BERICHT über die Aufnahme einseitiger Erklärungen in die Protokolle der Tagungen des Rates

14.7.2011 - (2011/2090(INI))

Ausschuss für konstitutionelle Fragen
Berichterstatter: Rafał Trzaskowski

Verfahren : 2011/2090(INI)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
A7-0269/2011
Eingereichte Texte :
A7-0269/2011
Aussprachen :
Angenommene Texte :

ENTWURF EINER ENTSCHLIESSUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS

zu der Aufnahme einseitiger Erklärungen in die Protokolle der Tagungen des Rates

(2011/2090(INI))

Das Europäische Parlament,

–   unter Hinweis auf das Schreiben des Vorsitzenden der Konferenz der Ausschussvorsitzen vom 8. Dezember 2009 an den Vorsitzenden seines Ausschusses für konstitutionelle Fragen,

–   unter Hinweis auf die Interinstitutionelle Vereinbarung vom 22. Dezember 1998 über gemeinsame Leitlinien für die redaktionelle Qualität der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften[1],

–   unter Hinweis auf die Antworten des Rates und der Kommission auf die Anfragen zur schriftlichen Beantwortung P-3977/2010 und E-3981/2010,

–   gestützt auf Artikel 48 seiner Geschäftsordnung,

–   in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für konstitutionelle Fragen (A7-0269/2011),

A. in der Erwägung, dass dem Gerichtshof eindeutig die ausschließliche Zuständigkeit obliegt, über die Auslegung des Unionsrechts, d. h. des Primärrechts sowie auch des abgeleiteten Rechts, zu entscheiden;

B.  in der Erwägung, dass der Gerichtshof wiederholt bestätigt hat, dass Erklärungen keine Rechtskraft besitzen;

C. in der Erwägung, dass der Rat das Parlament während des Gesetzgebungsverfahrens in allen Einzelheiten über die Gründe unterrichten muss, aus denen er seinen Standpunkt festlegt[2];

D. in der Erwägung, dass die Organe im Rahmen des Vertrags verpflichtet sind, loyal zusammenzuarbeiten[3];

E.  in der Erwägung, dass einseitige Erklärungen der Mitgliedstaaten oder des Rates den Rechtsetzungsbefugnissen des Parlaments abträglich sein könnten und dass durch sie die Qualität der Rechtsvorschriften der Union beeinträchtigt sowie der Grundsatz der Rechtssicherheit gefährdet wird;

F.  in der Erwägung, dass dem Ergebnis der Verhandlungen zwischen den beiden Teilen der Rechtsetzungsinstanz durch die Aufnahme von Erklärungen in die Protokolle der Tagungen des Rates oder des Vermittlungsausschusses auf keiner Ebene des Rechtsetzungsverfahrens vorgegriffen werden kann;

1.  bekräftigt, dass Stellungnahmen und Erklärungen, die nicht Teil eines Rechtstexts sind, zu diesem jedoch in Bezug stehen, keine Rechtskraft entfalten und die Kohärenz des Unionsrechts und seine eindeutige Auslegung ungeachtet der Tatsache beeinträchtigen können, ob sie von einem Mitgliedstaat oder mehreren Mitgliedstaaten veröffentlicht werden;

2.  besteht darauf, dass einseitige Erklärungen der Pflicht aller Staaten, im Interesse einer unionsweit effizienten und transparenten Anwendung von Rechtsvorschriften regelmäßig Entsprechungstabellen zu veröffentlichen, in denen die Mittel und Wege zur Umsetzung von EU-Recht in nationales Recht festgelegt sind, keinen Abbruch tun und diese nicht relativieren dürfen;

3.  fordert, dass alle Erklärungen dem Parlament bekannt gegeben und dass Erklärungen der Mitgliedstaaten nicht in der Reihe L des Amtsblatts der Europäischen Union veröffentlicht werden;

4.  fordert den Rat auf, die Protokolle des Teils seiner Tagungen, der die Rechtsetzung betrifft, dem Parlament, den nationalen Parlamenten und den Regierungen der Mitgliedstaaten zu übermitteln;

5.  behält sich das Recht vor, sich aller rechtlichen Mittel zu bedienen, falls einseitige Erklärungen mit dem Vorsatz verfasst werden, Rechtswirkungen zu erzeugen;

6.  fordert den Rat und die Kommission auf, sich mit dem Parlament auf der Grundlage des Artikels 295 AEUV hinsichtlich der Überarbeitung der Gemeinsamen Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitentscheidungsverfahrens (jetzt „ordentliches Gesetzgebungsverfahren“) zu beraten, um dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon Rechnung zu tragen und den Anwendungsbereich einseitiger Erklärungen eindeutig zu begrenzen;

7.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission sowie den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.

  • [1]  ABl. C 73 vom 17.3.1999, S. 1.
  • [2]  Artikel 294 AEUV (in erster Lesung).
  • [3]  Artikel 13 EUV.

BEGRÜNDUNG

Dieser Bericht beruht auf der an den Ausschuss für konstitutionelle Fragen gerichteten Forderung der Konferenz der Ausschussvorsitzenden, den Standpunkt des Parlaments in Bezug auf die Bedeutung und den Rechtsstatuts einseitiger Erklärungen, die in die Protokolle der Tagungen des Rates aufgenommen werden, näher zu erläutern.

Mehrere Ausschussvorsitzende verliehen ihrer Sorge über die Häufung derartiger Erklärungen Ausdruck, insbesondere in Bezug auf das Mitentscheidungsverfahren, in dessen Rahmen sie die Rechtskraft und den Anwendungsbereich der angenommenen Rechtsakte und daher möglicherweise auch den Willen des Parlaments als Teil der Rechtsetzungsinstanz schwächen könnten.

In diesem Zusammenhang ist zu betonen, dass die fraglichen Erklärungen hauptsächlich von einem oder mehreren Mitgliedstaaten abgegeben werden, da diesen die Umsetzung von Rechtsakten in nationales Recht obliegt. Durch den Versuch, diese Rechtsakte in einer Art und Weise auszulegen, die von dem durch die beiden Teile der Rechtsetzungsinstanz einvernehmlich vereinbarten Ergebnis abweicht, würde die bei der Anwendung des Unionsrechts notwendige Kohärenz in der Tat beeinträchtigt werden.

Andere Erklärungen seitens eines Organs, des Ratsvorsitzes oder des Dreiervorsitzes könnten im Gegensatz hierzu im Hinblick auf die Feststellung paralleler Verpflichtungen oder die Ankündigung weiterer Schritte nützlich sein. Aus diesem Grund gibt das Parlament zuweilen Erklärungen ab, die – gegebenenfalls zusammen mit Erklärungen des Rates und/oder der Kommission – den angenommenen Rechtsakten beigefügt werden, die in der Reihe C des Amtsblatts der Europäischen Union veröffentlicht werden.

Die Rechtsprechung des Gerichtshofs bestätigt, dass im Rahmen der Auslegung eines Rechtsakts der Union einer Berufung auf derartige einseitige Erklärungen keine Bedeutung zukommt. Hierfür sind sie nur dann relevant, wenn in dem fraglichen Rechtsakt auf ihren Inhalt Bezug genommen wird.

In der Tat sollten Rechtsakte selbsterklärend sein und Bestandteile, die für ihre Auslegung notwendig sind, im verfügenden Teil oder in den Erwägungen niedergelegt werden.

Als dem Rat gleichgestellter Teil der Rechtsetzungsinstanz sollte das Parlament darüber hinaus während aller Phasen des Rechtsetzungsverfahrens über alle einseitigen Erklärungen der Mitgliedstaaten unterrichtet werden, die in die Protokolle der der Tagungen des Rates aufgenommen werden.

Seit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon werden die Protokolle des Teils der Sitzungen des Rates, der die Rechtssetzung betrifft, gemäß der geänderten Geschäftsordnung des Rates direkt an die Regierungen der Mitgliedstaaten und die nationalen Parlamente übermittelt, während das Parlament jedoch nicht unterrichtet wird. Dies verleiht den nationalen Parlamenten in Bezug auf Informationen eine bessere Position als dem Europäischen Parlament, obwohl dieses als Mitgesetzgeber neben dem Rat fungiert.

Um ihnen jedoch keine größere Bedeutung zu verleihen, sollten einseitige Erklärungen der Mitgliedstaaten zu Rechtsakten wiederum nicht im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht werden.

Aus den vorstehenden Ausführungen wird ersichtlich, dass eine Überarbeitung der gemeinsamen Erklärung zu den praktischen Modalitäten des Mitentscheidungsverfahrens notwendig ist, um zu gewährleisten, dass der Rückgriff auf einseitige Erklärungen soweit wie möglich verhindert wird und der Rat dem Parlament in allen Phasen des Rechtsetzungsverfahrens umfassende Informationen bereitstellt.

ERGEBNIS DER SCHLUSSABSTIMMUNG IM AUSSCHUSS

Datum der Annahme

12.7.2011

 

 

 

Ergebnis der Schlussabstimmung

+:

–:

0:

17

3

0

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Mitglieder

Carlo Casini, Andrew Duff, Ashley Fox, Matthias Groote, Roberto Gualtieri, Zita Gurmai, Gerald Häfner, Daniel Hannan, Stanimir Ilchev, Constance Le Grip, David Martin, Morten Messerschmidt, Paulo Rangel, Algirdas Saudargas, György Schöpflin, Søren Bo Søndergaard, Indrek Tarand, Rafał Trzaskowski, Luis Yáñez-Barnuevo García

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellvertreter(innen)

Evelyn Regner