BERICHT über die Frauenmorde (Feminizide) in Mittelamerika und in Mexiko und die Rolle der Europäischen Union bei der Bekämpfung dieses Phänomens

20.9.2007 - (2007/2025(INI))

Ausschuss für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter
Berichterstatter: Raül Romeva i Rueda

Verfahren : 2007/2025(INI)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
A6-0338/2007
Eingereichte Texte :
A6-0338/2007
Angenommene Texte :

ENTWURF EINER ENTSCHLIESSUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS

über die Frauenmorde (Feminizide) in Mittelamerika und Mexiko und die Rolle der Europäischen Union bei der Bekämpfung dieses Phänomens

(2007/2025(INI))

Das Europäische Parlament,

–   unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948,

–   unter Hinweis auf die Internationalen Menschenrechtspakte von 1966,

–   unter Hinweis auf das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) von 1979 und das Fakultativprotokoll von 1999,

–   unter Hinweis auf die Interamerikanische Konvention über die Verhütung, Bestrafung und Abschaffung von Gewalt gegen Frauen (Konvention von Belém do Pará) von 1994,

–   unter Hinweis auf das Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe von 1984 und das Fakultativprotokoll von 2002,

–   unter Hinweis auf die Empfehlungen des Berichts „Das Verschwinden und die Ermordung einer großen Zahl von Frauen und junger Mädchen in Mexiko“, vorgelegt am 12. Mai 2005 von der Berichterstatterin des Lenkungsausschusses für die Gleichberechtigung von Frauen und Männern des Europarates, sowie auf die in der Antwort des Ministerkomitees des Europarats enthaltenen Empfehlungen, die mit dem Beschluss 939/2.4 des gleichen Jahres angenommen wurde,

–   unter Hinweis auf die Empfehlungen des Berichts „Integration der Menschenrechte der Frauen und die Gleichstellungsperspektive: Gewalt gegen Frauen“ über den Besuch der Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen, Yakin Ertürk, in Mexiko, vom Januar 2006,

–   unter Hinweis auf die Empfehlungen des Berichts „Die Integration der Menschenrechte der Frauen und das Gender Mainstreaming: Gewalt gegen Frauen“ über den Besuch der Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen, Yakin Ertürk, in Guatemala, vom Februar 2005,

–   unter Hinweis auf die Empfehlungen des Berichts „Die Lage der Menschenrechte der Frau in Ciudad Juárez, Mexiko: das Recht, nicht Gegenstand von Gewalt und Diskriminierung zu sein“, vorgelegt von der Interamerikanischen Menschenrechtskommission im März 2003,

–   unter Hinweis auf die Anhörung zum Thema Frauenmorde im Europäischen Parlament im April 2006, eine gemeinsame Veranstaltung seines Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter und seines Unterausschusses Menschenrechte,

–   unter Hinweis auf den dritten Lagebericht der mexikanischen Bundeskommission zur Verhütung und Beseitigung der Gewalt gegen Frauen in Ciudad Juárez,

–   unter Hinweis auf das Abkommen über wirtschaftliche Partnerschaft, politische Koordinierung und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und den Vereinigten Mexikanischen Staaten andererseits[1], das Abkommen über politischen Dialog und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Costa Rica, der Republik El Salvador, der Republik Guatemala, der Republik Honduras, der Republik Nikaragua und der Republik Panama andererseits[2] von 2003 (Ratifizierung ausstehend) und das Rahmenabkommen über die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und den Republiken Costa Rica, El Salvador, Guatemala, Honduras, Nikaragua und Panama[3],

–   unter Hinweis auf die Dokumente zur Regionalstrategie der Europäischen Union für die Länder Mittelamerikas und Mexiko in den Zeiträumen 2001–2006 und 2007–2013,

–   unter Hinweis auf Ziel 3 der Millenniums-Entwicklungsziele (MDG), das die Gleichstellung der Geschlechter und die Förderung eines größeren Einflusses der Frauen zum Gegenstand hat,

–   gestützt auf Artikel 45 seiner Geschäftsordnung,

–   in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter (A6-0338/2007),

A. in der Erwägung, dass der Begriff „Feminizid/Frauenmord“ auf der juristischen Definition der Gewalt gegen Frauen gemäß Artikel 1 der Konvention von Belem do Pará beruht: „jede gegen Frauen auf Grund ihrer Geschlechtszugehörigkeit gerichtete Gewalthandlung, durch die Frauen körperlicher, sexueller oder psychologischer Schaden oder Leid zugefügt bzw. ihr Tod herbeigeführt wird, gleichviel ob im öffentlichen oder im privaten Bereich,“ und dass seine Bestrafung und Abschaffung unbedingt notwendig ist und für jeden Rechtsstaat Vorrang genießen muss,

B.  in der Erwägung, dass die vorliegende Entschließung eine Aufforderung darstellt, die wenig zufrieden stellende Situation in einigen Staaten nachhaltig zu verbessern, und dass die in dieser Entschließung enthaltenen Feststellungen und Vorschläge keinesfalls eine Anklage oder Anklageschrift gegenüber Regierungen von uneingeschränkt souveränen Staaten, die als gleichberechtigte Partner in der internationalen Politik anerkannt sind, darstellen,

C. in der Erwägung, dass Gewalt gegen Frauen kein örtlich begrenztes Phänomen, sondern weltweit verbreitet ist und alle Staaten angeht, auch die in Europa, und dass dieser Bericht als Teil einer allgemeinen Strategie aufgefasst werden sollte und sein Ziel konkrete gemeinsame Anstrengungen und Aktionen der EU und ihrer Partnerländer zur Ausmerzung und Verhinderung der Todesfälle bei Frauen als Folge von Gewalt sind, wo immer diese auftreten mögen, sowie in der Erwägung, dass der Dialog, die Zusammenarbeit und der gegenseitige Erfahrungsaustausch zwischen den lateinamerikanischen und den europäischen Ländern auf diesem Gebiet unbedingt gefördert werden sollten,

D. in der Erwägung, dass die meisten Frauenmorde in Ciudad Juárez und in Guatemala außerordentlich brutal waren und viele Opfer sexueller Gewalt ausgesetzt waren, was an sich schon eine grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung darstellt; in der Erwägung, dass im Fall von Ciudad Juárez Faktoren wie Bevölkerungswachstum, Migrationsströme und die Präsenz organisierter Kriminalität zusammentreffen und dass ein hoher Prozentsatz dieser Morde in Gebieten begangen wurde, in denen die so genannten Maquila-Unternehmen tätig sind, wo es an den notwendigen Sicherheitsvorkehrungen zum Schutz der Frauen mangelt,

E.  in der Erwägung, dass ein hoher Prozentsatz der Morde in Gebieten begangen wurde, in denen die so genannten Maquila-Unternehmen tätig sind, und dass es notwendig ist, diese Gebiete mit den erforderlichen Infrastrukturen auszustatten, damit sich die Arbeitnehmerinnen sicherer bewegen können, wie dies auch im Bericht "Über die Gewalt gegen Frauen, ihre Gründe und Folgen" der Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen Yakin Ertürk verlangt wird,

F.  in der Erwägung, dass Mexiko seit 1999 einen Beobachterstatus beim Europarat hat und im Einklang mit diesem Status an den Sitzungen des Ministerkomitees und der diplomatischen Vertreter teilnimmt; in der Erwägung, dass Mexiko ebenfalls das Protokoll von Palermo des Europarats zur Bekämpfung des Menschenhandels ratifiziert hat,

G. in der Erwägung, dass sich die Frauenmorde nicht einfach durch ein „allgemeines Klima der Gewalt“ erklären lassen, sondern die Diskriminierung der Frau, die für sie ungünstigen sozioökonomischen Umstände vor Ort – zumal im Falle indigener Frauen –, die hohen Armutsraten, die wirtschaftliche Abhängigkeit der Frauen, die Banden sowie die nicht erfolgte Zerschlagung der illegalen Sicherheitstruppen und geheimen Sicherheitsapparate[4] berücksichtigt werden müssen,

H. in Erwägung der Entschließung 1454 (2005) der Parlamentarischen Versammlung des Europarats betreffend das Verschwinden und die Ermordung einer großen Zahl von Frauen und junger Mädchen in Mexiko, worin es heißt, dass beträchtliche Anstrengungen „mittlerweile von den mexikanischen Behörden auf allen Ebenen (...) unternommen [wurden], um das auseinander geratene soziale Gefüge in diesen Städten wieder in Ordnung zu bringen, Gewalt gegen Frauen (...) zu bekämpfen und die Ermordung und das Verschwinden von Frauen (...) zu untersuchen und sowohl die Verantwortlichen für diese Verbrechen ebenso wie jene, die zunächst die Untersuchungen behinderten und dem Lauf der Gerechtigkeit entgegenwirkten, vor Gericht zu bringen“,

I.   in der Erwägung, dass in dieser Angelegenheit Straffreiheit herrscht, dass also diejenigen, die solche Taten begangen haben, in der Praxis weder strafrechtlich noch administrativ, disziplinarrechtlich oder zivilrechtlich zur Verantwortung gezogen werden, dass Ermittlungen bzw. Verurteilungen umgangen werden, dass Haushaltsmittel knapp sind und die geschädigten Frauen und ihre Familienangehörigen häufig am Zugang zur Justiz gehindert werden,

J.   in der Erwägung, dass Mexiko das Statut des in Rom ansässigen Internationalen Strafgerichtshofs ratifiziert hat,

K. in der Erwägung, dass ein Rechtsstaat die Pflicht hat, geeignete Politiken zu fördern, damit Frauen insgesamt und insbesondere arme Frauen angemessen vor Diskriminierung, Gewalt und letzten Endes vor Frauenmorden geschützt werden, sowie das Bewusstsein der Angehörigen des öffentlichen Dienstes für die Schwere des Problems zu wecken,

L.  in der Erwägung, dass Mexiko ebenfalls gewählt wurde, um den Vorsitz im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen zu übernehmen,

M. in der Erwägung, dass der Kampf gegen Frauenmorde und gegen die Straflosigkeit die Verstärkung der Präventivmaßnahmen, die Beseitigung jeglicher rechtlicher Diskriminierung, die Möglichkeit der Strafanzeige und Schutzmaßnahmen für die Klägerinnen sowie die Stärkung des Gerichtswesens und der Strafverfahren (insbesondere im Kampf gegen das organisierte Verbrechen) von der gerichtlichen Ermittlung bis zur Vollstreckung der Urteile berücksichtigen muss,

N. in der Erwägung, dass in einigen Fällen der Wiederaufbau der Institutionen und in anderen ihre Stärkung von wesentlicher Bedeutung sind, um die geschlechtsspezifische Gewalt wirksam zu bekämpfen; in der Erwägung, dass beide angemessene personelle und finanzielle Mittel benötigen,

O. in Erwägung von Punkt 9 der Aktionsplattform der Vierten Weltfrauenkonferenz, die im Jahre 1995 in Peking stattfand, der auch einem auf allen internationalen Konferenzen des vorhergehenden Jahrzehnts bekräftigten grundlegenden Prinzip entspricht: „Die Umsetzung dieser Plattform, namentlich durch den Erlass einzelstaatlicher Rechtsvorschriften, die Ausarbeitung von Strategien, Politiken und Programmen und die Festlegung von Entwicklungsprioritäten, liegt in der souveränen Verantwortung eines jeden Staates, im Einklang mit allen Menschenrechten und Grundfreiheiten. Die Bedeutung der verschiedenen religiösen und ethischen Wertvorstellungen, Kulturtraditionen und philosophischen Überzeugungen der einzelnen Menschen und ihrer Gemeinwesen sowie deren volle Achtung sollten dazu beitragen, dass die Frauen ihre Menschenrechte im Hinblick auf die Herbeiführung von Gleichberechtigung, Entwicklung und Frieden uneingeschränkt wahrnehmen können“,

P.  in der Erwägung, dass die Folterung durch Staatsbedienstete als Mittel zur Erlangung von Geständnissen mutmaßlicher Frauenmörder keine hinnehmbare Methode ist,

Q. in der Erwägung, dass Mexiko sowie alle Länder Mittelamerikas die Allgemeine Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen unterzeichnet und ratifiziert haben,

R.  in der Erwägung, dass auch zwei niederländische Staatsangehörige Frauenmorden zum Opfer gefallen sind: Hester Van Nierop (ermordet 1998) und Brenda Susana Margaret Searle (2001)[5],

S.  in der Erwägung, dass auf die Problematik der Frauenmorde und der Straffreiheit für diejenigen, die Verbrechen an Frauen begangen haben, bereits seit mehr als 15 Jahren in Mexiko hingewiesen wird,

T.  in Erwägung der sich wiederholenden Gewalt in Ländern, in denen gesellschaftliche Stereotype Frauen zu den ersten Opfern der verschiedensten Formen dieser Gewalt machen,

U. unter Zustimmung zu den gesetzgeberischen Maßnahmen, die in Mexiko ergriffen worden sind, allen voran das Allgemeine Gesetz über den Zugang der Frauen zu einem gewaltfreien Leben vom Februar 2007, sowie zur Schaffung von Sondereinrichtungen auf Bundesebene und lokaler Ebene, wie der 2006 eingesetzten Sonderstaatsanwaltschaft für Gewaltverbrechen an Frauen oder auch der Kommission für Juárez und des Nationalen Fraueninstituts,

V. unter Anerkennung der legislativen Bemühungen bei der Anerkennung der Rechte der Frau in der Rechtsordnung, die in den mittelamerikanischen Ländern beobachtet wurden, jedoch besorgt angesichts der Schwierigkeiten und der Verzögerungen bei ihrer Durchführung,

W. unter Berücksichtigung der Interparlamentarischen Allianz für Dialog und Zusammenarbeit zwischen Abgeordneten Spaniens, Mexikos und Guatemalas, die zur Förderung von Gesetzesinitiativen zur Ausmerzung der Gewalt gegen Frauen gegründet wurde,

X. in der Erwägung, dass die Entwicklung und Konsolidierung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit und die Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten fester Bestandteil des auswärtigen Handelns der Europäischen Union sein sollten,

Y. in der Erwägung, dass die Demokratie- und Menschenrechtsklausel im Abkommen EU/Mexiko und im Abkommen über politischen Dialog und Zusammenarbeit rechtsverbindliche und gegenseitig verpflichtende Bedeutung hat,

Z.  in der Erwägung, dass die Europäische Union und ihre Partner bei der Unterzeichnung von Abkommen, die eine Menschenrechtsklausel enthalten, die Verantwortung dafür tragen, dass die internationalen Menschenrechtsübereinkünfte vom Unterzeichnungstage[6] an eingehalten werden und dass diese Klausel auf Gegenseitigkeit beruht,

1.  fordert die genauere Umsetzung der Empfehlungen aus den verschiedenen Berichten und internationalen Dokumenten zum Schutz der Menschenrechte, insbesondere im Hinblick auf die Menschenrechte der vorgenannten Frauen; anerkennt diesbezüglich die in Mexiko durch das Gesetz zur Gleichstellung von Frauen und Männern und das Bundesgesetz zur Prävention und Beseitigung von Diskriminierung erreichten gesetzgeberischen Fortschritte und ermuntert es, dieses Engaement fortzusetzen;

2.  fordert die Regierungen Mexikos und Mittelamerikas nachdrücklich auf, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die Millenniums-Entwicklungsziele der Vereinten Nationen zu erreichen;

3.  ersucht die nationalen Regierungen im Rahmen ihrer bilateralen Beziehungen zu den Ländern Lateinamerikas sowie die europäischen Institutionen im Rahmen der strategischen Partnerschaft, die Politiken zur Gewaltprävention und zum Schutz von Frauen gegen Gewalt, wie z.B. die Ausarbeitung bzw. den Ausbau von Sensibilisierungs- und Fortbildungsprogrammen im Bereich der Geschlechterproblematik, durch Kooperationsprogramme und mit finanziellen und technischen Mitteln zu unterstützen, die Mittel der mit den Mordermittlungen beauftragten Stellen aufzustocken, wirksame Systeme für den Schutz der Zeugen, der Opfer und ihrer Familienangehörigen zu schaffen, die Leistungsfähigkeit der Justiz- und Sicherheitsorgane und der Generalstaatsanwälte zu stärken, damit die Täter verfolgt und abgeurteilt werden können, sowie den Drogenhandel und das organisierte Verbrechen zu bekämpfen; fordert darüber hinaus die Förderung einer besseren Koordinierung zwischen den Institutionen auf allen Regierungsebenen;

4.  fordert die europäischen Institutionen auf, die Zusammenarbeit und den Dialog zwischen der Europäischen Union, den Mitgliedstaaten und den Ländern Mittelamerikas und Mexikos zu fördern, indem sie die Initiativen unterstützen, die auf allen Ebenen ergriffen werden, um die Gewalt gegen Frauen zu beseitigen und Maßnahmen für einen angemessenen Schutz für die Opfer und ihre Familienangehörigen auf den Weg zu bringen;

5.  fordert die Europäische Union auf, die institutionelle Koordinierung mit Mexiko und den Staaten Mittelamerikas durch die Unterstützung der Auflegung eines Austauschs- und Kooperationsprogramms zur Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt zu fördern und die Zusammenarbeit zwischen den staatlichen Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten und ihren Partnern voranzutreiben, um entsprechende Projekte, um sich gegenseitig zu helfen und voneinander zu lernen, durchzuführen;

6.  anerkennt den deutlichen Willen, die Straflosigkeit zu bekämpfen, die die im Kongress Guatemalas vertretenen politischen Parteien gezeigt haben, indem sie die Internationale Kommission gegen Straflosigkeit in Guatemala (CICIG) gebilligt haben; fordert die nächste gewählte Regierung dieses Landes auf, dieser Anstrengung Kontinuität zu verleihen, indem sie die notwendigen institutionellen Voraussetzungen schafft, damit diese Internationale Kommission ihr Mandat wahrnimmt, und appelliert an die internationale Gemeinschaft, für die Verwirklichung dieser gemeinsamen Anstrengung, die Straflosigkeit zu bekämpfen, Sorge zu tragen;

7.  fordert die Staaten Mittelamerikas auf, alle gebotenen Maßnahmen zur wirksamen Bekämpfung von Gewalt gegenüber Frauen zu ergreifen; dringt darauf, dass diese Maßnahmen die uneingeschränkte Achtung der Menschenrechte, so wie sie in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und in der Amerikanischen Erklärung der Rechte und Pflichten des Menschen definiert werden, wie z.B. das Recht auf unentgeltlichen Rechtsbeistand für die weiblichen Opfer und ihre Familienangehörigen, gewährleisten; ersucht die Bundesregierung Mexikos, die zu diesem Zweck von den aufeinander folgenden Regierungen eingeleiteten energischen Maßnahmen fortzusetzen;

8.  fordert die Staaten Mittelamerikas und Mexiko auf, jedwede Diskriminierung gegen Frauen in den nationalen Gesetzen zu streichen; anerkennt die Fortschritte, die in diesem Sinne in Mexiko mit der Annahme des Bundesgesetzes für die Vermeidung und Abschaffung der Diskriminierung und des allgemeinen Gesetzes für die Gleichstellung von Männern und Frauen erreicht worden sind, und ersucht die Behörden dieser Länder, Gesetzesinitiativen fördern, durch die Gewalt in der Familie und sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz in allen Bereichen des öffentlichen Lebens als schwere Straftaten eingestuft werden, und politische Maßnahmen und Vorschriften zur Bekämpfung der Straffreiheit und zur Förderung der Gleichstellung der Geschlechter auszuarbeiten, wobei sie sich auf die Schlussfolgerungen und Empfehlungen der Akteure der Zivilgesellschaft, die sich für die Opfer von Feminiziden einsetzen, stützen sollen;

9.  fordert die Regierungen Mittelamerikas und Mexikos auf, die Tätigkeit der NRO und Organisationen, die die Opfer von Feminiziden unterstützen, zu achten und zu erleichtern, die Familienangehörigen der Opfer und die Menschenrechtler und Menschenrechtlerinnen durch die Schaffung eines wirksamen Schutzsystems für die Zeugen und die Förderung von Wiedergutmachungsverfahren für die Angehörigen der Opfer, durch die diese nicht nur eine finanzielle Entschädigung, sondern auch psychologische Hilfe erhalten und ihnen der Zugang zu den Gerichten gewährt wird, zu respektieren, in einen Dialog mit ihnen einzutreten und ihre wichtige Rolle in der Gesellschaft anzuerkennen;

10. fordert die Staaten auf, in der jeweiligen nationalen Gesetzgebung und auf jeder Regierungsebene die Arbeitsrechte der Frauen zu gewährleisten sowie die Unternehmen dahingehend zu kontrollieren, dass diese ihrer unternehmerischen und sozialen Verantwortung (Corporate Social Responsability – CSR) gerecht werden und auf die Unversehrtheit, die Sicherheit, das körperliche und geistige Wohlergehen sowie die Arbeitsrechte ihrer Arbeitnehmerinnen achten;

11. fordert die Regierungen von Belize, Honduras und Nikaragua auf, das Fakultativprotokoll zum Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau zu ratifizieren;

12. bittet die Kommission, im Rahmen der bestehenden und der in Verhandlung befindlichen Abkommen die Einbeziehung einer gegenseitigen Verpflichtung zur Einführung von Mechanismen zur Einfügung der Menschenrechts- und Demokratieklausel zu schaffen, deren juristische Formulierung auf den internationalen Verträgen, die von den EU-Mitgliedstaaten, Mexiko und den Staaten Mittelamerikas unterzeichnet wurden, beruhen muss, unter besonderer Beachtung der Frauenrechte und der Gleichstellung der Geschlechter entsprechend dem Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau und seines Fakultativprotokolls sowie der Amerikanischen Erklärung der Rechte und Pflichten des Menschen;

13. ersucht die Europäische Union, in ihrer Zusammenarbeit mit Mexiko und Mittelamerika der Umstrukturierung und Stärkung des Gerichts- und Gefängniswesens in der Region durch die Förderung des Austauschs bewährter Praktiken und die Einführung von Sensibilisierungskampagnen und Verfahren zum Schutz der Opfer, Zeugen und Familienangehörigen, insbesondere im Fall einer Strafanzeige wegen Feminizid, Vorrang einzuräumen; ist der Ansicht, dass diese Zusammenarbeit auch andere Akteure, wie das Internationale Arbeitsamt und insbesonder die OECD-Kontaktstelle in Mexiko, beteiligt werden sollten und die Ausarbeitung von Programmen und Verfahren auf höchster Ebene angestrebt werden sollte, durch die Sicherheit, angemessene Arbeitsbedingungen und gleiches Entgelt für die Frauen gewährleistet werden können;

14. fordert die Kommission auf, einen methodischen Vorschlag zu unterbreiten, der u.a. in der gemeinsamen parlamentarischen Versammlung EUROLAT und auf dem EUROLAT-Gipfel im Juli 2008 in Lima im Hinblick darauf erörtert werden soll, wie die verschiedenen europäischen Initiativen zur Bekämpfung der Frauenmorde und ihrer Straflosigkeit in Zusammenarbeit mit den lokalen Institutionen und Organisationen koordiniert werden können, und ihr Personal über Gleichstellungsfragen und insbesondere über Gewalt gegen Frauen aufzuklären; fordert ferner, dass diese Initiativen im zuständigen Ausschuss für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter unter Hinzuziehung seiner Delegation für die Länder Mittelamerikas und des Gemischten Parlamentarischen Ausschusses EU-Mexiko regelmäßig vorgestellt und diskutiert werden;

15. fordert die Delegation der Kommission in Mexiko auf, möglichst bald ein neues Menschenrechtsprogramm aufzulegen, das der in den letzten Jahren geleisteten Menschenrechtsarbeit Kontinuität verleiht und das drei vorrangige Schwerpunkte hat: a) die Angleichung der mexikanischen Rechtsvorschriften an die im Bereich der Menschenrechte eingegangenen internationalen Verpflichtungen, z.B. die Umsetzung des Protokolls von Istanbul (Fakultativprotokoll zum Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung), b) die Beseitigung der geschlechtsspezifischen Gewalt und c) die Reform des Gerichtswesens;

16. fordert die Kommission auf, die Menschenrechtsprogramme in Mexiko und Mittelamerika in eine von der Haushaltslinie für die bilaterale Zusammenarbeit unabhängie Haushaltslinie einzustellen, damit die bereitgestellten knappen Finanzmittel nicht geschmälert werden;

17. fordert die Europäische Union auf, dafür Sorge zu tragen, dass in den politischen Dialog mit Mexiko und den Regierungen der mittelamerikanischen Staaten, auch in den Dialog mit der Zivilgesellschaft, das Thema Gewalt gegen Frauen und insbesondere die Frauenmorde und der Zugang der Familien der Opfer und der Unterstützerorganisationen zur Justiz einbezogen werden;

18. ist erfreut über die Bemühungen um die Gleichstellung der Geschlechter und fordert die entsprechenden Gemeinschaftseinrichtungen nachdrücklich auf, zur Einführung eines ständigen Dialogs und Austauschs positiver Erfahrungen in diesem Bereich beizutragen; ersucht jedoch die Kommission, die in den Länderstrategiepapieren für den Zeitraum 2007-2013 den Frauenmorden, der Gewalt gegen Frauen und der Diskriminierung von Frauen gewidmete Aufmerksamkeit zu verstärken und einen Aktionsplan vorzuschlagen;

19. ersucht die Mitgliedstaaten, die im Bereich der Nichtdiskriminierung zwischen Frauen und Männern unternommenen Vorstöße zu unterstützen und ihren Beitrag zur Schaffung eines strukturierten Dialogs mit Blick auf den Austausch bewährter Verfahren in diesem Bereich zu leisten;

20. bittet darum, im Rahmen der Verhandlungen über das Assoziierungsabkommen mit den Ländern Mittelamerikas die Nachhaltigkeitsprüfung (NHP) möglichst rasch um eine Gleichstellungsstudie (EIG) zu erweitern und deren Ergebnisse während der Verhandlungen zu berücksichtigen;

21. bittet die Kommission, über entsprechende Fortschritte bei der Aushandlung des Assoziierungsabkommens Mittelamerika-EU vor Abschluss des Abkommens, auf jeden Fall aber vor dem Gipfeltreffen Lateinamerika/Karibik-Europäische Union im Mai 2008 in Lima Auskunft zu geben;

22. fordert die Vertretungen der Europäischen Union und die Botschaften der Mitgliedstaaten auf, einen Runden Tisch zum Thema geschlechtsspezifische Gewalt in ihren verschiedenen Erscheinungsformen und insbesondere zu den Frauenmorden im weltweiten Zusammenhang und zur Straflosigkeit auszurichten, an dem die verschiedenen Netzwerke und parlamentarischen Initiativen, Forschungszentren, Menschenrechts- und Gleichstellungsorganisationen sowie Familienangehörige der Opfer teilnehmen;

23. ersucht den Gemischten Parlamentarischen Ausschuss EU-Mexiko und seine Delegation für die Beziehungen zu den Ländern Mittelamerikas, bei Besuchen der jeweiligen parlamentarischen Delegationen sowie bei Besuchen der mexikanischen und mittelamerikanischen parlamentarischen Delegationen in Europa den Punkt „Geschlechtsspezifische Gewalt, Frauenmorde und Straflosigkeit in Mexiko, in Mittelamerika sowie in Europa“ automatisch in ihr Programm aufzunehmen, um die Lage der Menschenrechte systematisch zu verfolgen, so wie dies die von der Konferenz der Delegationsvorsitzenden des Europäischen Parlaments im Jahre 2006 angenommenen Standards vorsehen;

24. schlägt die Veranstaltung einer gemeinsamen Anhörung seines zuständigen Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter, seines Unterausschusses Menschenrechte und der einschlägigen Delegationen vor dem 2008 in Lima geplanten Gipfeltreffen EU-LAC vor, um Bilanz aus den ergriffenen Maßnahmen, einschließlich der Erfahrungen der in diesem Bereich geschaffenenen Einrichtungen, im Rahmen der Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen sowohl in der Europäischen Union als auch in Lateinamerika zu ziehen;

25. verlangt, dass alle Fälle von Opfern, die Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union sind, in diese Bilanz aufgenommen werden;

26. fordert aus all diesen Gründen den Rat und die künftigen Präsidentschaften der Europäischen Union auf, Leitlinien zu den Rechten der Frau zu verabschieden, die einen unschätzbaren Beitrag zur Festigung der Kohärenz und Bestandskraft der Menschenrechtspolitik der Europäischen Union darstellen würden;

27. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission und den Mitgliedstaaten sowie dem Europarat und den Regierungen Mexikos und der mittelamerikanischen Länder zu übermitteln.

  • [1]  ABl. L 276 vom 28.10.2000, S.44.
  • [2]  ABl. C 103 E vom 29.4.2004, S. 543.
  • [3]  ABl. L 63 vom 12.3.1999, S.39.
  • [4]  Terminologie der Vereinten Nationen. Siehe „Abkommen zwischen der Organisation der Vereinten Nationen und der Regierung Guatemalas über die Einsetzung einer Internationalen Kommission gegen Straflosigkeit in Guatemala (CICIG)“ vom November 2006.
  • [5]  Im Fall Brenda Searle dauerte das Strafverfahren gegen die Täter fünf Jahre und ging erst 2007 zu Ende.
  • [6]  Erwägungsgründe W, X und Y - Auszüge aus der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 14. Februar 2006 zu der Menschenrechts- und Demokratieklausel in Abkommen der Europäischen Union (ABl. C 290 E vom 29.11.2006, S. 107)

BEGRÜNDUNG

Im April 2006 fand im Europäischen Parlament die Anhörung über Frauenmorde in Mexiko und Mittelamerika „Keine einzige weitere Tote“ statt, die vom Ausschuss für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter und dem Unterausschuss Menschenrechte ausgerichtet wurde.

Teilnehmer der Anhörung waren Abgeordnete des Europäischen Parlaments, Vertreter der Regierungen Mexikos und Guatemalas, die Berichterstatterin der Vereinten Nationen Yakin Ertük, die Berichterstatterin des Europarates Gaby Vermot-Mangold und Sachverständige aus der organisierten Zivilgesellschaft.

Die vorliegende Textfassung ist Ergebnis der Arbeit während und nach der Anhörung. Außerdem wurde eine Datenbank zur Verbreitung dringender Mitteilungen und zur Bündelung der Aktivitäten eingerichtet.

Dieser Bericht ist Teil der allgemeinen Strategie des Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter zur weltweiten Abschaffung der Gewalt gegen Frauen. Mexiko und die mittelamerikanischen Länder sind nicht die einzigen Staaten, in denen Frauenmorde vorkommen; Ziel dieses Berichts sind gemeinsame Aktionen und Maßnahmen zur Ausmerzung des gewaltsamen Todes von Frauen und zur Vorbeugung dagegen.

Der Begriff Feminizid/Frauenmord beruht auf der juristischen Definition der Gewalt gegen Frauen gemäß Artikel 1 der Konvention von Belem do Pará: „Gewalt gegen Frauen ist jede gegen Frauen auf Grund ihrer Geschlechtszugehörigkeit gerichtete Gewalthandlung, durch die Frauen körperlicher, sexueller oder psychologischer Schaden oder Leid zugefügt bzw. ihr Tod herbeigeführt wird, gleichviel ob im öffentlichen oder im privaten Bereich".

Das Phänomen des „Feminizids“ als solches wurde zum ersten Mal in Mexiko definiert als „sämtliche Verbrechen gegen die Menschlichkei in Verbindung mit Straftaten gegen Frauen und Mädchen, Entführungen und dem Verschwinden von Frauen und Mädchen vor dem Hintergrund des Zusammenbruchs der Institutionen. Dabei handelt es sich um ein Versagen des Rechtsstaates, das Straflosigkeit begünstigt. Der Feminizid ist ein Staatsverbrechen.“[1] Zu Frauenmorden kommt es in einem sozialen Umfeld, das von patriarchalischen Denk- und Verhaltensweisen geprägt ist, in dem die Hauptlast der Hausarbeit und der Fortpflanzung auf der Frau lastet, was ihre soziale Selbständigkeit verhindert. Hinzu kommen Unsicherheit, Ungleichheit, Armut und die wirtschaftliche Modernisierung mittels Maquila-Betrieben.

In Mittelamerika und Mexiko haben die gewaltsamen Todesfälle in den letzten Jahren beträchtlich zugenommen. Dank der gestiegenen öffentlichen Aufmerksamkeit und des besseren organisatorischen Hintergrunds für Anzeigen solcher Fälle durch Familienangehörige und Freunde der Opfer wird dieses Phänomen immer stärker sichtbar, auch wenn seine Bekämpfung noch nicht zufriedenstellend vorangekommen ist.

Nach offiziellen Angaben aus Mexiko wurden von 1999 bis 2006 im Land 6000 Frauen und Mädchen ermordet und fielen allein im Jahre 2004 1205 Mädchen Morden zum Opfer;[2] wurden in Guatemala von 2001 bis August 2004 1188 Frauen ermordet; gab es 2001 in El Salvador 2374 Mordfälle, die 2004 auf 2933 anstiegen; sind in Honduras von 2002 bis 2005 442 Frauen, Jugendliche und Mädchen gewaltsam zu Tode gekommen und fielen in Nikaragua zwischen 2003 und 2005 203 Frauen Mord- und Tötungsdelikten zum Opfer.[3]

Die Staaten haben inzwischen rechtliche Maßnahmen zur Lösung des Problems eingeleitet, doch ist es nicht gelungen, gegen die Ursachen der Frauenmorde ausreichend vorzugehen. Daher gibt es nur wenige vorbeugende Maßnahmen, sind die Ermittlungen weiterhin unzulänglich und wurden die meisten Straftäter strafrechtlich nicht verfolgt.

Charakteristisch sind die Fälle der beiden in Mexiko ermordeten Europäerinnen: Hester Van Nierop[4] 1998 in Ciudad Juárez und Brenda Susana Margaret Searle 2001 in Chichen Itzá Yucatán. Die Nichtaufklärung des Mordes an Hester Van Nierop und das endlose Strafverfahren gegen die Mörder von Brenda machen erhebliche Unzulänglichkeiten im Justizapparat deutlich.[5]

Der allgemeine Hintergrund, vor dem es zu Frauenmorden kommt, weist folgende Merkmale auf[6]:

Soziale Ungleichheit: In Mexiko und Mittelamerika[7] herrscht sehr starke wirtschaftliche Ungleichheit in der Gesellschaft, die Frauen sind von den Männern wirtschaftlich abhängig.

Patriarchalische Mentalität: Die Gesellschaftsstruktur in Mexiko und in Mittelamerika basiert auf einer patriarchalischen Mentalität, für die Gewalt gegen Frauen völlig normal ist. Das Patriarchat sieht nicht nur die Gewalt gegen Frauen als etwas Normales an, sondern bewirkt auch eine enorme Aufspaltung des Arbeitmarktes und erschwert die Anerkennung politischer Leistungen von Frauen.

Wirtschaftliche Modernisierung seit den 1990er-Jahren und Zuwachs der Maquila-Unternehmen (Montagebetriebe), von denen viele mit europäischem Kapital gegründet wurden: Die Arbeitskräfte in diesen Unternehmen sind weitgehend und oft auch mehrheitlich Frauen, und zwar sehr junge Frauen. Es gibt unzählige Meldungen über die schlimmen Arbeitsbedingungen, das Fehlen fester Arbeitsverträge, die herabwürdigenden Bedingungen und die gefahrvollen und unsicheren Möglichkeiten, in Anbetracht einer mangelhaften öffentlichen Infrastruktur zum Arbeitsplatz zu gelangen. Die Nichteinhaltung der Rechte der Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz und damit die Missachtung ihrer Menschenrechte erhärtet das Bild von der Frau als einem minderwertigem, ja wertlosem Wesen[8].

Unzulänglicher Rechtsstaat: Es gibt augenfällige Hinweise darauf, dass es den Staaten nicht gelingt, einen effizienten Justizapparat und den Zugang zur Justiz zu gewährleisten, und dass sie ihren Bürgern weder Sicherheit noch den Genuss der Menschenrechte garantieren können.

Straflosigkeit: Straflosigkeit ist das Ergebnis der Bestechlichkeit und Ineffizienz der Justizorgane; sie geht mit Komplizenschaft mit den Schuldigen und deren (direktem oder indirektem) Schutz einher. Sie liefert Anreize zu weiteren Verbrechen, das lässt ein Klima der kollektiven Unsicherheit entstehen. Die speziell gegen Frauen begangenen Verbrechen gehen gewöhnlich häufiger straffrei aus als andere Straftaten. Darauf wurde vom UNO-Generalsekretär in der anlässlich der Feier zum 8. März 2007 aufgelegten Kampagne zur Abschaffung der Gewalt gegen Frauen hingewiesen.

Soziale Gewalt: Es gibt immer mehr kriminelle Banden in Mexiko. Darüber hinaus existieren illegale Sicherheitstruppen und geheime Sicherheitsapparate[9], die auf die bewaffneten Konflikte Mittelamerikas zurückgehen.

Ineffektive Struktur der Institutionen: Die Länder Mittelamerikas leiden noch immer unter den Folgen der bewaffneten Konflikte in der Region. Ihre Rechts- und Strafverfolgungssysteme sind zu schwach, um Menschenrechtsverletzungen zu verhindern.

Stigmatisierung der Opfer durch die Behörden: Zahlreiche Anzeigen gingen gegen Polizei- und Justizbeamte ein, weil von ihnen Personen wegen ihrer Art, sich zu kleiden, wegen ihrer Arbeitsverhältnisse oder persönlichen Umstände verunglimpft wurden. Dies dient dem Zweck, sie zu erniedrigen, die Vorkommnisse als Einzelfälle hinzustellen und von dem abzulenken, was wirklich wichtig ist: der Sicherheit und dem Recht der ermordeten Frauen und Mädchen auf Leben und auf Würde. In Mittelamerika neigt man dazu, die Jugendbanden („Maras“) oder die Prostitution für die Frauenmorde verantwortlich zu machen, womit das Problem verharmlost wird.

Gewalt und Mord: Die Morde sind durch Hass und Frauenverachtung gekennzeichnet. Die Frauen werden entführt, sexuell missbraucht, gefoltert, ermordet, verstümmelt und in der Wüste, am Rande von Landstraßen, in den Märkten oder auf Brachflächen ausgesetzt.

Mangel an Finanzmitteln für die zur Bekämpfung des Problems der Frauenmorde geschaffenen Einrichtungen: Das Haupthindernis für die Arbeit der von den Staaten geschaffenen Einrichtungen ist der Mangel an Finanzmitteln und Humanressourcen.[10]

Schwächen in der jeweiligen nationalen Gesetzgebung und bei der Ratifizierung internationaler Dokumente: In Mexiko und Mittelamerika gibt es Gesetze und nationale Pläne zur Verhinderung und Ausmerzung der Gewalt gegen Frauen, den Kampf gegen Frauenmorde eingeschlossen, doch werden die meisten von ihnen aus unterschiedlichen Gründen nicht wirksam umgesetzt, beispielsweise wegen fehlender Finanzmittel und Humanressourcen[11]. Von Nikaragua wurde zum Beispiel das Fakultativprotokoll des CEDAW[12] nicht ratifiziert, in dem Beschwerdemöglichkeiten bei Menschenrechtsverletzungen festgeschrieben werden und dem Ausschuss das Recht eingeräumt wird, Untersuchungen zu schwerwiegenden Verstößen gegen die Rechte der Frau einzuleiten.

Nach Auffassung des Berichterstatters zwingen der Charakter der Beziehungen zwischen der EU und Mexiko bzw. Mittelamerika und die Verpflichtung aller Beteiligten zur uneingeschränkten Achtung der Menschenrechte die Europäische Union zum Handeln und verpflichten sie, ihre volle Unterstützung anzubieten, damit Frauenmorde nicht straffrei bleiben, sowie alle ihr zu Gebote stehenden Mittel einzusetzen, von Präventivprogrammen bis hin zur Unterstützung der Wiederherstellung und Stärkung der Institutionen.

Die Abkommen zwischen den Partnern bieten eine ausreichende Handlungsgrundlage. Die (Wieder)Herstellung des Rechtsstaates, in dem der Justizapparat so umgestaltet wird, dass er ohne Korruption funktioniert und allen Bürgern und Bürgerinnen Zugang bietet, muss in der Zusammenarbeit und im Politischen Dialog für die Europäische Union an erster Stelle stehen.

Dieses Ziel muss auch wegweisend für die dritte Säule der Beziehungen sein: für den Handel, insbesondere wenn dabei Firmen mit europäischem Kapital beteiligt sind. Die Rede ist von der CSR (Corporate Social Responsibility), und diese unternehmerische Verantwortung beinhaltet Gleichstellungsfragen wie eine angemessene und gleiche Entlohnung, den Schutz der Arbeitnehmerinnen gegen Diskriminierung am Arbeitsplatz aus Gründen des Geschlechts und schließlich Fragen ihrer Sicherheit auf dem Weg zum Arbeitsplatz.

Konkret wird der Europäischen Union vorgeschlagen:

— in den Vertretungen der EU in den genannten Ländern in Gleichstellungsfragen geschultes Personal einzusetzen;

— konkrete Verantwortlichkeiten zuzuweisen, etwa durch Einführung der Funktion eines Koordinators/einer Koordinatorin für Gleichstellungsfragen und Frauenmorde; Berichte über die Fortschritte und Probleme zu diesem Sachverhalt zu verfassen und an Kommission, Rat und Parlament zu übermitteln;

— in die Tagesordnung der verschiedenen Ebenen des politischen Dialogs, beispielsweise im Gemischten Ausschuss und im Gemeinsamen Ausschuss, zwingend das Thema Frauenmorde und Straflosigkeit aufzunehmen;

— einen ständigen Runden Tisch zu Frauenmorden einzurichten, im Falle Mexikos in Zusammenarbeit mit der OECD, speziell mit der Nationalen Kontaktstelle der OECD, die sich für die Einhaltung der Leitlinien für multinationale Unternehmen stark macht;

— die „Länderstrategiepapiere 2007—2013" müssen spätestens anlässlich der dreijährlichen Überprüfung den Kampf gegen Frauenmorde und Straflosigkeit zum Thema machen;

— bei der Verhandlung über das Assoziierungsabkommen mit Mittelamerika verdient das Thema einen herausragenden Platz;

— auch sollte es in die „inbuilt agenda" des Assoziierungsabkommens mit Mexiko aufgenommen werden, insbesondere in das damit verbundene Investitionsabkommen.

Die Rolle des Europäischen Parlaments in Bezug auf die Frauenmorde und die Straflosigkeit in Mexiko und Mittelamerika besteht vor allem darin, die Beiträge der Kommission und der Mitgliedstaaten zur Ausmerzung des Problems in der Region zu überwachen. Deshalb ist es wichtig, vor dem nächsten Gipfeltreffen EU-Lateinamerika im Mai 2008 in Lima eine Konferenz zum Thema Frauenmorde zu veranstalten, an der alle genannten Einrichtungen und Verantwortlichen teilnehmen, damit Bilanz gezogen und aus den Schlussfolgerungen eine Strategie für die Zukunft abgeleitet wird.

  • [1]  Violencia feminicida en la República Mexicana. Cámara de Diputados del H. Congreso de la Unión. LIX Legislatura. Comisión Especial para conocer y dar Seguimiento a las Investigaciones Relacionadas con los Feminicidios en la república Mexicana y a la Procuración de Justicia Vinculada. México 2006.
  • [2]  Die Gesamtzahl beinhaltet gewaltsame Todesfälle, Todesfälle aus verschiedenen Gründen wie Verkehrsunfälle, Brände, innerfamiliäre Gewalt und Frauenmorde. Vgl. Bericht der Sonderkommission der Abgeordnetenkammer zu Frauenmorden in der 59. Legislaturperiode sowie Lageberichte der Kommission zur Verhütung und Beseitigung von Gewalt gegen Frauen in Ciudad Juaréz.
  • [3]  Angaben der Nationalpolizei, siehe Bericht CLADEM 2007.
  • [4]  Der Fall ist noch ungesühnt.
  • [5]  Der Prozess gegen die Mörder von Brenda Searle endete erst 2007 mit einer Verurteilung.
  • [6]  Nicht zu vergessen die örtlichen Gegebenheiten; beispielsweise ist Ciudad Juarez eine Stadt an der Grenze zu den USA und damit ein Drogenumschlagspunkt, und sie wächst immer schneller, ohne dass etwa die entsprechenden Dienstleistungen vorgehalten werden.
  • [7]  Zum Bespiel leben in Honduras, dem drittärmsten Land Lateinamerikas, 80 % der Bevölkerung in Armut; in Nikaragua fristen 50 % der Einwohner ein Leben unterhalb der Armutsgrenze.
  • [8]  El feminicidio en la industria Maquiladora, Francesca Gargallo FIDH.
  • [9]  Terminologie der Vereinten Nationen. Siehe Abkommen zwischen der Organisation der Vereinten Nationen und der Regierung Guatemalas über die Einsetzung einer Internationalen Kommission gegen Straflosigkeit in Guatemala (CICIG) vom November 2006.
  • [10]  So verhält es sich beim Nationalen Plan zur Verhinderung und Ausmerzung häuslicher Gewalt gegen Frauen, PLANOVI, in Guatemala.
  • [11]  Siehe Anhänge zur jeweiligen nationalen Gesetzgebung.
  • [12]  Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW).

VERFAHREN

Titel

Frauenmorde (Feminizide) in Mittelamerika und in Mexiko und die Rolle der Europäischen Union bei der Bekämpfung dieses Phänomens

Verfahrensnummer

2007/2025(INI)

Federführender Ausschuss
  Datum der Bekanntgabe der Genehmigung im Plenum

FEMM
15.2.2007

Mitberatende(r) Ausschuss/Ausschüsse
  Datum der Bekanntgabe im Plenum



 

 

 

Nicht abgegebene Stellungnahme(n)
  Datum des Beschlusses


 

 

 

 

Verstärkte Zusammenarbeit
  Datum der Bekanntgabe im Plenum


0.0.0000

 

 

 

 

Berichterstatter(in/innen)
  Datum der Benennung

Raül Romeva i Rueda
10.9.2007

 

Ersetzte(r) Berichterstatter(in/innen)

 

 

Prüfung im Ausschuss

25.6.2007

11.9.2007

 

 

 

Datum der Annahme

11.9.2007

Ergebnis der Schlussabstimmung

+:

–:

0:

31

0

1

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Mitglieder

Edit Bauer, Emine Bozkurt, Hiltrud Breyer, Edite Estrela, Ilda Figueiredo, Věra Flasarová, Lissy Gröner, Zita Gurmai, Esther Herranz García, Lívia Járóka, Urszula Krupa, Esther De Lange, Marie Panayotopoulos-Cassiotou, Zita Pleštinská, Karin Resetarits, Teresa Riera Madurell, Raül Romeva i Rueda, Amalia Sartori, Eva-Britt Svensson, Konrad Szymański, Britta Thomsen, Anne Van Lancker, Anna Záborská

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende(r) Stellvertreter(in/innen)

Gabriela Creţu, Anna Hedh, Christa Klaß, Marusya Ivanova Lyubcheva, Maria Petre, Zuzana Roithová

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende(r) Stellv. (Art. 178 Abs. 2)

Luis de Grandes Pascual, José Javier Pomés Ruiz, José Ignacio Salafranca Sánchez-Neyra

Datum der Einreichung

20.9.2007

Anmerkungen (Angaben nur in einer Sprache verfügbar)

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