Entschließungsantrag - B7-0141/2012Entschließungsantrag
B7-0141/2012

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zur Lage in Kasachstan (2012/2553(RSP))

7.3.2012

eingereicht im Anschluss an eine Erklärung der Vizepräsidentin der Kommission/Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik
gemäß Artikel 110 Absatz 2 der Geschäftsordnung

Norica Nicolai, Leonidas Donskis, Marietje Schaake, Alexander Graf Lambsdorff, Graham Watson, Marielle de Sarnez im Namen der ALDE-Fraktion

Siehe auch den gemeinsamen Entschließungsantrag RC-B7-0135/2012

Verfahren : 2012/2553(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
B7-0141/2012
Eingereichte Texte :
B7-0141/2012
Aussprachen :
Angenommene Texte :

B7‑0141/2012

Entschließung des Europäischen Parlaments zur Lage in Kasachstan (2012/2553(RSP))

Das Europäische Parlament,

–   unter Hinweis auf seine vorangegangenen Entschließungen zu Kasachstan und insbesondere auf seine Entschließung vom 17. September 2009,

–   unter Hinweis auf seine Entschließung vom 15. Dezember 2011 zur EU-Strategie für Zentralasien,

–   unter Hinweis auf die EU-Strategie für Zentralasien,

–   unter Hinweis auf das 1999 in Kraft getretene Partnerschafts- und Kooperationsabkommen zwischen der EG und Kasachstan,

–   unter Hinweis auf die Erklärung der Hohen Vertreterin/Vizepräsidentin Catherine Ashton vom 17. Dezember 2011 zu den Ereignissen im Bezirk Shanaosen,

–   in Kenntnis des vorläufigen Berichts der OSZE/ODIHR-Wahlbeobachtungsmission vom 28. Januar 2011,

–   unter Hinweis auf die Erklärung der Hohen Vertreterin/Vizepräsidentin Catherine Ashton vom 17. Dezember 2011 zu den Parlamentswahlen in Kasachstan,

–   gestützt auf Artikel 110 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

A. in der Erwägung, dass die EU und Kasachstan Verhandlungen über ein neues ehrgeiziges Abkommen führen, das das ausgelaufene Partnerschafts- und Kooperationsabkommen ersetzen soll und mit dem die Beziehungen zwischen den beiden Seiten verbessert und vertieft werden sollen, wobei für April eine neue Gesprächsrunde angesetzt ist;

B.  in der Erwägung, dass sich am 16. Dezember 2011 in der in der Provinz Mangistau gelegenen Stadt Shanaosen mehr als 3000 Menschen versammelt haben, um die Forderungen der seit Mai streikenden Ölarbeiter nach höheren Löhnen und besseren Arbeitsbedingungen zu unterstützen;

C. in der Erwägung, dass die Bereitschaftspolizei gegen die Demonstranten vorging und das Feuer auf unbewaffnete Streikende und ihre Familien eröffnete und dabei nach offiziellen Angaben mindestens 16 Menschen getötet und unabhängigen Quellen zufolge mindestens 500 Menschen verletzt wurden;

D. in der Erwägung, dass die kasachische Regierung nach den Zusammenstößen den Ausnahmezustand erklärte und Journalisten und unabhängigen Beobachtern den Zugang zu Shanaosen untersagte; in der Erwägung, dass der Ausnahmezustand schließlich am 31. Januar aufgehoben wurde;

E.  in der Erwägung, dass Natalia Sokolova, die als Rechtsanwältin die Streikenden vertritt, am 8. August 2011 vom Amtsgericht Aktau für schuldig befunden wurde, „sozialen Unfrieden gestiftet“ und „aktiv an illegalen Versammlungen teilgenommen“ zu haben, und wegen Schürens sozialer Konflikte zu einer sechsjährigen Haftstrafe verurteilt wurde;

F.  in der Erwägung, dass der Präsident von Kasachstan eine vollständige Untersuchung der Vorkommnisse forderte und eine Regierungskommission unter dem Vorsitz des ersten stellvertretenden Ministerpräsidenten einsetzte und internationale Sachverständige, unter anderem von den Vereinten Nationen, zur Teilnahme an den Ermittlungen einlud; in der Erwägung, dass gegen Polizisten wegen unangemessenen Schusswaffengebrauchs ermittelt wird, jedoch bislang gegen keinen von ihnen Anklage erhoben wurde;

G. in der Erwägung, dass der Präsident von Kasachstan am 6. Januar das Gesetz über die nationale Sicherheit unterzeichnet hat, mit dem die Befugnisse der Sicherheitskräfte erweitert werden und in dem bekräftigt wird, dass Personen, die dem Ansehen des Landes in der Welt schaden, als „destruktiv“ betrachtet werden können und sich daraus Konsequenzen für sie ergeben könnten;

H. in der Erwägung, dass Verleumdung nach wie vor ein Straftatbestand ist und mit dem Gesetz zur Änderung und Ergänzung der Vorschriften über Informations- und Kommunikationsnetze vom 10. Juli 2009 Internet-Ressourcen (Websites, Chatrooms, Blogs, Diskussionsforen) mit Massenmedien gleichgestellt werden und diese Plattformen und ihre Eigentümer für die gleichen Vergehen haftbar gemacht werden können;

I.   in der Erwägung, dass die Regierung im September 2011 ein Gesetz zur Religion angenommen hat, das alle Religionsgemeinschaften verpflichtet, sich erneut registrieren zu lassen, und in dem Bestimmungen enthalten sind, mit denen den Bürgern Kasachstans die freie Religionsausübung verwehrt werden kann;

J.   in der Erwägung, dass die allgemeinen Wahlen vom 16. Januar 2012 nach Einschätzung der OSZE nicht im Einklang mit den OSZE-Normen standen, weil vielerorts Unregelmäßigkeiten festgestellt und zur Steigerung der Popularität der Regierungspartei staatliche Ressourcen eingesetzt und staatlich geförderte Kampagnen durchgeführt wurden, was keine hinreichende Rahmenbedingungen für wirklich pluralistische Wahlen sind, obgleich in technischer Hinsicht die Wahlen dieses Mal gut organisiert waren;

K. in der Erwägung, dass am 23. Januar Mitglieder des Nationalen Sicherheitsdienstes (KNB) in die Büros der Oppositionspartei Alga in Almaty eindrangen und die Wohnungen führender Parteimitglieder und die Räumlichkeiten der Oppositionszeitung Vzglyad durchsuchten; in der Erwägung, dass der Vorsitzende der Alga-Partei Wladimir Koslow und der Chefredakteur Igor Vinyavski wegen Stiften sozialen Unfriedens und Aufrufs zum gewaltsamen Umsturz und zur gewaltsamen Änderung der Verfassungsordnung sowie wegen Gefährdung der Einheit der Republik Kasachstan verhaftet wurden;

L.  in der Erwägung, dass am 2. Februar die Polizei in die Räumlichkeiten der Oppositionszeitschrift Golos Respubliki eingedrungen sind und einen Drucker und Computer beschlagnahmt haben und der KNB die stellvertretende Chefredakteurin Oksana Makuschina zwei Mal vorgeladen hat;

M. in der Erwägung, dass Mitglieder der kasachischen Arbeitergewerkschaften und zivilgesellschaftliche Aktivisten, die mit Offiziellen der EU, darunter auch Mitgliedern des Europäischen Parlaments gesprochen hatten und zusammengetroffen waren, bei der Rückkehr in ihr Land von den staatlichen kasachischen Behörden schikaniert, bedroht und festgenommen wurden;

N. in der Erwägung, dass die festgenommenen Aktivisten von den Behörden damit eingeschüchtert wurden, ihren Familien könnten Nachteile entstehen, wenn sie nicht kooperierten, und dass einige von ihnen in Isolationshaft gehalten wurden, etwa Wladimir Koslow, dem der Kontakt zu seiner Frau untersagt wurde und über dessen sich verschlechternden Gesundheitszustand nur über seinen Rechtsanwalt Informationen nach außen dringen;

O. in der Erwägung, dass am 28. Januar ungefähr 1000 Menschen in Almaty an einer nicht genehmigten Protestkundgebung gegen die Unterdrückungsmaßnahmen teilgenommen und die Behörden aufgefordert haben, der politischen Verfolgung ein Ende zu setzen;

P.  in der Erwägung, dass Kasachstan 2010 den Vorsitz in der OSZE innehatte und sich dazu verpflichtete, eine Reihe demokratischer Reformen durchzuführen und die Grundsätze dieser Organisation zu achten;

1.  verurteilt nachdrücklich das gewaltsame Vorgehen der Polizeikräfte gegen Demonstranten in Shanaosen und fordert eine unabhängige, transparente, unparteiische und glaubwürdige internationale Untersuchung der Vorkommnisse;

2.  betont, dass die Fortschritte bei den Verhandlungen über das neue Abkommen von Fortschritten bei den politischen Reformen abhängig gemacht werden müssen, insbesondere hinsichtlich der Achtung der Menschenrechte, der Rechtsstaatlichkeit und der demokratischen Freiheiten;

3.  nimmt Kenntnis von der Bereitschaft der kasachischen Regierung, sich mit den legitimen Forderungen der Ölarbeiter auseinanderzusetzen, und fordert sie auf, entsprechende konkrete Schritte zu unternehmen, einen sinnvollen sozialen Dialog einzuleiten und sich in angemessener Weise mit Arbeitsfragen zu befassen;

4.  bedauert das gegenwärtige harte Vorgehen gegen die Medien und die Meinungsfreiheit und fordert die Regierung Kasachstans auf, ihre Kontrolle elektronischer Medien zu lockern;

5.  bedauert das gegenwärtige harte Vorgehen gegen Oppositionsparteien und ihre führenden Mitglieder und fordert die Staatsorgane auf, sich an die Grundsätze und Verpflichtungen der OSZE zu halten, mit denen Rede- und Versammlungsfreiheit garantiert werden;

6.  fordert die unverzügliche Freilassung der Rechtsanwältin Natalia Sokolova sowie von Akhzhanat Aminow, des Vorsitzenden der Oppositionspartei Alga Wladimir Koslow, des Chefredakteurs der Zeitung Vzglyad Igor Winjawski und der gesellschaftlichen Aktivisten Serik Sapargaly, Ruslan Simbinow und Aizhangul Amirova;

7.  fordert von den kasachischen Staatsorganen Zusicherungen hinsichtlich der Sicherheit der Familien der inhaftierten Aktivisten;

8.  fordert die Staatsorgane Kasachstans auf, internationalen Beobachtern auf dem Gebiet der Menschenrechte und einheimischen Organisationen der Zivilgesellschaft ungehinderten Zugang zu den westlichen Landesteilen zu gewähren und ihnen eine unabhängige Beobachtungstätigkeit vor Ort zu ermöglichen;

9.  fordert die Regierung Kasachstans auf, umfassende Maßnahmen gegen sämtliche Mängel zu treffen, die in dem vorläufigen Bericht der Wahlbeobachtungsmission von OSZE und ODIHR über die Wahlen vom 16.  Januar 2011 aufgezeigt worden sind;

10. begrüßt die Freilassung von Jewgeni Schowtis, dem Leiter des Internationalen Büros für Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit in Kasachstan, und des „Wremja“-Journalisten Tochnijas Kutschukow und fordert die Freilassung sämtlicher aus politischen Gründen inhaftierter Personen;

11. fordert den Europäischen Auswärtigen Dienst auf, diese Besorgnisse im Rahmen der laufenden Verhandlungen über ein verbessertes Abkommen zum Ausdruck zu bringen, Möglichkeiten zur Beobachtung der Lage in Zusammenarbeit mit internationalen Gruppierungen für Menschenrechte und Zivilgesellschaft zu sondieren und dem Europäischen Parlament regelmäßig darüber zu berichten;

12. ist der Ansicht, dass ein verbessertes Kooperationsabkommen erst dann abgeschlossen werden sollte, wenn die politischen Gefangenen, die im Zusammenhang mit den Vorfällen in Shanaosen inhaftiert wurden, freigelassen werden und ein Versöhnungsdialog eröffnet wird, in dessen Rahmen den damit verbundenen Besorgnissen Rechnung getragen wird;

13. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung der Hohen Vertreterin/Vizepräsidentin, dem Rat, der Kommission, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, der Regierung und dem Parlament der Republik Kasachstan und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa zu übermitteln.