Entschließungsantrag - B7-0188/2014Entschließungsantrag
B7-0188/2014

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zur Lage im Irak

19.2.2014 - (2014/2565(RSP))

eingereicht im Anschluss an eine Erklärung der Vizepräsidentin der Kommission/Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik
gemäß Artikel 110 Absatz 2 der Geschäftsordnung

Jelko Kacin, Marietje Schaake im Namen der ALDE-Fraktion

Siehe auch den gemeinsamen Entschließungsantrag RC-B7-0188/2014

Verfahren : 2014/2565(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
B7-0188/2014
Eingereichte Texte :
B7-0188/2014
Aussprachen :
Angenommene Texte :

B7‑0188/2014

Entschließung des Europäischen Parlaments zur Lage im Irak

(2014/2565(RSP))

Das Europäische Parlament,

–       unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zum Irak, namentlich jene vom 14. März 2013 zum Irak: die problematische Lage von Minderheitengruppen, insbesondere der irakischen Turkmenen, und jene vom 10. Oktober 2013 zu der jüngsten Gewalt in Irak[1],

–       unter Hinweis auf das Partnerschafts- und Kooperationsabkommen zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Irak andererseits, sowie unter Hinweis auf seine Entschließung vom 17. Januar 2013 zum Partnerschafts- und Kooperationsabkommen zwischen der EU und dem Irak,–  unter Hinweis auf das gemeinsame Strategiepapier der Europäischen Kommission für den Irak (2011-2013)[2],

–       in Kenntnis des Berichts über die Menschenrechte im Irak für den Zeitraum Januar bis Juni 2012, der von der Hilfsmission der Vereinten Nationen im Irak (UNAMI) und der Hohen Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte gemeinsam am 19. Dezember 2012 vorgelegt wurde,

–       unter Hinweis auf den Bericht Nr. 144 der „International Crisis Group“ vom 14. August 2013 zum Nahen Osten mit dem Titel: „Make or Break: Iraq’s Sunnis and the State”,

–       unter Hinweis auf die Angaben der Vereinten Nationen zur Zahl der Todesopfer im September, die am 1. Oktober 2013 veröffentlicht wurden,

–       unter Hinweis auf die Erklärung des Generalsekretärs der Vereinten Nationen Ban Ki-moon, vom 29. Juli 2013, in der er die politischen Führungskräfte auffordert, zu verhindern, dass es in Irak zu einer Katastrophe kommt,

–       unter Hinweis auf die Erklärung des Generalsekretärs der Vereinten Nationen Ban, Ki-moon, vom 1. September 2013 zu den tragischen Vorfällen im Lager Ashraf, bei denen 52 Menschen getötet wurden,

–       unter Hinweis auf die UN-Erklärung von 1981 über die Beseitigung aller Formen von Intoleranz und Diskriminierung aufgrund der Religion oder der Überzeugung,

–       unter Hinweis auf den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte von 1966, zu dessen Vertragsparteien der Irak gehört,

–       unter Hinweis auf die Erklärung der Vizepräsidentin der Kommission / Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, Catherine Ashton, vom 5. September 2013 zu den jüngsten Ausbrüchen von Gewalt im Irak,

–       unter Hinweis auf seine Entschließung vom 13. Juni 2013 über die Presse- und Medienfreiheit in der Welt[3],

–       gestützt auf Artikel 110 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

A.     in der Erwägung, dass der Irak vor großen Herausforderungen hinsichtlich seiner politischen Entwicklung, seiner Sicherheitslage und seiner sozioökonomischen Problematik steht und dass seine politische Landschaft extrem gespalten ist und es häufig zu gewalttätigen Übergriffen und zu religiöser Hetze kommt, sodass viele der legitimen Hoffnungen der Menschen im Irak auf Frieden, Wohlstand und einen echten demokratischen Wandel zunichte gemacht werden;

B.     in der Erwägung, dass nach den Angaben der UNAMI über Opferzahlen 2013 insgesamt 7 818 Zivilisten getötet und weitere 17 981 verletzt wurden, womit 2013 das Jahr ist, das seit 2008 am meisten Todesopfer gefordert hat; in der Erwägung, dass im Januar 2014 etwa 661 Zivilisten getötet und weitere 1 201 verletzt wurden; in der Erwägung, dass Bagdad stets die am stärksten betroffene Region war;

C.     in der Erwägung, dass die von der Krise in Syrien ausgehende Ausbreitung der Gewalt in diesem Jahr bereits einen neuen Höhepunkt erreicht hatte, als Kämpfer des Islamischen Staats im Irak und der Levante (ISIS) die Städte Ramadi und Falludscha sowie Teile der Provinz Anbar eroberten; in der Erwägung, dass auch Kämpfer aus dem Irak in der syrischen Krise auf beiden Seiten des Konflikts eine wichtige Rolle spielen; in der Erwägung, dass der Irak Berichten zufolge die Lieferung von Waffen und Vorräten aus dem Iran an das syrische Regime und die Hisbollah zulässt;

D.     in der Erwägung, dass nach den Angaben des UNHCR 222 759 Flüchtlinge aus Syrien im Irak leben, dass aber ihre tatsächliche Anzahl vermutlich höher ist;

E.     in der Erwägung, dass die irakische Staatsführung bei der Bekämpfung extremistischer Aufständischer häufig auf die in der Provinz Anbar ansässigen sunnitischen Stämme zurückgreift;

F.     in der Erwägung, dass mehr als 300 000 Menschen vor dem jüngsten Ausbruch der Gewalt in der Provinz Anbar geflohen sind;

G.     in der Erwägung, dass ein großer Teil der Bevölkerung nach wie vor ernsthaften sozialen und wirtschaftlichen Problemen wie weitverbreitete Armut, hohe Arbeitslosigkeit, wirtschaftliche Stagnation, Umweltzerstörung und fehlende grundlegende öffentliche Dienstleistungen gegenübersteht; in der Erwägung, dass die zahlreichen friedlichen Demonstrationen, bei denen mehr soziale, wirtschaftliche und politische Rechte gefordert wurden, nach wie vor von den Sicherheitskräften ganz systematisch gewaltsam unterdrückt werden und dass dies keine strafrechtliche Verfolgung der verantwortlichen Sicherheitskräfte nach sich zieht;

H.     in der Erwägung, dass die Presse- und Medienfreiheit wiederholt und zunehmend sowohl durch die Regierung als auch durch extremistische Gruppierungen verletzt wird; in der Erwägung, dass Journalisten und Nachrichtenorgane angegriffen oder zensiert werden und dass die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ von einer Nachrichtensperre in Bezug auf die Lage in der Provinz Anbar berichtet; in der Erwägung, dass der Irak im Bericht zur Pressefreiheit für das Jahr 2014 der Organisation Freedom House als „nicht frei“ eingestuft wurde;

I.      in der Erwägung, dass die irakische Verfassung allen Bürgerinnen und Bürgern Gleichheit vor dem Gesetz zusichert und ebenso die administrativen, politischen, kulturellen und bildungsbezogenen Rechte der verschiedenen Nationalitäten garantiert; in der Erwägung, dass die irakische Regierung die Verantwortung für das Wohlergehen und die Sicherheit der gesamten Bevölkerung trägt;

J.      in der Erwägung, dass die Maßnahmen der von Schiiten dominierten irakischen Regierung, wie etwa die gewaltsame Unterdrückung von Protesten der Sunniten, die religiösen Spannungen verstärkt und Teile der irakischen Bevölkerung gegen die Staatsführung aufgebracht haben;

K.     in der Erwägung, dass in dem Partnerschafts- und Kooperationsabkommen zwischen der EU und dem Irak und insbesondere in seiner Menschenrechtsklausel betont wird, dass sich der politische Dialog zwischen der EU und dem Irak auf Menschenrechte und den Ausbau demokratischer Institutionen konzentrieren sollte;

1.      verurteilt entschieden Terrorakte und die zunehmende religiös motivierte Gewalt, da dies die Gefahr birgt, dass das Land in immer stärkere religiöse Konflikte zurückfallen könnte und Anlass zu der Befürchtung besteht, dass diese sich auf die gesamte Region ausweiten könnten; weist darauf hin, dass die Gewalt zwar eher politisch als religiös motiviert ist, dass aber das Engagement extremistischer Gruppen wie ISIS die Krise zusätzlich verschärft hat;

2.      spricht den Familienangehörigen und Freunden der Toten und Verletzten sein Beileid aus;

3.      weist darauf hin, dass Terrorismusbekämpfung und Aufstandsbekämpfung nicht nur aus militärischen Maßnahmen bestehen, sondern einen umfassenden Ansatz verfolgen sollten, mit dem die Ursachen der Gewalt bekämpft werden, und außerdem Maßnahmen zur Förderung von Vertrauen, Sicherheit und einer integrativen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung beinhalten sollten;

4.      zeigt sich äußerst besorgt über die erneut aufflammende Instabilität und fordert alle politischen Führungskräfte des Irak ungeachtet ihres ethnischen oder religiösen Hintergrunds auf, zusammenzuarbeiten, um der religiös motivierten Gewalt und dem Misstrauen zwischen den Religionen ein Ende zu bereiten und die Einheit des irakischen Volkes zu fördern;

5.      fordert sowohl die irakische Regierung als auch die Regionalregierungen auf, Anschläge zu verurteilen und umgehend eine umfassende unabhängige und internationale Untersuchung der jüngsten Terroranschläge in der Region zu ermöglichen, und fordert die irakische Regierung auf, uneingeschränkt mit den Ermittlern zu kooperieren, damit die Verantwortlichen vor Gericht gestellt werden können;

6.      verleiht seiner Sorge über die von der Krise in Syrien ausgehende Ausbreitung der Gewalt in den Irak, wo dschihadistische Rebellen, die in Verbindung zu ISIS stehen, an Bedeutung gewonnen haben; fordert die irakische Regierung auf, alles in ihrer Macht stehende zu tun, um Kämpfer daran zu hindern, die syrische Grenze – in welche Richtung auch immer – zu überschreiten und um alle Waffenlieferungen aus dem Irak, ob über die irakische Grenze oder auf dem Luftweg, zu verhindern;

7.      äußert sich lobend darüber, dass die irakische Regierung eine große Zahl syrischer Flüchtlinge in ihrem Land aufgenommen hat; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, den Irak und seine Nachbarstaaten weiterhin bei der Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge zu unterstützen;

8.      fordert die politischen, religiösen und zivilen Führungskräfte sowie die Sicherheitskräfte eindringlich auf, jetzt zusammenzuarbeiten, um das Blutvergießen zu beenden, und dafür zu sorgen, dass die Sicherheit aller irakischen Bürger gleichermaßen tatsächlich gewährleistet ist;

9.      fordert die irakische Regierung und alle führenden Politiker auf, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um allen Menschen im Irak und insbesondere den Angehörigen der schutzbedürftigen Minderheiten Sicherheit und Schutz zu bieten; fordert die irakische Regierung auf, dafür Sorge zu tragen, dass die Sicherheitskräfte die Rechtsstaatlichkeit und die internationalen Normen beachten;

10.    fordert alle staatlichen und nichtstaatlichen Akteure auf, die Freiheit von Presse und Medien zu wahren und Journalisten und Nachrichtenorgane vor Gewalttaten zu schützen; weist darauf hin, dass eine freie Presse und freie Medien wesentliche Bestandteile einer funktionierenden Demokratie sind, da sie den Bürgern den Zugang zu Informationen ermöglichen und ihnen eine Kommunikationsplattform bieten;

11.    fordert die internationale Gemeinschaft und die EU auf, die irakische Regierung zu unterstützen und in diesem Zusammenhang Initiativen zur Förderung des nationalen Dialogs, zur Konsolidierung der Rechtsstaatlichkeit und zur Bereitstellung von Grundversorgungsdiensten mit dem Ziel zu fördern, einen sicheren, stabilen, vereinten, wohlhabenden und demokratischen Staat Irak zu schaffen, in dem die Menschenrechte und die politischen Rechte aller Menschen gewahrt sind;

12.    fordert die irakischen Behörden auf, dringend mehr Mittel für Programme zur Verbesserung der schwierigen Sicherheitslage bereitzustellen, da diese die Probleme der stärker schutzbedürftigen Bevölkerungsgruppen wie Frauen, Journalisten, Jugendliche und Menschenrechtsaktivisten, darunter auch Gewerkschaftler, verschärft hat;

13.    ermahnt zur Aufnahme eines religiösen Dialogs zwischen sunnitischen und schiitischen Geistlichen und hält einen solchen Dialog zur Konfliktlösung für notwendig; ist der Auffassung, dass die jüngsten Gespräche zwischen der E3+3 und dem Iran ebenfalls eine Gelegenheit für den Irak darstellen, als Vermittler aufzutreten, da der Irak eines der wenigen Länder ist, das mit beiden Parteien intensive Beziehungen unterhält; fordert die iranischen Führungskräfte auf, sich konstruktiv an einer Stabilisierung der Region zu beteiligen;

14.    beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung der Vizepräsidentin der Kommission/Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, dem Rat, der Kommission, dem EU-Sonderbeauftragten für Menschenrechte, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, der Regierung und dem Repräsentantenrat des Irak, der Regionalregierung von Kurdistan, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen und dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen zu übermitteln.