Entschließungsantrag - B7-0158/2010Entschließungsantrag
B7-0158/2010

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zur Transparenz und zum Sachstand bei den Verhandlungen über das ACTA

4.3.2010

eingereicht im Anschluss an die Anfrage zur mündlichen Beantwortung B7‑0000/2010 – O-0026/2010
gemäß Artikel 115 Absatz 5 der Geschäftsordnung

Tokia Saïfi, Daniel Caspary, Cristiana Muscardini, Georgios Papastamkos im Namen der PPE-Fraktion
Syed Kamall, Robert Sturdy im Namen der ECR-Fraktion

Siehe auch den gemeinsamen Entschließungsantrag RC-B7-0154/2010

Verfahren : 2010/2572(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
B7-0158/2010
Eingereichte Texte :
B7-0158/2010
Angenommene Texte :

B7‑0158/2010

Entschließung des Europäischen Parlaments zur Transparenz und zum Sachstand bei den Verhandlungen über das ACTA

Das Europäische Parlament,

–   unter Hinweis auf Artikel 218 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV),

–   unter Hinweis auf seine Entschließung vom 9. Februar 2010 zu einer revidierten Rahmenvereinbarung zwischen dem Europäischen Parlament und der Kommission für die nächste Wahlperiode[1],

–   unter Hinweis auf seine Entschließung vom 11. März 2009 zum Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (Neufassung), die als Standpunkt des Parlaments aus erster Lesung aufzufassen ist[2],

–   unter Hinweis auf seine Entschließung vom 18. Dezember 2008 zu den Auswirkungen von Produktfälschung auf den internationalen Handel[3],

–   unter Hinweis auf die Stellungnahme des Europäischen Datenschutzbeauftragten vom 22. Februar 2010 zu den laufenden Verhandlungen der Europäischen Union über ein Übereinkommen zur Bekämpfung von Produkt- und Markenpiraterie (ACTA),

–   unter Hinweis auf die Charta der Grundrechte der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 8,

–   unter Hinweis auf die Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation, zuletzt geändert durch die Richtlinie 2009/136/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009,

–   unter Hinweis auf die Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“),

–   unter Hinweis auf die Anfrage vom 24. Februar 2010 an die Kommission zur Transparenz und zum Sachstand bei den Verhandlungen über das ACTA (O-0026/2010 – B7‑0000/2010),

–   gestützt auf Artikel 115 Absatz 5 und Artikel 110 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

A. in der Erwägung, dass die Europäische Union und andere OECD-Länder 2008 Verhandlungen über ein neues plurilaterales Abkommen zur stärkeren Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums und zur Bekämpfung der Produktfälschung und -piraterie (Anti-Counterfeiting Trade Agreement – ACTA) aufgenommen haben,

B.  in der Erwägung, dass sich die Kommission am 27. Januar 2010 verpflichtet hat, das Parlament stärker einzubeziehen, und zwar auf der Grundlage seiner Entschließung vom 9. Februar 2010 zu einer revidierten Rahmenvereinbarung mit der Kommission, in der es eine „unverzügliche und umfassende Information des Parlaments in allen Phasen der Verhandlungen über internationale Abkommen […] insbesondere bei Handelsfragen und anderen Verhandlungen im Rahmen des Zustimmungsverfahrens, damit Artikel 218 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union in vollem Umfang wirksam wird“ gefordert hat,

C. in der Erwägung, dass die Kommission als Hüterin der Verträge verpflichtet ist, den gemeinschaftlichen Besitzstand zu wahren, wenn sie über internationale Übereinkommen verhandelt, die sich auf die Gesetzgebung in der EU auswirken,

D. in der Erwägung, dass sich die Verhandlungen über das ACTA Dokumenten zufolge, die bekannt geworden sind, unter anderem auf geplante EU-Rechtsvorschriften zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (2005/0127 (COD) – strafrechtliche Maßnahmen zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (IPRED-II)) und das sogenannte Telekommunikationspaket sowie geltende EU-Rechtsvorschriften zum elektronischen Geschäftsverkehr und zum Datenschutz auswirken,

E.  in der Erwägung, dass die Bemühungen der EU um die Harmonisierung der Maßnahmen zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums nicht durch Handelsverhandlungen umgangen werden sollten, die außerhalb der normalen EU-Entscheidungsprozesse ablaufen,

F.  in der Erwägung, dass dringend dafür gesorgt werden muss, dass die Maßnahmen zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums so angelegt sind, dass Innovation und Wettbewerb nicht behindert, die Rechte des geistigen Eigentums nicht eingeschränkt und der Schutz personenbezogener Daten nicht beeinträchtigt, der freie Informationsfluss nicht gehemmt und der rechtmäßige Handel nicht in unzulässiger Weise erschwert werden,

G. in der Erwägung, dass jegliche Vereinbarungen, die die Europäische Union zum ACTA erzielt hat, den rechtlichen Verpflichtungen der EU im Hinblick auf den Schutz der Privatsphäre und den Datenschutz entsprechen müssen, wie sie insbesondere in den Richtlinien 95/46/EG und 2002/58/EG sowie in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Gerichtshofs niedergelegt sind,

H. in der Erwägung, dass durch das Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon im Dezember 2009 das Europäische Parlament dem Text des ACTA-Abkommens zustimmen muss, bevor es in der Europäischen Union in Kraft tritt,

I.   in der Erwägung, dass die Kommission sich dazu verpflichtet hat, das Parlament in allen Phasen der Verhandlungen über internationale Abkommen unverzüglich und umfassend zu informieren,

1.  ist sich bewusst, dass bei den Verhandlungen über das ACTA aufgrund ihrer Eigenart ein hohes Maß an Vertraulichkeit erforderlich ist, damit die legitimen Interessen der Akteure und der beteiligten Staaten nicht beeinträchtigt werden; ist jedoch der Ansicht, dass für ein transparenteres Verfahren gesorgt werden sollte, damit einschlägige Informationen, wie vom Europäischen Parlament wiederholt gefordert, bereitgestellt werden;

2.  begrüßt, dass die Kommission die Mitglieder des Ausschusses für internationalen Handel trotz des vertraulichen Charakters der multilateralen Verhandlungen im Wege des regelmäßigen Meinungsaustauschs mit dem Generaldirektor der GD Handel in öffentlichen Sitzungen der INTA-Koordinatoren informiert hat;

3.  fordert die Kommission auf, dem Europäischen Parlament Zugang zu den Texten zu gewähren, über die im Rahmen der Verhandlungen über das ACTA beraten wird, damit es sich über den aktuellen Stand der Verhandlungen über das ACTA informieren kann; stellt fest, dass bestimmte Informationen, die als vertraulich zu behandeln sein könnten, in geeigneter Weise zugänglich gemacht werden sollten;

4.  fordert die Kommission auf, sich vor der nächsten Verhandlungsrunde in Neuseeland im April 2010 intensiv mit den ACTA-Verhandlungspartnern in Verbindung zu setzen, damit das Thema Transparenz formell auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung gesetzt wird, und fordert die Kommission auf, den zuständigen Ausschuss des Europäischen Parlaments unmittelbar nach dem Abschluss dieser Verhandlungsrunde über die Ergebnisse zu informieren;

5.  fordert die Kommission auf, die Verhandlungen über das ACTA fortzusetzen, um die Wirksamkeit des Systems zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums bei der Bekämpfung von Produktfälschung zu verbessern;

6.  fordert die Kommission auf, eine Abschätzung der Folgen der Umsetzung des ACTA für die Grundrechte und den Datenschutz, die Bemühungen der EU um die Harmonisierung der Maßnahmen zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums und den elektronischen Geschäftsverkehr im Hinblick auf die Zustimmung der EU zu einem konsolidierten Text des ACTA durchzuführen und das Europäische Parlament rechtzeitig über die Ergebnisse dieser Folgenabschätzung zu informieren;

7.  begrüßt die Stellungnahmen der Kommission, nach denen sich das ACTA-Abkommen auf jeden Fall, ungeachtet der Entwicklung des materiellen Rechts des geistigen Eigentums in der Europäischen Union, auf die Durchsetzung der bestehenden Rechte des geistigen Eigentums beschränken wird;

8.  fordert die Kommission auf, dafür zu sorgen, dass die Umsetzung der Bestimmungen des ACTA – insbesondere zu den Verfahren der Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums im Umfeld der IKT – vollständig dem Wortlaut und dem Geist des gemeinschaftlichen Besitzstands entspricht und dass an den EU-Außengrenzen keine Personendurchsuchungen durchgeführt werden;

9.  ist der Auffassung, dass im Zuge des geplanten Abkommens das sogenannte Three-Strikes-Verfahren nicht eingeführt werden sollte, damit Grundrechte wie die Meinungsfreiheit und das Recht auf Schutz der Privatsphäre gewahrt werden und der Grundsatz der Subsidiarität uneingeschränkt respektiert wird;

10. betont, dass das Recht auf Privatsphäre und der Datenschutz zentrale Werte der Europäischen Union darstellen, die in Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und in den Artikeln 7 und 8 der Charta der Grundrechte der EU niedergelegt sind, die gemäß Artikel 16 AEUV in allen Politikbereichen und bei allen Vorschriften der EU zu wahren sind;

11. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission und den Regierungen und Parlamenten der Staaten zu übermitteln, die an den Verhandlungen über das ACTA beteiligt sind.