Entschließungsantrag - B7-0073/2010Entschließungsantrag
B7-0073/2010

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zum jüngsten Erdbeben auf Haiti

3.2.2010

eingereicht im Anschluss an die Erklärung der Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik
gemäß Artikel 110 Absatz 2 der Geschäftsordnung

Eva Joly, Isabelle Durant, Daniel Cohn-Bendit, Bart Staes im Namen der Verts/ALE-Fraktion

Siehe auch den gemeinsamen Entschließungsantrag RC-B7-0072/2010

Verfahren : 2010/2518(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
B7-0073/2010
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B7-0073/2010
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B7‑0073/2010

Entschließung des Europäischen Parlaments zum jüngsten Erdbeben auf Haiti

Das Europäische Parlament,

–    unter Hinweis auf den Europäischen Konsens zur humanitären Hilfe,

–    unter Hinweis auf die Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Haiti (MINUSTAH),

–    unter Hinweis auf den Vorschlag von Michel Barnier für eine europäische Katastrophenschutztruppe „Europe Aid“,

–    gestützt auf Artikel 110 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

A.  in der Erwägung, dass infolge des jüngsten Erdbebens in der noch nie registrierten Stärke von 7,3 auf der Richterskala mehr als 150.000 Menschen starben, 150.000 schwer verletzt wurden, 1,5 Millionen Menschen obdachlos wurden, wichtige Regierungsgebäude und die Wirtschaftsinfrastruktur von Port-au-Prince zerstört wurden,

 

B.  in der Erwägung, dass nach Angaben des Amtes der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) bis zu einer Million Menschen landesweit ein Dach über dem Kopf braucht und bis zu 500.000 Menschen zu Binnenflüchtlingen wurden,

 

C.  unter Anerkennung der Tatsache, dass der größte Teil der Hilfe von den Haitianern selbst geleistet wurde, dass aber auch die Regierungen von Geberländern, Einzelpersonen und Organisationen rasch und großzügig auf das Erdbeben von Haiti reagiert haben,

 

D.  in der Erwägung, dass über die Soforthilfe hinaus die mittel- und langfristigen Wiederaufbaumaßnahmen, die den Menschen eine menschenwürdige Existenz ermöglichen sollen und mit denen die zerstörte Infrastruktur und die staatlichen Institutionen wiederaufgebaut und die Wirtschaftstätigkeit wieder aufgenommen werden soll, ein langfristiges Engagement der internationalen Gemeinschaft erfordern,

 

E.  in der Erwägung, dass es beunruhigt ist angesichts der Gefahr illegaler Adoptionen und des Kinderhandels sowie der Möglichkeit, dass Menschen die chaotische Lage im Land und die Unfähigkeit der Regierung, die Situation in den Griff zu bekommen, ausnutzen,

 

F.  in der Erwägung, dass schätzungsweise 250.000 Menschen Port-au-Prince bereits verlassen haben und damit zu rechnen ist, dass bis zu einer Million Menschen in ländliche Gebiete ziehen wird,

 

G.  in der Erwägung, dass jahrzehntelange politische Instabilität die Regierungsinstitutionen und die Fähigkeit des Staates, öffentliche Grunddienste zur Verfügung zu stellen, bereits vor dem Erdbeben geschwächt hat, und in der Erwägung, dass der Staat aufgrund der durch das Erdbeben verursachten Schäden unfähig wurde, aktiv auf die Hilfebemühungen zu reagieren, wodurch sich die Lage noch verschärft hat,

 

H.  in der Erwägung, dass Haiti erdrückende Auslandsschulden in Höhe von einer Milliarde US-Dollar hat, was die Entwicklung Haitis bereits vor dem Erdbeben gehemmt hat und den Wiederaufbau des Landes möglicherweise behindern wird,

 

I.  in der Erwägung, dass der IWF Mittel in Höhe von 100 Millionen US-Dollar zur Entwicklung einer Art Marshallplan zugesagt hatte, um so den unmittelbaren Bedarf zu decken und die Zukunft zu planen; in der Erwägung jedoch, dass dieser Vorschlag von einigen EU-Mitgliedstaaten abgelehnt und nun durch eine Darlehensregelung ersetzt wurde,

 

J.  in der Erwägung, dass eine Geberkonferenz, an der auch der Premierminister Haitis teilnahm, in Montreal abgehalten wurde, um den Bedarf des Landes zu ermitteln,

 

1.   spricht der Bevölkerung Haitis und den Mitarbeitern internationaler Organisationen einschließlich der Vereinten Nationen und der EU sein tiefes Mitgefühl aus;

2.   begrüßt die vorläufige Zusage der Europäischen Kommission, humanitäre Hilfe in Höhe von 30 Millionen Euro zu leisten, zeigt sich jedoch besorgt darüber, dass die Mittelzusagen, die als Reaktion auf den Aufruf von OCHA zur Bereitstellung von 575 Millionen US-Dollar erfolgten, sich bisher erst auf 47 % dieser Summe belaufen;

3.   fordert eine umfassende Prüfung zur Ermittlung des kurz- und langfristigen Bedarfs der Bevölkerung und zur Festlegung des Engagements der EU beim Wiederaufbau, der in drei Phasen erfolgt: Soforthilfe, Rehabilitation und Wiederaufbau;

4.   fordert die Vereinten Nationen auf, das Mandat von MINUSTAH zusammen mit den zuständigen staatlichen Stellen Haitis zu überprüfen, um es dem Bedarf des Landes nach der Katastrophe anzupassen, wobei ein Schwerpunkt auf Sicherheitsfragen liegen soll;

5.   hat ernsthafte Zweifel, ob es ratsam ist, ein Flüchtlingslager für Opfer des Erdbebens in Guantánamo zu errichten;

6.   ist zutiefst besorgt wegen illegaler Adoptionen, des Kinderhandels und der Möglichkeit, dass die derzeit chaotische Lage ausgenutzt wird, und fordert die EU und die UN auf, den Behörden Haitis dabei zu helfen, dieses Phänomen in den Griff zu bekommen, und alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Zusammenführung von Familien sowie transparente kontrollierte Adoptionen über anerkannte Einrichtungen zu erleichtern;

7.   spricht den Behörden Haitis, der Zivilgesellschaft, der EU, den UN, bilateralen Gebern und internationalen Nichtregierungsorganisationen seine Anerkennung für ihre rasche Reaktion auf die Notsituation aus und fordert die UN auf, die internationalen Hilfebemühungen und den Bedarf mit Blick auf den Wiederaufbau des Landes unter der unbestrittenen Führung der haitianischen Behörden zu koordinieren, und fordert die EU auf, in enger Zusammenarbeit mit den UN tätig zu werden;

8.   betont, dass die Regierung, die örtlichen Behörden und die Organisationen der Zivilgesellschaft Haitis eine führende Rolle beim Wiederaufbau der zerstörten Infrastruktur und der Institutionen ihres Landes und im Bereich der Wirtschaftsentwicklung spielen müssen, und fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, ihnen das Know-how der EU zur Verfügung zu stellen;

9.   betont, wie wichtig es ist, den örtlichen Behörden angemessene Unterstützung zu gewähren, um sie in die Lage zu versetzen, die Wirtschaft anzukurbeln, da Hunderttausende von Menschen Port-au-Prince verlassen, um sich in ländlichen Gebieten anzusiedeln;

10. appelliert an die EU und andere internationale Geber, soweit wie möglich lokal erzeugte Nahrungsmittel für die zu gewährende Hilfe zu kaufen und so einen wichtigen Beitrag zur Unterstützung der Wirtschaft im ländlichen Raum zu leisten, und fordert die EU auf, den Agrarsektor zu fördern, indem sie Kleinbauern das notwendige Material zur Verfügung stellt;

11. fordert die Kommission auf, ihre Unterstützung für Cash-for-work (Bargeld für Arbeit)-Programme aufzustocken, da diese eine wichtige Maßnahme sind, um die Gemeinschaft mit Geld zu versorgen, damit so wirtschaftliche Tätigkeiten wieder aufgenommen werden können;

12. fordert einen sofortigen vollständigen Schuldenerlass für Haiti und betont, dass jegliche Erdbebensoforthilfe in Form von Zuschüssen und nicht von Darlehen zu gewähren ist, durch die die Schuldenlast des Landes nur noch zunimmt;

13. fordert die Hohe Vertreterin der Union auf, entsprechend dem Vorschlag von Michel Barnier eine europäische Katastrophenschutztruppe einzurichten, um so zu gewährleisten, dass die humanitäre Hilfe der EU auf eine wirksamere und besser koordinierte Art und Weise bereitgestellt wird; würdigt die von der EU auf Haiti geleistete Katastrophenschutzhilfe;

14. ist empört darüber, dass das ursprüngliche IWF-Vorhaben ( Zusage von 100 Millionen US-Dollar und Anregung eines Schuldenerlasses), eine Art Marshallplan aufzulegen, um so den staatlichen Stellen Haitis bei der Deckung des sofortigen Bedarfs zu helfen, von Gebern abgelehnt wurde und dass dieser Vorschlag von der Tagesordnung für die Geberkonferenz, die am 25. Januar in Montreal stattfand, gestrichen wurde;

15. fordert die Kommission auf, dem Europäischen Parlament eine umfassende Bedarfsschätzung für die Zeit nach der Katastrophe und einen Bericht über die Fortschritte beim Wiederaufbau vorzulegen;

16. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Mitgliedstaaten sowie dem Generalsekretär der Vereinten Nationen und der Regierung Haitis zu übermitteln.