonnen für Interventionsbestände verblieb,

H.  in der Erwägung, dass 2006 und 2007 lediglich 1,3 % bzw. 1,5 % der Getreideerzeugung der EU für die Herstellung von Ethanol verwendet wurden, was bedeutet, dass die gestiegenen Preise nicht einfach auf diese ernährungsfremde Nutzung innerhalb der EU zurückgeführt werden können,

I.  in der Erwägung, dass es klar ist, dass durch die in den Vereinigten Staaten verfolgte Politik der Zuweisung von mehr Land für den Anbau von Mais zur Herstellung von Bioethanol die Preise anderer Getreideprodukte in die Höhe getrieben werden,

J.  in der Erwägung, dass die Getreidepreise historisch betrachtet real eher zurückgegangen sind, sich in den vergangenen sechs Monaten jedoch verdreifacht haben,

K.  in der Erwägung, dass die Verbraucherpreise für Lebensmittel nicht mit den Lebenshaltungskosten Schritt gehalten haben und die Erzeugerpreise nicht mit den Einzelhandelspreisen Schritt halten konnten,

L.  in der Erwägung, dass die Verbraucher auch Opfer der Instabilität des Marktes sind und dass die Gefahr besteht, dass durch die steigenden Lebensmittelpreise der irrtümliche Eindruck erweckt wird, dass die Landwirte dafür die Verantwortung tragen,

M.  in der Erwägung, dass die steigenden Kosten für Mischfutter die Produktionskosten für den Viehzuchtsektor in die Höhe treiben,

N.  in der Erwägung, dass in Artikel 33 des EG-Vertrags als Ziele der Gemeinsamen Agrarpolitik genannt werden, die Versorgung sicherzustellen und für die Belieferung der Verbraucher zu angemessenen Preisen Sorge zu tragen,

Flächenstilllegung

1.  begrüßt die jüngste Entscheidung der Landwirtschaftsminister der EU, dem Vorschlag der Kommission zu folgen und die obligatorische Flächenstilllegung für 2008 auszusetzen;

2.  nimmt die Einschätzung der Kommission zur Kenntnis, wonach dadurch etwa 2,9 Mio. Hektar für die Getreideerzeugung frei werden und sich die Ernte im nächsten Jahr um etwa 10 Mio. Tonnen erhöhen wird;

3.  bedauert, dass der Rat den Änderungen des Parlaments nicht gefolgt ist, die auf eine Aussetzung der Flächenstilllegung auch für das Jahr 2009 abzielten, und erwartet, dass diese Frage bei der anstehenden Generalüberprüfung der GAP erneut aufgegriffen wird;

Nahrungsmittelerzeugung und Einzelhandel

4.  nimmt die jüngste Bemerkung von Kommissionsmitglied Fischer Boel zur Kenntnis, wonach die Preise für Fleisch und Fleischerzeugnisse 2008 wegen gestiegener Futtermittelkosten um bis zu 30 % steigen könnten;

5.  stellt fest, dass die 2007 gestiegenen Milchpreise eine zwar geringe, jedoch dringend benötigte Erhöhung der Einkommen der Milchviehhalter bedeuten, jedoch für die Verbraucher ein Problem darstellen und die Sicherstellung der erforderlichen Versorgung mit Milcherzeugnissen, etwa für Schulen und Krankenhäuser, erschweren;

6.  stellt mit Sorge fest, dass die europäischen Geflügelerzeuger 40 bis 60 % mehr für Futtermittel aufwenden müssen als vor einem Jahr, wo die Futtermittelkosten doch etwa 60 % ihrer Gesamtkosten ausmachen;

7.  unterstreicht mit großem Nachruck, dass die Rohstoffkosten einen relativ geringen Teil an den Gesamtkosten vieler Nahrungsmittelerzeugnisse, insbesondere von Verarbeitungserzeugnissen, ausmachen und dass selbst nach den jüngsten Weizenpreiserhöhungen die Kosten für Weizen weniger als 10 % des Einzelhandelspreises eines Laibes Brot im Vereinigten Königreich und weniger als 5 % des Einzelhandelspreises einer „Baguette“ in Frankreich ausmachen;

8.  fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Diskrepanzen zwischen den Erzeugerpreisen und den von den größeren Einzelhandelsketten geforderten Preisen zu untersuchen;

Biokraftstoffe

9.  betont, dass nur ein sehr geringer Anteil der Getreideproduktion der EU derzeit für die Erzeugung von Biokraftstoffen verwendet wird und dass selbst zur Erreichung der Biokraftstoffziele der EU für 2020 lediglich 15 % der Ackerflächen der EU dazu verwendet werden müssten;

10.  unterstreicht, dass Biokraftstoffe derzeit der einzige Ersatz für fossile Brennstoffe sind, der in großem Umfang auf dem Markt verfügbar ist, und dass sie anders als fossile Brennstoffe erneuerbar sind sowie erheblich zum Abbau der Treibhausgasemissionen beitragen können;

11.  stellt fest, dass bei der Verwendung von 1 Tonne Getreide für die Herstellung von Bioethanol in der EU bis zu 40 % davon in Form von Nebenprodukten in den Tierfuttermittelsektor zurückfließen;

12.  fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten dennoch auf, mehr für die Förderung des Einsatzes und der Herstellung von Bioenergie der zweiten Generation zu tun, was bedeutet, dass eher Dung und landwirtschaftliche Abfallstoffe verarbeitet werden als landwirtschaftliche Primärerzeugnisse;

Futtermittelimporte

13.  stellt mit großer Sorge fest, dass die Kosten von Mischfuttermitteln um 75 Euro pro Tonne gestiegen sind und wegen eines akuten Mangels an Futtergetreide weiter steigen, und dass der Viehwirtschaft in der EU dadurch zusätzliche Kosten von 10 Milliarden Euro entstehen;

14.  bedauert, dass die Landwirtschaftsminister der EU sich bei ihrem letzten Treffen trotz einer positiven Stellungnahme der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit nicht auf die Genehmigung von drei Typen von gentechnisch verändertem Mais einigen konnten;

15.  weist darauf hin, dass ein erheblicher Anteil von für die Herstellung von Tierfutter verwendetem Mais und Soja durch gentechnische Manipulation produziert wird;

16.  stellt mit Besorgnis fest, dass durch die Behinderung der Genehmigungen gentechnischer Manipulationen die Preise weiterer Futtermittel steigen werden, wodurch die Wettbewerbsfähigkeit der Viehhalter in der EU geschädigt wird und die paradoxe Situation entsteht, dass die Verbraucher in der EU Fleisch und tierische Erzeugnisse aus Drittländern kaufen, in denen gentechnisch veränderte Futtermittel verwendet werden;

17.  bedauert, dass wegen fehlender Genehmigungen de facto ein Einfuhrverbot für Maisnebenprodukte besteht;

18.  fordert in diesem Zusammenhang die Kommission, die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit und die Mitgliedstaaten auf, die Abhängigkeit der EU von der Einfuhr pflanzlicher Proteine aus Drittländern anzuerkennen, auf Schwellenwerten beruhende funktionsfähige Einfuhrbestimmungen festzulegen und unangemessene Verzögerungen in dem in der EU geltenden System der Genehmigung gentechnischer Manipulationen abzubauen;

Einfuhren und Ausfuhren

19.  nimmt die in der letzten Sitzung des Rates der Agrarminister gemachte Ankündigung zur Kenntnis, dass ein Vorschlag zur Aufhebung der Einfuhrzölle für Getreide im Jahr 2008 formuliert werden soll, um damit auf die schwierige Lage im Nutzviehsektor, insbesondere dem Schweinefleischsektor, zu reagieren;

20.  weist darauf hin, dass die Verhandlungsposition der EU bei den WTO-Verhandlungen über den Marktzugang durch solche Entscheidungen geschwächt werden könnte;

21.  unterstreicht, dass diese Entscheidung nicht als Präzedenzfall für andere Sektoren wie den Reissektor dienen sollte;

22.  lehnt alle Versuche ab, verbindliche Ausfuhrkontingente und Ausfuhrzölle für landwirtschaftliche Erzeugnisse der EU einzuführen;

23.  fordert, dass Akteure aus Drittländern denselben strikten Kontrollen unterworfen werden wie die Produzenten aus der EU;

Weltweit unsichere Nahrungsmittelversorgung

24.  ist sich dessen bewusst, dass eine Reduzierung der weltweiten Nahrungsmittelbestände besonders schwerwiegende Auswirkungen auf Entwicklungsländer mit niedrigem Einkommen und Nahrungsmitteldefizit haben, deren Gesamtaufwendungen für Getreideimporte vermutlich erheblich steigen werden – auf einen Rekordhöchststand von 28 Milliarden Dollar 2007/08, womit das bereits hohe Vorjahresniveau noch um etwa 14 % übertroffen wird;

25.  stellt fest, dass die Entwicklungsländer insgesamt dieses Jahr die Rekordsumme von 52 Milliarden Dollar für Getreideimporte ausgeben werden;

26.  legt der EU nahe, die Besorgnis über die weltweit unsichere Nahrungsmittelversorgung ernst zu nehmen;

27.  fordert die Kommission auf, eine eingehende Analyse der Entwicklung des Weltmarkts vorzunehmen und dabei auch die steigende Nachfrage nach Nahrungsmitteln in den Entwicklungsländern zu analysieren, um als Teil der Generalüberprüfung der GAP auch die Schaffung ständiger Mechanismen in Erwägung zu ziehen, mit denen künftig eine angemessene Marktversorgung sichergestellt wird;

28.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission zu übermitteln.